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Informationen zum Dokument  BGE 115 Ib 393  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Erwägungen:
4. a) Nach Art. 15 Abs. 1 lit. a VStG haften für die Steuer  ...
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54. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Oktober 1989 i.S. X. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 15 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 VStG; Mithaftung des Liquidators; Befreiungsbeweis.  
 
Sachverhalt
 
BGE 115 Ib, 393 (394)Am 14. November 1986 verkaufte die I. S.A. ihre Liegenschaft, welche ihr einziges wesentliches Aktivum war. Seither ist die Gesellschaft nicht mehr aktiv. Einziger Verwaltungsrat der Gesellschaft war X. Am 10. Dezember 1987 teilte er gegenüber dem Handelsregisteramt seinen Rücktritt als Verwaltungsrat mit, und am 8. Juni 1988 wurde schliesslich die Eidgenössische Steuerverwaltung ersucht, ihre Zustimmung zur Löschung der Gesellschaft im Handelsregister zu erteilen.
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Die Eidgenössische Steuerverwaltung schloss daraus, dass die Gesellschaft ihrer wirtschaftlichen Substanz entleert, von den Beteiligten aufgegeben und faktisch liquidiert worden sei, und auferlegte der Gesellschaft für einen Liquidationsüberschuss von Fr. ... Verrechnungssteuern im Betrag von Fr. ... Sie bezeichnete zudem X. als solidarisch haftbar, weil er als (faktischer) Liquidator der Gesellschaft zu betrachten sei (Art. 15 Abs. 1 lit. a VStG).
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Gegen den Einspracheentscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung führt X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er bestreitet seine solidarische Haftung für die Verrechnungssteuerforderung.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen:
 
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Der Beschwerdeführer war seit dem 12. April 1985 als einziger Verwaltungsrat der I. S.A. im Handelsregister eingetragen und unterzeichnete auch den Kaufvertrag vom 14. November 1986 über die Veräusserung der Liegenschaft. Er war damit faktisch Liquidator der Gesellschaft und haftet als solcher solidarisch für die Steuer der liquidierten juristischen Person, zumal es für die Haftung des Liquidators keine Rolle spielt, ob er als solcher formell im Handelsregister eingetragen ist (ASA 55, 651, mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer kann sich von dieser Haftung nur befreien, wenn er nachweist, dass er "alles" ihm "Zumutbare zur Feststellung und Erfüllung der Steuerforderung getan hat" (Art. 15 Abs. 2 VStG).
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Ob der Liquidator "alles ... Zumutbare" getan hat, beurteilt sich nach den konkreten Umständen und den persönlichen Verhältnissen. Nach ständiger Rechtsprechung (BGE 106 Ib 379 /80; Urteile vom 16. November 1984 i.S. M. S.A. und vom 19. September 1985 BGE 115 Ib, 393 (395)i.S. G. und D. S.A.) muss der Liquidator nachweisen, dass er alles vorgekehrt hat, was sich nach den Umständen vernünftigerweise von ihm erwarten liess, damit die Steuerforderung festgestellt und erfüllt werden kann. Nach der Darstellung in der Beschwerdeschrift entfaltete der Beschwerdeführer als Verwaltungsrat der fraglichen Gesellschaft indessen keine Aktivitäten und begnügte sich beim Verkauf der Liegenschaft damit, dass der Notar die Grundstückgewinnsteuerberechnung geprüft, für in Ordnung befunden und bezahlt hatte. Was mit dem Verkaufserlös geschah, kümmerte den Beschwerdeführer nicht. Mit diesem Vorgehen liess der Beschwerdeführer dem oder den Aktionären völlig freie Hand. Er verlangte namentlich nicht, dass die Steuerschulden oder die übrigen Gesellschaftsschulden sichergestellt wurden. Auch wenn an ihn nicht die gleichen Anforderungen wie beispielsweise an einen Anwalt, Treuhänder oder Bücherexperten (BGE 106 Ib 380; ASA 55, 651 E. 2c) gestellt werden dürfen, hat er damit klarerweise nicht das getan, was einem Liquidator unter den gegebenen Umständen zugemutet werden durfte. Er haftet folglich solidarisch mit der Gesellschaft für deren Steuerschuld.
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b) Was der Beschwerdeführer zu seiner Befreiung vorbringt, dringt nicht durch. Es mag zutreffen, dass er als Bauzeichner oder Architekt über keine juristischen Kenntnisse hinsichtlich der Aufgaben und Verantwortlichkeiten eines Verwaltungsrates verfügte und insoweit seiner Aufgabe nicht gewachsen war. Es mag auch seine Richtigkeit haben, dass er im Rahmen der laufenden Geschäfte als Verwaltungsrat keine konkreten Aufgaben wahrzunehmen hatte. Wer jedoch ein Mandat als Verwaltungsrat (oder Liquidator) einer Gesellschaft übernimmt, kann sich nicht mit dem Vorwand von seiner Haftung befreien, er habe lediglich seinen Namen zur Verfügung gestellt; der Strohmann, der sich mit einem Mandat einverstanden erklärt, von dem er weiss, dass er es nicht gewissenhaft wird ausführen können, verletzt in schwerwiegender Weise seine Sorgfaltspflichten. Dem Beschwerdeführer hilft dabei auch nicht, dass sein Verwaltungsratshonorar in keinem Verhältnis zu der von ihm übernommenen Verantwortung stand. Denn die Verantwortlichkeit des Liquidators kann - im Interesse Dritter und des Fiskus - nicht davon abhängen, aus welchen Motiven er sich zur Übernahme des Mandats entschlossen hat und ob er für seine Tätigkeit angemessen entschädigt wird.
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