BGE 120 Ib 64 - Antennenverbot Küttigen | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Februar 1994 i.S. X. gegen Gemeinde Küttigen und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Informationsfreiheit; Art. 52 f. BG über Radio- und Fernsehen vom 21. Juni 1991 (RTVG; SR 784.40); Verbot von Dachantennen. |
Voraussetzungen, unter denen ein Ortsbild als "bedeutend" im Sinne von Art. 53 Abs. 1 lit. a RTVG gilt. Das Ortsbild der Dorfkernzone von Küttigen erfüllt diese Anforderungen jedenfalls in dem Teil, in welchem der Beschwerdeführer wohnt (E. 5). |
Mit dem Anschluss an ein Kabelnetz, das den Empfang von heute 21 Fernsehprogrammen gewährleistet, ist die von Art. 53 Abs. 1 lit. b RTVG als unabdingbare Voraussetzung für ein Antennenverbot geforderte Grundversorgung gewährleistet (E. 6). | |
Sachverhalt | |
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Am 18. Dezember 1989 stellte der Gemeinderat von Küttigen auf dem Dachfirst des Wohnhauses von X. eine nicht bewilligte Parabolantenne fest. Nachdem er diesem Gelegenheit gegeben hatte, sich zur Sache zu äussern, verfügte der Gemeinderat am 23. Januar 1990 den Abbruch der Antenne und büsste X. mit 300 Franken.
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Dagegen erhob X. Beschwerde ans Baudepartement des Kantons Aargau, welches am 27. September 1990 einen Augenschein durchführte. An diesem wurde vereinbart, dass X. ein Baugesuch für eine Parabolantenne auf der Südseite des Daches einreichen sollte. Das Verfahren wurde daraufhin sistiert. Am 26. Februar 1991 wies der Gemeinderat das neu eingereichte Baugesuch für eine solche in der Farbe des Daches braun lackierte Antenne, welche den Dachfirst nicht übersteigen würde, ab. Zur Begründung führte er an, das Wohnhaus befinde sich in der Dorfkernzone, in welcher nach § 66 BO Aussenantennen generell ausgeschlossen seien. Das Baudepartement nahm in der Folge das Verfahren wieder auf. Es wies die Beschwerde am 13. Juni 1991 ab und verfügte den Abbruch der Parabolantenne innert 30 Tagen.
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Diesen Entscheid fochten X. und Y., dessen Firma Z. AG die in Frage stehende Satellitenempfangsanlage hergestellt und montiert hatte, beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau an. Dieses wies die Beschwerde des ersteren am 16. Juni 1992 ab und trat auf diejenige des letzteren mangels Legitimation nicht ein.
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Dagegen gelangt X. mit Eingaben vom 28. Januar 1993 sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung verschiedener von EMRK, Bundesverfassung und Kantonsverfassung garantierter Individualrechte als auch mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 52 und 53 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen vom 21. Juni 1991 (RTVG; SR 784.40) ans Bundesgericht.
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Baudepartement, Gemeinderat und das Verwaltungsgericht beantragen, die Beschwerden abzuweisen. Das EVED äusserte sich am 10. Mai 1993 im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens zur Auslegung von Art. 53 RTVG im allgemeinen, verzichtet jedoch mangels eigener örtlicher Kenntnisse auf einen Antrag. Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht ein und weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Der angefochtene Entscheid wendet § 66 BO an, welcher wie folgt lautet: "Aussenantennen sind nicht gestattet. Bestehende Anlagen dürfen nicht erneuert werden." Diese Bestimmung widerspricht offensichtlich Art. 53 RTVG, der das Verbot von Aussenantennen nur noch für bestimmte Gebiete zulässt und ist insofern überholt. Der Gemeinderat ist sich dessen bewusst und will § 66 BO nur noch auf Dachantennen innerhalb der Dorfkernzone anwenden. Diese erstreckt sich auf einer Länge von rund 500 m entlang der Hauptstrasse und weist je eine Gebäudetiefe auf, ist somit durchaus ein "bestimmtes" Gebiet im Sinne des Bundesrechts.
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Im Entwurf für eine neue Bauordnung der Gemeinde ist die Bestimmung nicht mehr enthalten; es wird nur noch verlangt, dass sich Aussenantennen einwandfrei in das Orts- und Landschaftsbild einzupassen haben (§ 64 Entwurf BO, Fassung Kant. Vorprüfung vom Februar 1993).
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Es ist nicht zu beanstanden, dass die kantonalen Behörden den mit übergeordnetem Recht in Widerspruch geratenen § 66 BO bis zu dessen Revision einschränkend und verfassungskonform (Art. 2 ÜbBest. BV) auslegen. Zwar ist es unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit nicht unproblematisch, das nach dem Wortlaut der Bestimmung für das ganze Gemeindegebiet geltende Verbot von Aussenantennen nur noch auf Teile davon (die Dorfkernzone) und dort nur noch auf Dachantennen anzuwenden. Das muss jedoch zumindest für die Übergangszeit bis zur Revision der BO - sie befindet sich bereits in der kantonalen Vorprüfung - hingenommen werden, weil sonst die Gemeinde bis dahin keinerlei Handhabe mehr hätte, die Errichtung von Aussenantennen zu ordnen und gegebenenfalls zu verhindern, auch dort nicht, wo das zum Schutz eines bedeutenden Ortsbildes notwendig wäre. § 66 BO bildet somit, im Lichte von Art. 53 RTVG ausgelegt, eine genügende gesetzliche Grundlage für ein Antennenverbot.
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Gemäss Art. 53 Abs. 1 lit. a RTVG sind Antennenverbote nur zum Schutz bedeutender Ortsbilder zulässig. Aus den Materialien geht hervor, dass der Gesetzgeber damit ausdrücklich an die Formulierung von Art. 17 Abs. 1 lit. c RPG anknüpfen wollte; der Versuch des Ständerates, "bedeutend" zu streichen, wurde vom Nationalrat im Differenzbereinigungsverfahren bewusst verhindert (Amtl.Bull. Nationalrat 1991 S. 344).
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b) Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers wurde Küttigen ins Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz aufgenommen und als Ortsbild von regionaler Bedeutung eingestuft (hrsg. vom EDI, Bern 1988, Kanton Aargau Bd. 1 S. 20; ISOS). Richtig ist nur, dass Küttigen im Bundesinventar nicht dokumentiert ist, weil sich diese Dokumentation auf die Ortsbilder von nationaler Bedeutung beschränkt. Dementsprechend ist Küttigen im Anhang zur Verordnung über das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz vom 9. September 1981 (SR 451.12) ebenfalls nicht enthalten (Art. 5 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966, SR 451; NHG).
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Daraus folgt jedoch entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers noch keineswegs, dass das Ortsbild von Küttigen nicht bedeutend ist im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. c RPG bzw. Art. 53 Abs. 1 lit. a RTVG. Der Natur- und Heimatschutz ist in erster Linie Sache der Kantone (Art. 24sexies Abs. 1 BV), und ihnen obliegt es gemäss Art. 17 RPG auch in erster Linie, die für den Schutz bedeutender Ortsbilder erforderlichen Massnahmen zu treffen. Nach § 16 des Dekretes über den Schutz von Kulturdenkmälern vom 14. Oktober 1975 ist der Ortsbildschutz im Kanton Aargau Sache der Gemeinden; es liegt somit zunächst an ihnen, ihr Ortsbild zu beurteilen und die erforderlichen Schutzmassnahmen zu treffen.
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c) Nach § 44 Abs. 1 BO bildet die Dorfkernzone "das eigentliche Dorf Küttigen und wird in ihrem Gesamtbild als schützenswürdiger Ortsteil bezeichnet". Nach dem Grundplan (GP) des ISOS befindet sich die Liegenschaft des Beschwerdeführers im südöstlichen Teil der "Bebauung Trottegass", welche als Bebauung mit gewissen räumlichen und architekturhistorischen Qualitäten von insgesamt besonderer Bedeutung ausgeschieden ist, deren Substanz zu erhalten ist (Plan L: Zone G.3). Dem Ortsbild attestiert das Inventar (Plan O) gewisse Lage-, räumliche und architekturhistorische Qualitäten. Im Inventar werden zudem die räumlichen Qualitäten besonders hervorgehoben: "Gewisse räumliche Qualitäten durch den zusammenhängenden Strassenraum entlang der Durchgangsstrasse mit differenzierter Begrenzung durch die leichte Staffelung der Bauten. Ausgeprägte ländliche Raumbildungen in den seitlichen Bebauungsästen durch das ausgewogene Zusammenwirken von locker aufgereihten Altbauten und intakten Zwischenbereichen mit Ziergärten und Vorplätzen."
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d) Die Fotodokumentation (ISOS Plan F, Nrn. 17, 28) bestätigt diese räumliche Qualität, jedenfalls für den südöstlichen Teil der Bebauung Trottegass in unmittelbarer Nähe von zwei als Einzelobjekten geschützten Gebäuden an der Verzweigung der neuen Staffeleggstrasse (ehemaligen Zollhaus, Nr. 27, und Gasthof "zum Kreuz", Nr. 30; Plan L: Objekte E.1.0.3-4). Dieser Ortsteil verfügt zudem über architektonische Qualitäten, sind doch im Zonenplan sowohl die Liegenschaft des Beschwerdeführers, als auch die daran anstossenden übrigen Gebäude im Strassenknie Benkenstrasse - Alte Staffeleggstrasse als schützenswerte Häuser bezeichnet. Der Beschwerdeführer nennt keine Anhaltspunkte, welche die Einstufung dieses Gebiets als Ortsbild von regionaler Bedeutung durch das ISOS in Frage stellen würden. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass Gemeinde und Vorinstanz diesen Teil des Ortsbilds als bedeutend im Sinn von Art. 17 Abs. 1 lit. c RPG bzw. Art. 53 Abs. 1 lit. a RTVG betrachten. Ob das für die gesamte Dorfkernzone gleichermassen gilt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Das ISOS stuft ihre Erhaltenswürdigkeit südlich der Verzweigung Staffeleggstrasse-Trottengasse weniger hoch ein, während andere Gebiete, etwa die Bebauung Vorstadt oder der Mühlebezirk, als bedeutende Ortsbilder ebenfalls in Betracht kämen.
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Die Liegenschaft des Beschwerdeführers befindet sich demzufolge innerhalb eines bedeutenden Ortsbildes, und es steht ausser Frage, dass dieses gerade im aus verschiedenen Richtungen von den Höhen her einsehbaren Küttigen durch Parabol-Dachantennen beeinträchtigt würde. Das Antennenverbot liegt daher im öffentlichen Interesse (Art. 53 Abs. 1 lit. a RTVG).
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Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das angefochtene Antennenverbot auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht und von Art. 53 RTVG anerkannte öffentliche Interessen verfolgt, welche die entgegenstehenden Privatinteressen des Beschwerdeführers überwiegen. Es trifft ihn nicht unverhältnismässig, da er über das Kabel 21 Programme empfangen kann und ihm nicht untersagt ist, an einem anderen (vielleicht etwas weniger idealen) Standort eine Parabolantenne aufzustellen.
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