VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 80 I 237  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Regeste
1. Der in Brissago heimatberechtigte, seit 1939 in Basel niedergelassene Beschwerdeführer ist wegen zahlreicher Polizeiübertretungen bestraft und ausserdem im Jahre 1951 wegen fortgesetzter Urkundenfälschung und versuchtem Betrug zu 6 Wochen und am 19. März 1954 wegen Hehlerei zu 10 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt hat ihm deshalb auf Grund von Art. 45 Abs. 3 BV die Niederlassung im Kantonsgebiet für die Dauer von 10 Jahren entzogen (Beschluss vom 10. August 1954).
2. Die Niederlassung durfte dem Beschwerdeführer entzogen we ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
38. Urteil vom 13. Oktober 1954 i.S. Beretta gegen Basel-Stadt, Regierungsrat.
 
 
Regeste
 
Art. 45 Abs. 3 BV.  
 
BGE 80 I, 237 (237)1. Der in Brissago heimatberechtigte, seit 1939 in Basel niedergelassene Beschwerdeführer ist wegen zahlreicher Polizeiübertretungen bestraft und ausserdem im Jahre 1951 wegen fortgesetzter Urkundenfälschung und versuchtem Betrug zu 6 Wochen und am 19. März 1954 wegen Hehlerei zu 10 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt hat ihm deshalb auf Grund von Art. 45 Abs. 3 BV die Niederlassung im Kantonsgebiet für die Dauer von 10 Jahren entzogen (Beschluss vom 10. August 1954).
 
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde wird die Aufhebung dieses Niederlassungsentzuges verlangt. Der Regierungsrat beantragt die Abweisung der Beschwerde.
1
2. Die Niederlassung durfte dem Beschwerdeführer entzogen werden, wenn er wiederholt wegen schwerer Vergehen gerichtlich bestraft worden ist (Art. 45 Abs. 3 BV). Das Erfordernis wiederholter Verurteilung ist erfüllt, wenn wenigstens zwei gerichtliche Verurteilungen wegen schwerer Vergehen vorliegen, wovon das eine nach der Bestrafung BGE 80 I, 237 (238)für das erste und während der Niederlassung im Kanton des Entzuges begangen worden ist; das Requisit der Schwere ist gegeben, wenn die Vergehen derart sind, dass sie eine für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährliche Gesinnung des Täters offenbaren.
2
Dass die Verurteilung des Beschwerdeführers vom Jahre 1951 schwer im Sinne dieser Vorschrift ist, kann nicht zweifelhaft sein, wird übrigens vom Beschwerdeführer anerkannt. Die Hehlerei, welche zum Urteil vom 19. März 1954 führte, hängt mit dem Diebstahl einer 100 Frankennote durch zwei Frauen zusammen. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers bestand darin, dass er in Kenntnis des Diebstahls half, die Note im Zimmer einer der beiden Frauen in einer elektrischen Steckdose zu verbergen (Urteil des Strafgerichts von Basel-Stadt vom 19. März S. 2). Das Urteil schliesst aus dem Verhalten des Beschwerdeführers auf die Intensität des verbrecherischen Willens, das gestohlene Gut so gut als möglich für die Geliebte sicherzustellen, anerkennt indes, dass das Verschulden insofern etwas gemildert ist, als der Beschwerdeführer ungewollt Mitwisser des vorausgegangenen Diebstahls wurde und sich aus falsch verstandener Hilfsbereitschaft zu der Tat verpflichtet fühlte.
3
Der Strafrichter hat also das Vergehen weder als besonders schweren noch als besonders leichten Fall im Sinne von Art. 144 Abs. 2 StGB angesehen. Für die Würdigung der Schwere im Sinne von Art. 45 Abs. 3 BV kommt es übrigens hierauf nicht entscheidend an, sondern darauf, ob die Tat eine gemeine und gefährliche Gesinnung des Täters kundtue.
4
Die Hehlerei gehört zu den Vermögensdelikten. Nach einer früheren Praxis (vgl.BGE 74 I 260Erw. 1) galten derartige Vergehen dann als schwer, wenn sie keinen ganz geringfügigen Sachverhalt betrafen. Nach der neueren Rechtsprechung müssen auch solche Delikte von einer gewissen Schwere sein. Vergehen gegen das Vermögen, für die Strafen von weniger als 3-4 Wochen ausgesprochen BGE 80 I, 237 (239)werden, bekunden nicht notwendig eine für die öffentliche Ordnung und Sicherheit so gefährliche Gesinnung, dass sich deshalb der Entzug der Niederlassung rechtfertigen würde (Urteil vom 12. Mai 1954 i.S. Hirschi, wo eine Verurteilung zu 30 Tagen Gefängnis wegen Veruntreuung als schwer, eine solche von 10 Tagen Gefängnis wegen desselben Sachverhaltes dagegen als nicht schwer bezeichnet wird). Danach kann die Verurteilung zu 10 Tagen Gefängnis wegen Hehlerei aber regelmässig nicht als schwer im Sinne von Art. 45 Abs. 3 BV gelten. Ganz besondere Umstände, die es rechtfertigen würden, von dieser Regel abzuweichen, liegen nicht vor. Dass der Beschwerdeführer wegen zahlreicher Polizeiübertretungen mit Busse oder Haft bestraft worden ist, genügt dafür nicht. Diese ändern an der Feststellung nichts, dass der Beschwerdeführer nicht schlecht oder für die öffentliche Sicherheit geradezu gefährlich, sondern mehr haltlos und leichtsinnig ist (vgl. den Polizeibericht vom 20. September 1954).
5
Demnach erkennt das Bundesgericht:
6
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der über den Beschwerdeführer angeordnete Niederlassungsentzug aufgehoben.
7
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).