VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 85 I 62  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ein Vorgang nic ...
2. Gemäss Art. 807 Abs. 2 OR darf die Gesellschaft mit besch ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
10. Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Februar 1959 i.S. René Akerman G.m.b.H. gegen Eidgenössisehes Amt für das Han- delsregister.
 
 
Regeste
 
1. Art. 940 OR, Art. 21 HRegV, Prüfungspflicht des Handelsregisterführers. Ein Vorgang ist auch dann in das Handelsregister einzutragen, wenn sich darüber streiten lässt, ob das materielle Zivilrecht ihn gestatte (Erw. 1).  
 
Sachverhalt
 
BGE 85 I, 62 (63)A.- Das Handelsregisteramt des Kantons Zürich verurkundete am 30. September 1958 im Tagebuch, die Gesellschafterversammlung der René Akermann G.m.b.H. habe durch Statutenänderung vom 19. August 1958 das Stammkapital der Gesellschaft von Fr. 20'000.-- aufFr. 150'000.-- erhöht; die Stammeinlage des René Emil Akermann sei auf Fr. 40'000.-- heraufgesetzt worden, Suzanne Akermann geb. Lüdi sei mit einer Stammeinlage von Fr. 10'000.-- als neue Gesellschafterin eingetreten und die Gesellschaft habe eine weitere neue Stammeinlage von Fr. 100'000.-- geschaffen und sie aus freien Reserven liberiert; diese Einlage gehöre der Gesellschaft selber.
1
Am 2. Oktober 1958 teilte das Eidgenössische Amt für das Handelsregister dem Handelsregisteramt des Kantons Zürich mit, es könne jenen Teil der Eintragung, der sich auf die Schaffung einer neuen Stammeinlage zu Fr. 100.000.-- auf den Namen der Gesellschaft beziehe, nicht genehmigen, denn die Gesellschaft könne nicht ihre eigene Gesellschafterin sein. Das kantonale Handelsregisteramt gab der René Akermann G.m.b.H. am 4. Oktober 1958 von dieser Verfügung Kenntnis.
2
B.- Die René Akermann G.m.b.H. führt mit Eingabe vom 16. Oktober 1958 gemäss Art. 97 ff. OG beim Bundesgericht Beschwerde. Sie beantragt, die Eintragung über die Schaffung einer neuen Stammeinlage zu Fr. 100'000.-- auf den Namen der Gesellschaft sei zu genehmigen und im Schweizerischen Handelsamtsblatt zu veröffentlichen. Sie beruft sich auf Art. 807 Abs. 2 OR.
3
C.- Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Es macht geltend, Art. 807 OR erlaube nur den abgeleiteten Erwerb BGE 85 I, 62 (64)von eigenen Gesellschaftsanteilen durch die Gesellschaft und dürfe nicht ausdehnend ausgelegt werden.
4
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ein Vorgang nicht schon dann ungeeignet, in das Handelsregister eingetragen und veröffentlicht zu werden, wenn seine Zulässigkeit vom Standpunkt des materiellen Zivilrechts aus zweifelhaft ist, sondern nur dann, wenn er diesem offensichtlich widerspricht. Denn im Handelsregister sind nicht nur die zweifellos statthaften, sondern auch solche Vorgänge offenkundig zu machen, über deren Zulässigkeit sich streiten lässt. Solche Streitigkeiten zu entscheiden, ist Sache des ordentlichen Richters, nicht der Handelsregisterbehörden und des Bundesgerichts als Verwaltungsgericht. Diese haben nur darüber zu wachen, dass das Handelsregister nicht zur Bekanntgabe von Vorgängen missbraucht werde, die vom ordentlichen Richter unmöglich geschützt werden könnten. Registerbehörden und Verwaltungsgericht haben daher nicht eingehend zu prüfen, ob ein Vorgang, um dessen Eintragung nachgesucht wird, nach materiellem Zivilrecht zulässig sei, sondern nur, ob er ihm nicht offensichtlich widerspreche (BGE 67 I 113f., 345,BGE 78 I 450).
5
In diesem Sinne ist das Prüfungsrecht auch im vorliegenden Falle beschränkt, denn die Streitfrage, ob eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung sich unter Verwendung freier Rücklagen an der Erhöhung ihres Stammkapitals beteiligen dürfe, gehört dem materiellen Gesellschaftsrecht, nicht dem Registerrecht an.
6
2. Gemäss Art. 807 Abs. 2 OR darf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung voll einbezahlte eigene Gesellschaftsanteile erwerben, aber nur aus dem über das Stammkapital hinaus vorhandenen Gesellschaftsvermögen. Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister glaubt, diese Bestimmung sei erlassen worden, um einem Gesellschafter den Austritt aus der Gesellschaft zu erleichtern. Das mag BGE 85 I, 62 (65)zutreffen. Daraus folgt jedoch nicht zwingend, Art. 807 Abs. 2 OR sei eine Ausnahmebestimmung, die auf einen anderen Tatbestand nicht entsprechend angewendet werden dürfe. Wenn um des erwähnten Zweckes willen die vom Eidgenössischen Amt für das Handelsregister so genannte "Monstruosität", die Gesellschaft zum eigenen Gesellschafter werden zu lassen, in Kauf genommen wurde, kann sie auch tragbar sein, wenn sie darauf beruht, dass die Gesellschaft das Stammkapital zulasten ihrer freien Rücklagen erhöht. Für die Zulässigkeit dieses Vorgehens spricht, dass das Endergebnis auf dem in Art. 807 Abs. 2 OR vorgesehenen Wege ohnehin erreicht werden könnte, da der Gesellschaft nicht verboten ist, einen Dritten zur Zeichnung und Einzahlung der neuen Stammeinlage zu veranlassen und ihm den so geschaffenen Gesellschaftsanteil zulasten der freien Rücklage abzukaufen. Es müssten schon triftige Gründe vorgebracht werden können, die dafür sprächen, dass das Gesetz zwar diesen Umweg gestattet, aber die unmittelbare Erhöhung des Stammkapitals zulasten der freien Rücklage verbieten wolle. Solche Gründe nennt das Eidgenössische Amt für das Handelsregister keine. In steuerrechtlichen Gesichtspunkten, die es glaubt berücksichtigen zu müssen, können sie nicht liegen, da solchen nicht vom Zivilgesetzgeber Rechnung getragen wird. Die Auffassung, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung dürfe zulasten ihrer freien Rücklagen neue Stammeinlagen schaffen, wird denn auch in der Rechtsprechung und im Schrifttum zum deutschen Recht, das in § 33 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung eine dem Art. 807 Abs. 2 OR entsprechende Norm enthält, nicht einhellig abgelehnt. Sie wird unter Hinweis auf Gerichtsentscheide z.B. von SCHMIDT in der sechsten Auflage von HACHENBURGS Kommentar zum erwähnten Gesetze, Anmerkung 20 zu § 33, vertreten. Da sie auch für das schweizerische Recht nicht offensichtlich unhaltbar ist, kann der Beschwerdeführerin die Eintragung und Veröffentlichung ihrer Beteiligung BGE 85 I, 62 (66)am erhöhten eigenen Stammkapital nicht verwehrt werden. Dass diese Beteiligung aus der freien Rücklage gedeckt wurde, das erhöhte Stammkapital also im vollen Umfange tatsächlich vorhanden ist, wird vom Eidgenössischen Amt für das H andelsregister nicht bestritten.
7
Demnach erkennt das Bundesgericht:
8
In Gutheissung der Beschwerde wird die vom Handelsregisteramt des Kantons vorgenommene Eintragung über die Schaffung einer neuen Stammeinlage zu Fr. 100'000.-- auf den Namen der René Akermann G.m.b.H. genehmigt und ihre Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt angeordnet.
9
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).