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Informationen zum Dokument  BGE 87 I 131  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
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21. Auszug aus dem Urteil vom 3. Mai 1961 i.S. Heiniger gegen Hoegger & Co. und Bezirksgericht Gossau.
 
 
Regeste
 
Eine vor Art. 11 HRG unzulässige Gerichtstandsvereinbarung schliesst nicht aus, dass der Besteller sich auf die Klage vor dem vereinbarten Richter einlässt.  
 
Sachverhalt
 
BGE 87 I, 131 (131)A.- Mit Vertrag vom 4. August 1958 kaufte der Beschwerdeführer von der Beschwerdegegnerin einen Traktor. In den Lieferungsbedingungen wird als Erfüllungsort für Lieferung und Zahlung und als Gerichtsstand Gossau vereinbart. Da der Käufer in der Folge den Vertrag nicht halten wollte, klagte die Verkäuferin gegen ihn vor dem Bezirksgericht Gossau auf Vertragserfüllung. Der Beklagte liess die Antwortfrist unbenützt verstreichen. Darauf BGE 87 I, 131 (132)wurde ihm eine Notfrist von 14 Tagen angesetzt. Er bestätigte den Erhalt und erklärte mit Schreiben vom 26. Juni 1959 sich "rein an den Kaufvertrag zu halten". Da sein Vater, der den Traktor finanzieren sollte, den Vertrag noch nicht unterzeichnet habe, werde dieser wohl kaum rechtsgültig sein. Zur ersten Tagfahrt erschien der Beklagte nicht und musste peremtorisch vorgeladen werden. Am 22. April 1960 erliess das Bezirksgericht das Versäumnisurteil, mit dem es die Klage schützte. Der Beschwerdeführer wandte sich mit einer Rechtsverweigerungsbeschwerde an das Kantonsgericht St. Gallen. Er machte geltend, die vereinbarte Gerichtstandsklausel sei gemäss Art. 11 des Bundesgesetzes über die Handelsreisenden nichtig und diese Nichtigkeit von Amtes wegen zu berücksichtigen. Die erste Instanz habe auch willkürlich angenommen, der Beklagte habe sich stillschweigend auf die Klage eingelassen; denn es habe kein Vorverfahren stattgefunden, weil der Brief des Beklagten vom 26. Juni 1959 keine Klageantwort darstelle. Das Kantonsgericht hat die Beschwerde mit Entscheid vom 20. Oktober 1960 abgewiesen.
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B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 22. Februar 1961 beantragt Werner Heiniger, die Urteile des Bezirksgerichtes Gossau vom 22. April 1960 und der Rekurskommission des Kantonsgerichtes vom 20. Oktober 1960 aufzuheben.
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Aus den Erwägungen:
 
Das Bezirksgericht geht davon aus, aus dem Schreiben des Beklagten vom 26. Juni 1959 müsse auf eine stillschweigende Genehmigung des Gerichtstandes im Sinne von Art. 91 Abs. 3 ZPO geschlossen werden. Die Rekurskommission versteht das dahin, dass nachträglich, d.h. im gerichtlichen Verfahren eine stillschweigende Gerichtstandsvereinbarung zustande gekommen sei, indem der Beklagte dem von der Klägerin in Anspruch genommenen Gerichtstand Gossau zugestimmt habe, und dass ein BGE 87 I, 131 (133)Käufer, der den Vertrag mit einem Kleinreisenden abgeschlossen habe, auf den ihm durch Art. 11 HRG eingeräumten Vorteil dadurch verzichten könne, dass er mit dem Verkäufer selbst, ausdrücklich oder stillschweigend, einen neuen Gerichtstand vereinbare. Die Rekurskommission erklärt dazu, diese Auffassung lasse sich vom Standpunkt der Willkür vertreten, erscheine nicht schlechthin als unhaltbar.
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Art. 11 HRG schreibt, wie im Urteil über die Berufung ausgeführt wird, nicht zwingend den Gerichtstand am Wohnsitz des Bestellers vor, und die Wirkung des Verbotes besteht nur darin, dass die Klausel nicht beachtet werden darf. Er will verhindern, dass der Besteller vor einem andern als seinem ordentlichen Richter sein Recht suchen müsse auf Grund einer Vereinbarung, bei deren Abschluss er noch nicht daran glaubte, dass sie wirksam werden könne, ein Anstand darüber jedenfalls noch nicht bestand. Ist aber der Prozess vor dem Richter der nichtigen Vereinbarung eingeleitet worden und muss sich der beklagte Käufer auf Grund der Zustellung der Klage und der Aufforderung, darauf zu antworten, und allenfalls einer Vorladung darüber bewusst sein, dass er genötigt werden wolle, sich vor dem vereinbarten Richter zu verantworten, so besteht kein Anlass mehr, ihn zu hindern, einen neuen Gerichtstand insbesondere durch Einlassung zu begründen. Nach der Rechtsprechung kommt es dabei für die Frage, ob der Beklagte auf das Recht verzichtet habe, die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Richters zu bestreiten, nicht entscheidend darauf an, ob nach dem kantonalen Recht Einlassung angenommen werden könne. Ob eine die Garantie des Art. 59 BV ausschliessende Einlassung vorliege, beurteilt sich vielmehr nach den Grundsätzen, welche das Bundesgericht zu Art. 59 BV entwickelt hat (BGE 68 I 150, BGE 67 I 108und die hier genannten weitern Entscheidungen).
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Danach hat sich der Beklagte auf den Streit eingelassen, wenn er sich gegenüber der beim unzuständigen Richter BGE 87 I, 131 (134)eingereichten Klage derart verhalten hat, dass die nachträgliche Erhebung der Unzuständigkeitseinrede aus dem Gesichtspunkt der bona fides im Rechtsverkehr nicht gebilligt werden kann. Dieser Maxime widerspricht die nachträgliche Bestreitung der Zuständigkeit dann, wenn der Beklagte dem Gericht gegenüber den Willen bekundet hat, vorbehaltlos zur Sache zu verhandeln (BGE 67 I 108mit Zitaten).
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Der Beschwerdeführer hat sich im Prozess nicht rein passiv verhalten. Er erklärte gegenüber dem Gerichtspräsidenten vielmehr, er halte sich an den Kaufvertrag, und da der Vater das Geschäft hätte finanzieren sollen, den Vertrag aber bis dahin nicht unterzeichnet habe, werde der Vertrag kaum rechtsgültig sein. Er bestritt damit nicht die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Richters, sondern wendete Ungültigkeit des Kaufvertrages ein, erhob also gegenüber der Klage eine Einrede aus dem abgeschlossenen Vertrag. Dadurch hat er, wenn auch summarisch, sich auf den Prozess eingelassen, das Zustandekommen eines für ihn verbindlichen Kaufvertrages in Abrede gestellt, weil er vom Geldgeber nicht unterzeichnet worden sei, und sich damit zur Klage in einer Weise verhalten, welche die nachträgliche Erhebung der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit ausschliesst...
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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