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Informationen zum Dokument  BGE 89 I 11  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4 BV si ...
2. Die Beschwerdeführerin ist nicht Eigentümerin des in ...
3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Tatsache, dass  ...
4. Das fragliche Grundstück besitzt heute schon eine im Rahm ...
5. Nach § 2 Abs. 1 StVVO sind die Errichtung neuer und die w ...
6. Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, es ste ...
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3. Urteil vom 13. Februar 1963 i.S. Shell Switzerland gegen Regierungsrat des Kantons Solothurn.
 
 
Regeste
 
Staatsrechtliche Beschwerde (Art. 87 und 88 OG). Voraussetzungen der Willkürbeschwerde gegen einen Zwischenentscheid (Erw. 1). Legitimation des Inhabers eines Baurechts zur 8cschwerde wegen Verweigerung der Baubewilligung (Erw. 2).  
Willkür, rechtsungleiche Behandlung. Verweigerung der Bewilligung zur Umwandlung der für landwirtschaftliche Zwecke benutzten Ein- und Ausfahrt an einer öffentlichen Strasse in eine solche für eine Tankstelle und Service-Station (Erw. 4-6).  
 
Sachverhalt
 
BGE 89 I, 11 (12)A.- Dr. Kurt Stampfli räumte auf seinem landwirtschaftlich beworbenen Grundstück GB Nr. 3462 an der Rötistrasse 33 in Solothurn der Shell Switzerland ein Baurecht für die Errichtung und den Betrieb einer Service-Station ein. Die Shell Switzerland stellte am 1. Juni 1962 bei der Baukommission der Stadt Solothurn ein entsprechendes Baugesuch für die Erstellung dieser Service-Station mit zwei Tanksäulen und einer mobilen Kabine mit Büro, W.C. und Geräteraum.
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Die geplante Service-Station würde an der Rötistrasse liegen, die eine Durchgangsstrasse erster Klasse ist. Nach § 2 der Verordnung des Regierungsrates des Kantons Solothurn über den Schutz des Strassenverkehrs vom 31. Januar 1958 (StVVO) sind die Errichtung neuer und die wesentliche Erweiterung bestehender Ein- und Ausfahrten an Durchgangsstrassen erster Klasse verboten.
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Der Regierungsrat kann Ausnahmen gestatten, wenn die Ein- und Ausfahrten einem Bedürfnis für die Verkehrsabwicklung entsprechen, verkehrstechnisch richtig gestaltet BGE 89 I, 11 (13)werden und die zweckmässige Erschliessung eines Grundstückes anders nicht möglich ist. Nach § 5 StVVO haben die Baubehörden Gesuche für Bauten an Durchgangsstrassen dem Baudepartement zuhanden des Regierungsrates zuzustellen zur Kontrolle, ob Ein- und Ausfahrten vorgesehen werden. Bei Entscheiden im Sinne von § 2 ist gemäss § 13 StVVO die Stellungnahme der kantonalen Verkehrskommission oder ihres Ausschusses einzuholen.
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Auf Grund von § 5 StVVO unterbreitete die städtische Baukommission das Baugesuch der Shell Switzerland dem kantonalen Baudepartement, das seinerseits die Akten dem Ausschuss der kantonalen Verkehrskommission zur Begutachtung zustellte. Dieser führte einen Augenschein durch und beantragte am 3. Juli 1962 dem Baudepartement, die Errichtung der Service-Station aus verkehrspolizeilichen Gründen abzulehnen, da direkte Ein- und Ausfahrten am fraglichen Ort unerwünscht seien. Polizei- und Baukommission der Stadt Solothurn schlossen sich dieser Auffassung an.
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B.- Auf Antrag des kantonalen Baudepartementes lehnte der Regierungsrat des Kantons Solothurn am 9. Oktober 1962 das Gesuch um Erteilung einer Bewilligung für direkte Ein- und Ausfahrten im Zusammenhang mit der geplanten Service-Station der Shell Switzerland ab.
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C.- Diesen Entscheid des Regierungsrates ficht die Shell Switzerland mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV an. Sie beantragt, ihn aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erteilung der Bewilligung an den Regierungsrat zurückzuweisen. Auf die Begründung der Beschwerde wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen hingewiesen.
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D.- Im Namen des Regierungsrates beantragt das Baudepartement des Kantons Solothurn, die Beschwerde abzuweisen. Auf die Ausführungen in der Beschwerdeantwort wird ebenfalls in den Erwägungen hingewiesen, soweit sich dies als nötig erweist.
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BGE 89 I, 11 (14)Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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Der angefochtene Entscheid des Regierungsrates erging im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens über die Vorfrage, ob für die im Bauprojekt vorgesehene Ein- und Ausfahrt an der Rötistrasse eine Ausnahmebewilligung gemäss § 2 Abs. 2 StVVO zu erteilen sei. Der Entscheid hierüber ist für die Baubehörden verbindlich und kann durch die Anfechtung ihrer Entscheide nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der Beschluss des Regierungsrates, mit dem eine Ausnahmebewilligung für die Ein- und Ausfahrt abgelehnt wird, besiegelt daher das Schicksal des Baugesuches der Beschwerdeführerin, an der fraglichen Stelle eine Service-Station errichten zu dürfen, endgültig in negativem Sinne. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob es sich beim angefochtenen Entscheid des Regierungsrates um einen Endentscheid mit Bezug auf die ausschliesslich von ihm zu beurteilende verkehrspolizeiliche Frage der Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Errichtung einer Ein- und Ausfahrt handle oder um einen blossen Zwischenentscheid im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens, denn auch im letzteren Falle hat er wegen seiner Verbindlichkeit für die Baubehörden einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil für die Beschwerdeführerin zur Folge, sodass im einen wie im anderen Falle die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV gemäss Art. 87 OG zulässig ist.
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BGE 89 I, 11 (15)Die Beschwerdeführerin ist daher grundsätzlich berechtigt, auf dem betreffenden Grundstück die geplante Service-Station zu bauen. Die Verweigerung der Bewilligung durch den Regierungsrat, die für die Station erforderliche Ein- und Ausfahrt anzulegen, greift demnach in die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin ein, weshalb sie gemäss Art. 88 OG zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert ist (BGE 86 I 102 Erw. 3).
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Nach § 2 StVVO sind die für die geplante Service-Station notwendigen Ein- und Ausfahrten grundsätzlich verboten, weil sie an eine Durchgangsstrasse erster Klasse zu liegen kämen. Um ihr Bauprojekt verwirklichen zu können, bedarf somit die Beschwerdeführerin einer Ausnahmebewilligung im Sinne von § 2 Abs. 2 StVVO. Demgemäss wären bereits im Baugesuch die Gründe darzulegen gewesen, welche die Erteilung einer solchen Ausnahmebewilligung hätten rechtfertigen können. Mit Recht macht die Beschwerdeführerin nicht geltend, dass sie daran gehindert worden sei. Wenn sie gleichwohl von dieser Möglichkeit, ihren Standpunkt darzulegen, keinen Gebrauch gemacht hat, kann sie sich nicht hinterher über eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs beklagen, weil ihr in einem späteren Stadium des Verfahrens nicht noch einmal Gelegenheit geboten wurde, ihre Auffassung zu begründen. Die Beschwerdeführerin nennt keine gesetzliche BGE 89 I, 11 (16)Bestimmung, die etwas derartiges vorsehen würde, und dem unmittelbar sich aus Art. 4 BV ergebenden Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs ist schon damit Genüge getan, dass der Beschwerdeführerin die Möglichkeit offenstand, ihre Auffassung im Baugesuch darzulegen. Insbesondere lässt sich ein Anspruch der Beschwerdeführerin, sich vor Ausfällung des angefochtenen Entscheides zu den vom Regierungsrat eingeholten internen Berichten der kantonalen Verkehrskommission, der städtischen Polizeikommission und der städtischen Baukommission zu äussern, nicht unmittelbar aus Art. 4 BV ableiten (vgl. betreffend Einsicht in verwaltungsinterne Auskünfte: BGE 83 I 155 Erw. 5, sowie die nicht veröffentlichten Urteile vom 1. Juni 1955 in Sachen Tenner, Erw. 2, und 31. Januar 1962 in Sachen Bau- & Verwaltungs AG, Erw. 3 a).
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Selbst wenn übrigens die Beschwerdeführerin keine Möglichkeit gehabt hätte, sich zur Frage der Ausnahmebewilligung zu äussern, bevor darüber entschieden wurde, läge keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor, weil - wie der Regierungsrat in der Beschwerdeantwort ausdrücklich erklärt hat - der Beschwerdeführerin mit Bezug auf den angefochtenen Verwaltungsentscheid die Möglichkeit eines Wiedererwägungsgesuches offensteht (BGE 74 I 249).
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Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin würde sich die Zulassung neuer Beweismittel im vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht rechtfertigen, auch wenn ihr im kantonalen Verfahren das Gehör verweigert worden wäre. Die Folge wäre vielmehr die, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben werden müsste und die kantonale Instanz nach Anhören der Beschwerdeführerin neu zu entscheiden hätte. - Unter "neuen Beweismitteln" versteht die Beschwerdeführerin offenbar das Privatgutachten von Ingenieur Biermann vom 31. Oktober 1962, das erst nach dem Entscheid des Regierungsrates erstattet worden ist, somit neu ist und als BGE 89 I, 11 (17)"Beweismittel" bei staatsrechtlichen Beschwerden der vorliegenden Art nicht zugelassen werden kann. Dagegen steht es der Beschwerdeführerin frei, die Auffassung von Ingenieur Biermann für die Begründung ihres Beschwerdestandpunktes, dass der angefochtene Entscheid materiell willkürlich sei, zu übernehmen.
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Vorbehältlich einer Ausnahmebewilligung verbietet indessen § 2 StVVO nicht nur die Errichtung neuer, sondern auch "die wesentliche Erweiterung bestehender Ein- und Ausfahrten" an Durchgangsstrassen erster Klasse. Es liegt auf der Hand, dass die Ein- und Ausfahrt für eine Service-Station sich hinsichtlich Ausbau und Frequenz wesentlich von derjenigen für einen landwirtschaftlichen Betrieb unterscheidet und die Umwandlung einer solchen in die Ein- und Ausfahrt für eine Tankstelle ohne jede Willkür als eine "wesentliche Erweiterung" im Sinne von § 2 Abs. 1 StVVO bezeichnet werden darf, die gemäss Abs. 2 der nämlichen Bestimmung nur auf Grund einer Ausnahmebewilligung zulässig ist. In der Beschwerde selber wird denn auch ausgeführt, dass bei Errichtung der Service-Station im Interesse der Erhöhung der Sicherheit und der Flüssigkeit des Verkehrs auf der Rötistrasse "eine gewisse Erweiterung bezw. Anpassung" der bestehenden Ein- und Ausfahrten notwendig sei.
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5. Nach § 2 Abs. 1 StVVO sind die Errichtung neuer und die wesentliche Erweiterung bestehender Ein- und Ausfahrten an Durchgangsstrassen erster Klasse grundsätzlich verboten. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung "kann" der Regierungsrat unter den dort genannten Umständen BGE 89 I, 11 (18)Ausnahmen gestatten, muss es aber nicht. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung ist seinem Ermessen überlassen. Der Entscheid hängt wesentlich davon ab, ob die geplanten Ein- und Ausfahrten die Sicherheit und Flüssigkeit des Strassenverkehrs beeinträchtigen. Im Vordergrunde steht demnach die Würdigung der örtlichen Verhältnisse, denen die kantonalen Behörden näher stehen als das Bundesgericht. Es kann nicht seine Aufgabe sein, sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der kantonalen Behörden zu setzen und im Einzelfalle alle für und gegen die Gewährung einer Ausnahmebewilligung sprechenden Gründe gegeneinander abzuwägen. Das Bundesgericht schreitet deshalb nur ein, wenn die kantonale Behörde ihr freies Ermessen offensichtlich überschritten oder missbraucht hat und daher in Willkür verfallen ist (BGE 83 I 150 Erw. 5; Urteil vom 28. Februar 1962 in Sachen Protractor AG, Erw. 3). Dies behauptet die Beschwerdeführerin, doch ist ihre Rüge unbegründet.
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Der Regierungsrat hat in den Erwägungen des angefochtenen Entscheides die Gründe eingehend dargelegt, die der Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Errichtung der geplanten Ein- und Ausfahrt entgegenstehen. Was die Beschwerdeführerin auf Grund des Privatgutachtens Biermann dagegen vorbringt, ist eine rein appellatorische Kritik, die nicht darzutun vermag, dass der Regierungsrat das ihm zustehende Ermessen willkürlich gehandhabt habe. Insbesondere lässt sich die Auffassung des Regierungsrates nicht schon deswegen als willkürlich bezeichnen, weil nach den Normen der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachmänner der Bewilligung der streitigen Tankstelle angeblich nichts im Wege stehen würde. Das schliesst nicht aus, dass der Regierungsrat strengere Anforderungen an die Erteilung einer Ausnahmebewilligung stellen kann, wenn es sich auf Grund der konkreten Verkehrsverhältnisse auf dem in Frage stehenden Strassenstück sachlich rechtfertigen lässt. Dass dies schlechterdings nicht der Fall sei, tut BGE 89 I, 11 (19)die Beschwerde nicht dar; im Gegenteil gibt sie ausdrücklich zu, dass die vorgesehene Ausfahrt in den Bereich der Vorsortierungsspuren vor der grossen Strassenkreuzung beim Baseltor zu liegen käme, dass während der Stosszeiten Verkehrsstauungen bis zum fraglichen Grundstück entstehen, dass bei der Ausfahrt der Vorwegweiser und der sich darunter befindende Reklameständer die Übersicht stark beeinträchtigen und dass zur Erreichung einer einwandfreien Verkehrsübersicht Bäume der bestehenden Lindenallee entfernt werden müssten. Aber auch gegen die im angefochtenen Entscheid erwähnte Gefährdung des zeitweise dichten Fussgängerverkehrs auf dem Trottoir, das anscheinend besonders häufig von Kantonsschülern benützt wird, vermag die Beschwerdeführerin nichts vorzubringen, was geeignet wäre, Willkür darzutun. Unter dieses Umständen kann nicht gesagt werden, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 4 BV.
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Der Regierungsrat weist demgegenüber in der Beschwerdeantwort darauf hin, dass der Autovertretung AG die Ausnahmebewilligung noch gar nicht erteilt worden sei und dass in beiden von der Beschwerdeführerin genannten Fällen insofern besondere Verhältnisse vorlägen, als die betreffenden Betriebe am bisherigen Ort den Verkehr BGE 89 I, 11 (20)erheblich stärker störten, als es nach der Verlegung an die Biel- bezw. an die Baselstrasse der Fall sei, sodass sich aus diesen Betriebsverlegungen verkehrstechnisch eine Verbesserung ergebe, zumal der Garageneubau Schnetz AG durch eine rückwärtige Erschliessungsstrasse bedient werde und auch beim Garagebetrieb der Autovertretung AG für eine derartige Erschliessung gesorgt werde.
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Die Beschwerdeführerin hat nicht behauptet, gleiche oder ähnliche besondere Verhältnisse hätten im Zusammenhang mit dem von ihr im Jahre 1960 gestellten Gesuch betreffend Baselstrasse vorgelegen oder bestünden beim heutigen Baugesuch. Insbesondere wird nicht geltend gemacht, dass es sich auch beim Projekt der Shell Switzerland um die Verlegung einer verkehrstechnisch ungünstig gelegenen Service-Station an einen verkehrstechnisch günstigeren Ort handle. Von einer rechtsungleichen Behandlung könnte jedoch nur gesprochen werden, wenn der Regierungsrat bei gleichen tatsächlichen Verhältnissen ungleich entschieden hätte. Der Vorwurf rechtsungleicher Behandlung erweist sich daher ebenfalls als unbegründet.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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