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Informationen zum Dokument  BGE 92 I 393  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Art. 89 Abs. 2 WStB schreibt vor, dass der Steuerpflichtige au ...
2. Dadurch, dass die Beschwerdeführerin zu Unrecht die Gl&au ...
3. Die Beschwerdeführerin sieht schliesslich in der ihr aufe ...
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67. Urteil vom 7. Oktober 1966 i.S. AG für Industriefinanzierungen gegen Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich.
 
 
Regeste
 
Einforderung von Beweismitteln beim Pflichtigen (Art. 89 Abs. 2 WStB).  
a) Ein solches Institut kann sich nicht auf das Bankgeheimnis (Art. 47 BankG) berufen (Erw. 1 a).  
b) Weder die Einsicht in die Buchhaltung (Erw. 1 b) noch die Bestätigung der Kontrollstelle (Erw. 1c) ersetzt die Vorlage des Schuldenverzeichnisses mit Angabe der Gläubiger.  
2. Folgen der Säumnis (Erw. 2):  
a) Verlust des Rechtes, den Abzug der Schulden und der Schuldzinsen zu verlangen (Erw. 2 a).  
b) Ermessenseinschätzung gemäss Art. 92 WStB? (Erw. 2 b).  
3. Verhältnis zur Auskunftspflicht Dritter im Sinne von Art. 90 Abs. 6 WStB (Erw. 3).  
 
Sachverhalt
 
BGE 92 I, 393 (394)A.- Die 1957 gegründete AG für Industriefinanzierung weist als Geschäftszweck die Durchführung von Industriefinanzierungen aller Art, insbesondere durch Vermittlung von Beteiligungen aus. Um die hiefür nötigen Mittel zu beschaffen, nimmt sie Einlagen entgegen. In ihren Werbeschriften wird erklärt:
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"Die Geheimhaltungspflicht wird sehr streng gehandhabt. Weder Behörden noch irgendwem werden Namen oder Höhe der Einlagen bekanntgegeben und auch über die Zinszahlungen sichern wir absolute Diskretion zu."
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In der auf den 30. Juni 1962 erstellten Bilanz hat die Gesellschaft Einlagen im Betrage von Fr. ..... als Schulden aufgeführt. In der Gewinn- und Verlustrechnung des Geschäftsjahres 1961/62, welche mit derjenigen für 1960/61 der Steuererklärung für die Wehrsteuer 12. Periode zugrunde lag, hat sie Passivzinsen an die Einleger in der Höhe von Fr. .... ausgewiesen.
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Die Steuerbehörden des Kantons Zürich forderten die AG für Industriefinanzierungen auf, Namen und Adressen der Einleger, bzw. die Höhe der Einlagen und Zinszahlungen bekannt zu geben. Die Gesellschaft verweigerte diese Aus BGE 92 I, 393 (395)künfte unter Hinweis auf die in den Prospekten eingegangene Schweigepflicht. Sie anerbot sich hingegen, durch die Kontrollstelle bestätigen zu lassen, dass die fraglichen Posten echte Schulden und Schuldzinsen darstellen. Sie erklärte sich auch einverstanden, einem Beamten der Wehrsteuerverwaltung Einsicht in die Einlagekonten zu gewähren, unter der Bedingung allerdings, dass dieser keine schriftlichen Aufzeichnungen mache.
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B.- Die Steuerbehörden erachteten diese Beweisangebote als unzureichend und haben den als bezahlte Schuldzinsen angegebenen Betrag von Fr. ..... zum deklarierten Geschäftsgewinn des Jahres 1961/62 hinzugerechnet. Die kantonale Wehrsteuerrekurskommission wies eine Beschwerde der AG für Industriefinanzierungen ab (Entscheid vom 30. März 1966). Sie stützte ihren Entscheid auf Art. 89 Abs. 2 WStB, wonach der Steuerpflichtige auf Verlangen der Veranlagungsbehörde insbesondere ein Schuldenverzeichnis mit Angabe der Gläubiger einzureichen habe. Wenn die Steuerbehörde einen Schuldenabzug gewähren solle, so müsse ihr das Schuldverhältnis in aller Klarheit dargelegt werden. Die Steuerbehörde müsse die Überzeugung gewinnen können, dass eine rechtlich und steuerlich beachtliche Verpflichtung des Schuldners gegenüber einer Drittperson bestehe. Der Fiskus dürfe sich, wenn er den Schuldenabzug gewähren solle, grundsätzlich nicht mit Berichten von Kontrollorganen begnügen.
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C.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die verwaltungsrechtliche Beschwerde der AG für Industriefinanzierungen. Sie beantragt die Herabsetzung des steuerbaren Reinertrages auf Fr. ....., allenfalls Rückweisung an die kantonale Wehrsteuerrekurskommission. Sie macht im wesentlichen geltend: Art. 89 Abs. 2 WStB sehe wohl vor, dass der Pflichtige auf Verlangen der Veranlagungsbehörde ein Schuldenverzeichnis mit Angabe der Gläubiger einzureichen habe. Es handle sich aber dabei um eine blosse Ordnungsvorschrift. Werde sie nicht erfüllt, so bedeute dies nicht, dass die betreffenden Schulden, bzw. Schuldzinsen nicht berücksichtigt werden dürfen; vielmehr habe eine Ermessenseinschätzung gemäss Art. 92 WStB zu erfolgen. Mit dem Beizug einer - für die Einschätzung der Beschwerdeführerin völlig nutzlosen - Gläubigerliste bezwecke die Wehrsteuerverwaltung eine gesetzwidrige Ausdehnung der in Art. 90 WStB geregelten "Auskunftspflicht Dritter".
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BGE 92 I, 393 (396)D.- Die Wehrsteuerverwaltung und die Wehrsteuerrekurskommission des Kantons Zürich beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen. Die Eidg. Steuerverwaltung schliesst sich diesem Antrag an.
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Die Auslegung des Art. 89 Abs. 2 WStB, wonach der Steuerpflichtige, der die Namen seiner Gläubiger nicht nenne, das Recht verliere, die Schulden und Schuldzinsen von seinen Steuerfaktoren abzuziehen, müsse auch gegenüber Aktiengesellschaften gelten. Nur die Bank könne sich auf das Bankgeheimnis berufen. Die AG für Industriefinanzierungen unterstehe dem Bankengesetz nicht. Wenn sie sich den Gläubigern gegenüber zur Geheimhaltung ihrer Namen verpflichtet habe, so müsse sie selbst die Folgen tragen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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a) Die Beschwerdeführerin beruft sich zunächst darauf, sie sei ein bankähnliches Unternehmen, welches auf das Vertrauen ihrer Geldgeber ("Einleger") angewiesen sei. Sie könne nur erwarten, die für ihre Aufgabe notwendigen Fremdgelder zu erhalten, wenn sie den Kunden verspreche, über ihre Person und ihre Einlagen auch gegenüber Behörden zu schweigen. Aus diesem Grunde habe sie denn auch in den Prospekten eine Geheimhaltungspflicht auf sich genommen. Ohne Vertragsbruch vermöchte sie der Weisung der Veranlagungsbehörde nicht nachzukommen.
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Richtig ist, dass der Offenbarungspflicht des Art. 89 Abs. 2 WStB eine Geheimnispflicht, die aus Art. 47 des Bankengesetzes (Bankgeheimnis) oder aus Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB (Berufsgeheimnis) folgt, gegenüber stehen kann. Indessen trifft im vorliegenden Falle weder die eine noch die andere Annahme zu. Die Beschwerdeführerin beruft sich ausschliesslich auf ein BGE 92 I, 393 (397)vertraglich eingegangenes Geheimhaltungsversprechen. Doch kann sie sich damit ihren gesetzlichen Pflichten nicht entziehen. Niemand kann öffentlich-rechtlichen Pflichten dadurch entgehen, dass er sich einem Dritten gegenüber verpflichtet, jene nicht zu erfüllen.
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b) Die Beschwerdeführerin begründet ihre Weigerung weiter mit dem Hinweis, sie habe sich bereit erklärt, den Organen der Steuerbehörde Einsicht in die Bücher zu gewähren.
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Nun bestimmt Art. 89 Abs. 2 WStB ausdrücklich, dass Schuldenverzeichnisse mit den Namen der Gläubiger einzureichen seien. Dadurch, dass der Steuerpflichtige Einsicht in seine Buchhaltung gewährt, erfüllt er die ihm obliegende gesetzliche Pflicht nicht. Es ist die angebotene Einsicht etwas grundsätzlich anderes als das im Gesetz vorgesehene Schuldenverzeichnis. Gänzlich unannehmbar war die damit verknüpfte Bedingung, dass schriftliche Aufzeichnungen zu unterbleiben hätten; denn das Gesetz verlangt gerade, dass die Steuerbehörde in den Besitz von Schriftstücken gelange. Nur solche lassen sich wirklich überprüfen.
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c) Die Beschwerdeführerin rechtfertigt ihre Weigerung noch damit, sie habe als Ersatz der von Art. 89 Abs. 2 WStB geforderten Unterlagen "jede gewünschte Bestätigung ihrer im Sinne von Art. 723 OR qualifizierten Kontrollstelle" angeboten.
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Indessen sind Bescheinigungen der Kontrollstellen nicht geeignet, an Stelle der vom Gesetz geforderten Beweise zu treten. Die Kontrollstelle ist ein Organ der Aktiengesellschaft (Art. 727 OR) und bestimmt, die vom Gesetz vorgesehenen Aufgaben innerhalb der Gesellschaft zu erfüllen (Art. 728 ff. OR). Die von ihr abgegebenen Erklärungen sind Aussagen eines Gesellschaftsorgans und als solche zu würdigen (ASA 29 S. 391). Die Vorkehren, welche die Steuerveranlagungsbehörden vornehmen müssen, um den massgeblichen Tatbestand zu ermitteln, haben sie grundsätzlich selbst durchzuführen und können diese weder einem Gesellschaftsorgan noch einem Dritten übertragen.
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d) Die Beschwerdeführerin versucht schliesslich, sich mit der Behauptung zu rechtfertigen, die Steuerbehörden wären ausserstande, die ihnen gemäss Art. 89 Abs. 2 WStB unterbreiteten Schuldenverzeichnisse auszuwerten.
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Diese Schwierigkeiten hat der Gesetzgeber indessen in Kauf genommen. Obschon es unmöglich sein dürfte, jede Unterlage BGE 92 I, 393 (398)nachzuprüfen, vermag die Vorschrift ihrem Zweck zu dienen. Durch eine geeignete Auswahl der genauer zu prüfenden Fälle wird das vom Gesetzgeber gesteckte Ziel ebenso erreicht wie durch die vorbeugende Wirkung; sie zwingt den Steuerpflichtigen zum vorneherein zu erhöhter Sorgfalt bei Abgabe der Steuerdeklaration. Die rund 1200 Angaben, welche die Beschwerdeführerin hätte erteilen müssen, fallen überdies nicht ins Gewicht neben den vielen Tausenden, die von den Steuerpflichtigen insgesamt auf Grund des Art. 89 Abs. 2 WStB gemacht werden und von den Steuerbehörden zu bearbeiten sind.
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a) Der Steuerpflichtige, der die Namen seiner Gläubiger nicht nennt, verliert das Recht, den Abzug seiner Schulden und der sie betreffenden Zinsen von seinen Steuerfaktoren zu verlangen. In diesem Sinne hat sich das Bundesgericht bereits ausgesprochen, als es Art. 56 des Wehropferbeschlusses auszulegen hatte (BGE 68 I 198). Bei der Auslegung von Art. 89 Abs. 2 WStB gelangte es zum gleichen Schlusse (BGE 87 I 392 Erw. 2). Weigert sich der Steuerpflichtige, den Namen seines Gläubigers anzugeben, so ist die betreffende Schuld, bzw. die Schuldzinszahlung als nicht bestehend zu behandeln (BGE 87 I 393; ASA 23 S. 176 Erw. 2). Diese Rechtsprechung ist vom Schrifttum unwidersprochen übernommen worden (vgl. KÄNZIG, Wehrsteuer, Ergänzungsband, N. 6 zu Art. 89; PERRET-MASSHARDT, Kommentar zur eidgenössischen Wehrsteuer 1965-1974, S. 219; FORNEY, Note de jurisprudence concernant la défalcation des dettes en matière d'impôt pour la défense nationale, in Revue de droit administratifet de droit fiscal, Bd. 18 S. 107/8). Mit Recht hat die Veranlagungsbehörde daher den als bezahlte Schuldzinsen angegebenen Betrag von Fr. ..... zum deklarierten Geschäftsgewinn des Jahres 1961/62 hinzugerechnet.
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b) Die Beschwerde wendet dagegen ein, ein buchführungspflichtiges Unternehmen sei, falls es versäume, die Schulden nach Art. 89 Abs. 2 WStB auszuweisen, der Ermessenseinschätzung zu unterwerfen. Wenn die Buchhaltung als einwandfrei befunden werde, so habe dies zur Folge dass die Einschätzung auch ohne Nennung der Gläubiger nach der Deklaration erfolgen müsse.
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BGE 92 I, 393 (399)Wollte man dieser Betrachtungsweise folgen, so hätte dies eine entscheidende Verschiebung der Beweislast zur Folge: Verweigert der Steuerpflichtige die Vorlage der Beweise nach Art. 89 Abs. 2 WStB, so hätte er nach Ansicht der Beschwerde gemäss Art. 92 WStB Anspruch darauf, dass auf die Buchhaltung abgestellt wird, sofern deren Unrichtigkeit von der Steuerbehörde nicht nachgewiesen wird. Dies ist nicht der Sinn von Art. 92 WStB. Soweit das Gesetz dem Steuerpflichtigen auferlegt, Behauptungen auf bestimmte Weise seinerseits zu belegen, dürfen diese auch nicht auf dem Umweg über die Ermessenseinschätzung als erwiesen hingenommen werden. Vielmehr hat die Einschätzungsbehörde davon auszugehen, dass behauptete Tatsachen, die der Steuerpflichtige nachzuweisen unterlässt, obschon das Gesetz ihm die Beweispflicht auferlegt, nicht zu berücksichtigen sind. Das pflichtgemässe Ermessen der Steuerbehörden darf nicht an Stelle der Beweispflicht des Steuerpflichtigen treten.
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3. Die Beschwerdeführerin sieht schliesslich in der ihr auferlegten Pflicht, ein Gläubigerverzeichnis beizubringen, "die missbräuchliche Ausnützung eines in Art. 89 zwar statuierten, jedoch für andere Zwecke gedachten und gemäss Art. 90 WStB ausgeschlossenen Rechtes." Denn es gehe nicht an, in die Schuldenverzeichnisse laut Art. 89 WStB den Zweck hinein zu interpretieren, sie dienten vorwiegend oder gar ausschliesslich der Eruierung unversteuerter Drittgelder. In Art. 90 WStB werde die "Auskunftspflicht Dritter" abschliessend normiert. Eine Auskunftspflicht privater Geldinstitute über Vermögenswerte Dritter durch Edition namentlicher Listen figuriere darin jedoch nicht. Eine derart qualifizierte Auskunftspflicht dürfe daher auch nicht auf dem Umweg über Art. 89 WStB konstruiert werden. Das Interesse der Wehrsteuerverwaltung liege beim geforderten Gläubigerverzeichnis nur darin, sich Unterlagen über allfällige Steuerdefraudanten zu beschaffen.
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Vorliegend geht es allein um die Veranlagung der Beschwerdeführerin. Diese hat in erster Linie für sich selbst Auskunft zu erteilen. Dritte könnte sie nur im Veranlagungsverfahren eines anderen Steuerpflichtigen sein. Da ein solches nicht Gegenstand dieses Steuerstreites ist, fällt die Anwendung von Art. 90 Abs. 6 WStB ausser Betracht. Es kann demnach auch nicht von einer missbräuchlichen Umgehung dieser Bestimmung die Rede sein. Schon aus diesem Grunde ist der Einwand der BGE 92 I, 393 (400)Beschwerdeführerin nicht zu hören. Überdies führte die Auslegung der Bestimmungen nach ihrem Sinn zum gleichen Ergebnis. Offensichtlich verfolgt Art. 89 Abs. 2 WStB auch das Ziel, dass der Fiskus den Betrag, den er als Schulden oder Schuldzinsen beim Schuldner abziehen lässt in der Regel beim Gläubiger als Guthaben und Ertrag besteuern kann. Art. 90 WStB setzt die Auskunftspflicht des Schuldners gemäss Art. 89 Abs. 2 geradezu voraus; denn in Absatz 6 wird der Schuldner gegenüber dem Gläubiger und der Gläubiger gegenüber dem Schuldner verpflichtet, auf Verlangen Bescheinigungen über die Schulden bzw. Forderungen auszustellen. Der Wille des Gesetzgebers ist klar: Der Schuldner hat der Veranlagungsbehörde über seine Schulden und Zinszahlungen unter Nennung der Gläubiger Auskunft zu erteilen. Der Schuldner hat dem Gläubiger und der Gläubiger dem Schuldner die dabei nötigen Beweisurkunden zu liefern. Geschieht dies, so wird die gleichmässige und gesetzmässige Veranlagung aller gesichert. Wo der Steuerpflichtige durch eine gesetzliche Geheimnispflicht (Art. 47 Bankengesetz und Art. 321 Ziff. 1 StGB) behindert ist, müssen die behaupteten Schulden und Zahlungen von Schuldzinsen auf andere Weise nachgeprüft werden. Die damit verbundene Mehrarbeit hat der Gesetzgeber hingenommen. Es besteht aber kein Grund, diese Nachteile auch in weiteren Fällen in Kauf zu nehmen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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