BGE 130 I 174 - Steuergesetzrevision Zürich | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
15. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. und Y. gegen Kantonsrat sowie Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) |
2P.44/2004 vom 8. Juni 2004 | |
Regeste |
Art. 9 und 29 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 40 Ziff. 2 KV/ZH; § 11 Abs. 2 des zürcherischen Publikationsgesetzes vom 27. September 1998; Rechtsverzögerungsverbot; Prinzip der Gewaltentrennung. Verzögertes Inkraftsetzen einer Steuergesetzrevision durch die Regierung. |
Grundsätze bei der Bestimmung des Zeitpunktes des Inkrafttretens von Gesetzen durch die Regierung (E. 2.3). Vorliegend keine willkürliche Missachtung des Willens des Gesetzgebers, wenn der Regierungsrat eine Steuergesetzrevision, wie von ihm bereits vor deren Verabschiedung im Parlament öffentlich kundgegeben, verzögert in Kraft setzt (E. 2.4). | |
Sachverhalt | |
Am 25. August 2003 beschloss der Kantonsrat des Kantons Zürich eine Teilrevision des kantonalen Steuergesetzes vom 8. Juni 1997, welche einerseits den Ausgleich der Teuerung bei den Progressionsstufen der Einkommens- und Vermögenssteuertarife sowie den betragsmässig festgelegten Abzügen und andererseits zusätzliche, über den Ausgleich der Teuerung hinausgehende Erhöhungen verschiedener Abzüge (persönlicher Abzug, Kinderabzug sowie Kinderbetreuungskostenabzug) zum Inhalt hat.
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Mit Beschluss vom 24. November 2003 stellte der Kantonsrat das unbenützte Ablaufen der Referendumsfrist für die erwähnte Teilre vision des Steuergesetzes fest. Das Änderungsgesetz ist mit keiner Bestimmung über das Inkrafttreten versehen (vgl. Offizielle Sammlung der Gesetze, Beschlüsse und Verordnungen des Eidgenössischen Standes Zürich [OS], Bd. 58, Nr. 11 vom 19. Dezember 2003, S. 367 ff.).
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Am 17. Dezember 2003 beschloss der Regierungsrat des Kantons Zürich, dass die Änderung des Steuergesetzes vom 25. August 2003 auf den 1. Januar 2006 in Kraft gesetzt wird.
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Mit Eingabe vom 6. Februar 2004 erheben X. und Y., beide wohnhaft im Kanton Zürich, beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses des Zürcher Regierungsrates vom 17. Dezember 2003 beantragen. Sie erblicken im Umstand, dass der Regierungsrat die Änderung des Steuergesetzes erst per 1. Januar 2006 in Kraft setzt, eine unzulässige Rechtsverzögerung und rügen zudem eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, des Willkürverbots sowie des Grundsatzes der Gewaltentrennung.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
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1.2 Als aufgrund persönlicher Zugehörigkeit (Wohnsitz) im Kanton Zürich Steuerpflichtige sind die Beschwerdeführer durch die behauptete rechtswidrige Verzögerung der Inkraftsetzung der Änderung des zürcherischen Steuergesetzes vom 25. August 2003, welche eine Reduktion der Steuerlast der natürlichen Personen vorsieht, in ihrer Rechtsstellung betroffen und damit zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG).
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Der angefochtene Beschluss des Zürcher Regierungsrates vom 17. Dezember 2003 betreffend die Inkraftsetzung der Änderung des Steuergesetzes wurde am 20. Januar 2004 publiziert (OS, Bd. 59, Nr. 1, S. 3). Die vorliegende Beschwerde vom 6. Februar 2004 wurde damit rechtzeitig erhoben.
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Erwägung 2 | |
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2.2 Das in Art. 29 Abs. 1 BV enthaltene Verbot der Rechtsverzögerung bezieht sich, wie schon aus dem Wortlaut hervorgeht, auf Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsbehörden, d.h. auf Verfahren der Rechtsanwendung (vgl. GEORG MÜLLER, in: Kommentar aBV, Rz. 88 zu Art. 4 aBV; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Aufl., Zürich 2001, N. 831 f.; JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 497; PASCAL MAHON, in: Aubert/Mahon, Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse, Zürich 2003, Rz. 1 zu Art. 29 BV; Botschaft zur neuen Bundesverfassung, BBl 1997 I 181; vgl. auch Urteil 5A.23/2001 vom 11. Februar 2002, E. 2a nicht publ. in BGE 128 II 97). Das gilt auch für die mitangerufene Konventionsgarantie von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (vgl. RUTH HERZOG, Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Diss. Bern 1995, S. 139; Urteil des Bundesgerichts 2P.76/1996 vom 21. Oktober 1996, E. 3h). Vorliegend geht es um eine gerügte Verzögerung im Verfahren der Rechtsetzung. In der Doktrin wird erwogen, eine Anrufung des Verfassungsrichters wegen Rechtsverzögerung unter gewissen Voraussetzungen auch gegenüber dem Gesetzgeber zuzulassen, sofern es um die Nichterfüllung einer präzise umschriebenen verfassungsrechtlichen Rechtsetzungspflicht geht (vgl. WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994, S. 149 f.; J.P. MÜLLER, a.a.O., S. 498 ff.; vgl. auch die Urteile des Bundesgerichts P.815/1984 vom 18. Januar 1985, publ. in: ZBl 86/1985 S. 492 ff., E. 3a, sowie 2P.76/1996 vom 21. Oktober 1996, E. 3e). Ein solcher Tatbestand steht hier nicht in Frage. Es wird nicht behauptet, dass die durchgeführte Revision des Steuergesetzes einem präzisen verfassungsrechtlichen Auftrag entspreche. Im Übrigen liegt eine vom Gesetzgeber beschlossene Neuregelung bereits vor, und es geht einzig darum, auf welchen Zeitpunkt hin sie vom zuständigen Organ in Kraft gesetzt werden muss. Soweit der Gesetzgeber diese Frage nicht selber beantwortet, obliegt die Festsetzung des Inkraftsetzungstermins gemäss § 10 Abs. 2 des kantonalen Publikationsgesetzes dem Regierungsrat (vgl. dazu CHRISTIAN SCHUHMACHER, Das Rechtsetzungsverfahren im Kanton Zürich, in: LeGes 2004, Heft 1, S. 107; ferner: TOBIAS JAAG, Verwaltungsrecht des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, Rz. 407 und 616 ff.). Dass dieser bei Stillschweigen des Gesetzgebers mit der Inkraftsetzung nicht beliebig zuwarten oder von der Inkraftsetzung überhaupt absehen darf, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Der dem Regierungsrat durch Art. 40 Ziff. 2 KV/ZH erteilte Auftrag zum Vollzug der Gesetze verlangt u.a. auch, dass er diese entsprechend dem Willen des Gesetzgebers in Kraft setzt. Der Verzicht auf die Inkraftsetzung eines gültig beschlossenen Gesetzes verstiesse gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung (vgl. auch BGE 111 Ia 176 E. 3c S. 178 f.). Soweit aber lediglich die Wahl des Zeitpunktes der Inkraftsetzung in Frage steht und weder die Kantonsverfassung noch das betreffende Gesetz hierüber eine nähere Regelung enthält, womit der Entscheid gemäss der allgemeinen Bestimmung von § 10 Abs. 2 des Publikationsgesetzes in die Hände des Regierungsrates gelegt ist, fällt als Schranke gegen eine übermässige Verzögerung einzig das allgemeine Willkürverbot (Art. 9 BV) in Betracht, worauf sich die Beschwerdeführer hier ebenfalls berufen.
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2.4 Vorliegend ist unbestritten, dass von den administrativen Abläufen her eine Inkraftsetzung der Steuererleichterungen auf den 1. Januar 2005 ohne weiteres möglich gewesen wäre und wohl auch eher der bisherigen Übung entsprochen hätte. Der Regierungsrat stellt nicht ernsthaft in Abrede, dass die angespannte Finanzlage dazu Anlass gab, die Gesetzesrevision, welche für den Staat zu einem grösseren Einnahmenausfall führen wird, erst per 1. Januar 2006 in Kraft zu setzen. Dieses Vorgehen erweckt nach dem Gesagten verfassungsrechtliche Bedenken. Der Umstand, dass im Kanton Zürich in Verfassung und Gesetz (Art. 31a KV/ZH sowie § 6 Abs. 2 und § 21 des Gesetzes vom 2. September 1979 über den Finanzhaushalt des Kantons) Bestimmungen zur Senkung der Ausgaben in Kraft getreten sind, vermag für sich allein die verzögerte Inkraftsetzung der Steuergesetzrevision nicht zu rechtfertigen, umso weniger, als diese letztere Gesetzesänderung (vom 25. August 2003) jüngeren Datums ist, d.h. bereits unter der Herrschaft der erstgenannten Regelung (in Kraft seit 1. Juli 2001) und in Kenntnis des bestehenden Sanierungsbedürfnisses beschlossen wurde. Ins Gewicht fällt dagegen der vom Regierungsrat hervorgehobene Umstand, dass er seine Absicht, die Steuergesetzrevision (verbunden mit einer geplanten Steuerfusserhöhung) erst per 1. Januar 2006 in Kraft treten zu lassen, schon Anfang Mai 2003, d.h. noch vor der zweiten Lesung dieser Gesetzesrevision im Kantonsrat, öffentlich kundgegeben hat. Nachdem der Kantonsrat in seiner zweiten Lesung der Steuergesetzrevision am 25. August 2003 in Kenntnis dieser Erklärungen auf eine eigene Vorschrift über die Inkraftsetzung verzichtet hat, kann dem Regierungsrat, wenn er sich für die Inkraftsetzung an seine gemachte Ankündigung hielt, jedenfalls keine willkürliche Missachtung des Willens des Gesetzgebers vorgeworfen werden. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich daher als unbegründet.
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