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Informationen zum Dokument  BGE 142 I 188  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. Die Beschwerdeführer rügen unter mehreren Titeln ein ...
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18. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) U. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
5A_724/2015 vom 2. Juni 2016
 
 
Regeste
 
Art. 310 ZGB; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Obhutsentzug und Fremdplatzierung von Kindern; Anspruch der Eltern auf öffentliche Verhandlung sowie auf persönliche und mündliche Anhörung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 142 I, 188 (189)A.
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A.a A.A. und B.A. sind die Eltern der Kinder C.A. (geb. 2003), D.A. (geb. 2007) und E.A. (geb. 2013). Ab Juni 2011 bestand für die Familie A. eine Familienbegleitung, die durch das Sozialatelier F. durchgeführt wurde. Für C.A. und D.A. wurde am 22. Februar 2011 je eine Beistandschaft errichtet, für E.A. geschah dies am 22. August 2013. Am 5. März 2013 erstattete die Beiständin der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde U. (KESB) eine Gefährdungsmeldung und beantragte, den Kindseltern seien umgehend und längerfristig Auflagen bezüglich Ordnung in der Wohnung und Hygiene sowie Zusammenarbeit mit der Schule und dem Erarbeiten von Erziehungs- und Förderungskompetenzen zu machen und diese entsprechend zu überprüfen oder überprüfen zu lassen. Mit Entscheid der KESB vom 21. Mai 2013 wurde die bestehende Familienbegleitung um ein halbes Jahr verlängert und den Kindseltern die Weisung erteilt, mit der Beiständin und der Familienbegleiterin zusammenzuarbeiten. Gestützt auf den Bericht des Sozialateliers F. vom 23. Mai 2013 beantragte die Beiständin am 19. Juli 2013, die klassische sozialpädagogische Familienbegleitung durch eine familienergänzende sozialpädagogische Betreuung der Kinder bei den Eltern zuhause zu ersetzen. Anfang August 2013 gab die KESB beim Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst (KJPD) ein Gutachten in Auftrag, welches am 21./29. November 2013 erstattet wurde (...). Mit Entscheid vom 18. Dezember 2013 entsprach die KESB dem Antrag der Beiständin. Am 27. März 2014 erstattete die Beiständin einen Zwischenbericht und ersuchte die KESB, sie mit der Suche nach einer geeigneten Lösung im Falle einer Fremdplatzierung zu beauftragen.
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A.b Mit Entscheid vom 17. Dezember 2014 entzog die KESB den Eltern die Obhut über die drei Kinder und platzierte diese bei einer Pflegefamilie. (...)
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A.c Gegen diesen Entscheid der KESB erhoben die Eltern Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit den Anträgen, den Entscheid der KESB vollumfänglich aufzuheben (...). In der BGE 142 I, 188 (190)Sache wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Juli 2015 die Beschwerde ab.
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B.
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B.a Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 14. September 2015 wenden sich A.A. und B.A. (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Sie verlangen, die Sache zur Durchführung einer öffentlichen Verhandlung resp. einer persönlichen Anhörung der Beschwerdeführer vor dem Gesamtgericht nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie zur Kinderanhörung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
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D. Die Beschwerde wurde an der Sitzung der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 2. Juni 2016 öffentlich beraten (...) und abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen:
 
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In ihrer Beschwerde erwähnen die Beschwerdeführer auch noch andere Gesetzesbestimmungen, so namentlich § 47 Abs. 4 des Gerichtsorganisationsgesetzes des Kantons Solothurn (GO; GS 125.12), ohne indes Willkür in der Anwendung derselben geltend zu machen. Daher prüft das Bundesgericht die Vorhalte einzig unter dem Aspekt von Art. 6 Ziff. 1 EMRK.
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3.1.1 Die Pflicht, eine öffentliche Verhandlung durchzuführen, ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 6 Ziff. 1 EMRK: "Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen (...) von einem (...) Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich (...) verhandelt wird." Der EGMR begründet diese Pflicht mit der Absage an jede Form von Geheimjustiz und der (demokratischen) Kontrolle der Behörden, was letztlich auch das Vertrauen in diese stärke. Die Öffentlichkeit BGE 142 I, 188 (191)des Verfahrens trägt dazu bei, dass die Garantie auf ein "faires Verfahren" tatsächlich umgesetzt wird (Urteil Osinger gegen Österreich Nr. 54645/00 vom 24. März 2005 § 44). Aus dem Anspruch auf eine (publikums-)öffentliche Verhandlung folgt grundsätzlich ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (Urteil Sporer gegen Österreich Nr. 35637/03 vom 3. Februar 2011 § 43: "[T]heright to a public hearing under Article 6 entails an entitlement to an 'oral hearing' unless there are exceptional circumstances that justify dispensing with such a hearing"; Urteil Salomonsson gegen Schweden Nr. 38978/97 vom 12. November 2002 § 34).
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Die Pflicht, eine öffentliche Verhandlung durchzuführen, ist indes in zweifacher Hinsicht nicht absolut. Zunächst können die Parteien auf eine öffentliche Verhandlung - explizit oder stillschweigend - verzichten (statt vieler: Urteil Schuler-Zgraggen gegen Schweiz Nr. 14518/89 vom 24. Juni 1993), was für die Beschwerdeführer unbestrittenermassen nicht zutrifft. Sodann sind Ausnahmen vom Grundsatz zulässig (Urteile Pakozdi gegen Ungarn Nr. 51269/07 vom 25. November 2014 § 27; Stallinger und Kuso gegen Österreich Nr. 14696/89 und Nr. 14697/89 vom 23. April 1997 § 51; Allan Jacobsson gegen Schweden Nr. 16970/90 [n° 2]vom 19. Februar 1998 § 46). Eine Reihe von Gründen, aus welchen keine öffentliche Verhandlung durchgeführt werden muss, ergibt sich insbesondere unmittelbar aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK: "Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde." Familienrechtliche Angelegenheiten, in denen sich Familienmitglieder, jedenfalls aber Private gegenüberstehen, fallen grundsätzlich in die Kategorie "Schutz des Privatlebens der Prozessparteien" (Urteil B. und P. gegen Vereinigtes Königreich Nr. 36337/97 und Nr. 35974/97 vom 24. April 2001 § 38). Geht es hingegen um eine familienrechtliche Angelegenheit i.w.S., in welcher sich nicht Private gegenüberstehen, sondern der Staat und ein Privater, wie dies bei einem Obhutsentzug und der Fremdplatzierung eines Kindes der Fall ist, kann die Öffentlichkeit nicht pauschal unter Hinweis auf den "Schutz des BGE 142 I, 188 (192)Privatlebens" ausgeschlossen werden; der Ausschluss bedarf einer besonderen Begründung (Urteil Moser gegen Österreich Nr. 12643/02 vom 21. September 2006 § 97: "Moreover, the case of B. and P. v. the United Kingdom concerned the parents' dispute over a child's residence, thus, a dispute between family members, i.e. individual parties. The present case concerns the transfer of custody of the first applicant's son to a public institution, namely the Youth Welfare Office, thus, opposing an individual to the State. The Court considers that in this sphere, the reasons for excluding a case from public scrutiny must be subject to careful examination.").
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Solche sind hier gegeben. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG) beurteilen Fachpersonen die Kinder als gesundheitlich angeschlagen; sie zeigen in ihrem Verhalten erhebliche Defizite auf, sind nicht altersgerecht entwickelt, bedürfen schulischer Sondermassnahmen und haben ein negatives Selbstwertgefühl und ein negatives Selbstbild. Vorliegend geht es mithin um in ihrer Gesundheit und Entwicklung beeinträchtigte Kinder, die Anspruch auf Schutz vor der Öffentlichkeit haben; dies gilt umso mehr, als der Gesundheitszustand einer Person eine besonders schützenswerte Angabe im Sinne des Datenschutzgesetzes ist (Art. 3 lit. c Ziff. 2 DSG [SR 235.1]). Der Verzicht auf die Durchführung einer publikumsöffentlichen Verhandlung durch das Verwaltungsgericht verletzt Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht.
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3.2.2 Eine vom Einfluss auf das Ergebnis unabhängige und damit abstrakte Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung (damit plädiert werden kann) ergibt sich auch nicht aus dem in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltenen Äusserungsrecht, verstanden als Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Äusserungsrecht begründet den Anspruch einer Partei, sich vor Erlass eines in ihre Rechtsstellung eingreifenden Entscheides zu äussern, und zwar zu allem, was in den Akten liegt und damit Grundlage des Entscheides sein könnte, d.h. sowohl zu allen Tat- als auch zu allen Rechtsfragen. Das Äusserungsrecht begründet aber keinen abstrakten Anspruch der Partei, sich persönlich äussern zu dürfen. Insbesondere erachtet es der EGMR nicht als konventionswidrig, wenn das anwendbare Prozessrecht einen Anwaltszwang vorsieht (Urteil R.P. und andere gegen Vereinigtes Königreich Nr. 38245/08 vom 9. Oktober 2012 §§ 63-67). Ebenso wenig begründet das Äusserungsrecht einen abstrakten Anspruch der Partei, sich mündlich zu äussern (Urteil Sporer gegen Österreich Nr. 35637/03 vom 3. Februar 2011 § 44: "the right to appear in person in a civil case is not, as such guaranteed by the Convention"); es genügt, wenn die Partei schriftlich Stellung nehmen kann.
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Ein Anspruch der Partei, persönlich und/oder mündlich angehört zu werden, kann sich allerdings unter besonderen Voraussetzungen und als Ausfluss eines anderen konventionsrechtlichen Anspruchs ergeben (vgl. E. 3.3 sogleich).
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3.3.1 Weil der Anspruch, persönlich angehört zu werden, nur unter bestimmten Bedingungen besteht, obliegt es der Partei, die sich darauf beruft, darzulegen, inwiefern es unter den gegebenen Umständen entscheidend ist, dass das Gericht einen persönlichen Eindruck als solchen über die Partei gewinnen kann. Die Beschwerdeführer berufen sich in allgemeiner Weise auf die Rechtsprechung des BGE 142 I, 188 (194)EGMR. Indes unterlassen sie es, dem Bundesgericht näher aufzuzeigen, inwiefern es gerade in ihrem Fall notwendig gewesen wäre, dass sie als Eltern persönlich von der Rechtsmittelinstanz angehört werden. Die Notwendigkeit der persönlichen Anhörung liegt auch nicht geradezu auf der Hand. In der Tat war der Obhutsentzug und die Fremdplatzierung nicht etwa ein Spontanentscheid, sondern das Ergebnis eines Prozesses, der viel, sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat (s. nicht publ. E. 6). Über mehrere Jahre haben die Eltern den Beweis erbracht, dass sie nicht in der Lage sind, adäquat für ihre Kinder zu sorgen, auch nicht mit weniger weitreichenden Begleitmassnahmen. Diese Umstände sind umfassend dokumentiert. Es ist daher schwer vorstellbar, dass selbst ein positiver Eindruck, den die Eltern den vorinstanzlichen Richtern hätten vermitteln können, etwas am Ergebnis geändert hätte, denn das Gericht durfte im Kindesinteresse nicht von der Vorgeschichte abstrahieren. Ob die Beschwerdeführer ihrer als Eintretensvoraussetzung zu behandelnden Begründungspflicht nachkommen, kann hier offenbleiben, denn die Rüge erweist sich auch inhaltlich als unbegründet.
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Die Beschwerdeführer monieren, Art. 6 Ziff. 1 EMRK räume ihnen einen Anspruch ein, vom gesamten Spruchkörper angehört zu werden. Sie irren. Die EMRK enthält keine Vorschriften zum Beweisrecht (Urteil Mantovanelli gegen Frankreich Nr. 21497/93 vom 18. März 1997 § 34), weder über die Beweislast, die Zulässigkeit von Beweismitteln, den Beweiswert derselben (Urteil Tiemann gegen Frankreich und Deutschland Nr. 47458/99 vom 27. April 2000) noch darüber, wie Beweise zu würdigen sind (Urteil Garcia Ruiz gegen Spanien Nr. 30544/96 vom 21. Januar 1999 § 28; zur antizipierten Beweiswürdigung vgl. Urteil Centro Europa 7 S.r.l. und Di Stefano gegen Italien Nr. 38433/09 vom 7. Juni 2012 § 198). Ebenso wenig ergibt sich aus der Rechtsprechung des EGMR, dass für die BGE 142 I, 188 (195)Abnahme von Beweisen stets alle Richter des Spruchkörpers anwesend sein müssten. Die Vorgabe, dass das Gericht einen persönlichen Eindruck über die Partei soll gewinnen können, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Würdigung des Sachverhaltes. Was für das Beweisrecht im Allgemeinen gilt, ist auch für die persönliche Anhörung einer Partei massgebend. Daher wird der Pflicht, eine Partei persönlich und mündlich anzuhören, nicht nur dann Genüge getan, wenn alle Richter des Spruchkörpers sich einen persönlichen Eindruck über die Partei machen können; es genügt, wenn eine Delegation dies tun kann.
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Mithin hat das Verwaltungsgericht dem von den Beschwerdeführern behaupteten, hier nicht ohne Weiteres gegebenen Anspruch, persönlich und mündlich angehört zu werden, Genüge getan. Die Rüge erweist sich als unbegründet, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann.(...)
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