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Informationen zum Dokument  BGE 85 II 149  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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25. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Mai 1959 i.S. Buss AG gegen Milo-Werke, Nationalunternehmen.
 
 
Regeste
 
Art. 43 Abs. 1 OG, Berufungsgrunde.  
 
Sachverhalt
 
BGE 85 II, 149 (149)A.- Die Firma Buss AG in Basel verpflichtete sich am 5. Februar 1948 gegenüber dem tschechoslowakischen Nationalunternehmen Milo-Werke zur Lieferung einer Öl-Härtungsanlage. Die Parteien knüpften die Fälligkeit der letzten 10% des Preises unter anderem an die Bedingung, dass die Verkäuferin der Käuferin für die Dauer von sechs Monaten in gleicher Höhe Bankgarantie leiste. "Was den Inhalt der Garantie betrifft", vereinbarten sie, "für eventuelle Differenzen" ein Schiedsgericht zu bestellen. Sie bestimmten, dass jede Partei einen Schiedsrichter zu bezeichnen habe und der Vorsitzende von beiden Parteien gemeinsam oder, falls sie sich nicht einigen könnten, vom Präsidenten des tschechoslowakischen Industrieverbandes zu ernennen sei.
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Am 18. Dezember 1948 änderten sie den Vertrag. Sie kamen überein, einen Rest von Fr. 58'500.-- des auf Fr. 617'000.-- herabgesetzten Kaufpreises als "Garantierückhalt" zu betrachten. Die Milo-Werke verpflichteten sich, hiefür bei einer schweizerischen Grossbank ein unwiderrufliches Akkreditiv zu errichten, über das die Buss AG gegen Vorweisung des von beiden Parteien unterschriebenen Abnahmeprotokolls über das einwandfreie Funktionieren der gelieferten Anlage sollte verfügen können.
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Die Anlage wurde in den Jahren 1950 und 1951 geliefert, wies jedoch Mängel auf, weshalb das gemeinsame Abnahmeprotokoll BGE 85 II, 149 (150)nicht zustande kam. Im Januar 1958 verlangten die Milo-Werke die Wandelung des Vertrages bezüglich eines Teils der Anlage und forderten Schadenersatz.
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B.- Die Buss AG liess am 26. März 1958 zur Sicherung ihrer Forderung von Fr. 58'500.-- ein Guthaben der Milo-Werke gegen die Schweizerische Verrechnungsstelle mit Arrest belegen und leitete Betreibung ein. Auf Rechtsvorschlag der Milo-Werke hin klagte sie gegen diese beim Bezirksgericht Zürich auf Zahlung von Fr. 58'500.-- nebst Zins-, Arrest- und Betreibungskosten.
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Die Beklagte wendete unter anderem ein, die staatlichen Gerichte seien wegen der am 5. Februar 1948 vereinbarten Schiedsklausel nicht zuständig. Das Bezirksgericht hielt diese Einrede für begründet und wies daher die Klage von der Hand.
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Die Klägerin rekurrierte an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses wies den Rekurs am 10. März 1959 ab. Es kam zum Schluss, die vorliegende Schiedsklausel solle nach dem ganzen Vertragssystem dann gelten, wenn wegen Mängelrügen der Beklagten über die Herausgabe des als "Garantie" dienenden und zurückbehaltenen Restpreises von Fr. 58'500.-- Streit entstehe; ein solcher Streit liege vor. Auch sei die Schiedsklausel nicht zum Teil undurchführbar, wie die Klägerin geltend mache.
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C.- Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, die Entscheide des Bezirksgerichtes und des Obergerichtes aufzuheben und das Bezirksgericht anzuweisen, die Klage materiell zu beurteilen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
Das Bundesgericht hat seine frühere Auffassung, wonach Schiedsverträge und Schiedsklauseln dem materiellen Privatrecht unterständen, im Jahre 1915 aufgegeben und in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre in ihnen BGE 85 II, 149 (151)seither immer Vereinbarungen prozessualer Natur gesehen, die ausschliesslich vom kantonalen Prozessrecht beherrscht sind (BGE 41 II 537 ff., BGE 59 I 179, BGE 59 II 188, BGE 60 II 60, BGE 67 II 148, BGE 71 II 116, 179, BGE 78 II 395). Dieses bestimmt insbesondere, unter welchen Voraussetzungen sie gültig sind oder dahinfallen und wie sie ausgelegt werden müssen. Die Bestimmungen des eidgenössischen Rechts über Abschluss, Auslegung und Hinfall von Verträgen sind nicht von Bundesrechts wegen anwendbar. Sie treffen nur zu, wenn und soweit das kantonale Recht es verlangt, und haben dann die Natur (subsidiären) kantonalen Rechts (BGE 71 II 117). Art. 2 ZGB, wonach jedermann in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat und der offenbare Missbrauch eines Rechtes nicht geschützt wird, macht keine Ausnahme. Diese Norm schränkt nur die Anwendung von Sätzen des eidgenössischen Rechtes ein, steht dagegen der Anwendung kantonalen Rechts, soweit solches massgebend ist, nicht im Wege (BGE 84 II 642). Das kantonale Recht bestimmt, ob Schiedsverträge oder Schiedsklauseln nur im Rahmen von Treu und Glauben angewendet werden dürfen und ob ihre Anrufung missbräuchlich und deshalb nicht zu schützen ist.
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Es ist somit eine Frage des kantonalen Prozessrechtes, ob auch das Rechtsbegehren der Klägerin auf Auszahlung des Kaufpreisrestes, der von der Beklagten zur Sicherung ihrer allfälligen Ansprüche aus Gewährleistung zurückbehalten werden durfte, der vereinbarten Schiedsklausel untersteht oder diese, wie die Klägerin glaubt, nur einen unmittelbar auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens solcher Ansprüche oder auf deren Befriedigung gerichteten Rechtsstreit erfasst. Auch die zum Gegenstand der Berufung gemachte Frage, ob die Schiedsklausel hinfällig sei, weil die Ernennung des Vorsitzenden des Schiedsgerichtes voraussichtlich auf Schwierigkeiten stossen werde und daher der Klägerin die Anrufung des BGE 85 II, 149 (152)Schiedsgerichtes nicht zugemutet werden könne, untersteht dem kantonalen Prozessrecht. Da die Anwendung kantonalen Rechts vom Bundesgericht auf Berufung hin nicht überprüft werden darf (Art. 43, 55 Abs. 1 lit. c OG), ist somit die vorliegende Berufung nicht zulässig.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
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