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Informationen zum Dokument  BGE 102 II 1  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. (Streitwert). ...
2. a) Zwischen den Parteien ist einerseits streitig, welchen Betr ...
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1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. März 1976 i.S. Kuhn gegen Janutin.
 
 
Regeste
 
Art. 826 ZGB.  
 
Sachverhalt
 
BGE 102 II, 1 (1)Gekürzter Sachverhalt:
1
A.- Durch Architekturvertrag gemäss SIA-Formular vom 16. Januar 1969 beauftragte Erwin Janutin die durch Walter Kuhn vertretene VERMOBAU AG mit der Erstellung eines Wohn- und Geschäftshauses auf einer ihm gehörenden Parzelle in Savognin. Kuhn war indessen, wie sich später herausstellte, für diese Gesellschaft nicht zeichnungsberechtigt. Der BGE 102 II, 1 (2)Vertrag wurde in der Folge direkt zwischen Janutin und Kuhn abgewickelt. Kuhn übernahm auch die Finanzierung des Bauvorhabens, indem er Janutin einen Baukredit gewährte. Zur Sicherung der vorzuschiessenden Mittel wurden zulasten der Bauparzelle drei Grundpfandverschreibungen errichtet, eine solche von Fr. 300'000.-- im ersten und zwei weitere von je Fr. 100'000.-- im zweiten und dritten Rang.
2
Im Zusammenhang mit der Bauabrechnung entstand zwischen den beiden Streit. Janutin verlangte von Kuhn vergeblich die Herausgabe von Unterlagen, um dessen Kostenzusammenstellung zu überprüfen. Schliesslich beauftragte er die Treuhandgesellschaft Confidar AG in Chur, durch Rückfrage bei allen am Bau beteiligten Handwerkern eine Abrechnung zu erstellen. Diese ergab per 31. Dezember 1972 einen Saldo von Fr. 365'254.-- zugunsten Kuhns, der die Abrechnung indessen nicht anerkannte und geltend machte, der Saldo zu seinen Gunsten betrage über Fr. 500'000.--.
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B.- Da Janutin die auf seinem Grundstück im zweiten und dritten Rang lastenden Grundpfandverschreibungen löschen lassen wollte, erhob er nach erfolglos verlaufener Sühneverhandlung beim Bezirksgericht Albula gegen Kuhn und die Schweizerische Volksbank in Reinach, der Kuhn seine Forderung abgetreten hatte, Klage mit folgenden Rechtsbegehren:
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"1. Es sei festzustellen, dass der Kläger dem Erstbeklagten Walter Kuhn bzw. der Zweitbeklagten Volksbank Reinach als Zessionarin lediglich Fr. 365'254.-- schuldet.
5
2. Das Grundbuchamt Savognin sei anzuweisen, die auf der Liegenschaft Grundbuchblatt Nr. 52, Parzelle Nr. 52 in Savognin lastende Grundpfandverschreibung Nr. 3 im Betrage von Fr. 100'000.-- zu löschen.
6
3. Das Grundbuchamt Savognin sei anzuweisen, die auf der Liegenschaft Grundbuchblatt Nr. 52, Parzelle Nr. 52 in Savognin lastende Grundpfandverschreibung Nr. 2 im Betrage von Fr. 100'000.-- nach Bezahlung von Fr. 65'254.-- an die Volksbank Reinach zu löschen."
7
Mit Urteil vom 9. und 17. Juli 1974 erklärte sich das Bezirksgericht Albula für unzuständig, auf die Klage und die von den Beklagten erhobene Widerklage auf Bezahlung von Fr. 9'000.-- einzutreten.
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C.- Gegen dieses Urteil legte der Kläger beim Kantonsgericht Berufung ein. In seinem Rechtsbegehren bezifferte er dabei den von ihm geschuldeten Forderungsbetrag in Anbetracht BGE 102 II, 1 (3)inzwischen geleisteter Zahlungen neu mit Fr. 29'354.--. Mit Rücksicht darauf, dass die Schweizerische Volksbank die ihr von Kuhn abgetretene Forderung nachträglich wieder an diesen zurückzediert hatte, zog Janutin in der Folge seine Klage gegen die Bank zurück.
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Im Unterschied zur ersten Instanz erachtete sich das Kantonsgericht als zuständig. Es fällte am 31. Januar/22. April 1975 folgendes Urteil:
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"1. Die Berufung wird gutgeheissen und das vorinstanzliche Urteil aufgehoben.
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2. Die Klage wird dahin gutgeheissen, dass das Grundbuchamt Savognin angewiesen wird, die auf der Liegenschaft Grundbuchblatt Nr. 52, Parzelle Nr. 52, des Grundbuches der Gemeinde Savognin lastende Grundpfandverschreibung Nr. 3 im dritten Rang im Betrage von Fr. 100'000.-- zu löschen und dass die auf der gleichen Parzelle lastende Grundpfandverschreibung Nr. 2 im zweiten Rang im Betrage von Fr. 100'000.-- nach Bezahlung von Fr. 35'835.10 nebst 6% Zins seit dem 1. Januar 1973 und von 6% Zins von Fr. 35'900.-- für die Zeit vom 1. Januar 1973 bis 28. November 1973 durch den Kläger an den Beklagten zu löschen ist.
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3. Die Widerklage wird abgewiesen.
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4. Die Klage gegen die Schweizerische Volksbank wird als durch Rückzug erledigt abgeschrieben."
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D.- Den kantonsgerichtlichen Entscheid hat der Beklagte sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde als auch mit Berufung beim Bundesgericht angefochten. In der Berufungsschrift wird beantragt, auf die Klage sei nicht einzutreten; eventuell sei diese vollumfänglich abzuweisen oder die Sache zu neuer Beurteilung an das Bezirksgericht Albula bzw. an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
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Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung.
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Aus den Erwägungen:
 
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2. a) Zwischen den Parteien ist einerseits streitig, welchen Betrag der Kläger dem Beklagten für die Erstellung und Finanzierung seines Hauses in Savognin noch schuldet, und andererseits, in welchem Umfang dem Kläger ein Anspruch auf Löschung der zur Sicherung dieser Schuld im Grundbuch eingetragenen Grundpfandverschreibungen zusteht. Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, die Forderung des Beklagten habe am 31. Dezember 1972 noch insgesamt Fr. 371'735.10 BGE 102 II, 1 (4)betragen und habe sich seither durch Abzahlungen im Gesamtbetrag von Fr. 35'900.-- sowie zufolge Ablösung des durch die erste Hypothek sichergestellten Forderungsbetrages von Fr. 300'000.-- durch die Graubündner Kantonalbank auf Fr. 35'835.10 reduziert. Nach Ansicht des Kantonsgerichts hat der Kläger nebst dieser Summe (vom 1. Januar 1973 an bis zur Tilgung) auch den abbezahlten Betrag von Fr. 35'900.-- (vom 1. Januar bis 28. November 1973) zu 6% zu verzinsen. Abschliessend hält die Vorinstanz fest, die Grundpfandverschreibung Nr. 2 im zweiten Rang könne erst nach Tilgung der Restschuld von Fr. 35'835.10 und Bezahlung der genannten Zinsen gelöscht werden, wogegen dem Begehren um Löschung der dritten Hypothek ohne weiteres entsprochen werden könne, da eine Schuld, die durch diese hätte sichergestellt werden sollen, gar nie entstanden sei.
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b) Der Beklagte macht geltend, die Vorinstanz habe mit der Anordnung der Löschung Art. 826 ZGB verletzt; nach dieser Bestimmung könne die Löschung des Grundbucheintrages nur verlangt werden, wenn die Forderung untergegangen oder niemals entstanden sei; der Löschungsanspruch des Klägers sei mithin bezüglich der Grundpfandverschreibung Nr. 2 nicht fällig gewesen, da die Forderung nur teilweise getilgt gewesen sei; der Kläger hätte daher nur eine entsprechende Reduktion der Pfandsumme im Grundbuch verlangen können.
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aa) Mit dieser Begründung wendet sich der Beklagte nur gegen die - unter der Bedingung der Bezahlung der Restschuld angeordnete - Löschung der Grundpfandverschreibung von Fr. 100'000.-- im zweiten Rang. Nicht beanstandet wird hingegen die Löschung der dritten Hypothek, bezüglich der nach dem angefochtenen Urteil eine sicherzustellende Forderung von vornherein fehlte. Beiläufig weist der Beklagte in der Berufungsschrift allerdings darauf hin, dass er die Feststellungen der Vorinstanz über die Höhe der klägerischen Schuld nicht anerkenne. Aus den daran anschliessenden Ausführungen ergibt sich aber, dass er selber zu Recht annimmt, es handle sich bei diesen Feststellungen des Kantonsgerichts um solche tatsächlicher Natur, an die das Bundesgericht im Berufungsverfahren grundsätzlich gebunden sei. Ist jedoch auf Grund des angefochtenen Urteils davon auszugehen, eine Forderung, für welche die Grundpfandverschreibung im dritten Rang als Sicherheit hätte dienen müssen, sei gar nie entstanden, BGE 102 II, 1 (5)steht einer Löschung des betreffenden Grundbucheintrages auch nach der vom Beklagten vertretenen Auffassung nichts entgegen.
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bb) Wenn der Beklagte zur Begründung der behaupteten Verletzung von Art. 826 ZGB ausführen lässt, der Löschungsanspruch des Klägers sei mit Bezug auf die Grundpfandverschreibung im zweiten Rang nicht fällig gewesen, so will er damit geltend machen, deren Löschung könne erst verlangt werden, wenn die sichergestellte Forderung untergegangen sei. Die Einrede der mangelnden Fälligkeit bezieht sich nicht auf die Forderung als solche. Was diese anbetrifft, weist der Kläger in der Berufungsantwort zutreffend darauf hin, dass ihm der Beklagte die gesamten grundpfändlich gesicherten Forderungen im Jahre 1972 zur Rückzahlung gekündigt hatte. Wie sich aus einem Rechtsöffnungsentscheid des Kreisamtes Oberhalbstein vom 11. Juli 1973 ergibt, wurden die Darlehen im Jahre 1973 nochmals gekündigt. Es kann mithin nicht zweifelhaft sein und wird denn auch in der Berufungsschrift nicht bestritten, dass die Forderung des Beklagten tatsächlich zur Zahlung fällig, die Voraussetzung für eine gültige Befreiung von der Schuldpflicht somit erfüllt war.
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c) Es ist unter diesen Umständen nicht einzusehen, weshalb die Löschung der Grundpfandverschreibung nicht in der von der Vorinstanz angeordneten Weise möglich sein sollte. Dem Beklagten ist zwar einzuräumen, dass der Wortlaut des Art. 826 ZGB vorauszusetzen scheint, die Forderung müsse untergegangen sein, damit der Eigentümer des belasteten Grundstücks die Löschung des Eintrages verlangen könne. Es würde jedoch zu weit führen, dem Pfandeigentümer einen gerichtlichen Entscheid verweigern zu wollen, der ihn ermächtigt, gegen einen Ausweis über die Tilgung der Pfandschuld die Löschung des Grundbucheintrages zu verlangen. Sehr oft wird ihm die Ablösung einer durch Grundpfandverschreibung gesicherten Schuld nur auf diese Weise möglich sein; ein neuer Geldgeber ist in der Regel nur bereit, die zur Rückzahlung der Schuld erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, wenn Gewähr dafür besteht, dass unverzüglich ein Pfandrecht zu seinen Gunsten eingetragen werden kann. Die Interessen des bisherigen Pfandgläubigers werden durch die Bedingung, dass der Eintrag seines Pfandrechts erst nach erfolgter Tilgung der Forderung gelöscht werden kann, ausreichend geschützt. Es BGE 102 II, 1 (6)kann nicht der Sinn des Art. 826 ZGB sein, die Geltendmachung des Löschungsanspruches von einer weiter gehenden Voraussetzung abhängig zu machen und dadurch unnötig zu erschweren. Im Augenblick des Untergangs der Forderung verliert der Eintrag des Pfandrechts im Grundbuch seine Berechtigung, und er sollte daher so rasch als möglich gelöscht werden können. Ob das Pfandrecht schon mit dem Untergang der Forderung dahinfalle oder erst mit der Löschung des Grundbucheintrages (vgl. dazu die Kontroverse zwischen WIELAND und LEEMANN, je N. 1 zu Art. 826 ZGB), ist dabei ohne Belang.
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d) Bedenken gegen die Löschungsanordnung des Kantonsgerichts könnten sich allenfalls daraus ergeben, dass die Feststellung, ob die Forderung getilgt sei, nicht dem Richter vorbehalten bleibt, sondern dem Grundbuchamt überlassen wird. Den gleichen Weg hat die Rechtsprechung indessen bereits bei der Eintragung von Grundeigentum beschritten, indem die Anweisung an das Grundbuchamt, einen Erwerber einzutragen, sobald dieser sich über die Zahlung des Kaufpreises ausweist oder denselben beim Grundbuchamt zu Handen des Verkäufers hinterlegt, als zulässig erklärt wurde (BGE 85 II 487 und BGE 86 II 426 /427 mit Hinweisen). Es bestehen keine Gründe, dieses Vorgehen nicht auch bei der Löschung einer Grundpfandverschreibung zuzulassen.
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Dass im übrigen die nach Art. 964 ZGB zur Löschung eines Eintrages erforderliche schriftliche Erklärung der aus dem Eintrag berechtigten Person durch eine Ermächtigung des Richters ersetzt werden kann, ist eine notwendige Folge der Vollstreckung des Löschungsanspruches, die in Art. 61 Abs. 2 der Grundbuchverordnung auch ausdrücklich berücksichtigt wird. Die neuere bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt übrigens ganz allgemein zu, dass die von einer Vertragspartei abzugebende Willenserklärung im Falle der Weigerung durch ein Gerichtsurteil ersetzt werden kann (BGE 97 II 51 f. mit Hinweisen).
24
e) Es ergibt sich somit, dass die Berufung unbegründet ist, soweit mit ihr eine Verletzung von Art. 826 ZGB geltend gemacht wird.
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