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Informationen zum Dokument  BGE 109 II 245  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. In der Berufungsantwort wird mit beachtlichen Gründen gel ...
3. Werden ein landwirtschaftliches Gewerbe oder wesentliche Teile ...
4. Gemäss Art. 16 Abs. 1 EGG können die Kantone fü ...
5. Nach Art. 6 Abs. 1 EGG steht das Vorkaufsrecht den Berechtigte ...
6. Nach Art. 14 Abs. 1 EGG hat der Berechtigte das Vorkaufsrecht  ...
7. a) Nach Art. 14 Abs. 2 EGG erlischt das Vorkaufsrecht in jedem ...
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55. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. September 1983 i.S. Erben des Jakob Bommer-Hagen und Karl Flammer gegen Alfons Bommer-Fuchs (Berufung)
 
 
Regeste
 
Grundbuchberichtigungsklage einer nach Art. 6 Abs. 1 EGG vorkaufsberechtigten Person, die vom Verkauf des Grundstückes erst nachträglich erfahren hat.  
2. Vollzug des Verkaufs einer zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehörenden Parzelle trotz rechtsgültiger Geltendmachung des Vorkaufsrechtes durch einen nach EGG Berechtigten, und zwar offensichtlich mit dem Ziel, die Gesamtfläche des Gewerbes unter die für die Anwendbarkeit der EGG-Bestimmungen über das Vorkaufsrecht erforderliche Limite sinken zu lassen: In einem solchen Fall ist es bei der Beurteilung des Verkaufs einer zweiten Parzelle so zu halten, wie wenn die erste Parzelle noch auf den Namen des Eigentümers des landwirtschaftlichen Gewerbes im Grundbuch eingetragen wäre (E. 4).  
3. Unter der "Mitteilung" im Sinne von Art. 14 Abs. 1 EGG ist diejenige zu verstehen, die der Grundbuchverwalter den Vorkaufsberechtigten gemäss Art. 13 Abs. 3 EGG zu machen hat (E. 6).  
4. Voraussetzungen, unter denen der Einrede der Verwirkung des Vorkaufsrechtes (Art. 14 Abs. 2 EGG) entgegengehalten werden kann, sieverstosse gegen Art. 2 ZGB (E. 7).  
 
Sachverhalt
 
BGE 109 II, 245 (246)Der 1896 geborene Jakob Bommer war Eigentümer eines ursprünglich 5,27 ha Kulturland und Wald umfassenden Landwirtschaftsbetriebes in St. Margarethen. Am 11. November 1974 verkaufte er 2,78 ha Kulturland (Parzelle Nr. 312) an Max Bürge, worauf Alfons Bommer-Fuchs, einer seiner Söhne, am 29. Mai 1975 dem Grundbuchamt Sirnach gegenüber vorsorglich die Ausübung des Vorkaufsrechtes erklärte. Der Kaufvertrag zwischen Jakob Bommer und Max Bürge wurde gleichwohl ins Grundbuch eingetragen.
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In der Folge erhob Alfons Bommer gegen die Erben seines inzwischen verstorbenen Vaters und gegen Max Bürge Klage auf Änderung des Grundbucheintrages in dem Sinne, dass Max Bürge als Eigentümer der strittigen Liegenschaft zu löschen und an dessen Stelle die Erbengemeinschaft bzw. gestützt auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes er selbst einzutragen sei. Nachdem das Bundesgericht am 24. April 1979 eine Berufung der Beklagtschaft gegen einen Rückweisungsentscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau abgewiesen hatte, erkannte das Bezirksgericht Münchwilen mit Endurteil vom 1. April 1980, dass Max Bürge als Eigentümer zu löschen und stattdessen Alfons Bommer einzutragen sei.
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BGE 109 II, 245 (247)Am 30. Juli 1976 hatte Jakob Bommer die Parzelle Nr. 115 im Halte von 10 415 m2 Kulturland für Fr. 4.--/m2 an Karl Flammer jun. verkauft. Das Grundbuchamt liess Alfons Bommer keine Orientierung über diesen Kaufvertrag zukommen. Im Januar 1977 wurden Pläne für ein Bauvorhaben von Karl Flammer auf der Parzelle Nr. 115 öffentlich aufgelegt. Nachdem Jakob Bommer am 28. Januar 1977 gestorben war, leitete Alfons Bommer am 1. Februar 1977 durch Einreichung des Vorstandsbegehrens gegen dessen Erben und gegen Karl Flammer das vorliegende Verfahren ein. Durch Schreiben vom 8. Februar 1977 erhielt er vom Grundbuchamt Sirnach auf Anfrage hin die Bestätigung des Verkaufes der Parzelle Nr. 115 an Karl Flammer. Mit Eingabe vom 22. Februar 1977 an das Grundbuchamt machte Alfons Bommer alsdann das Vorkaufsrecht bezüglich dieser Parzelle geltend.
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Nachdem am 23. Mai 1977 der Vermittlungsvorstand durchgeführt worden war, reichte der Kläger beim Bezirksgericht Münchwilen mit Eingabe vom 22. Juni 1977 die Weisung ein. Der Prozess wurde bis zur Erledigung der Grundbuchberichtigungsklage betreffend den Verkauf der Parzelle Nr. 312 an Max Bürge sistiert. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens reichte der Kläger unter dem 8. September 1980 die Klageschrift ein mit folgenden Rechtsbegehren:
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"1. Es sei der Eintrag im Grundbuch St. Margarethen TG, d.d. 30. Juli 1976, mit dem Beklagten Nr. 2 als Eigentümer von Parzelle Nr. 112 (richtig: Nr. 115) ... im Halte von 10 415 m2 Feld in der "Höhe", zu löschen, das Grundbuch entsprechend zu berichtigen und damit der Grundbuchstand vor dem zu berichtigenden Eintrag mit den Beklagten Nr. 1 einschliesslich des Klägers (Rechtsnachfolger von Jakob Bommer, geboren 2. Februar 1899, verstorben am 28. Januar 1977, wohnhaft gewesen in Sedel-St. Margarethen) als Eigentümer wieder herzustellen.
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2. Das Grundbuchamt Sirnach sei anzuweisen und zu ermächtigen, den Grundbucheintrag gemäss Ziff. 1 zu löschen bzw. vorzunehmen.
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3. Dem Kläger sei das Nachklagerecht vorzubehalten."
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Das Bezirksgericht schützte in seinem Urteil vom 28. Januar 1982 die Klage vollumfänglich, und eine von den Beklagten erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Thurgau am 14. September 1982 ab.
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Den obergerichtlichen Entscheid haben die Beklagten sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV BGE 109 II, 245 (248)als auch mit Berufung beim Bundesgericht angefochten. Mit der Berufung beantragen sie, es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen; allenfalls sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Der Kläger stellt den Antrag, auf die Berufung sei nicht einzutreten; allenfalls sei sie abzuweisen.
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Aus den Erwägungen:
 
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Nach Art. 36 Abs. 1 OG wird der Wert des Streitgegenstandes durch das klägerische Rechtsbegehren bestimmt. Streitgegenstand ist im vorliegenden Fall die vom Kläger verlangte Grundbuchberichtigung, mit der die strittige Parzelle zunächst ins Eigentum der Erben des Jakob Bommer-Hagen überführt werden soll, damit sie in der Folge aufgrund des vorbehaltenen Nachklagerechts zum Ertragswert auf den Kläger übertragen werden kann. Das Klagebegehren beruht auf dem Vorkaufsrecht, mit dem der Kläger das vom Erblasser zum Preise von etwas über Fr. 41'000.-- an den Zweitbeklagten verkaufte Grundstück zum Ertragswert an sich ziehen will. Das klägerische Interesse besteht somit im Erwerb des strittigen Grundstücks zum Ertragswert, während das Interesse der Beklagten darauf gerichtet ist, dass es beim Verkauf des Landes zum Preise von rund Fr. 41'000.-- an den Zweitbeklagten bleibt. Das beklagtische Interesse übersteigt somit dasjenige des Klägers bei weitem und liegt nicht nur höher als Fr. 8'000.--, sondern auch höher als Fr. 15'000.--.
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Für den Fall, dass klägerisches und beklagtisches Interesse finanziell nicht gleich hoch zu werten sind, bestimmt das Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege nichts. WURZBURGER (Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, Diss. Lausanne 1964, S. 136, Ziff. 190) ist der Ansicht, es müsse auf das höhere Interesse abgestellt werden. Die gleiche Auffassung vertritt auch SCHULLER (Die Berechnung des Streitwertes, Diss. Zürich 1974, S. 95). Bei der Streitwertberechnung im Zusammenhang mit Grunddienstbarkeiten stellt das Bundesgericht schon seit langem auf das höhere Interesse der Beteiligten ab, und auch für den Fall der Einräumung eines Notwegrechts BGE 109 II, 245 (249)hat es sich in diesem Sinne geäussert (vgl. BGE 92 II 65 E. 4 mit Hinweisen). Es rechtfertigt sich, in einem Fall wie dem vorliegenden gleich zu entscheiden. Auf die Berufung ist deshalb einzutreten.
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...
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3. Werden ein landwirtschaftliches Gewerbe oder wesentliche Teile davon verkauft, so steht den Nachkommen, dem Ehegatten und den Eltern des Verkäufers ein Vorkaufsrecht zu (Art. 6 Abs. 1 EGG). Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass die verkaufte Parzelle zu einem landwirtschaftlichen Heimwesen gehörte und dass der Kläger an sich als eine der nach EGG vorkaufsberechtigten Personen gilt. Die Beklagten beanstanden hingegen in grundsätzlicher Hinsicht, dass auf den am 30. Juli 1976 beurkundeten und ins Grundbuch eingetragenen Kaufvertrag zwischen Jakob Bommer und dem Zweitbeklagten die Bestimmungen des EGG über das Vorkaufsrecht überhaupt angewendet worden seien. Zu Unrecht habe das Obergericht die verkaufte Parzelle Nr. 115 im Umfange von 10 415 m2 als einen wesentlichen Teil des Heimwesens Bommer qualifiziert. Ferner habe der Kläger sein Vorkaufsrecht zu spät ausgeübt, und zudem sei dieses verwirkt.
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a) Im Zeitpunkt der vorliegend angefochtenen Handänderung war als Eigentümer der im Jahre 1974 verkauften Parzelle Nr. 312 noch immer Max Bürge eingetragen. Das landwirtschaftliche Gewerbe des Jakob Bommer von ursprünglich 5,27 ha umfasste somit aus dieser Sicht nur noch etwa 2,5 ha, also weniger als 3 ha.
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b) Das Obergericht hält fest, es sei ihm aus dem Prozess betreffend die Handänderung Bommer/Bürge bekannt, dass jener Verkauf ganz offenkundig einzig und allein zu dem Zweck getätigt worden sei, den Kläger als Vorkaufsberechtigten bzw. späteren Erben auszuschliessen. Wie es nunmehr feststellen müsse, habe dieser Zweck durch zwei verschiedene Mittel erreicht werden wollen; einerseits dadurch, dass der erwähnte erste Kaufvertrag trotz des vom Kläger in rechtsgültiger Weise geltend gemachten Vorkaufsrechtes vollzogen worden sei, und andererseits sollte ganz BGE 109 II, 245 (250)offensichtlich durch die Zerlegung in mehrere Parzellen und durch den widerrechtlichen Vollzug des Kaufvertrages mit Max Bürge das dem Kläger zustehende Vorkaufsrecht, wenn nicht für das ganze Heimwesen, so doch zumindest für den Restbetrieb ausgeschlossen werden. Die Vorinstanz liess offen, ob jeder Restbestand eines landwirtschaftlichen Heimwesens, das jemals 3 ha gemessen habe, dem EGG unterstehe. Sie hielt jedoch dafür, dass in einem Fall, da in kurzen zeitlichen Abständen Parzellen eines landwirtschaftlichen Heimwesens verkauft würden, anzunehmen sei, dies geschehe zur Umgehung des Vorkaufsrechtes nach EGG und sei deshalb rechtsmissbräuchlich; es sei deshalb davon auszugehen, dass dem Kläger auch bezüglich des im vorliegenden Verfahren strittigen Grundstücks ein Vorkaufsrecht zugestanden habe.
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c) Die Beklagten wenden hiegegen ein, sie hätten im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren sich mit Nachdruck darauf berufen und auch zum Beweis verstellt, dass Jakob Bommer und der Zweitbeklagte beim Abschluss und bei der grundbuchlichen Eintragung ihres Kaufvertrages ohne die geringste Einschränkung gutgläubig gewesen seien und gehandelt hätten. Indem das Obergericht ohne Abnahme der anerbotenen Beweise auf Bösgläubigkeit von Jakob Bommer geschlossen habe, habe es sowohl Art. 3 als auch Art. 8 ZGB verletzt.
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Wie es sich damit verhält, braucht hier weiter nicht erörtert zu werden. In seinem Entscheid 86 II 427 ff. hielt das Bundesgericht fest, dass der Umgehung des Gesetzes Tür und Tor geöffnet wäre, wenn der Eigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes die Ausübung des Vorkaufsrechtes nach EGG dadurch ausschliessen könnte, dass er den Hof in Parzellen zerlegt und diese an verschiedene Personen verkauft; die Auflösung eines Bauerngutes durch dessen Verkauf in Teilstücken vermöge die Anwendung der Art. 6 ff. EGG nicht zu verhindern (S. 431). Die Verhältnisse liegen in der vorliegenden Sache zwar nicht genau gleich wie in jenem Fall, wo verschiedene Parzellen gleichzeitig hätten verkauft werden sollen. Der zeitliche Abstand zwischen dem Verkauf an Max Bürge (vom 11. November 1974) und demjenigen an den Zweitbeklagten (vom 30. Juli 1976) ist jedoch nicht so gross, dass hier anders zu entscheiden wäre. Vielmehr sind die Vorgänge um die beiden Verkäufe in ihrem Zusammenhang zu würdigen. Dabei ist unter Hinweis auf die entsprechende Klausel im ersten Vertrag (Ziffer 4) vor allem festzuhalten, dass es Jakob Bommer von allem Anfang an darum ging, die Grundstücke an eine nicht vorkaufsberechtigte BGE 109 II, 245 (251)Person zu veräussern. Andererseits war aber dem Kläger stets daran gelegen, die Grundstücke zu erwerben.
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Nach dem Gesagten ist es so zu halten, wie wenn beim Abschluss des strittigen Vertrages das an Bürge verkaufte Grundstück noch auf den Namen von Jakob Bommer eingetragen gewesen wäre. Dabei mag offen bleiben, ob anders zu entscheiden gewesen wäre, wenn die beiden Veräusserungen nicht als Einheit zu betrachten gewesen wären. Das EGG ist demnach grundsätzlich anwendbar.
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5. Nach Art. 6 Abs. 1 EGG steht das Vorkaufsrecht den Berechtigten nur dann zu, wenn mindestens ein wesentlicher Teil des landwirtschaftlichen Gewerbes verkauft wird. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn Teile veräussert werden, bei deren Wegfall der landwirtschaftliche Betrieb seine wirtschaftliche Existenzfähigkeit und Selbständigkeit verliert (vgl. JOST, Handkommentar N. 4b zu Art. 6 EGG; JOST, Die Vorkaufsrechte, in: Das neue landwirtschaftliche Bodenrecht der Schweiz, S. 38). Das Bundesgericht hat bereits in seinem Urteil vom 24. April 1979 in Sachen Erben des Jakob Bommer und Max Bürge gegen den Kläger festgehalten, das EGG erfasse auch den bäuerlichen Kleinbetrieb, und zwar selbst denjenigen, der für sich allein einer Bauernfamilie keine ausreichende landwirtschaftliche Existenz zu bieten vermöge (vgl. dazu auch BGE 97 II 282 f. E. 4 und BGE 91 II 241 f. E. 1). Bei der Würdigung der vorliegend gegebenen Verhältnisse ist die Vorinstanz angesichts der Ausführungen in Erwägung 4, die sinngemäss auch hier gelten, zu Recht von einem Betrieb von gut fünf Hektaren ausgegangen, und sie hat das ihr in diesem Punkt zustehende Ermessen weder missbraucht noch überschritten, wenn sie festgehalten hat, die an den Zweitbeklagten verkauften 10 415 m2 stellten einen beträchtlichen Teil davon dar.
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Die Beklagten werfen dem Obergericht in diesem Zusammenhang zwar eine Verletzung von Art. 8 ZGB vor, weil es die von ihnen beantragte Expertise nicht angeordnet habe. Was als wesentlicher Teil eines landwirtschaftlichen Gewerbes im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EGG gilt, ist weitgehend eine Rechtsfrage. Im übrigen durfte die Vorinstanz auf ihre Kenntnisse aus dem Prozess in Sachen Bürge sowie auf ihren eigenen Sachverstand abstellen. Wo die kantonale Instanz über den massgebenden Sachverhalt positive Feststellungen getroffen hat, ist die Rüge der Verletzung von Art. 8 ZGB ohnehin gegenstandslos (vgl. BGE 98 II 86 mit Hinweisen).
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BGE 109 II, 245 (252)6. Nach Art. 14 Abs. 1 EGG hat der Berechtigte das Vorkaufsrecht binnen einem Monat, seitdem ihm die Mitteilung vom Abschluss des Kaufvertrages zugegangen ist, durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchverwalter geltend zu machen. Im Unterschied zum Vorkaufsrecht im Sinne von Art. 681 ZGB, wo die Frist auch mit einer zufälligen Kenntnisnahme zu laufen beginnt (vgl. dazu BGE 83 II 519 E. 2), wird der Beginn des Fristenlaufes hier ausdrücklich an die "Mitteilung vom Abschluss des Kaufvertrages" geknüpft. Diese Regelung steht in engem Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen des EGG betreffend das Vorkaufsrecht. So schreibt Art. 13 Abs. 3 EGG vor, dass der Grundbuchverwalter den vorkaufsberechtigten Personen die Anmeldung eines Kaufvertrages unverzüglich mitzuteilen hat, und zwar unter Hinweis auf die Frist zur Geltendmachung ihres Rechtes. Angesichts dieser Ordnung, die dem Vorkaufsberechtigten die Ausübung seines Rechtes erleichtern soll (vgl. JOST, Handkommentar N. 6 zu Art. 13 EGG), ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass unter der Mitteilung gemäss Art. 14 Abs. 1 EGG diejenige des Grundbuchverwalters zu verstehen ist. Es ist daher in der Tat unerheblich, ob der Kläger bereits anlässlich der Kenntnisnahme von der Baupublikation habe davon ausgehen müssen, dass ein Vorkaufsfall vorliege. In Anbetracht des klaren Wortlautes des geltenden Rechts sind die Vorbringen der Beklagten betreffend die Entstehungsgeschichte des EGG von vornherein unbehelflich. Das gleiche gilt für deren Hinweise auf die Rechtsprechung. Die zu dieser Frage angeführten Urteile befassten sich nämlich mit dem Vorkaufsrecht im Sinne von Art. 681 bzw. 682 ZGB.
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Aufgrund des angefochtenen Urteils steht für das Bundesgericht verbindlich fest, dass die grundbuchamtliche Mitteilung dem Kläger am 8. Februar 1977 zugegangen ist und dass dieser sein Vorkaufsrecht am 22. Februar 1977 ausgeübt hat. Die einmonatige Frist von Art. 14 Abs. 1 EGG wurde mithin eingehalten.
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1 EGG aus irgendeinem Grund unterblieben ist oder den Berechtigten nicht erreicht hat. Es geht bei der erwähnten Frist darum, eine längere Rechtsunsicherheit für Käufer und Verkäufer möglichst zu BGE 109 II, 245 (253)vermeiden (vgl. JOST, Handkommentar N. 3 zu Art. 14 EGG). Die mit dem Vorkaufsrecht des Art. 6 EGG verbundene zwingende Beschränkung der Vertragsfreiheit des Eigentümers soll nicht unnötig lang bestehen bleiben. Die kurze Verwirkungsfrist bringt freilich die Gefahr einer Benachteiligung des Vorkaufsberechtigten mit sich. In Fällen, da eine rechtzeitige Geltendmachung des Vorkaufsrechtes durch ein doloses Verhalten verhindert wurde, kann der Verwirkungseinrede jedoch mit Art. 2 ZGB begegnet werden.
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b) Der zwischen Jakob Bommer und dem Zweitbeklagten geschlossene Kauf wurde am 30. Juli 1976 ins Grundbuch eingetragen. Wird auf die Erklärung vom 22. Februar 1977 abgestellt, ergibt sich, dass der Kläger das Vorkaufsrecht weit mehr als drei Monate nach dem Grundbucheintrag geltend gemacht hat. Die Vorinstanz ist indessen der Ansicht, es müsse die Erklärung des Klägers vom 29. Mai 1975 betreffend die Ausübung des Vorkaufsrechtes beim Verkauf der Parzelle Nr. 312 an Max Bürge auch hinsichtlich des vorliegend strittigen Verkaufes als Ausübungserklärung betrachtet werden. Von einer Versäumnis der dreimonatigen Verwirkungsfrist könne deshalb nicht die Rede sein. Dem ist nicht beizupflichten. Die Erklärung vom 29. Mai 1975 bezog sich ausdrücklich auf den am 11. November 1974 erfolgten Verkauf der Parzelle Nr. 312 an Max Bürge. Im damaligen Zeitpunkt war noch völlig offen, ob Jakob Bommer weitere Anteile seines Heimwesens verkaufen werde. Jedenfalls wurde der Kaufvertrag mit dem Zweitbeklagten erst am 30. Juli 1976 öffentlich beurkundet und in das Grundbuch eingetragen. Die Erklärung eines Vorkaufsberechtigten, das gesetzliche Vorkaufsrecht ausüben zu wollen, setzt als rechtsbegründende Gestaltungserklärung voraus, dass ein konkreter Kaufvertrag abgeschlossen worden ist oder zumindest unmittelbar bevorsteht (vgl. BGE 108 II 193). Der Berechtigte wie der Verpflichtete müssen wissen, was für eine konkrete Kaufsobligation überhaupt begründet werden soll. Die erwähnte Erklärung muss bestimmt und eindeutig sowie bedingungslos sein und ist unwiderruflich (vgl. BGE 81 II 245 E. 1; JOST, Handkommentar N. 4a zu Art. 14 EGG; MEIER-HAYOZ, N. 224 zu Art. 681). Solange aber weder die Verkaufsabsicht noch der Umfang des zu verkaufenden Grundstücks noch grundsätzlich auch der Preis feststehen, kann eine Ausübungserklärung diese Voraussetzungen gar nicht erfüllen.
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c) Der Kläger hält der Verwirkungseinrede der Beklagten entgegen, sie verstosse gegen Art. 2 ZGB. Die Vorinstanz hat diese BGE 109 II, 245 (254)Auffassung geteilt und den klägerischen Anspruch auch mit dieser Begründung als nicht verwirkt betrachtet. Sie stellte in diesem Zusammenhang fest, dass alle Beklagten um die Vorkaufsberechtigung des Klägers gewusst hätten. Zumindest die Erstbeklagten seien sodann ganz eindeutig darauf aus gewesen, den Kläger an der Übernahme des väterlichen Heimwesens zu den günstigen Bedingungen des EGG zu hindern. Auch dem Zweitbeklagten seien offensichtlich die Absichten des Klägers bekannt gewesen. Den Beklagten sei ganz einfach jedes Mittel recht gewesen, durch welches dem Kläger die Ausübung seines Vorkaufsrechtes verunmöglicht werden sollte.
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Die Beklagten wenden ein, sie seien in jeder Hinsicht gutgläubig gewesen. Indem das Obergericht sie nicht zum entsprechenden Beweis zugelassen habe, habe es gegen Art. 8 ZGB verstossen. Ausserdem habe die Vorinstanz auch Art. 3 ZGB verletzt, da sie zu Unrecht dem Kläger nicht den Beweis für ihren bösen Glauben bzw. für rechtsmissbräuchliche Verhaltensweisen des Jakob Bommer und des Zweitbeklagten zugeschoben habe. Im übrigen hätten sie, die Beklagten, nicht die geringste Handlung vorgenommen, welche darauf hinausgelaufen wäre, dass der Grundbuchverwalter keine Mitteilung an den Kläger gemacht habe; sie hätten ja nicht einmal in Erwägung gezogen, dass ein Vorkaufsfall gegeben sei.
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Dass sie gar nicht daran gedacht hätten, dem Kläger könnte ein Vorkaufsrecht bezüglich der Parzelle Nr. 115 zustehen, scheinen die Beklagten damit begründen zu wollen, dass nach dem Verkauf der Parzelle Nr. 312 an Bürge die einschlägigen Bestimmungen des EGG auf das landwirtschaftliche Gewerbe des Jakob Bommer gar nicht mehr anwendbar gewesen seien. Insofern sind ihre Vorbringen jedoch von vornherein unbehelflich. Wie aus Erwägung 4 erhellt, dürfen die beiden Verkäufe nicht einzeln betrachtet werden. Was zudem die Erstbeklagten betrifft, so haben sich diese als Rechtsnachfolger von Jakob Bommer dessen Wissen und Handeln anrechnen zu lassen. Jakob Bommer muss nun aber gewusst haben, dass die an Max Bürge verkaufte Parzelle Nr. 312 mit einem gesetzlichen Vorkaufsrecht belastet war. Denn nur so lässt sich die Klausel im Vertrag mit Bürge erklären, wonach jener nur gelte, wenn die Vorkaufsberechtigten gemäss EG zum EGG auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes verzichteten. Jedenfalls mit Bezug auf Jakob Bommer ist aus dem Gesagten ohne weiteres zu schliessen, dass es ihm von Anfang an darum gegangen war, den BGE 109 II, 245 (255)Kläger an der Übernahme des väterlichen Heimwesens zu den günstigen Bedingungen des EGG zu hindern. Ob das gleiche von den Erstbeklagten gesagt werden kann, mag dahingestellt bleiben, da sie sich das Verhalten ihres Rechtsvorgängers entgegenhalten lassen müssen.
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Sodann ist darauf hinzuweisen, dass laut Entscheid des urteilenden Gerichts vom 24. April 1979 in Sachen Bürge der Kläger seinem Vater Jakob Bommer am 19. November 1974 mitgeteilt hatte, dass er die an Max Bürge verkaufte Parzelle Nr. 312 seinerseits käuflich erwerben wolle. Mit Schreiben seines Anwalts vom 29. Mai 1975 an das Grundbuchamt erklärte der Kläger ferner vorsorglich, d.h. für den Fall, dass ein Vorkaufsfall überhaupt eingetreten sein sollte, bezüglich der gleichen Parzelle das Vorkaufsrecht auszuüben. Trotz dieser eindeutigen Haltung des Klägers liess es Jakob Bommer zu, dass der Vertrag über den Verkauf der Parzelle Nr. 312 an Max Bürge ins Grundbuch eingetragen wurde. Dieser Eintrag führte dann dazu, dass die Fläche seines landwirtschaftlichen Gewerbes unter die Drei-Hektaren-Limite sank und dass sich der Grundbuchverwalter deshalb nicht mehr veranlasst sah, beim zweiten Verkauf die durch das EGG gebotenen Massnahmen, insbesondere die Mitteilung an den Kläger, anzuordnen.
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Dass der Kläger vom Verkauf der Parzelle Nr. 115 an den Zweitbeklagten zu spät erfuhr und sein Vorkaufsrecht nicht rechtzeitig geltend machen konnte, ist nach dem Gesagten letztlich auf ein fehlerhaftes Verhalten von Jakob Bommer zurückzuführen. Wenn die Erstbeklagten als dessen Rechtsnachfolger die Einrede der Verwirkung erheben, verstossen sie deshalb gegen Treu und Glauben (vgl. SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, 2. Bd., S. 1056). Insofern verletzt der angefochtene Entscheid kein Bundesrecht.
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Das Obergericht hält fest, die Absichten des Klägers seien auch dem Zweitbeklagten offensichtlich bekannt gewesen. Diese Feststellung der Vorinstanz reicht indessen nicht aus, auch dem Zweitbeklagten entgegenzuhalten, die Einrede der Verwirkung verstosse gegen Art. 2 ZGB. Letzteres könnte nur dann gesagt werden, wenn der Zweitbeklagte vom Verkauf der Parzelle Nr. 312 an Max Bürge Kenntnis gehabt und darüber hinaus auch gewusst haben sollte, dass jene Handänderung den Zweck hatte, im Sinne des oben Ausgeführten die Anwendbarkeit des EGG und damit das Vorkaufsrecht des Klägers auszuschalten. Feststellungen darüber, was der Zweitbeklagte über die Handänderung Jakob Bommer/Max Bürge BGE 109 II, 245 (256)konkret gewusst habe, fehlen im angefochtenen Entscheid. Das Obergericht führt zwar aus, den Beklagten - also sowohl den Erben des Jakob Bommer wie auch Karl Flammer - sei ganz einfach jedes Mittel recht gewesen, um dem Kläger die Ausübung seines Vorkaufsrechtes zu vereiteln. Darin kann jedoch nicht eine tatsächliche Feststellung im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG erblickt werden, die für das Bundesgericht verbindlich wäre. Vielmehr handelt es sich bei der vorinstanzlichen Feststellung um eine moralische Wertung. Was den Zweitbeklagten betrifft, so ist nicht ersichtlich, worauf sich das Obergericht hiebei gestützt hat. Die vorhandenen tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid reichen nach dem Gesagten nicht aus, den vom Kläger geltend gemachten Anspruch abschliessend zu beurteilen. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese im Sinne des oben Ausgeführten das Wissen des Zweitbeklagten im Zusammenhang mit beiden Handänderungen näher abkläre und hernach neu entscheide.
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