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Informationen zum Dokument  BGE 113 II 539  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. a) Die Beschwerdeführer halten das Einspruchsverfahren na ...
2. Der staatsrätliche Entscheid beruht auf Art. 19 Abs. 1 li ...
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93. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Dezember 1987 i.S. Ortsbürgergemeinde Muri (AG) und Erbengemeinschaft H. gegen Staatsrat des Kantons Freiburg (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Einspruch gegen den Verkauf eines landwirtschaftlichen Heimwesens (Art. 19 Abs. 1 EGG).  
 
Sachverhalt
 
BGE 113 II, 539 (539)Die Erben des H. sind Eigentümer eines landwirtschaftlichen Heimwesens in der Gemeinde Russy (Kanton Freiburg), das im Jahre 1973 von der Familie H. zum Preise vom Fr. 680'000.-- erworben worden war und seither verpachtet ist. Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 29. Juli 1986 kaufte die Ortsbürgergemeinde Muri (AG) das Heimwesen der Erbengemeinschaft H. zum Preise von 1,3 Millionen Franken.
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Am 24. Oktober 1986 entschied die Kantonale Behörde für Grundstückverkehr Freiburg, gegen das Rechtsgeschäft Einspruch BGE 113 II, 539 (540)zu erheben. Die von der Ortsbürgergemeinde Muri und den Erben des H. gegen diesen Entscheid erhobenen Verwaltungsbeschwerden wies der Staatsrat des Kantons Freiburg durch Beschluss vom 9. Juni 1987 ab.
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Den staatsrätlichen Entscheid haben die Ortsbürgergemeinde Muri und die Erbengemeinschaft mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten. Sie beantragen, der Entscheid vom 9. Juni 1987 sei aufzuheben und der Staatsrat des Kantons Freiburg sei anzuweisen, den von ihnen abgeschlossenen Kaufvertrag zu genehmigen.
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Der Staatsrat des Kantons Freiburg schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement vertritt demgegenüber die Auffassung, die Beschwerde sei gutzuheissen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Beschluss sowie den Einspruch gegen den Kaufvertrag vom 29. Juli 1986 auf.
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Aus den Erwägungen:
 
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Beim Erwerb des Heimwesens in Russy geht es der Beschwerdeführerin Nr. 1 darum, sich Land zu beschaffen, das sie als Realersatz Landwirten anbieten könnte, die bereit wären, ihr den zur Erfüllung ihrer öffentlichen, gemeinnützigen und kulturellen Aufgaben dringend notwendigen Boden abzutreten. Die Beschwerdeführer übersehen nicht, dass nach der bisherigen Rechtsprechung zu Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG das Einspruchsverfahren grundsätzlich nur dann nicht Platz greift, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Grundstückerwerb und einem der in der Gesetzesbestimmung genannten Zwecke besteht (vgl. BGE 83 I 71; BGE 80 I 414 E. 4). Sie sind indessen der Ansicht, Art. 21 EGG sei als Ausnahme von der in Art. 19 verankerten Einschränkung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit extensiv auszulegen; der Gesetzgeber BGE 113 II, 539 (541)habe in Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG vom Einspruchsverfahren diejenigen Grundstückkäufe ausgenommen, die dem Ersatz von Liegenschaften dienten, welche - zuvor - für öffentliche Aufgaben veräussert worden seien; in solchen Fällen sei die gegenseitige Bedingtheit der beiden Rechtsgeschäfte kaum mehr erkennbar; die Rückkehr zum Prinzip der Vertragsfreiheit sei in einem Fall der vorliegenden Art auch deshalb angezeigt, weil offensichtlich keine Spekulationsgefahr zu befürchten sei, gleichgültig ob die öffentliche Aufgabe direkt oder indirekt verfolgt werde.
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b) Wie darzulegen sein wird, erscheint der in Frage stehende Grundstückkauf entgegen der Ansicht des Staatsrates nicht als im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG spekulativ. Ob das Rechtsgeschäft aus der Sicht von Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG allenfalls von vornherein nicht dem Einspruchsverfahren unterstanden habe, mag deshalb offenbleiben. ...
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Eine offensichtliche Spekulation im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Käufer das landwirtschaftliche Heimwesen erwirbt in der Absicht, durch Weiterveräusserung innert kurzer Zeit oder durch eine Nutzungsänderung einen Gewinn zu erzielen (vgl. BGE 110 II 217 E. 5a mit Hinweisen). Davon kann hier keine Rede sein. Die vorliegenden Verhältnisse sind nicht anders zu beurteilen als diejenigen, die BGE 90 I 264 ff. (Einwohnergemeinde Gerlafingen) zugrunde gelegen hatten. Die Feststellung des Staatsrates, die Projekte, die nach ihren Angaben bei der Beschwerdeführerin Nr. 1 anstünden, seien erst vage bekannt, vermag daran nichts zu ändern. Aufgrund der Ausführungen im angefochtenen Entscheid hat die Beschwerdeführerin Nr. 1 zumindest glaubhaft gemacht (hiezu vgl. BGE 95 I 189; BGE 90 I 267), dass sie Land benötige für die Verlegung von Schiessanlage und Fussballplatz, für die Anlegung von Radwegen und für verschiedene andere Verkehrsbauten sowie für die Errichtung eines Altersheimes und von Alterswohnungen und dass sie BGE 113 II, 539 (542)das von der Erbengemeinschaft gekaufte Heimwesen in Russy einem Landwirt anbieten werde, der bereit sei, Boden abzutreten. Unbehelflich ist die staatsrätliche Bemerkung, die geplanten öffentlichen Werke seien von unterschiedlicher Bedeutung.
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Ohne Belang ist sodann, ob die Beschwerdeführerin Nr. 1 das benötigte Land in ihrem eigenen Gebiet finden und nötigenfalls durch Enteignungen erwerben könnte. Es kann im übrigen entgegen der Ansicht des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements nicht gesagt werden, die Beschwerdeführerin Nr. 1 versuche, ihre ortsplanerischen Probleme in die Gemeinde eines andern Kantons auszulagern, und ihr Vorhaben widerspreche der Zielsetzung des Raumplanungsgesetzes. Das Heimwesen in Russy soll ja weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden. Für den Standpunkt des Staatsrates lässt sich schliesslich auch aus dem zwischen den Beschwerdeführern vereinbarten Kaufpreis nichts gewinnen.
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