VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 114 II 393  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Regeste
Aus den Erwägungen:
3. Der Beschwerdeführer wirft der Rekurs-Kommission vor, sie ...
4. a) Die Beschwerdegegnerin hatte im erstinstanzlichen Verfahren ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
75. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Dezember 1988 i.S. X. gegen X. (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Scheidungsprozesses (Art. 145 ZGB).  
 
BGE 114 II, 393 (393)Aus den Erwägungen:
 
3. Der Beschwerdeführer wirft der Rekurs-Kommission vor, sie habe Art. 145 Abs. 2, Art. 163 Abs. 1 und Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB willkürlich angewendet. Im einzelnen beanstandet er, dass die kantonale Beschwerdeinstanz bei der Ermittlung seines Bedarfs in Verletzung der zu beachtenden Grundsätze einerseits die von ihm zu zahlenden Steuerschulden und andererseits die Prämie für die "Risikoversicherung für beide Eheleute" von monatlich Fr. 250.-- sowie diejenige für Hausrat-, Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherungen von Fr. 52.-- im Monat nicht berücksichtigt habe. Umgekehrt sei aber auf seiten der Beschwerdegegnerin ein Betrag von Fr. 254.-- als Prämie für ihre Vorsorgeversicherung voll angerechnet worden; die erstinstanzliche Richterin habe diesen Betrag als Notbedarfsposition anerkannt, unter anderem BGE 114 II, 393 (394)unter Hinweis auf die von ihm, dem Beschwerdeführer, abgeschlossene Risikoversicherung für beide Eheleute und nachdem die von ihm geltend gemachten, von der Beschwerdegegnerin nicht bestrittenen Prämien von monatlich Fr. 250.-- auf seiner Seite als Notbedarfsposition anerkannt worden seien. Der Beschwerdeführer empfindet es als widersprüchlich und willkürlich, wenn die Rekurs-Kommission mit dem Hinweis auf die Erwägungen der erstinstanzlichen Richterin bei ihm die Prämien für die Risikoversicherung für beide Eheleute nicht berücksichtigt, andererseits aber die Prämien für die Vorsorgepolice der Beschwerdegegnerin in deren Notbedarfsrechnung aufgenommen hat.
1
2
Die Rekurs-Kommission liess demgegenüber die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Beträge für Steuern und für die verschiedenen Versicherungen ausser acht mit der Begründung, diese Aufwendungen könnten nach konstanter thurgauischer Praxis nicht berücksichtigt werden.
3
b) Wie die Rekurs-Kommission an sich zutreffend festhält, richtet sich die Höhe der für die Dauer des Scheidungsprozesses beanspruchten Unterhaltsbeiträge nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten und nach dem Bedarf der beiden Ehegatten. Deren Mittel haben in erster Linie dazu zu dienen, den ordentlichen Bedarf der Familiengemeinschaft und die infolge der Trennung in aller Regel anfallenden Mehrkosten zu decken (zu letzterem vgl. BGE 114 II 17 E. 5). Entgegen der Auffassung der Rekurs- Kommission und der Beschwerdegegnerin kann es bei den in Betracht zu ziehenden Auslagen jedoch nicht einfach um den sehr knapp bemessenen betreibungsrechtlichen Notbedarf gehen. Im Scheidungsverfahren - wie auch nach abgeschlossener Scheidung - dienen die betreibungsrechtlichen Richtlinien stets nur als Anhaltspunkt für die Bestimmung dessen, was aus den gesamten BGE 114 II, 393 (395)ehelichen Einkünften (Mannes- und Fraueneinkommen, Vermögensertrag) notwendigerweise bestritten werden muss. Anders als im Betreibungsverfahren lassen sich hier Steuerschulden nicht etwa einfach mit der Begründung ausklammern, der Staat solle nicht zu Lasten anderer Gläubiger in den Genuss einer Vorzugsbehandlung kommen. Zum Unterhalt sind freilich nur die Einkommens- und Vermögenssteuern zu zählen, und auch sie nur in dem Masse, als Einkommen und Vermögen dem Unterhalt der Familie dienen; Erbschafts-, Schenkungs- und Handänderungssteuern betreffen dagegen nur die Vermögenswerte des einzelnen Ehegatten und damit nicht den Unterhalt der Familie (vgl. HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 11 zu Art. 163 ZGB). Indem die Rekurs-Kommission in Missachtung der angeführten eherechtlichen Grundsätze und ohne nähere Begründung die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Steuerbetreffnisse ausser Ansatz gelassen hat, ist sie in Willkür verfallen.
4
c) Was sodann die Versicherungsprämien auf seiten des Beschwerdeführers betrifft, welche die Rekurs-Kommission ebenfalls unter Berufung auf die nicht näher dargelegte kantonale Praxis ausser acht gelassen hat, so handelt es sich um Verpflichtungen, die nicht ohne weiteres kurzfristig gekündigt werden können. Sofern es die wirtschaftlichen Verhältnisse ohne wesentliche Einschränkung in der Lebenshaltung der beiden Ehegatten zulassen, solche für eine Ehe allgemein üblichen Verpflichtungen bis zum Entscheid über den Weiterbestand oder die Auflösung der Ehe aufrechtzuerhalten, sind diese von den Ehegatten grundsätzlich weiterhin gemeinsam zu tragen. Der Massnahmerichter hat bei der Ermittlung des ehelichen Aufwandes bzw. des von den Einkünften verbleibenden Betrages Versicherungsprämien grundsätzlich jedenfalls insofern zu berücksichtigen, als es um die Abdeckung von Risiken geht, welche die eheliche Gemeinschaft bzw. den - momentan zwar aufgehobenen - gemeinsamen Haushalt betreffen. Wenn die Rekurs-Kommission die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Versicherungsprämien ohne nähere Begründung ausser acht gelassen hat, hat sie nach dem Gesagten auch in dieser Hinsicht gegen Art. 4 BV verstossen.
5
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).