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Informationen zum Dokument  BGE 115 II 97  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
2. Das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPR ...
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18. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. April 1989 i.S. Firma A. gegen Firma B. und Schiedsgericht Z. (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 190 ff. IPRG. Intertemporales Recht.  
 
BGE 115 II, 97 (97)Aus den Erwägungen:
 
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BGE 115 II, 97 (98)Da vorliegend der Revisionsentscheid des Schiedsgerichts erst nach Inkrafttreten des IPRG mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde und staatsrechtlicher Beschwerde angefochten, aber schon vorher gefällt und eröffnet worden ist, fragt sich indes, ob die Anfechtung sich noch nach kantonalem oder bereits nach dem neuen eidgenössischen Recht richtet; denn das eine schliesst das andere zwangsläufig aus. Dem Wortlaut der Übergangsbestimmungen (Art. 196 ff. IPRG) ist dafür nichts zu entnehmen. Das intertemporale Recht für das Schiedsverfahren ist daher durch Auslegung des Gesetzes oder, falls eine Lücke bestehen sollte, durch Richterrecht zu gewinnen (Art. 1 Abs. 1 und 2 ZGB).
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a) Grundsätzlich sind dabei je nach dem Umstand, auf den abgestellt wird, verschiedene Lösungen denkbar. Als zeitliche Abgrenzungskriterien sind insbesondere zu erwägen, ob das Anfechtungsverfahren am 1. Januar 1989 bereits hängig gewesen oder erst nachher angehoben, der Schiedsentscheid vorher oder nachher gefällt und eröffnet, das Schiedsverfahren erst nachher im Sinne von Art. 181 IPRG anhängig gemacht oder ob sogar die Schiedsvereinbarung erst nachher geschlossen worden ist. Die Meinungen in der Lehre sind geteilt. Die Auffassung, dass das neue Recht sofort und uneingeschränkt auf hängige Anfechtungsverfahren anzuwenden sei, kantonale Beschwerden also als staatsrechtliche weiterzubehandeln wären, wird soweit ersichtlich von keiner Seite vertreten. Sie wäre rechtsstaatlich auch kaum haltbar, ganz abgesehen davon, dass sie wegen der unterschiedlichen Rechtsbehelfe zu stossenden Ergebnissen führen müsste. Die Meinung sodann, das Schiedsverfahren sei einheitlich dem im Zeitpunkt der Schiedsvereinbarung geltenden Recht zu unterstellen, da nur dieses der Willensübereinstimmung und damit der Rechtswahl der Parteien entspreche, scheint in Frankreich vorzuherrschen (ROUBIER, Le droit transitoire, 2. Aufl., Paris 1960, S. 552 mit Zitaten), in der schweizerischen Lehre aber keinen Halt zu finden.
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Ein Teil dieser Lehre ist vielmehr der Auffassung, nach dem 1. Januar 1989 könnten internationale Schiedssprüche nicht mehr mit kantonalen Rechtsmitteln angefochten werden; die Anfechtung richte sich ausschliesslich nach neuem Recht, weshalb allein noch die staatsrechtliche Beschwerde offenstehe; die Auffassung stützt sich insbesondere auf die positivrechtlichen Übergangsbestimmungen (Art. 196 und 197 IPRG) und deren teleologische Bedeutung (A. BUCHER, in Festschrift R. Moser S. 198; P. LALIVE, in Le nouveau droit international privé suisse S. 211/12; BLESSING, BGE 115 II, 97 (99)in Journal of International Arbitration Vol. 5/1988 Nr. 2 S. 24; BLESSING in ASA [Association suisse de l'arbitrage] - Bulletin 1988 S. 334). Eine gegenteilige Auffassung geht dahin,). am 1. Januar 1989 hängige Schiedsverfahren seien ausschliesslich nach bisherigem Prozessrecht, zu dem auch das Rechtsmittel- und das Organisationswesen der Instanzen gehöre, zu Ende zu führen (POUDRET, in ASA-Bulletin 1988 S. 36/37; BROGGINI, ebenda S. 275 ff.; RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 9).
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Eine zwischen diesen Auffassungen vermittelnde Lösung möchte zwar das neue Recht sogleich angewendet wissen, ihm aber weder hängige Anfechtungsverfahren noch Rechtsmittel unterstellen, deren Frist im Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits zu laufen begonnen hat, oder die sich gegen in jenem Zeitpunkt bereits gefällte Entscheide richten. Massgebend ist somit das Datum des Schiedsentscheides: Die funktionelle Zuständigkeit und das Prozessrecht des Rechtsmittelverfahrens richten sich nach neuem Recht, wenn der Entscheid nach dem 1. Januar 1989 ergangen ist, andernfalls nach bisherigem, kantonalem Recht (ROSSEL, in ASA-Bulletin 1988 S. 302; WENGER, ebenda S. 315/16; nunmehr auch POUDRET, ebenda S. 308; ferner A. BUCHER, Le nouvel arbitrage international en Suisse, S. 33 Rz. 72).
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b) Das Gesetz ist in erster Linie aus sich selbst, nach seinem Wortlaut, Sinn und Zweck und den Wertungen, die ihm zugrunde liegen, auszulegen. Eine historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend. Die Materialien fallen nur ins Gewicht, wenn sie bei unklaren oder unvollständigen Bestimmungen deren Sinn erkennen lassen (BGE 103 Ia 290 E. 2c mit Hinweisen). Besondere Bedeutung erlangen sie zudem im Bereiche der echten Lücken, vermögen letztlich doch nur sie dem Richter Aufschluss darüber zu verschaffen, ob der Gesetzgeber eine Frage bewusst oder unbewusst offengelassen hat oder ob er sie durch bewusstes Schweigen in negativem Sinne entscheiden wollte (MEIER-HAYOZ, N. 255 zu Art. 1 ZGB). In der vorliegenden Streitfrage helfen die Materialien allerdings nicht weiter. Der Entwurf des Bundesrates sah vor, dass internationale Schiedssprüche mit kantonalen Rechtsmitteln angefochten werden können, Zuständigkeitsentscheide mit ordentlichem Rechtsmittel, Sachentscheide mit Nichtigkeitsbeschwerde; die Kollisionsfrage wurde aber nicht aufgeworfen (BBl 1983 I 464 /65 und 516). Diese Frage wurde auch in den eidgenössischen Räten, auf welche die heutige Ordnung BGE 115 II, 97 (100)zurückgeht, nicht erörtert (Amtl.Bull. 1986 NR S. 1368, 1987 StR S. 198 f. und NR S. 1072).
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Das neue Recht über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit will vor allem die als ungenügend erachteten kantonalen Regelungen samt den Bestimmungen des Konkordates (SR 279) durch eine einzige Ordnung ersetzen, welche den vielfältigen Anforderungen an eine internationale Rechtsprechung genügt, dem traditionell guten Ruf der Schweiz als Sitz internationaler Schiedsgerichte gerecht wird und neben einer einheitlichen Rechtsanwendung auch den Anschluss an die internationale Entwicklung gewährleistet. Diese Bestrebungen kennzeichneten schon die Vorarbeiten, insbesondere die Botschaft zum Entwurf (BBl 1983 I 264 ff. und 456 ff.), und setzten sich schliesslich auch in den eidgenössischen Räten durch, wo vorab verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vereinheitlichung des Verfahrensrechts zu überwinden waren (vgl. dazu SCHNYDER, Das neue IPR-Gesetz, S. 124/25; E. BUCHER, in ZBJV 124bis/1988 S. 288 ff.). Die allgemeine Absicht des Gesetzgebers, dass das neue Recht möglichst rasch und umfassend angewendet wird, wo Gründe der Rechtssicherheit und das Verbot der Rückwirkung nicht eine weitere Anwendung des bisherigen Rechts erheischen (BBl 1983 I 469), erhellt insbesondere aus den Grundgedanken der Übergangsbestimmungen. Diese enthalten indes intertemporales Privatrecht und nicht intertemporales Prozessrecht; sie geben daher auf die hier streitige Frage keine unmittelbare Antwort (BROGGINI, S. 281 ff.). Für ein bestimmtes Kollisionsrecht bezüglich des Verfahrens sind auch ihrer Zielsetzung keine Anhalte zu entnehmen. Mangels eines schlüssigen Auslegungsergebnisses ist somit vom Bestand einer Gesetzeslücke auszugehen.
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c) Die Lücke ist gemäss Art. 1 Abs. 2 ZGB nach gesetzgeberischer Methode auszufüllen. Da es um Verfahrensrecht geht, liegt es nahe, sich an bestehenden Vorschriften des Bundesrechts in Übergangsbestimmungen zu orientieren. Aus solchen Vorschriften erhellt, dass der Gesetzgeber vor Inkrafttreten einer neuen Ordnung ergangene Entscheide im allgemeinen noch dem bisherigen Recht zu unterstellen pflegt, der vermittelnden Lösung also den Vorzug gibt (Art. 171 Abs. 1 OG und Ziff. III Abs. 2 der Schlussbestimmungen zu dessen Novelle von 1968; Art. 81 VwVG; Art. 106 Abs. 1 VStrR). Die laufende Revision des OG regelt die Frage sinngemäss gleich, indem sie vorsieht, dass das Gesetz auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar ist, auf ein Beschwerde- oder Berufungsverfahren BGE 115 II, 97 (101)jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ergangen ist (BBl 1985 II 951 Ziff. III/3; Amtl.Bull. 1987 NR S. 381 und 1988 StR S. 261).
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Nach der Rechtsprechung sind neue Verfahrensvorschriften grundsätzlich sofort und uneingeschränkt anzuwenden, wenn die Kontinuität des materiellen Rechts dadurch nicht gefährdet wird und Übergangsbestimmungen nicht ausdrücklich etwas anderes vorsehen. Das leuchtet namentlich dann ein, wenn das neue Recht dem Rechtssuchenden günstiger ist (BGE 111 V 47 mit Zitaten). Im Schrifttum herrscht die gleiche Auffassung vor, auch zu den Rechtsmitteln, deren Zulässigkeit nach dem im Zeitpunkt ihrer Einlegung geltenden Prozessrecht beurteilt wird. Ein Vorbehalt wird in Zivilprozessen für den Fall gemacht, dass das neue Recht keine gleichwertige Anfechtungsmöglichkeit kennt. Auch wird nicht verkannt, dass gerade in solchen Prozessen die Vielfalt der bestehenden Regelungen einheitliche Grundsätze vermissen lässt (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. S. 53; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, S. 14/15 Rz. 42 f.; SUSANNE SCHOCH, Das intertemporale Zivilprozessrecht, Diss. Zürich, S. 45 ff. und 58/59).
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Systematische Überlegungen rechtfertigen es, die positive Kollisionsnorm aus bestehenden Übergangsbestimmungen des Bundesrechts zu übernehmen und sie in Schiedsverfahren analog anzuwenden. Ist wie hier eine Lücke auszufüllen, so entspricht die Übernahme nicht nur dem Postulat, identische Sachverhalte rechtlich gleich zu erfassen, sondern auch dem Grundsatz der Praktikabilität (BGE 110 II 296), ginge es doch insbesondere nicht an, Schiedsentscheide beliebig nach altem oder nach neuem Recht anfechten zu lassen, wenn die Frist dazu erst unter dem neuen abläuft; eine analoge Anwendung der auf verwandten Rechtsgebieten bestehenden Kollisionsnorm garantiert die Einheit des Rechtsweges und damit eine einheitliche Überprüfung des angefochtenen Entscheides. Anlass zu einer solchen Anwendung besteht umso mehr, als die Anfechtungsmöglichkeiten nach altem und neuem Recht nicht als gleichwertig erscheinen. Nach kantonalem Recht und auch nach dem Konkordat (Art. 36 lit. f) kann ein Schiedsentscheid im allgemeinen wegen Willkür, nach Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG materiellrechtlich dagegen nur noch wegen Unvereinbarkeit mit dem Ordre public angefochten werden, was nach herrschender Auffassung nicht das gleiche ist. Ungleichheiten ergäben sich ferner aus der Zulässigkeit formeller Rügen sowie aus BGE 115 II, 97 (102)der verschiedenen Wirkung und Rechtsnatur, welche Nichtigkeitsbeschwerden des kantonalen Rechts von der staatsrechtlichen Beschwerde unterscheiden. Auch sie lassen sich nur vermeiden, wenn im Sinne der vermittelnden Lösung Schiedsentscheide, die vor dem Inkrafttreten des IPRG gefällt worden sind, vom neuen Recht ausgenommen werden.
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