BGE 115 II 136 - Gasthof Engelbad | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
25. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. April 1989 i.S. Bank X. gegen Y-AG (Berufung) | |
Regeste |
Bauhandwerkerpfandrecht; Art. 840 und 841 ZGB. |
2. Grundsätze für die Berechnung des Ersatzes im Sinne von Art. 841 ZGB: Der anfechtende Baupfandgläubiger soll nicht mehr erhalten, als wenn der Baukredit ab Beginn an sämtliche Bauhandwerker verteilt worden wäre, und zwar im Verhältnis, in dem diese mit ihrer Arbeit zur Schaffung des Mehrwerts beigetragen haben (E. 7). | |
Sachverhalt | |
A.- Die Y-AG führte vom 30. September bis zum 24. Dezember 1980 auf dem Grundstück GB Metzerlen Nr. 1249 (Gasthof Engelbad) des Architekten T. für einen Hotelneubau verschiedene Arbeiten aus. Am 13. März 1981 stellte sie dafür Fr. 221'427.35 in Rechnung. Als diese unbeglichen blieb, ersuchte sie den Amtsgerichtspräsidenten von Dorneck-Thierstein am 19. März 1981 um die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts. Dem Gesuch wurde am 20. März 1981 entsprochen. Am 31. März 1981 anerkannte T. die Bauforderung der Y-AG, weshalb der Gerichtspräsident am 16. Juni 1981 die definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts verfügen konnte.
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Am 15. Oktober 1981 wurde über T. der Konkurs eröffnet. Der Kollokationsplan des Konkursamtes Basel-Stadt vom 17. April 1982 enthielt in den ersten beiden Rängen die pfandgesicherten Forderungen der Bank X. von insgesamt Fr. 5'907'995.70 einschliesslich Zins bis zum 15. Oktober 1981. Die Forderung der Y-AG wurde mit elf weiteren Bauforderungen im 3. Rang ausgewiesen. In der Folge schlug die Y-AG als einzige Baupfandgläubigerin einen Vergleich aus, der ihr eine Deckung von Fr. 74'520.-- eingebracht hätte.
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Am 28. September 1984 gelangte die überbaute Liegenschaft zur Versteigerung. Den Zuschlag erhielt die Bank X. für Fr. 5'200'000.--. Bei der anschliessenden Verteilung des Verwertungserlöses entfielen Fr. 5'120'038.25 auf die Bank X., während die Baupfandgläubiger leer ausgingen. Nach Abzug einer Konkursdividende von Fr. 6'625.45 verblieb der Y-AG ein Verlust von Fr. 217'754.25.
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B.- Am 14. Januar 1985 klagte die Y-AG gegen die Bank X. auf Bezahlung von Fr. 217'754.25 nebst Zins zu 5% seit dem 8. Oktober 1981, eventualiter seit dem 14. Januar 1985. Das Amtsgericht Dorneck-Thierstein wies die Klage mit Urteil vom 30. April 1986 ab.
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C.- Mit Berufung an das Bundesgericht vom 29. April 1988 verlangt die Bank X. die Aufhebung von Ziff. 1 Abs. 1 des Urteils des Obergerichts des Kantons Solothurn, womit sie verpflichtet worden ist, der Y-AG Fr. 59'483.65 einschliesslich Zins zu bezahlen, sowie die vollumfängliche Abweisung der Klage. Eventualiter wird um Rückweisung an die Vorinstanz zu Aktenergänzung und Neubeurteilung ersucht.
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In der Anschlussberufung vom 23. Juni 1988 beantragt die Y-AG ihrerseits die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Gutheissung der Klage im Betrag von Fr. 217'754.25, eventualiter im Betrag von Fr. 62'046.85, nebst Zins seit dem 8. Oktober 1981, eventualiter seit dem 14. Januar 1985.
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Beide Parteien beantragen schliesslich je gegenseitig die Abweisung von Berufung und Anschlussberufung, derweil das Obergericht des Kantons Solothurn auf Gegenbemerkungen verzichtet hat.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Parteien sind sich einig darüber, dass der Klägerin nach Abzug der Konkursdividende eine ungedeckte Forderung im Betrag von Fr. 217'754.25 nebst Zins zusteht. Ausser Frage steht sodann auch deren grundsätzliche Sicherung durch ein Bauhandwerkerpfandrecht. Umstritten ist hingegen nach wie vor, inwieweit der Verwertungserlös zur Deckung des von der Klägerin erlittenen Pfandausfalles verwendet werden kann.
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3. a) Dem Obergericht wird vorgeworfen, dem Klagebegehren nur deshalb entsprochen zu haben, weil es bei der Verteilung des Verwertungserlöses unter die einzelnen Baugläubiger einem Gleichbehandlungsprinzip erlegen sei, welches weder in Art. 840 noch in Art. 841 ZGB eine Grundlage finde. Danach sei der durch die Bauhandwerker und Unternehmer geschaffene Mehrwert des Grundstückes den berechtigten Bauforderungen im Verhältnis ihres Umfanges zugeteilt worden; den Baupfandgläubigern sei damit ein Vorrecht gegenüber dem vorrangigen Grundpfandgläubiger insoweit eingeräumt worden, als letzterer den als Gegenwert des Grundpfandes verfügbaren Baukredit ungleichmässig an die einzelnen Baugläubiger entrichtet habe, so dass auf den klagenden Baugläubiger verhältnismässig weniger als auf andere entfallen sei. Die Annahme eines solchen Privilegs hätte zur Folge, dass eine Bank den grundpfandgesicherten Baukredit immer nur in dem Verhältnis ausschütten dürfte, welches demjenigen der einzelnen zu den gesamten Forderungen der Bauhandwerker und übrigen Baugläubiger entspricht; würde dieser Grundsatz verletzt, wäre der Ausfall gemäss Art. 841 ZGB zu ersetzen, soweit der betroffene Baupfandgläubiger relativ weniger erhalten hat.
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b) Das Vorgehen der Vorinstanz bei der Verteilung des Verwertungserlöses deckt sich im Ergebnis mit der schon vor langer Zeit eingeleiteten Rechtsprechung des Bundesgerichts, was auch von der Beklagten nicht verkannt wird. Ihr Ziel ist es indessen, die Änderung dieser konstanten Praxis zu bewirken, da sich ein solcher Gleichbehandlungsanspruch weder dem Wortlaut der Art. 840 und 841 ZGB noch dem Zweck dieser Bestimmungen entnehmen lasse. Das Vorrecht der Bauhandwerker und Unternehmer - so glaubt die Beklagte - setze stets voraus, dass die Mittel des Baukredites zweckwidrig, mithin zur Bezahlung baufremder Leistungen, verwendet worden seien; entsprechend beschränke sich die Sorgfaltspflicht der pfandgesicherten Bank auf die Vermeidung bauzweckfremder Mittelverwendung, was sich auch aus BGE 112 II 493 ff. ergebe. Eine Aufgabe des von der Rechtsprechung - trotz Fehlens einer Gesetzeslücke - entwickelten Gleichbehandlungsgebotes dränge sich aber auch darum auf, weil sich dieses als unzweckmässig, unpraktikabel und lebensfremd erwiesen habe.
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4. Über den Grundsatz von Art. 841 ZGB hinaus hat das Bundesgericht tatsächlich bereits früh festgehalten, dass der besondere Schutz, den das Gesetz den Bauforderungen gewährt, auf dem Gedanken beruhe, wonach der durch die Verwendungen der Handwerker geschaffene Mehrwert eines Grundstückes nicht aufgrund eines vorrangigen Pfandrechts zugunsten anderer Grundpfandgläubiger vorweggenommen werden dürfe, sondern den Handwerkern als gemeinsames Pfand vorbehalten bleibe. Sofern der Bauhandwerker von dem nach Abzug des Bauplatzwertes verbleibenden Verwertungserlös den Teil erhalte, der auf den durch seine Verwendungen geschaffenen Mehrwert entfalle, bleibe ihm die Anfechtung des zugunsten der Baukreditgeberin errichteten vorrangigen Grundpfandrechtes verwehrt. Nach Art. 841 ZGB könne auch nicht beanstandet werden, dass der Baukredit zur Bezahlung anderer Handwerker und Lieferanten verwendet und durch Pfandrechte entsprechend gesichert worden sei, zumal auch diese Gläubiger durch ihre Arbeiten und Materiallieferungen zur Schaffung des im Verwertungserlös steckenden Mehrwertes beigetragen hätten. Eine Benachteiligung der Bauhandwerker könne jedoch darin begründet sein, dass die Baukreditgeberin andere Forderungen als solche von mehrwertschaffenden Bauhandwerkern beglichen oder unter letzteren einzelne bevorzugt habe, während ihr die Gefahr, dass die Forderungen der übrigen Baugläubiger ihre Deckung verlören, erkennbar gewesen sei (BGE 43 II 611 f. E. 3).
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b) Diese Rechtsprechung ist mehrfach bestätigt worden (BGE 51 II 122 ff., 53 II 467 ff., 480 E. 6 und BGE 67 II 106 ff.; auch BGE 96 III 126 ff.). Das Bundesgericht hat dabei hinsichtlich der Ausschüttung des grundpfandgesicherten Baukredites aus Art. 840 ZGB - allerdings stets in Verbindung mit Art. 841 ZGB - nicht bloss ein Zweckentfremdungsverbot, sondern eine eigentliche Gleichbehandlungspflicht zugunsten der einzelnen Bauhandwerker und Unternehmer abgeleitet. Auch mit BGE 51 II 122 ff. ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen worden; hier konnte von einer ausdehnenden Auslegung des Art. 840 ZGB - mit der die gleichmässige Befriedigung aller Bauhandwerkerforderungen am besten gesichert werde - abgesehen werden, weil sich der bevorzugte Baugläubiger durch ein vertragliches Pfandrecht privilegieren wollte und darum direkt aus Art. 841 ZGB haftbar gemacht werden konnte. Auch die in diesem Entscheid angedeutete Kritik an der extensiven Auslegung des Art. 840 ZGB gründete im übrigen ausschliesslich in der Besonderheit des Falles und war weder bestimmt noch geeignet, die in BGE 43 II 611 f. E. 3 begründete Praxis in Frage zu stellen.
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5. a) Das Bundesgericht war sich stets bewusst, dass die mit der konstanten Rechtsprechung geübte Auslegung über den Wortlaut des Gesetzes hinausgreift und ihre Rechtfertigung im Schutzzweck der einschlägigen Bestimmungen finden muss (BGE 51 II 127 f.). Immerhin wird mit Art. 840 ZGB deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber um eine Angleichung unter den beteiligten Bauhandwerkern bemüht war, indem er zumindest die durch den Zeitpunkt der Eintragung geschaffene Rangfolge unter den Baupfandgläubigern nicht gelten liess. Mit dieser Gleichstellung sollte allfälligen Benachteiligungen der Bauhandwerker, die in der arbeitsteiligen, zeitlich gestaffelten Ausführung des Bauwerks gründeten, wirksam begegnet werden. In der Tat würde es jeglichem Gerechtigkeitsempfinden zuwiderlaufen, wenn der Schutz des Bauhandwerkers vom Zufall der zeitlichen Anspruchsbegründung abhängig gemacht würde, obwohl der den Bodenwert übersteigende Verwertungserlös von den Verrichtungen aller beeinflusst bleibt (dazu bereits Eugen HUBER als Berichterstatter im Nationalrat, Sten.Bull. 1906 NR, S. 647; LEEMANN, Kommentar, Bern 1925, N. 1 zu Art. 840 ZGB; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 2. A. 1982, Nrn. 334 ff., S. 84 f., sowie ZOBL, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de lege ferenda, in ZSR 101/1982 II, S. 164 f. je mit Hinweisen). Gilt aber der in der Zwangsverwertung realisierbare Mehrwert erfahrungsgemäss als ein Ergebnis gemeinsamen Schaffens, ist es folgerichtig, die betroffenen Baupfandgläubiger nicht nur hinsichtlich der zeitlichen Rangfolge, sondern auch bezüglich ihres Anteils am Verwertungserlös gleichzubehandeln. Dürften im Rahmen des Verwertungserlöses, der den berechtigten Baugläubigern zugedacht wäre, gewisse Leistungen vollumfänglich gedeckt werden, während andere Gläubiger völlig leer ausgingen wie dies offenbar der Meinung der Beklagten entspricht -, führte dies im Ergebnis gleichwohl zu einer zeitlichen Rangfolge, wie sie das Gesetz mit Art. 840 ZGB gerade verpönt haben wollte; dies, weil in der Regel zunächst jene Baugläubiger vorweg befriedigt werden, die ihre Verrichtungen zeitlich früher erbracht haben und nach dem konkreten Bauablauf auch früher erbringen mussten, derweil jene aber, die nach dem teils vom Zufall abhängigen Ablauf der einzelnen Arbeitsgänge erst später zum Einsatz gelangten, bezüglich des unzureichenden Verwertungserlöses ein grösseres Risiko zu tragen hätten. Eine derartige Ungleichbehandlung der verschiedenen Baugläubiger, die zwar rein tatsächlicher Art ist, ihren Grund aber gerade im arbeitsteiligen Ablauf des Bauvorganges findet, kann nicht dem Sinn des Gesetzes entsprechen, das jede zeitliche Priorität unter den verschiedenen Bauhandwerkerpfandrechten ausschliessen will.
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b) Das Bundesgericht hat in allen Bereichen seiner Rechtsprechung seit jeher eine auf den Wortlaut beschränkte Gesetzesauslegung verworfen und stets auch nach dem Zweck des Gesetzes gefragt (BGE 112 Ia 117, BGE 112 III 110 E. 4a, BGE 111 Ia 297, BGE 111 V 127 E. 3b, 108 Ib 401, BGE 105 II 138, BGE 103 Ia 117, BGE 91 IV 28 und BGE 80 II 316). Dieser Zweck aber besteht im Zusammenhang mit Art. 840 und 841 ZGB in erster Linie darin, mittels gesetzlichem Pfandrecht und besonderem Vorrecht den Urhebern des den Bodenwert übersteigenden Mehrwerts vorrangigen und gleichmässigen Schutz gegenüber anderen Pfandgläubigern zu verschaffen (vgl. bereits Eugen HUBER, a.a.O.; zur Entstehungsgeschichte auch ZR 79/1980 Nr. 12, S. 19 ff., sowie A. EGGER, Der privatrechtliche Schutz der Bauhandwerker, Diss. Zürich 1901, und P. HOFMANN, Die gesetzlichen Grundpfandrechte des Art. 837 ZGB, insbesondere das Bauhandwerkerpfandrecht, Diss. Zürich 1940, S. 19 ff.). Echter Schutz aller Mehrwertschöpfungen aber, der ohne Rücksicht auf zeitliche und technische Eigenheiten des Bauvorganges gewährleistet werden kann, verlangt nach einer eigentlichen materiellen Gleichbehandlung oder Chancengleichheit der Bauhandwerker, die nicht zusätzlich vom Belieben des grundpfandgesicherten Baukreditgebers abhängen soll. Darf sich mithin der vom Gesetz bezweckte Schutz der Baugläubiger sinnvollerweise nicht darin erschöpfen, diese vor zweckwidriger Verwendung des Baukredites zu bewahren, soll vielmehr dem Zusammenwirken der einzelnen Beteiligten im Hinblick auf ein gemeinsam geschaffenes Resultat auch bei der Aufteilung des Verwertungserlöses Rechnung getragen werden, muss sich die Berufung auf die Vertragsfreiheit des grundpfandgesicherten Baukreditgebers zum vornherein als unbehelflich erweisen.
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Gleiches gilt sodann für den erhobenen Einwand, wonach die Bauhandwerker auch gegenüber der Auszahlung von Eigenmitteln durch den Bauherrn selbst nicht auf einer Gleichbehandlung beharren könnten, sondern Ungleichbehandlungen - vorbehältlich der Ausnahmen in Art. 285 ff. SchKG - ohne Möglichkeit einer Gegenwehr zu dulden hätten. Dieser Vergleich ist im übrigen schon insofern untauglich, als die Entschädigung wertvermehrender Leistungen aus Eigenmitteln des Bauherrn in aller Regel nicht zu Grundpfandrechten führt, die mit den Sicherungsrechten der Bauhandwerker und Unternehmer konkurrieren könnten, während allfällige vorbestehende, auf den Bodenwert begrenzte Hypotheken im Zusammenhang mit Art. 840 und 841 ZGB ohnehin nicht von Belang wären (BGE 86 II 151 f.).
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Dass endlich auch das Fehlen einer vertraglichen Bindung zwischen Baukreditgebern und Baugläubigern nicht geeignet ist, einer materiellen Gleichbehandlung die Grundlage zu entziehen, liegt auf der Hand, zumal ausschliesslich Gehalt und Tragweite gesetzlicher Schutzbestimmungen in Frage stehen und für vertragliches Denken kein Raum besteht.
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b) Einzuräumen ist hingegen, dass die anteilsmässige Gleichbehandlung der Baupfandgläubiger, wie sie der Rechtsprechung des Bundesgerichtes zugrunde liegt, vom Baukreditgeber bei der Ausschüttung des Baukredites dann ein erhebliches Mass an Vorsicht verlangt, wenn dieser zum vornherein nicht alle wertvermehrenden Bauleistungen zu decken vermag. Diese Sachlage ist vergleichsweise häufig anzutreffen, zumal Art. 841 Abs. 1 ZGB keinen Anspruch auf ausreichenden Baukredit begründet und die Bevorschussung der gesamten Baukosten auch nicht den Gepflogenheiten der Branche entspricht (BGE 112 II 495 f. E. 8; EMCH/RENZ, Das Schweizerische Bankgeschäft, 3. A. 1984, S. 318 f.). Durchaus als branchenüblich gelten hingegen die Abschlagszahlungen nach Massgabe des Baufortschrittes (vgl. etwa SIA-Normenwerk, sia 118, geltende Ausgabe 1977, Druck 1987, Art. 144 f.); überhaupt sehen sich die Geldinstitute zur Vermeidung von Doppelzahlungen zu vielfältigen Vorsichtsmassnahmen gezwungen, die sich mittlerweile im Geschäftsalltag bewährt und eingelebt haben (vgl. BGE 95 II 90 E. 4; ZOBL, ZSR, a.a.O., S. 101, ZOBL, Der Baukreditvertrag, in BR 1987, S. 8; ferner C. HAEFLIGER, Le rang et le privilège de l'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs, thèse, Lausanne 1957, S. 84, sowie bereits E. RAMSEYER, Baugläubigerpfandrecht, Baukredit und Treuhänder, Diss. Bern 1924, S. 106 ff.). Vor diesem Hintergrund erweist sich der mit der Berufung vorgetragene Vorwurf, das Gebot der anteilsmässigen Gleichbehandlung sei nicht nur aus Sicht des Gesetzeszwecks, sondern auch mit Blick auf seine Handhabung sachfremd, unzweckmässig, ja gar völlig unpraktikabel als unhaltbar. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, inwiefern diese bereits seit Jahrzehnten geltende Rechtsprechung zu unüberwindbaren Schwierigkeiten in ihrer praktischen Anwendung geführt haben sollte. Im übrigen ähnelt die Klage aus Art. 841 ZGB im Grundgedanken, in den Voraussetzungen und in der Durchführung den Anfechtungsklagen des Schuldbetreibungsrechts (Art. 285 ff. SchKG), insbesondere derjenigen gemäss Art. 288 SchKG, auch wenn gewisse Unterschiede gegenüber den paulianischen Rechtsbehelfen nicht zu übersehen sind (vgl. hiezu BGE 96 III 137 ff. E. 8, 39 I 304, sowie O. LEHNER, Das Objekt des Bauhandwerkerpfandrechtes nach dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch, in SJZ 57/1961, S. 133 ff., S. 136, je mit Hinweisen; vgl. auch die BOTSCHAFT des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, vom 28. Mai 1904, S. 81); insofern kann daher Art. 841 ZGB - auch in der bundesgerichtlichen Auslegung - nicht als völliges Neuland bezeichnet werden. Hinzu kommt schliesslich, was von den Gegnern des Gleichbehandlungsgrundsatzes mitunter übersehen oder doch zu wenig berücksichtigt wird, dass der grundpfandgesicherte Baukreditgeber den Vorrang der Bauhandwerker nur soweit gelten lassen muss, als anlässlich der Pfandbestellung oder bei der Auszahlung des Baukredites an die Baugläubiger die Benachteiligung einzelner unter ihnen erkennbar war (BGE 100 II 314 ff., 51 II 134, BGE 43 II 612; SCHUMACHER, a.a.O., Nrn. 985 ff., S. 284 f., sowie ZOBL, ZSR, a.a.O., S. 177 f.). Durch dieses zusätzliche subjektive Erfordernis kann in hinreichendem und den konkreten Umständen des Einzelfalles angepasstem Masse auch dem Schutzbedürfnis des Baukreditgebers Rechnung getragen werden.
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c) Auch im Schrifttum hat das der geschilderten Rechtsprechung zugrundeliegende Gleichbehandlungsgebot in überwiegendem Masse Zustimmung gefunden, und zwar nicht bloss anfänglich (WIELAND, Kommentar zum Sachenrecht, Zürich 1909, N. 3 lit. bb zu Art. 841 ZGB, S. 372; H. SCHNEEBELI, Schutz der Baugläubiger im Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1914, S. 186 ff.; RAMSEYER, a.a.O., S. 95; LEEMANN, Kommentar, Bern 1925, N. 23 zu Art. 841 ZGB mit Hinweis auf BGE 43 II 606), sondern auch während Jahrzehnten seiner praktischen Bewährung (HOFMANN, a.a.O., S. 98 f.; HAEFLIGER, a.a.O., S. 85 ff.; R. RASCHEIN, Das Bauhandwerkerpfandrecht in der Zwangsverwertung von Grundstücken in BlSchK 36/1972, S. 39; ZOBL, ZSR, a.a.O., S. 177 f.; SCHUMACHER, a.a.O., Nrn. 984, 993 ff., S. 284, 286; EMCH/RENZ, a.a.O., S. 319 f.; H.J. REBER, Rechtshandbuch für Bauunternehmer, Bauherr, Architekt und Bauingenieur, 4. A. 1983, S. 124, LEHNER, a.a.O., S. 134 f.). Auch diese herrschende Lehre stützt sich auf den Schutzzweck des Bauhandwerkerpfandrechts und die Einsicht, dass die ungleichmässige Ausschüttung des Baukredites die angestrebte Solidarität unter den betroffenen Baugläubigern vereiteln würde und darum als Anfechtungstatbestand im Sinne von Art. 841 ZGB gelten müsse.
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b) Die vom Bundesgericht verwendete Berechnungsmethode ist bestrebt, den einzelnen Bauhandwerker unter Inanspruchnahme seines Vorrechts keinesfalls besserzustellen, als er es wäre, wenn kein Anfechtungsgrund vorläge, mithin der Baukredit ab Beginn an sämtliche Bauhandwerker gleichmässig verteilt worden wäre, und zwar im Verhältnis, in welchem diese durch ihre Arbeit zur Schaffung des Mehrwerts beigetragen haben (BGE 86 II 153 E. 4, BGE 76 II 143, BGE 53 II 479 E. 5, BGE 43 II 611). Daran wird einerseits bemängelt, dass der ermittelte Anteil des einzelnen Bauhandwerkers an der Mehrwertschöpfung immer nur ein Annäherungswert bleiben müsse. Das Vorgehen des Bundesgerichts, welches den Anteil des einzelnen Bauhandwerkers an den gesamten wertvermehrenden Baukosten zu ermitteln suche und den errechneten Quotienten auf den bei der Verwertung tatsächlich erzielten Mehrwert übertrage, wobei sich letzterer aus dem gesamten Verwertungserlös abzüglich des Bodenwertes im Zeitpunkt der Liquidation ergebe, lasse ausser acht, dass der tatsächliche Erlös die einzelnen Leistungen der Bauhandwerker nicht gleichmässig berücksichtige, sondern auch Einflüssen ausgesetzt sei, welche diese Leistungen nicht berührten. Missbilligt wird überdies, dass den Bauhandwerkern und Unternehmern bei der Verteilung oder vielmehr Umverteilung des Baukredites ein Teil desselben vorenthalten bleibe; dies, weil sich die massgebliche Quote zwar aus dem Verhältnis ihrer Forderung zu den gesamten wertvermehrenden Leistungen oder Baukosten ergebe, von diesen jedoch nicht sämtliche auch zu einer Pfandberechtigung führten (zum Ganzen: GÖSCHKE, Die Klage des Bauhandwerkers gegen den vorgehenden Pfandgläubiger, in ZBJV 78/1942, S. 241 ff., insbesondere S. 245 ff.; neuerdings auch FÜLLEMANN, Durchsetzung und Vollstreckung des Bauhandwerkerpfandrechts unter besonderer Berücksichtigung der Dritteigentumsverhältnisse, Diss. Zürich 1984, S. 74 ff.).
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Die Kritiker wollen diesen Schwierigkeiten dadurch begegnen, dass sie, ausgehend vom Wortlaut des Art. 841 ZGB, den Anteil am Verwertungserlös zu bestimmen suchen, der den Wert des unbebauten Grundstückes übersteigt; diese Schätzung - glaubt GÖSCHKE (a.a.O., S. 246) - sei praktisch möglich und einigermassen zuverlässig vornehmbar. Die Bauhandwerker, die einen Pfandausfall erlitten hätten, seien schliesslich "gleichmässig" darauf anzuweisen. Wie dies im einzelnen zu geschehen hat, wird freilich auch von den Kritikern nicht näher dargelegt. Soweit indessen nur jene Baugläubiger Berücksichtigung finden sollen, die ihren Ausfall geltend machen, und zwar nach Massgabe dieses Ausfalles, wird dem Grundsatz der Gleichbehandlung doch wieder Rechnung getragen. Allerdings ist diese im Schrifttum vorgezeichnete Berechnungsmethode insofern nicht frei von Zufälligkeiten, als sie auf die Zahl jener abstellen will, die ihren Ausfall tatsächlich anmelden. Solche Zufälligkeiten aber werden mit der bundesgerichtlichen Vorgehensweise vermieden, da sie darauf angelegt ist, die Gleichbehandlung im Hinblick auf eine bereits anfänglich gleichmässige Verteilung des Baukredites zu verwirklichen, und überdies in jedem Fall den Anteil des einzelnen Bauhandwerkers am Gesamtergebnis aller wertvermehrenden Leistungen als ausschlaggebend erachtet (BGE 86 II 153 mit Hinweis auf BGE 76 II 142). Soweit diesbezüglich auch die nicht pfandberechtigten Bauforderungen einzubeziehen sind, bewirkt dies keine Teilhabe derselben am Verwertungserlös, jedoch im Verhältnis zur Rechnungsstellung gegenüber dem Bauherrn tatsächlich eine wertmässige Minderung der auf die pfandgesicherten Gläubiger entfallenden Betreffnisse. Diese Konsequenz gründet letztlich aber in einem Wertungsentscheid, entsprechend dem zuletzt auch in BGE 112 II 493 ff. gefällten, und hat insofern mit der Undurchführbarkeit von konkreten Berechnungen wie sie gegen die Rechtsprechung ins Feld geführt wird - nichts gemein. Eindeutig zugunsten der vom Bundesgericht gewählten Methode, die in der Lehre durchaus auch auf Zustimmung gestossen ist, spricht indessen die grundsätzliche Gleichwertigkeit sämtlicher wertvermehrender Bauleistungen (ZOBL, ZSR, a.a.O., S. 182; mit verhaltener Kritik an der "theoretisch richtigen" Methode des Bundesgerichts SCHUMACHER, a.a.O., Nrn. 1011 ff., S. 291 ff.); ein Postulat, welches selbst von den Gegnern der Rechtsprechung als "an sich logisch und gerecht" gewürdigt worden ist (FÜLLEMANN, a.a.O., S. 74) und das sich letztlich auch bei der Verteilung eines im Verhältnis zu den gesamten wertvermehrenden Baukosten geringeren Verwertungserlöses insofern auswirken muss, als ein Teil des Mehrwertes den vorrangigen Pfandgläubigern anheimfällt.
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c) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich somit, dass ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung nicht geboten ist. Demnach bleibt auch für die von der Beklagten in ihrer Eventualbegründung vertretene Berechnungsmethode kein Raum, die unzutreffenderweise davon ausgeht, es stehe zur Deckung des Pfandausfalles lediglich jener Betrag des Verwertungserlöses zur Verfügung, der auch zur Abdeckung zweckentfremdeter Zahlungen des Baukreditgebers ausreiche. Lässt sich aber die Berechnungsweise der Vorinstanz im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht beanstanden, erweist sich die Berufung als unbegründet.
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