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Informationen zum Dokument  BGE 116 II 63  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
aus folgenden Erwägungen:
2. Es ist unbestritten, dass im vorliegenden Fall die Aufteilung  ...
3. a) Das Übergangsrecht zum ZGB enthält in Art. 1 bis  ...
4. Die Ausführungen des Klägers in der Berufungsschrift ...
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9. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Januar 1990 i.S. Georg Moritz-Plattner gegen Karl Gogel und Klara und Werner Waldmeier-Müller (Berufung)
 
 
Regeste
 
Vorkaufsrecht bei Stockwerkeigentum, das nach kantonalem Recht vor 1912 begründet wurde (Art. 3 und Art. 20bis SchlT ZGB).  
Als vereinbartes und damit wohlerworbenes Recht, in das nach Art. 1 SchlT ZGB mit einer Gesetzesänderung nicht eingegriffen werden darf, kann nur gelten, was tatsächlich auf diese Weise entstanden ist, nicht auch, was bloss hätte vertraglich geordnet werden können (E. 4).  
 
Sachverhalt
 
BGE 116 II, 63 (64)A.- Gemäss Grundbucheintrag sind Karl Gogel, Georg Moritz-Plattner und
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August Blank Eigentümer der Parzelle 116 des Grundbuchs Augst. Auf dem entsprechenden Grundbuchblatt findet sich die Anmerkung, dass Stockwerkeigentum gemäss besonderer Liegenschaftsbeschreibung bestehe. Auf dem Blatt 111 des Grundbuchs Augst ist nur Karl Gogel als Eigentümer eingetragen. Stockwerkeigentum ist hier nicht angemerkt. Aus den dazugehörigen Plänen ergibt sich aber, dass das Gebäude, an dem Stockwerkeigentum besteht, teilweise auf der Parzelle 111 steht. Die BGE 116 II, 63 (65)Aufteilung des Gebäudes in die verschiedenen Stockwerkeinheiten ist im vorliegenden Prozess unbestritten.
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Karl Gogel schloss am 19. Februar 1986 mit Klara und Werner Waldmeier-Müller einen Kaufvertrag über Parzelle 111 und den in seinem Eigentum stehenden Teil der Parzelle 116 (Stockwerkeigentum) des Grundbuchs Augst ab. Die Bezirksschreiberei Liestal teilte unter Hinweis auf das Miteigentümervorkaufsrecht August Blank und Georg Moritz mit, dass Karl Gogel seinen Anteil an der Parzelle 116 verkauft habe. Am 8. März 1986 übte Georg Moritz dieses Vorkaufsrecht aus. Am 10. März 1986 erklärte er in einem zweiten Schreiben an die Bezirksschreiberei, dass er gestützt auf sein kantonalrechtliches Stockwerkeigentum an Parzelle 116 und an einer in seinem Stockwerkeigentum stehenden Wohnung, welche sich im Gebäude auf Parzelle 111 befinde, vom Vorkaufsrecht Gebrauch mache und Übertragung des ganzen Kaufsobjektes an sich fordere.
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B.- Auf Eingabe von Georg Moritz traf der Bezirksgerichtspräsident in Liestal die superprovisorische Verfügung, dass der Grundbuchverwalter die Eigentumsübertragung an Klara und Werner Waldmeier-Müller nicht vornehmen dürfe. Diese Anordnung wurde anschliessend bestätigt und Georg Moritz Frist zur Einreichung einer Klage gesetzt.
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Fristgerecht klagte Georg Moritz gegen Karl Gogel und verlangte, dass er anstelle der Eheleute Waldmeier als Käufer in den Kaufvertrag zu substituieren sei. Auf Antrag von Karl Gogel traten Klara und Werner Waldmeier-Müller als Streitberufene ins Verfahren ein.
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Mit Urteil vom 17. März 1988 wies das Bezirksgericht Liestal die Klage ab. Mit Entscheid vom 30. Mai 1989 bestätigte das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft auf Appellation von Georg Moritz hin dieses Urteil.
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C.- Gegen dieses Urteil hat Georg Moritz Berufung an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt im wesentlichen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und "die berufungsbeklagten Parteien (...) zu verurteilen, dem Berufungskläger die Parzelle 111 des Grundbuchs Augst zu übereignen". Karl Gogel sowie Klara und Werner Waldmeier-Müller beantragen die Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab
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BGE 116 II, 63 (66)aus folgenden Erwägungen:
 
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Nach Art. 20bis SchlT ZGB untersteht das frühere kantonale Stockwerkeigentum, soweit es überlebt hat, den 1965 in Kraft getretenen neuen Vorschriften des ZGB. Die Unterstellung erfolgte von Gesetzes wegen, ohne dass es dafür eines besonderen Aktes der Beteiligten oder eines Grundbucheintrages bedurfte (MEIER-HAYOZ/REY, Berner Kommentar, 1988, Vorbemerkungen zu Art. 712a-712t ZGB, N. 83; EDUARD BROGLI, Das intertemporale Stockwerkeigentumsrecht der Schweiz am Beispiel des Kantons Wallis, Diss. Freiburg 1985, S. 67; FRITZ SCHMID, Die Begründung von Stockwerkeigentum, Diss. Zürich 1972, S. 146 f.). Art. 20bis SchlT ZGB konkretisiert in erster Linie Art. 3 SchlT ZGB, welcher Rechtsverhältnisse dem neuen Recht unterstellt, deren Inhalt unabhängig vom Willen der Beteiligten durch das Gesetz umschrieben wird. Art. 20bis SchlT ZGB schränkt - wie Art. 3 - Art. 1 SchlT ZGB ein, welcher die Regel aufstellt, dass eine Gesetzesänderung keine Rückwirkung habe und das Gesetz grundsätzlich nicht in wohlerworbene Rechte eingreife. Steht ein Rechtsverhältnis in Frage, dessen Inhalt sich aus dem Gesetz ergibt, so bestimmt sich nicht nur sein Inhalt, sondern auch sein Bestand nach dem neuen Recht. Wenn es sich demgegenüber um ein erworbenes, selbständiges Recht handelt, beurteilt sich der Bestand nach denjenigen Normen, welche im Zeitpunkt der Begründung gegolten haben (MUTZNER, N. 3 zu Art. 3 SchlT ZGB).
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Im vorliegenden Fall fragt sich somit, ob das Vorkaufsrecht bloss gesetzlichen Inhalt des Stockwerkeigentums bildet oder BGE 116 II, 63 (67)- wie der Kläger behauptet - ein eigenständiges, vor dem Inkrafttreten des ZGB entstandenes wohlerworbenes Recht.
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b) Das Gesetz selber umschreibt nicht, was als gesetzlicher Inhalt eines Rechts gilt und was als selbständiges, wohlerworbenes Recht angesehen werden muss. Für die Unterscheidung ist vom Zweck auszugehen, der mit dem Übergangsrecht verfolgt wird. Einerseits hat der Gesetzgeber Sorge zu tragen, dass die unter dem Schutz der früheren Rechtsordnung erworbenen Rechte soweit als möglich respektiert werden, andererseits aber hat er dafür zu sorgen, dass sich das Recht entwickeln und neuen Bedürfnissen anpassen kann (MUTZNER, Vorbemerkungen zu Art. 1-50 SchlT ZGB, N. 9). Als Inhalt sind deshalb alle Berechtigungen anzusehen, "die gestützt auf einen bestimmten Zustandstatbestand für alle Personen unmittelbar durch das Gesetz begründet werden" (MUTZNER , N. 3 zu Art. 3 SchlT ZGB). Selbständige, erworbene Rechte sind jene Rechte, die "auf einem besondern Rechtsgrund beruhen" (MUTZNER, a.a.O.).
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Das kantonalrechtliche Vorkaufsrecht, welches der Kläger geltend macht, hat seine Berechtigung nur im Zusammenhang mit dem Stockwerkeigentum. Es ist mit diesem ebenso verknüpft wie das in Art. 682 ZGB vorgesehene Miteigentümervorkaufsrecht mit dem Miteigentum. So ist beispielsweise die Übertragung des einen Rechts ohne Übergang des andern nicht möglich (vgl. BGE 115 II 335, E. 2c).
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Das Vorkaufsrecht ist eine Beschränkung des Rechts, über sein Eigentum frei zu verfügen. Das Miteigentümervorkaufsrecht, wie es Art. 682 ZGB vorsieht, ist somit eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung im Sinne von Art. 680 ZGB, aufgestellt im Interesse der anderen Miteigentümer (vgl. BGE 92 I 238 E. 4 mit Verweisen; Botschaft, BBl 1962 II 1512). Aufgrund der Vernehmlassungen hatte bereits der Bundesrat in seinen Entwurf zur Einführung des Stockwerkeigentums die Gesetz gewordene Bestimmung aufgenommen, die ein gesetzliches Vorkaufsrecht beim Stockwerkeigentum ausdrücklich ausschliesst (BBl 1962 II 1528). Es bestand - und besteht nach wie vor - das Bedürfnis, die Verkehrsfähigkeit der Stockwerkeinheiten möglichst zu fördern. Eine Einschränkung sollte nur dort Platz greifen, wo dies den besonderen Bedürfnissen im Einzelfall entspricht und die Beteiligten dies einverständlich vereinbaren (BBl 1962 I 1514).
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Das Bundesgericht hielt wiederholt fest, dass das gesetzlich vorgesehene Miteigentümervorkaufsrecht eine gesetzliche BGE 116 II, 63 (68)Eigentumsbeschränkung darstellt, welche gemäss Art. 3 und Art. 17 Abs. 2 SchlT ZGB auf alle Verkäufe von Miteigentumsanteilen an Grundstücken anwendbar ist, auch wenn das Miteigentum vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung begründet wurde (BGE 90 II 141 f.; BGE 92 I 238 f.). Entsprechend findet auch das sich aus Art. 6 EGG ergebende Vorkaufsrecht auf alle landwirtschaftlichen Gewerbe Anwendung, selbst wenn sie vor dem Erlass dieser Norm erworben wurden (BGE 92 I 239). Nicht anders kann es sich mit der Bestimmung verhalten, dass beim Stockwerkeigentum kein Vorkaufsrecht besteht, obgleich es sich um eine Form von Miteigentum handelt (Art. 712c Abs. 1 ZGB). Der Gesetzgeber wollte das alte kantonale Stockwerkeigentum nicht für alle Zeiten vom Rechtsverkehr in den Formen des Bundeszivilrechts ausschliessen (BBl 1962 II 1502) und unterstellte es deshalb ausdrücklich und von Gesetzes wegen dem neuen Recht (Art. 20bis SchlT ZGB). Er nahm es - wie die Botschaft sich ausdrückt - "unter die Fittiche des neuen Rechts" (BBl 1962 II 1502). Hätte das ZGB von Anfang an das Stockwerkeigentum vorgesehen, so stünde ausser Zweifel, dass das frühere kantonale Vorkaufsrecht 1912 wie die anderen Zugsrechte untergegangen wäre (vgl. BBl 1962 II 1502).
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Im Schrifttum vertritt demgegenüber STÖCKLI die Meinung, das alte Vorkaufsrecht gelte auch nach Einführung des bundesrechtlichen Stockwerkeigentums im Kanton Basel-Landschaft weiter (CLEMENS STÖCKLI, Die Behandlung von altrechtlichem Stockwerkeigentum nach dem neuen Bundesgesetz vom 19. Dezember 1963 über das Miteigentum und Stockwerkeigentum, ZBGR 46. Jahrg., 1965, S. 28 f.). Er erachtet die Verhältnisse, wie sie durch das alte Recht geschaffen wurden, häufig für unpraktikabel. Die Aufhebung des altrechtlichen Stockwerkeigentums sei deshalb zu begünstigen. Dazu diene aber das Vorkaufsrecht, weil es ermögliche, bei einer Veräusserung möglichst viele Stockwerkeinheiten in einer Hand zu vereinigen (STÖCKLI, S. 28). Diese rechtspolitischen Überlegungen überzeugen nicht. Gibt das Stockwerkeigentum des alten kantonalen Rechts im Einzelfall derart zu Reibereien Anlass, dass sich die Aufhebung aufdrängt, so steht es den Parteien frei, diese einverständlich vorzunehmen. Es besteht aber kein Grund, nur deshalb einzelne Bestimmungen des alten kantonalen Rechts in allen Fällen weitergelten zu lassen. Wenn die Parteien aufgrund der konkreten Verhältnisse ein Vorkaufsrecht wünschen, können sie ein solches ohne weiteres vereinbaren (Art. 712c Abs. 1 ZGB).
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BGE 116 II, 63 (69)Es ist somit der Vorinstanz zuzustimmen, wenn sie für den Entscheid, ob ein Vorkaufsrecht besteht oder nicht, auf Art. 712c ZGB abstellt.
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