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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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96. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Oktober 1990 i.S. M. Ltd. gegen T. AG (Berufung) | |
Regeste |
Kapitalerhöhung bei einer Aktiengesellschaft, Quorum (Art. 648 Abs. 1 OR). | |
Sachverhalt | |
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Gegen die Kapitalerhöhungsbeschlüsse liess der Vertreter der Klägerin die Einwände protokollieren, die Erhöhung bedürfe eines Quorums von zwei Dritteln des Grundkapitals und ihre Konditionen führten zu einer unrechtmässigen Verwässerung der Rechte der bisherigen Aktionäre.
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C.- Mit Klage vom 12. Januar 1989 begehrte die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit, eventuell der Ungültigkeit der Beschlüsse auf Kapitalerhöhung der Beklagten. Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage am 31. Oktober 1989 ab. Eine gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Klägerin hat das Bundesgericht abgewiesen, soweit es darauf eingetreten ist.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Gesetzesbestimmung in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen.
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Der Wortlaut der Norm ist nicht eindeutig. Zwar ist der Wortsinn des massgebenden Begriffs in den drei Amtssprachen ("eingeführt", "introduction", "introdurre") durchaus identisch, in keiner aber unzweideutig. Die Einführung von Stimmrechtsaktien kann sich sowohl auf die Schaffung einer entsprechenden Aktienkategorie, somit auf die Erstausgabe von Stimmrechtsaktien, als auch auf die Ausgabe solcher Aktien schlechthin, und damit ebenfalls auf die Aufstockung dieser Aktienkategorie, beziehen.
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b) Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, d.h. nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrundeliegenden Wertungen ausgelegt werden. Eine historisch orientierte Auslegung ist daher für sich allein nicht entscheidend. Die Materialien fallen nach der Rechtsprechung nur ins Gewicht, wenn sie angesichts einer unklaren gesetzlichen Bestimmung eine klare Antwort geben und im Gesetzeswortlaut einen Niederschlag gefunden haben. Indessen vermag allein die an der Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung die Regelungsabsicht des Gesetzgebers aufzuzeigen. Diese Regelungsabsicht und die vom Gesetzgeber in Verfolgung dieser Absicht erkennbar getroffenen Wertentscheidungen bleiben für den Richter verbindliche Richtschnur, auch wenn er das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung neuen, vom Gesetzgeber nicht voraussehbaren Umständen anpasst oder es ergänzt (BGE 114 Ia 196 E. b/bb mit Hinweisen). Der Richter hat zuerst den entstehungszeitlichen Sinn einer Norm zu ermitteln und erst danach zu prüfen, ob objektive Gründe eine Rechtsfortbildung erheischen (MEIER-HAYOZ, N 151 ff. zu Art. 1 ZGB). Jeder historisch orientierten Auslegung eignet danach zwangsläufig ein teleologisches Element, von welchem als Zielrichtung auszugehen ist, da die Zweckbezogenheit der Auslegung sich nicht aus sich selbst begründen lässt, sondern sich wiederum aus dem grammatikalischen, historischen und systematischen Vorgehen ergibt (ZELLER, Auslegung von Gesetz und Vertrag, S. 285 ff. Rz. 40 und S. 367 ff. Rz. 180 ff.). In diesem Sinne ist auch die Aussage zu verstehen, dass die Materialien umso weniger zu beachten sind, je weiter sie zeitlich zurückliegen (BGE 114 Ia 196 E. b/bb mit Hinweis); damit wird nicht der Anknüpfungspunkt der ![]() | 9 |
Die auszulegende Bestimmung von Art. 648 Abs. 1 OR wurde mit der handelsrechtlichen Revision von 1936 in das Gesetz eingefügt. Dass ihr aufgrund veränderter Realien ein gewandelter Sinn beizumessen wäre, ist nicht ersichtlich. Dabei ist zu beachten, dass die Bestimmung vorab organisatorischer Natur ist und Normen dieser Art nicht leichthin unter Hinweis auf den Bedeutungswandel eines Instituts oder veränderte gesellschaftliche Anschauungen richterlicher Rechtsfortbildung zugänglich sind (BGE 112 Ia 216 E. c). Die objektiv-historische Auslegung der Norm hat sich daher an den Regelungsabsichten und Wertvorstellungen des Gesetzgebers zu orientieren.
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Der bundesrätliche Entwurf vom 21. Februar 1928 zur Revision der Titel XXIV bis XXXIII des schweizerischen Obligationenrechts sah für die Aktiengesellschaft zwingend die Bindung des Stimmrechts an den Nominalwert der Aktien vor und untersagte damit die Schaffung von Stimmrechtsvorteilen mittels Vorzugsaktien (BBl 1928 I 205 ff., 234 und 248; Art. 692 Abs. 1 VE). Er übernahm damit das Ergebnis der Beratungen der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eingesetzten Expertenkommission, in welcher ein Antrag Wieland, namentlich zur Verhinderung unerwünschter Überfremdungen die Möglichkeit zur Schaffung von (direkten) Pluralstimmrechten zu geben, knapp abgelehnt worden war (Nachweise bei EGON BIBER, Die Stimmrechtsaktie nach deutschem, französischem und schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1940, S. 80 ff.). Demgegenüber wurde in den parlamentarischen Beratungen mehrheitlich ein legitimes Bedürfnis zur Schaffung von Stimmrechtsaktien, wie sie in der Praxis bereits verbreitet waren, anerkannt und Art. 693 OR in der heutigen Fassung in das Gesetz eingeführt (zum Werdegang der Bestimmung BIBER, a.a.O., S. 90 ff.). Gleichzeitig sollte der Gefahr einer Majorisierung des Kleinaktionärs dadurch begegnet werden, dass die nachträgliche Einführung solcher Aktien einem qualifizierten Mehr unterstellt wurde (BIBER, a.a.O., S. 93). Begründet wurde die Erschwerung damit, dass die nachträgliche Einführung von Stimmrechtsaktien für die bisherigen Aktionäre eine starke Entrechtung bedeute (Sten.Bull. StR 1931, S. 364, Votum Thalmann). Damit sollte einerseits Missbräuchen vorgebeugt, anderseits den ![]() | 11 |
c) Die systematische Auslegung der Bestimmung führt nicht weiter. Zwar liesse sich vordergründig argumentieren, der Begriff der Einführung in Art. 648 Abs. 1 OR sei zu unterscheiden von denjenigen der Ausgabe und der Umwandlung (Art. 654/655 OR). Nichts deutet indessen darauf hin, dass diese Differenzierung bewusst vorgenommen wurde, zumal das Gesetz in Art. 627 Ziff. 10 OR auch im Zusammenhang mit Stimmrechtsaktien von deren Ausgabe spricht.
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c) Der Botschaft zum neuen Aktienrecht, wonach an einem qualifizierten Quorum für die Einführung von Stimmrechtsaktien festgehalten werden soll, lässt sich zur Klärung des Problems nichts entnehmen (BBl 1983 II 916).
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d) Das teleologische Auslegungsergebnis überzeugt. Ausgehend von der Regelungsabsicht und den Wertvorstellungen des Gesetzgebers und unter Mitberücksichtigung der gesetzgeberischen Methode (MEIER-HAYOZ, N 182 i.V.m. N 316 ff. zu Art. 1 ZGB) ist dabei vorwiegend auf den Zweckgedanken des Gesetzes abzustellen. Dient danach Art. 648 Abs. 1 OR teleologisch dem Schutz der Aktionärsminderheit, ist dieser Schutz nicht weiter auszudehnen, als die Minderheit seiner zur Wahrung ihrer bisherigen Rechtsstellung bedarf. Dies führt im vorliegenden Fall einer Kapitalerhöhung mit konsekutiver Ausgabe von Stimmrechtsaktien zum Ergebnis, dass ein qualifiziertes Quorum nach Art. 648 Abs. 1 OR nicht notwendig ist, sofern dadurch die Rechtsstellung der bisherigen Aktionäre keine durch Privilegierung einer Aktienkategorie bewirkte Beeinträchtigung erfährt.
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a) Eine Beeinträchtigung wird nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass das Bezugsrecht der bisherigen Aktionäre proportional ![]() | 18 |
b) Keine im Schutzbereich von Art. 648 Abs. 1 OR liegende Beeinträchtigung liegt dagegen im Umstand, dass der Aktionär vor die Wahl gestellt ist, entweder sein Bezugsrecht auszuüben oder einen Teil seiner relativen Stimmkraft einzubüssen, solange diese Einbusse nicht überproportional ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 99 II 55), auf welche im vorliegenden Fall zurückzukommen kein Anlass besteht, werden keine Aktionärsrechte verletzt, wenn sämtliche Aktionäre vor dieselbe Wahl gestellt werden, entweder Bezugsrechte auszuüben oder relative Stimmrechtsverluste in Kauf zu nehmen; dies selbst dann nicht, wenn die neuen Aktien unter ihrem inneren Wert ausgegeben werden, und der nicht beziehende Aktionär somit einen realen Kapitalverlust durch Verwässerung in Kauf zu nehmen hat. Gleich verhält es sich vorliegend.
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c) Offenbleiben kann schliesslich die Frage, ob bei proportionaler Kapitalerhöhung über mehrere Aktienkategorien allenfalls eine nach Art. 648 Abs. 1 OR zu erfassende Beeinträchtigung bisheriger Aktionäre darin liegen könnte, dass ein Bezugsrecht auf die neuen Aktien nicht, nicht vollständig oder ungleichmässig gegeben wird, sind vorliegend doch das integrale Bezugsrecht und damit die Gleichbehandlung der Aktionäre gewährleistet (dazu etwa JÄGGI, a.a.O., S. 414 f.; HIRSCH, a.a.O., S. 90 Ziff. 3; TANNER, a.a.O., S. 252 ff. Rz. 162 ff., 172).
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a) Zu einer Rechtsunsicherheit führt die hier vertretene Auffassung offensichtlich nicht, stellt die Beantwortung der Frage, ob eine Kapitalerhöhung bei mehreren Aktienkategorien proportional erfolgt oder nicht, doch keine Schwierigkeiten.
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b) Die Überproportionalität der relativen Stimmkraft der Stimmrechtsaktionäre ist eine zwangsläufige Folge dieser Aktienkategorie, deren Rechtmässigkeit im Rahmen der Rechtsanwendung ![]() | 23 |
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