BGE 136 II 120 - Inländerdiskriminierung beim Teilfamiliennachzug | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Philippe Dietschi | |||
12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Sicherheitsdirektion und Regierungsrat des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_135/2009 vom 22. Januar 2010 | |
Regeste |
Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 EMRK; Art. 8 und 190 BV; Art. 3 Anhang I FZA; Art. 42 AuG; Art. 17 Abs. 2 ANAG; Teilfamiliennachzug zu einem eingebürgerten Schweizer ("Inländerdiskriminierung"). | |
Sachverhalt | |
X. (geb. 1967) stammt ursprünglich aus Serbien. Er ist seit dem 6. Februar 1998 mit einer Schweizerin verheiratet. Am 1. Juli 2002 wurde er eingebürgert. X. hat drei Kinder aus erster Ehe, die über die serbische Staatsangehörigkeit verfügen. Anlässlich der Scheidung hatte das Gemeindegericht Bujanovac das Sorgerecht der Mutter zugesprochen; in der Folge lebten die Kinder bei dieser sowie den Grosseltern väterlicherseits. Am 21. September 2007 übertrug das Gemeindegericht das Sorgerecht auf X.
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Am 6. Dezember 2006 ersuchte X. darum, seinen Kindern eine Einreisebewilligung zum Verbleib bei ihm zu erteilen, was die Sicherheitsdirektion (Migrationsamt) des Kantons Zürich am 23. August 2007 ablehnte, da keine stichhaltigen Gründe für eine Veränderung der bisherigen Betreuungsverhältnisse ersichtlich seien. Der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich teilten diese Einschätzung am 2. Juli 2008 bzw. 21. Januar 2009.
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Die Kinder von X. beantragen vor Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihnen die Einreisebewilligung zum Verbleib bei ihrem Vater im Kanton Zürich zu erteilen, eventuell sei die Angelegenheit zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie machen geltend, ihre leibliche Mutter sei nicht mehr willens und wegen ihrer Wiederverheiratung auch nicht mehr in der Lage, sie zu betreuen; dasselbe gelte wegen des fortgeschrittenen Alters und des Gesundheitszustands für ihre Grosseltern. In der Abweisung ihres Gesuchs liege eine unzulässige Inländerdiskriminierung.
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Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat darauf verzichtet, sich vernehmen zu lassen. Das Bundesamt für Migration weist daraufhin, dass keine Diskriminierung eines schweizerischen Staatsangehörigen vorliege, da auch EU-Bürger ihre Familienangehörigen nur nachziehen könnten, wenn diese sich bereits vorher rechtmässig und dauerhaft im Hoheitsgebiet eines der Vertragsstaaten des Freizügigkeitsabkommens aufgehalten hätten (BGE 130 II 1), woran das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 25. Juli 2008 C-127/08 Metock (in: EuGRZ 2008 S. 612 ff.) nichts geändert habe, da die Schweiz nicht verpflichtet sei, dieses zu übernehmen.
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Die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat die Angelegenheit am 22. Januar 2010 öffentlich beraten und die Beschwerde abgewiesen.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen:
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1. | |
1.1 Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit Bewilligungen ausgeschlossen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Das strittige Familiennachzugsgesuch wurde vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) eingereicht und ist deshalb noch in Anwendung des inzwischen aufgehobenen Bundesgesetzes vom 26. Mai 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer zu beurteilen (ANAG; Art. 126 Abs. 1 AuG). Danach haben ledige ausländische Kinder unter 18 Jahren von Schweizer Bürgern in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 2 ANAG Anspruch auf Familiennachzug, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (BGE 130 II 137 E. 2.1 S. 141; BGE 129 II 249 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen). Da der gesuchstellende Vater Schweizerbürger ist und die drei Kinder zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, auf den es für die Eintretensfrage ankommt (statt vieler: BGE 129 II 249 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen), noch nicht 18 Jahre alt waren, besteht vorliegend ein Rechtsanspruch auf ihren Nachzug im Sinne von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG.
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Erwägung 2 | |
2.1 Die in der Rechtsprechung zu Art. 17 ANAG entwickelten Voraussetzungen für den zeitlich gestaffelten (nachträglichen) Familiennachzug von Kindern unterscheiden sich danach, ob die Gesamtfamilie oder bloss eine Teilfamilie in der Schweiz zusammengeführt werden soll (Nachzug zu den gemeinsamen Eltern oder bloss zu einem Elternteil). Anders als bei zusammenlebenden Eltern besteht beim Nachzug zu einem Elternteil kein bedingungsloser Anspruch auf Familienvereinigung. Für eine solche müssen besondere familiäre Gründe bzw. eine zwingend nötig gewordene Änderung in den Betreuungsverhältnissen sprechen (BGE 133 II 6 E. 3.1 S. 9 f.; BGE 130 II 1 E. 2.2 S. 4; BGE 129 II 11 E. 3.1.2 und 3.1.3 S. 14 f.; BGE 124 II 361 E. 3a S. 366; ALBERTO ACHERMANN, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts 2006/2007 im Bereich des Ausländer- und Bürgerrechts, in: Jahrbuch für Migrationsrecht 2006/2007, Achermann und andere [Hrsg.], 2007, S. 141 ff., dort S. 157 ff.). Dies ist in der Regel nicht der Fall, wenn im Heimatland alternative Pflegemöglichkeiten bestehen, die dem Kindeswohl besser entsprechen, weil dadurch vermieden werden kann, dass die Kinder aus ihrer bisherigen Umgebung und dem ihnen vertrauten Beziehungsnetz gerissen werden (BGE 133 II 6 E. 3.1.2 S. 11 f.; BGE 125 II 585 E. 2c S. 588 ff. mit Hinweisen). An den Nachweis der fehlenden Betreuungsmöglichkeit im Heimatland sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je älter das nachzuziehende Kind ist bzw. je grösser die Integrationsschwierigkeiten erscheinen, die ihm hier drohen (vgl. BGE 129 II 11 E. 3.3.2 S. 16 sowie BGE 133 II 6 E. 5.3 S. 19 f. mit Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte [EGMR] Tuquabo-Tekle und andere gegen Niederlande vom 1. Dezember 2005 [Nr. 60665/00]).
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Erwägung 3 | |
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Erwägung 3.2 | |
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3.2.2 Trotz der an diesem Entscheid geübten Kritik (vgl. etwa HOTTELIER/MOCK, Le Tribunal fédéral suisse et la "discrimination à rebours" en matière de regroupement familial, Revue trimestrielle des droits de l'homme 2003 S. 1275 ff.) hat das Bundesgericht in BGE 130 II 137 ff. hieran festgehalten: Der Gesetzgeber habe sich für eine "umfassende Neuregelung" des Familiennachzugs im Rahmen der laufenden Totalrevision der Ausländergesetzgebung ausgesprochen und bewusst auf eine sofortige gesetzliche Anpassung der Rechtsstellung von Schweizer Bürgern an jene von EU- und EFTA-Staatsangehörigen beim Familiennachzug verzichtet. Dass das geltende Ausländerrecht das Nachzugsrecht für ausländische Familienmitglieder von Schweizer Bürgern nicht ausdrücklich regle und diese Lücke über eine analoge Anwendung von Art. 17 Abs. 2 ANAG habe geschlossen werden müssen (BGE 118 Ib 153 E. 1b S. 155 f.), bedeute nicht, dass für diese Frage heute auf die entsprechende Regelung des Freizügigkeitsabkommens abzustellen sei. Für eine solche Anpassung bestehe kein Raum, nachdem der Gesetzgeber selber eine vorgezogene Teilrevision in diesem Punkt abgelehnt habe. Diese Rechtsprechung halte auch vor Art. 8 und Art. 14 EMRK stand, schlössen die entsprechenden Bestimmungen doch Differenzierungen nach der Staatsangehörigkeit grundsätzlich nicht aus (so die Urteile des EGMR Moustaquim gegen Belgien vom 18. Februar 1991, Serie A Bd. 193 § 48 f., sowie C. gegen Belgien vom 7. August 1996, Recueil CourEDH 1996-III S. 915 § 37 f.). Eine allfällige (vorübergehende) Ungleichbehandlung in dieser Frage beruhe "auf zu respektierenden gesetzgebungspolitischen Gründen, zumal es nicht um einschneidende Eingriffe, sondern bloss um eine allfällige Ausweitung des Umfangs der bisher zulässigen - und an sich als ausreichend erachteten - Familiennachzugsmöglichkeiten gehe, welche der nationale Gesetzgeber im gebotenen demokratischen Verfahren noch zu prüfen haben" werde. Die auf BGE 129 II 249 ff. zurückgehende bundesgerichtliche Rechtsprechung erscheine mit Art. 14 EMRK vereinbar, zumal der Familiennachzug im Rahmen von Art. 3 Anhang I FZA voraussetze, dass die nachzuziehende Person bereits in einem anderen Vertragsstaat ein Aufenthaltsrecht nach nationalem Recht erworben habe (BGE 130 II 1 ff. in Übernahme des Entscheids des EuGH vom 23. September 2003 C-109/01 Akrich [in: EuGRZ 2003 S. 607]).
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Erwägung 3.3 | |
3.3.1 Das neue Ausländergesetz, welches am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist, will die Familiennachzugsbestimmungen für Schweizer Bürger möglichst gleich regeln, wie das Freizügigkeitsabkommen dies für EU-Bürger tut (Art. 42 Abs. 2 AuG). Ihm liegt jedoch die Rechtslage zugrunde, wie sie sich für EU-/EFTA-Angehörige aus dem Entscheid des EuGH i.S. Akrich ergeben hat. In der Zwischenzeit hat sich diese grundlegend gewandelt: Mit Urteil vom 29. September 2009 schloss sich das Bundesgericht der Änderung der Rechtsprechung des EuGH i.S. Metock an und stellte fest, dass das Recht auf Familiennachzug gestützt auf das FZA nicht mehr von einem vorherigen rechtmässigen Aufenthalt der nachzuziehenden Person in einem Signatarstaat des Abkommens abhängt (vgl. BGE 136 II 5 E. 3). Am 5. Januar 2010 hat es die bisher von ihm offengelassene Frage bejaht, ob der Familiennachzug nach dem Freizügigkeitsabkommen auch für Stiefkinder gilt, da es sich dabei nicht um einen neuen, an die EU-Bürgerschaft anknüpfenden weiterführenden Aspekt der Personenfreizügigkeit innerhalb der Union, sondern um eine Konsolidierung des "Acquis communautaire" handelt, wie die Schweiz ihn mit der Unterzeichnung des Freizügigkeitsabkommens übernommen hat (BGE 136 II 65 E. 4). Der Nachzugsanspruch steht unter dem Vorbehalt (1) des räumlichen, persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs sowie des jeweiligen Fortbestehens der Bewilligungs- und Nachzugsvoraussetzungen des Freizügigkeitsabkommens, (2) der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (Art. 5 Anhang I FZA), (3) allfälliger offensichtlich überwiegender Interessen des nachzuziehenden Kindes im Sinne der Kinderrechtskonvention (KRK; SR 0.107; BGE 136 II 78 E. 4.8) sowie (4) des Verbots des Rechtsmissbrauchs (Art. 51 AuG; Art. 35 der Richtlinie 2004/38/EG [ABl. L 229 vom 29. Juni 2004 S. 35 ff.]).
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3.3.2 Ein Erlass verstösst gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV), wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist. Er verletzt das Gebot der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV), wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Das Rechtsgleichheitsgebot ist insbesondere verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird (BGE 127 I 185 E. 5 S. 192). Allerdings kann eine Regelung, die Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich behandelt, dann zulässig sein, wenn die Gleich- oder Ungleichbehandlung notwendig ist, um das Ziel der Regelung zu erreichen, und die Bedeutung des Ziels die Gleich- oder Ungleichbehandlung rechtfertigt. In diesem Fall muss abgewogen werden zwischen dem Interesse an der Erreichung des Regelungsziels und dem Interesse an der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung (vgl. HÄFELIN/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 105, Rz. 495, unter Hinweis auf BGE 116 Ia 321 ff.).
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3.3.3 Das akzessorische Diskriminierungsverbot von Art. 14 EMRK verbietet Unterscheidungen aufgrund bestimmter Merkmale bei der Umsetzung von in der EMRK garantierten Rechten und Freiheiten. Es kann immer schon dann angerufen werden, wenn der umstrittene Sachverhalt in den Schutzbereich einer konventionsrechtlichen Garantie fällt; deren Verletzung ist nicht erforderlich. Nicht jede unterschiedliche Behandlung bildet dabei bereits eine Diskriminierung. Eine solche liegt nur vor, wenn aufgrund eines verpönten Kriteriums (Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, nationale oder soziale Herkunft usw.) vergleichbare Situationen unterschiedlich behandelt werden, ohne dass sich dies objektiv und sachlich rechtfertigen lässt; die umstrittene Massnahme muss mit Blick auf den verfolgten Zweck zulässig erscheinen und die zu dessen Realisierung eingesetzten Mittel müssen verhältnismässig sein. Ungleichbehandlungen nach der Staatsangehörigkeit sind nicht ausgeschlossen, bedürfen aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte indessen regelmässig besonders gewichtiger Unterscheidungsgründe (CHRISTOPH GRABENWARTER, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl., München/Basel/Wien 2009, § 26 S. 455 N. 16). Eine privilegierte Behandlung der eigenen Staatsangehörigen sowie der Staatsangehörigen von Staaten, mit denen enge Beziehungen gepflegt werden, ist grundsätzlich zulässig, muss jedoch im Einzelfall jeweils hinsichtlich der konkreten Massnahme und des jeweiligen Unterscheidungskriteriums auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 14 EMRK untersucht werden (vgl. ACHERMANN/CARONI, Einfluss der völkerrechtlichen Praxis auf das schweizerische Migrationsrecht, in: Ausländerrecht, Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, N. 6.43 ff.;MARTINA CARONI, Die Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Bereich des Ausländer- und Asylrechts, in: Jahrbuch für Migrationsrecht 2007/2008, Achermann und andere [Hrsg.], 2008, S. 265 ff., dort S. 284 f.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beruht eine Benachteiligung von Drittstaatsangehörigen gegenüber Staatsangehörigen eines EU-Staates bei aufenthaltsbeendenden Massnahmen auf objektiven und sachlichen Gründen, da die EU eine besondere Rechtsgemeinschaft bildet (Urteil des EGMR Moustaquim gegen Belgien vom 18. Februar 1991, a.a.O., § 49; vgl. zurProblematik ausländerrechtlicher Differenzierungen auch: EPINEY/CIVITELLA, Die rechtliche Stellung von Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen in der Schweiz - ein Vergleich ausgewählter Aspekte, in: Jahrbuchfür Migrationsrecht 2007/2008, Achermann undandere [Hrsg.], 2008, S. 3 ff., dort insbesondere S. 55 f. mit weiteren Hinweisen).
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Erwägung 3.4 | |
3.4.1 Es erscheint zweifelhaft, inwiefern heute ein sachlicher Grund bestehen soll, Schweizer Bürger bezüglich des Nachzugs ihrer ausländischen Familienangehörigen schlechter zu behandeln als EU- bzw. EFTA-Angehörige. Wohl liegt ein Unterschied darin, dass der sachliche Geltungsbereich des Freizügigkeitsabkommens genau gleich wie die entsprechende Grundfreiheit des Gemeinschaftsrechts auf grenzüberschreitende Sachverhalte zugeschnitten ist, also davon abhängt, ob das Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen worden ist, was bei einem rein landesinternen Sachverhalt nicht der Fall ist. Aus dem Freizügigkeitsabkommen können deshalb keine Familiennachzugsrechte für schweizerische Staatsangehörige abgeleitet werden, die ihrerseits von der Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht haben. Das bedeutet allerdings nicht, dass schweizerisches Verfassungsrecht die daraus resultierende Ungleichbehandlung schweizerischer Staatsangehöriger erlaubt (vgl. PETER UEBERSAX, Einreise und Aufenthalt, in: Ausländerrecht, a.a.O., N. 7.144). Zwar mag es sachliche Gründe geben, welche es rechtfertigen können, eine strengere landesrechtliche Regelung aufrechtzuerhalten und auf schweizerische Staatsangehörige weiterhin anzuwenden, auch wenn eine entsprechende Regelung aufgrund der sektoriellen Abkommen Bürgern der EU bzw. der EFTA nicht entgegengehalten werden kann; solche sind indessen im vorliegenden Zusammenhang nicht ersichtlich, zumal die Verweigerung des Familiennachzugs einen nicht zu unterschätzenden Eingriff in das durch die Bundesverfassung und die EMRK garantierte Recht auf Achtung des Familienlebens (Art. 13 BV, Art. 8 EMRK) bedeutet. Zwar besteht dieses Recht nicht voraussetzungslos, sondern unterliegt es Einschränkungen, die sich unter anderem auch mit einer restriktiven Ausländerpolitik begründen lassen. Jedoch sind solche Beschränkungen, soweit sie zu Rechtsungleichheiten führen, nur statthaft, wenn sie in einer gemeinsamen Rechtsordnung, wie sie das Freizügigkeitsabkommen unter den Signatarstaaten schafft, in verhältnismässiger Weise einem schutzwürdigen Zweck dienen. Ob ein solcher für eine Schlechterstellung von Schweizer Bürgern beim Familiennachzug besteht, erscheint fraglich, nachdem der Gesetzgeber mit der Einführung von Art. 42 AuG erklärtermassen selber die gestützt auf das ANAG bestehende umgekehrte Diskriminierung von Schweizer Bürgern gegenüber Personen beseitigen wollte, die sich auf die günstigeren Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens und der Rechtsprechung dazu berufen konnten (vgl. PETER UEBERSAX, Einreise und Aufenthalt, a.a.O., N. 7.144 f. mit weiteren Hinweisen; MARC SPESCHA, in: Migrationsrecht, Spescha/Thür/Zünd/Bolzli [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, N. 4 und 6a zu Art. 42 AuG).
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3.5.2 Der vorliegende Sachverhalt ist, wie bereits dargelegt, noch auf der Grundlage des ANAG und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu beurteilen (vgl. BGE 129 II 249 ff.; BGE 130 II 137 ff.). Es bestehen keine zwingenden sachlichen Gründe, vor einem Entscheid des Gesetzgebers die Praxis zum bisherigen Recht zu ändern (vgl. BGE 135 II 78 E. 3 mit Hinweisen). Zwar hat sich dieser im Ausländergesetz darum bemüht, den Familiennachzug von Schweizer Bürgern mindestens gleich grosszügig zu gestalten wie denjenigen von EU-/EFTA-Staatsangehörigen. Er hat dies indessen - wie bereits ausgeführt - aufgrund des damaligen Standes der Rechtsprechung, d.h. in Übernahme der "Akrich"-Rechtsprechung, getan, die heute überholt ist. Aus Gründen der Gewaltenteilung ist es deshalb vorerst ihm zu überlassen, darüber zu befinden, unter welchen Bedingungen und aus welchen Gründen er allenfalls eine Gleich- oder Ungleichbehandlung von Schweizer- und EU/EFTA-Bürgern unter dem neuen Recht hinnehmen will. Dies gilt umso mehr, als er bereits beim Erlass des Ausländergesetzes nicht alle umgekehrten Diskriminierungen beseitigt hat (vgl. etwa Art. 42 Abs. 1 AuG; ALVARO BORGHI, a.a.O., N. 457 ff.).
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3.5.3 Es kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben, ob Art. 42 Abs. 2 AuG künftig allenfalls in teleologischer Auslegung wortlautwidrig im Sinne der FZA-Regelung verstanden werden müsste (so MARC SPESCHA, Inländerdiskriminierung im Ausländerrecht?, AJP 2008, S. 1432 ff., insbesondere S. 1436 f.; MATTHIAS OESCH, Inländerdiskriminierung, ZBJV 145/2009 S. 787 ff.). Es ist nicht am Bundesgericht, dem Gesetzgeber hinsichtlich der künftigen Regelung Vorgaben zu machen, nachdem diesem mehrere Lösungen offenstehen, die zu einem verfassungs- und konventionskonformen Resultat und zu einer konsistenten Regelung des Familiennachzugs führen können (vgl. BGE 136 II 5 E. 3.6.1). Der Gesetzgeber hat das Problem bereits erkannt: Zwar hat er der parlamentarischen Initiative Tschümperlin zur Beseitigung und Verhinderung von Inländerdiskriminierung (08.494), welche darauf abzielte, mit einem dynamischen Verweis auf die jeweils für EU-/EFTA-Staatsangehörigen geltende Regelung eine Ungleichbehandlung zu verhindern, keine Folge gegeben (vgl. AB 2009 N 1748), doch tat er dies mit Hinweis darauf, dass wegen der Rechtsprechung "Akrich" kein Handlungsbedarf bestehe. Nachdem das Bundesgericht inzwischen die Rechtsprechung i.S. "Metock" übernommen hat (vgl. MARC SPESCHA, Erweiterte Familiennachzugsrechte für EU-BürgerInnen: Metock-Rechtsprechung des EuGH gilt auch im Geltungsbereich des FZA, AJP 2010 S. 102 ff., dort S. 105), wird er erneut prüfen müssen, ob und welche Änderungen sich mit Blick auf das Gesamtsystem des Familiennachzugs aufdrängen. Nur falls er sich dem Problem in absehbarer Zeit nicht annehmen sollte, könnte das Bundesgericht im Rahmen von Art. 190 BV allenfalls gestützt auf Art. 14 EMRK und den Vorrang des Völkerrechts gehalten sein, über den vorliegenden Appellentscheid hinaus eine Konventionswidrigkeit im Einzelfall allenfalls selber zu korrigieren (vgl. BGE 133 V 367 E. 11 S. 386 ff.; BGE 128 IV 201 E. 1.3; BGE 128 III 113 E. 3a mit weiteren Hinweisen). Soweit ersichtlich hat der EGMR das Problem einer möglichen Verletzung von Art. 14 EMRK durch eine umgekehrte Diskriminierung, d.h. durch eine Schlechterstellung der eigenen Staatsangehörigen, bisher nicht beurteilen müssen, weshalb es sich im Rahmen von Art. 190 BV rechtfertigt, dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu belassen, im demokratischen Verfahren die sich aus der neuen Situation ergebenden Konsequenzen zu ziehen.
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