BGE 136 II 393 - Entlöhnung | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Michelle Ammann, A. Tschentscher | |||
35. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) und Mitb. gegen Kanton St. Gallen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_78/2009 vom 31. August 2010 | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 3 BV; Art. 3 und 6 GlG; Gleichstellung von Mann und Frau; gehaltsmässige Einreihung von Funktionen des öffentlichen Dienstes. | |
Sachverhalt | |
A. Die Regierung des Kantons St. Gallen verneinte am 4. Februar und 26. März 2003, dass die gemäss den Richtlinien über Einreihung und Beförderung des Staatspersonals des Kantons St. Gallen erfolgte Einstufung der an kantonalen st. gallischen Spitälern angestellten Krankenschwestern (DN2), Hebammen, medizinisch-technischen Radiologieassistentinnen, technischen Operationsassistentinnen und medizinischen Laborantinnen gegen Art. 8 Abs. 3 BV und Art. 3 des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG; SR 151.1) verstosse, und verzichtete auf eine aussergerichtliche Klärung.
| 1 |
B.
| 2 |
B.a In der Folge erhoben der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK; Sektion St. Gallen/Thurgau/Appenzell), der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (vpod), der Schweizerische Hebammenverband (SHV; Sektion Ostschweiz), die Schweizerische Vereinigung der Fachleute für medizinisch-technische Radiologie (SVMTRA), der Schweizerische Berufsverband der technischen Operationsfachfrauen/-männer (SBVTOA), der Fachverband der diplomierten medizinischen Laborantinnen und Laboranten (labmed; Sektion Ostschweiz), die an kantonalen Spitälern im Kanton St. Gallen tätigen drei Krankenschwestern (DN2) B., G. und L. sowie die fünf Hebammen A., N., E., D. und P., eine medizinisch-technische Radiologieassistentin, zwei technische Operationsassistentinnen und zwei medizinische Laborantinnen im September und Oktober 2003 beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen Klagen auf Feststellung, dass die Einreihung und damit die Entlöhnung der genannten Berufsgruppen gegen Art. 8 Abs. 3 BV und Art. 3 GlG verstosse. Gleichzeitig ersuchten die Einzelklägerinnen für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis 31. August 2003 (Krankenschwestern, Hebammen), vom 1. November 1998 bis 30. September 2003 (medizinisch-technische Radiologieassistentinnen), vom 1. November 1998 bis 30. September/31. Oktober 2003 (technische Operationsassistentinnen) bzw. vom 1. November 1998 bis 31. Oktober 2003 (medizinische Laborantinnen) um Nachzahlung noch festzusetzender Beträge zuzüglich 5 % Zins ab mittlerem Verfall sowie der AHV- und Pensionskassenbeiträge.
| 3 |
B.b Das angerufene Gericht beauftragte PD Dr. H., Direktor des Forschungsinstituts für Arbeit und Arbeitsrecht der Universität X., auf der Grundlage der Vereinfachten Funktionsanalyse ein arbeitswissenschaftliches Gutachten bezüglich der Berufe der Klägerinnen und des Polizisten sowie im Sinne eines Quervergleichs mit Blick auf drei weitere Berufe zu erstellen. Eine gegen die Bestellung des Gutachters eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht ab (Urteil 2P.78/2005 vom 21. Juli 2005).
| 4 |
B.c Gestützt auf das am 8. August 2007 erstattete Gutachten (nachstehend: Gutachten) und nach Beizug verschiedener Amtsberichte wies das kantonale Gericht die Klagen mit Entscheid vom 25. November 2008 ab. Als Begründung erwog es im Wesentlichen, dass die gutachtliche Bewertung der Berufsgruppen der Klagenden im Vergleich mit der Berufsgruppe der Polizisten sachgerecht und ohne Hinweise auf geschlechtsdiskriminierende Elemente vorgenommen worden sei. Da gestützt auf die Schlussfolgerungen des Gutachtens die medizinisch-technischen Radiologieassistentinnen, die technischen Operationsassistentinnen und die medizinischen Laborantinnen im Vergleich zur Berufsgattung der Polizisten nicht zu tief, sondern zu hoch eingestuft seien, erwiesen sich die betreffenden Feststellungs- und Leistungsbegehren von vornherein als unbegründet. Demgegenüber würden die Berufsgruppen der Hebamme mit Grundausbildung und Aufbau sowie der Krankenschwester (DN2) nicht nur verglichen mit männerdominierten, sondern auch mit verschiedenen weiblich besetzten und einem neutralen Beruf zu tief entlöhnt. Die Einreihung der entsprechenden Berufssparten sei vor diesem Hintergrund zwar eventuell in rechtsungleicher, nicht aber in - im vorliegenden Verfahren einzig zu beurteilender - geschlechtsdiskriminierender Weise erfolgt.
| 5 |
C.
| 6 |
C.a Der SBK, der vpod und der SHV lassen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die Rechtsbegehren stellen, es sei in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids festzustellen, dass die Einstufung der Krankenschwestern/Krankenpfleger DN2, der Hebammen mit fachspezifischer Ausbildung und der Hebammen mit Krankenpflegediplom sowie Zusatzausbildung und damit deren Entlöhnung gemäss den Richtlinien über Einreihung und Beförderung des Staatspersonals gegen Art. 8 Abs. 3 BV und Art. 3 Abs. 1 und 2 GlG verstosse.
| 7 |
C.b Die Pflegefachfrauen B., G. und L. sowie die Hebammen A., N., E., D. und P. lassen ebenfalls Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einreichen und beantragen, es sei in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids festzustellen, dass ihre Einreihung und damit ihre Entlöhnung gegen Art. 8 Abs. 3 BV und Art. 3 Abs. 1 und 2 GlG verstosse bzw. verstossen habe, und es sei die Sache zur Festsetzung der nachzuzahlenden Besoldungen an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
| 8 |
Der Kanton St. Gallen lässt auf Abweisung der Beschwerden schliessen, soweit auf sie eingetreten werden könne, während die Vorinstanz deren Abweisung beantragt. Das zur Vernehmlassung eingeladene Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) ersucht um Beschwerdegutheissung.
| 9 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut.
| 10 |
Aus den Erwägungen: | |
11 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |