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Informationen zum Dokument  BGE 84 III 122  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. In den Gruppen der Obligationäre, der Kurrentgläubig ...
2. ... (Die Bestimmungen des Nachlassvertrags sind im Sinne von A ...
3. Die Bahnunternehmung hat zu einer Zeit, da bereits bestimmt mi ...
4. ... (Für die im Nachlassvertrag übernommenen Leistun ...
5. Massnahmen im Sinne von Art. 69 VZEG (Klagefristansetzung an d ...
6. Der Masseverwalter hat die Annullierung der Obligationen und d ...
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29. Beschluss der II. Zivilabteilung vom 27. November 1958 i.S. Elektrische Bahn Stansstad-Engelberg AG
 
 
Regeste
 
Nachlassvertrag einer privaten Eisenbahnunternehmung.  
2. Verweigerung der Bestätigung des Nachlassvertrags wegen unredlicher oder grobfahrlässiger (sehr leichtfertiger) Handlungen zum Nachteil der Gläubiger? (Art. 68 Ziff. 3 VZEG, Art. 306 Abs. 1 SchKG).  
3. Klagefristansetzung an die Gläubiger bestrittener Forderungen? (Art. 69 VZEG). Welche Bedeutung kommt den Entscheidungen, die der Masseverwalter im Zwangsliquidationsverfahren gemäss Art. 26 VZEG über die eingegebenen Forderungen erlassen hat, in einem gemäss Art. 76 VZEG während der Zwangsliquidation eingeleiteten Nachlassverfahren zu?  
4. Wieweit ist die Vorschrift des Art. 47 VZEG über die Behandlung nicht bezogener Abfindungsbeträge für Obligationäre im Nachlassverfahren entsprechend anzuwenden? (Änderung der Rechtsprechung).  
 
Sachverhalt
 
BGE 84 III, 122 (123)A.- Die Elektrische Bahn Stansstad-Engelberg AG, die seit 1898 die in der Firma genannte Schmalspurbahn betreibt, hat seit langem mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das Stammaktienkapital von ursprünglich Fr. 1'000,000.-- wurde im Jahre 1924 auf die Hälfte herabgesetzt und durch neu ausgegebene Aktien auf Fr. 800'000.-- erhöht und musste im Jahre 1942 auf Fr. 160'000.-- abgeschrieben werden. Die Stammaktionäre erhielten im ganzen nur während 13 Jahren eine (bescheidene) Dividende, letztmals im Jahre 1929 eine solche von 2%. Das im Jahre 1899 geschaffene Prioritätsaktienkapital von Fr. 600'000.-- wurde im Jahre 1942 auf Fr. 480'000.-- herabgesetzt und ist seit dem Jahre 1931 ertraglos. Das im Jahre 1898 aufgenommene Obligationenkapital von Fr. 1'000,000.-- wurde 1904 auf Fr. 1'200,000.-- und 1912 auf Fr. 1'600,000.-- erhöht. Im Jahre 1927 nahm die Bahngesellschaft zwecks Konversion des Anleihens von 1912 ein neues, zu 5 1/2% verzinsliches Obligationenanleihen BGE 84 III, 122 (124)von Fr. 1'600,000.-- (eingeteilt in 1600 Titel zu Fr. 1000.--) auf, das gemäss den Anleihensbedingungen am 30. Juni 1937 zurückbezahlt werden sollte. Dieses Anleihen wurde (wie schon die frühern) durch eine I. Hypothek auf der Bahnlinie samt Zubehör und Betriebsmaterial sichergestellt. In der Folge mussten der Bahngesellschaft in drei aufeinander folgenden Gläubigergemeinschaftsverfahren (1933/34, 1941/42, 1951/52) Zinsermässigungen und Verlängerungen der Laufzeit dieses Anleihens bewilligt werden (Beschlüsse des Bundesgerichtes vom 18. Januar 1934, 5. März 1942, 13. Juni 1952). Der vom Bundesgericht am 13. Juni 1952 genehmigte Gläubigerbeschluss sah die Erstreckung der Anleihensdauer bis Ende 1954 zum ermässigten Zinsfuss von 3% vor.
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B.- Die Bahngesellschaft zahlte vom 1. Januar 1954 an auch diesen ermässigten Zins nicht mehr und war ausserstande, Ende 1954 das Kapital zurückzuzahlen. Daher verlangten in der Folge verschiedene Gläubiger die Zwangsliquidation. Zwei Gesuche wurden durch Nichteintreten bzw. Rückzug erledigt (Beschluss der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 1. März 1955 i.S. Falck, Verfügung des Instruktionsrichters vom 17. Oktober 1955 i.S. Ringwald). Dagegen eröffnete die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer in Gutheissung des Gesuchs des Obligationärs Dr. Paul Leumann, der sich als Inhaber von 200 Obligationen auswies, am 13. April 1956 gemäss Art. 17 Abs. 3 des Bundesgesetzes über Verpfändung und Zwangsliquidation von Eisenbahn- und Schiffahrtsunternehmungen vom 25. September 1917 (VZEG) das Verfahren auf Zwangsliquidation und setzte der Bahngesellschaft eine Frist von sechs Monaten zur Befriedigung des Gesuchstellers (Art. 19 Abs. 1 VZEG).
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Während dieser Frist (mit Eingabe vom 7. August 1956) stellte die Bahngesellschaft das Gesuch um Einberufung einer neuen Gläubigerversammlung. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer entsprach diesem Gesuch mit Beschluss vom 29. August 1956. Die Umwandlung der BGE 84 III, 122 (125)Obligationen in Vorzugsaktien und der Erlass der seit 1. Januar 1954 laufenden Zinsen, welche die Bahngesellschaft den Obligationären vorschlug, fanden jedoch nicht die Zustimmung einer Mehrheit von zwei Dritteln des im Umlauf befindlichen Kapitals, wie sie nach Art. 1170 OR für die gültige Annahme dieser Anträge erforderlich gewesen wäre, sondern an der Gläubigerversammlung vom 22. Oktober 1956 ergab sich ein klares Gegenmehr. Daher wurde das Gläubigergemeinschaftsverfahren am 8. November 1956 als dahingefallen erklärt und das nach Veröffentlichung der Einberufung der Gläubigerversammlung eingestellte Verfahren auf Zwangsliquidation weitergeführt.
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Da die der Bahngesellschaft angesetzte, letztmals bis 27. November 1956 erstreckte Frist zur Befriedigung des Gläubigers Dr. Leumann unbenützt ablief, ordnete die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer nach Einholung von Vorschlägen der Beteiligten für die Wahl des Masseverwalters am 3. Januar 1957 die Zwangsliquidation des Vermögens der Schuldnerin an und ernannte Advokat Dr. Kurt Sidler in Luzern zum Masseverwalter.
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C.- Als das Liquidationsverfahren schon weit fortgeschritten war (Schuldenruf, Prüfung der eingegebenen Forderungen und Ansprüche und Entscheid darüber durch den Masseverwalter, Erledigung der Rekurse gegen diese Entscheide, Beurteilung von Beschwerden gegen Administrativverfügungen des Masseverwalters, Aufzeichnung des Vermögens der Bahnunternehmung, Ernennung und Instruktion der Sachverständigen für die Schätzung dieses Vermögens, Verhandlungen mit dem Eidg. Post- und Eisenbahndepartement, Vorbereitung der Steigerungsbedingungen durch den Masseverwalter), ersuchte die Schuldnerin am 18. Januar 1958 gestützt auf Art. 54 und 76 VZEG um Gewährung einer Nachlassstundung. Es war inzwischen (Ende November 1957) der Ersparniskasse Nidwalden gelungen, von Gläubigern, die sich der von der Schuldnerin im Jahre 1956 vorgeschlagenen Sanierung BGE 84 III, 122 (126)widersetzt hatten, über 800 Obligationen zu kaufen, so dass nunmehr Aussicht bestand, für eine Sanierung eine Mehrheit zu gewinnen.
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Das Eidg. Post- und Eisenbahndepartement empfahl in seiner Vernehmlassung vom 31. Januar 1958 die Bewilligung der Stundung mit dem Bemerken, die Unfähigkeit der Schuldnerin zur Rückzahlung der Anleihensschuld von Fr. 1'600,000.--, die bisher ein Hindernis für eine technische Sanierung gemäss den Bundesgesetzen vom 6. April 1939 und 21. Dezember 1949 über die Hilfeleistung an private Eisenbahn- und Schiffahrtsunternehmungen gebildet habe, sei offensichtlich; das Zustandekommen eines Nachlassvertrages wäre zu begrüssen, wobei die Eliminierung der Anleihenschuld aus der Bilanz die Voraussetzungen für eine anschliessende finanzielle Intervention der öffentlichen Hand begünstigen würde.
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Hierauf bewilligte die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer der Schuldnerin mit Beschluss vom 4. Februar 1958 die nachgesuchte Stundung, stellte das Liquidationsverfahren für deren Dauer ein und beauftragte den gemäss Art. 76 VZEG an die Stelle des Sachwalters tretenden Masseverwalter, das Nachlassverfahren durchzuführen, soweit nach dem vorausgegangenen Liquidationsverfahren noch erforderlich. Im April 1958 erstatteten die mit der Schätzung des Vermögens der Schuldnerin beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. B. Bauer, Ingenieur F. Joss und Baumeister A. Kurmann, denen der Masseverwalter nach Bewilligung der Nachlassstundung einen der neuen Lage (vgl. Art. 58 Abs. 3 VZEG) angepassten Fragebogen vorgelegt hatte, ihr Gutachten. Der von der Schuldnerin innert der Frist von Art. 55 Abs. 1 VZEG eingereichte Nachlassvertragsentwurf lautet in der auf Grund der Stellungnahme der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer (Beschluss vom 22. Mai 1958) und der Ergebnisse des Rechtstages vom 2. Juni 1958 bereinigten Fassung wie folgt:
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BGE 84 III, 122 (127)"1. Das auf Fr. 60'000.-- herabgesetzte Prioritätskapital wird in Stammaktien umgewandelt, eingeteilt in 1200 Inhaber-Aktien zu je Fr. 50.-.
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2. Die Gläubigeransprüche gegenüber der Elektr. Bahn Stansstad-Engelberg werden per Saldo durch Barzahlung wie folgt abgefunden:
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a) Die Obligationenschuld von Fr. 1'600,00.- zuzüglich 3% Zins vom 1.1.54 bis 31.12.54 und 5 1/2 % Verzugszins seit 1.1.55, eingeteilt in 1600 Obligationen à je Fr. 1000.-- und sichergestellt durch ein Eisenbahnpfandrecht gemäss Art. 9 ff. VZEG:
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Durch Nachlass der Zinsen und eine Dividende von 45% (Barzahlung von je Fr. 450.-- pro Obligation), wobei die 1600 Obligationen und das Eisenbahnpfandrecht annulliert werden. Die Dividende ist zahlbar binnen 2 Monaten nach Bestätigung des Nachlassvertrages durch das Bundesgericht.
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b) Die nach Art. 40 Ziff. 4 VZEG privilegierte Forderung der SBB durch Barzahlung binnen 2 Monaten nach Bestätigung des Nachlassvertrages durch das Bundesgericht.
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c) Die Kurrentforderungen (zurzeit 17 Gläubiger mit einer Gesamtforderungssumme von Fr. 35'726.35):
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Durch eine Dividende von 30%, zahlbar binnen 2 Monaten nach Bestätigung des Nachlassvertrages durch das Bundesgericht.
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3. Der Nachlassvertrag ist durch den Masseverwalter zu vollziehen.
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4. Das Bundesgericht ist zu ersuchen, den Liquidationszustand der Elektr. Bahn Stansstad-Engelberg aufzuheben."
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In seinem Gutachten vom 4. August 1958 (Art. 58 Abs. 4 VZEG) beurteilte der Masseverwalter diesen Vorschlag als angemessen.
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D.- Die auf den 1. Juli 1958 einberufene ausserordentliche Generalversammlung der Bahngesellschaft, in der 1682 von 3200 Stammaktien und 583 von 1200 Prioritätsaktien vertreten waren, beschloss die Abschreibung des Stammkapitals, die Herabsetzung des Prioritätskapitals auf Fr. 60'000.--, die Ausgabe neuer Aktien für Fr. 740'000.-- und die Anpassung der Statuten an diese neuen Kapitalverhältnisse. Art. 3 der Statuten wurde dahin abgeändert, dass das voll einbezahlte Aktienkapital Fr. 800'000.--, bestehend in 1200 Inhaberaktien von je Fr. 50.- mit einer Stimme und 1480 Inhaberaktien von je Fr. 500.-- mit je 10 Stimmen, betrage (welche Statutenänderung sowohl in einer Gesamtabstimmung als auch in BGE 84 III, 122 (128)einer Sonderabstimmung der Prioritätsaktionäre einstimmig angenommen wurde). Alle Beschlüsse wurden unter der Bedingung gefasst, dass der Nachlassvertrag gemäss dem oben wiedergegebenen Entwurf zustande komme. Schliesslich wurde der Versammlung unter Vorlegung der bezüglichen Urkunden bekanntgegeben, dass der Kanton Nidwalden 909, der Kanton Obwalden 571 neue Inhaberaktien zu Fr. 500.-- gezeichnet und durch Barzahlung liberiert habe.
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Am 9. September 1958 fanden die vom Masseverwalter gemäss Art. 60 in Verbindung mit Art. 51 Abs. 4 und Art. 63 VZEG einberufenen Versammlungen der Anleihensgläubiger, der Kurrentgläubiger und der Prioritätsaktionäre statt. Bei Mitberücksichtigung der vor und binnen 30 Tagen nach der Versammlung schriftlich abgegebenen Stimmen haben dem Nachlassvertrag zugestimmt: alle ihr Stimmrecht ausübenden 113 Obligationäre mit 1228 von insgesamt 1600 Titeln,
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alle 16 ihr Stimmrecht ausübenden Kurrentgläubiger mit Forderungen von total Fr. 29'966.35 (bei einem Gesamtbetrag der zugelassenen Kurrentforderungen Fr. 35'726.35),
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79 von 81 ihr Stimmrecht ausübenden Prioritätsaktionären, die 732 von insgesamt 1200 Prioritätsaktien vertraten; 1 Aktionär mit 5 Aktien stimmte für Verwerfung, 1 Aktionär mit 2 Titeln legte den Stimmzettel leer ein.
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Am 24./26. September 1958 unterbreitete der Masseverwalter dem Bundesgericht die Akten und sein Gutachten im Sinne von Art. 66 Abs. 1 VZEG, worin er zum Schlusse kam, der Nachlassvertrag sei angenommen und zu bestätigen.
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Einwendungen gegen den Nachlassvertrag sind auf die öffentliche Bekanntmachung hin, dass das Bundesgericht heute über die Bestätigung des Vertrags entscheiden werde und dass allfällige Einwendungen binnen 20 Tagen von dieser Bekanntmachung an beim Bundesgericht BGE 84 III, 122 (129)schriftlich einzureichen seien (Art. 66 Abs. 2 VZEG), nicht eingegangen. Zur heutigen Verhandlung ist allein der Masseverwalter erschienen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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Eine ausserordentliche Generalversammlung der Bahngesellschaft hatte schon vorher u.a. die Herabsetzung des Prioritätskapitals von Fr. 480'000.-- auf Fr. 60'000.-- und eine Neufassung von Art. 3 der Statuten beschlossen, welche die Umwandlung des herabgesetzten Prioritätskapitals in Stammkapital zur Voraussetzung hat (vgl. oben D). Dabei hatte es aber nicht die Meinung, dass in der Generalversammlung auch schon über diese Umwandlung Beschluss gefasst werden solle. Indem die Generalversammlung ihre Beschlüsse unter der Bedingung fasste, dass der Nachlassvertrag zustande komme, der diese Umwandlung in Ziff. 1 vorsieht, überliess sie vielmehr die Beschlussfassung über diesen Punkt der gemäss Art. 51 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 63 VZEG im Nachlassverfahren zu bildenden Gruppe der Prioritätsaktionäre, die dann auch der in Frage stehenden Massnahme mit der von Art. 65 Abs. 1 VZEG geforderten Kopf- und Summenmehrheit zugestimmt hat.
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Man kann sich fragen, ob es für die Umwandlung der Prioritätsaktien in Stammaktien noch nötig gewesen BGE 84 III, 122 (130)wäre, die Prioritätsaktionäre im Nachlassverfahren gemäss Art. 51 Abs. 4 VZEG wie Gläubiger zu behandeln, wenn die Generalversammlung der Bahngesellschaft diese Umwandlung ihrerseits bereits beschlossen gehabt hätte, was unter Einhaltung der Vorschriften von Art. 654 und 655 in Verbindung mit Art. 649 des revidierten OR vom 18. Dezember 1936 bezw. der in diesen Vorschriften vorbehaltenen statutarischen Bestimmungen möglich gewesen wäre. Art. 51 Abs. 4 VZEG ist im Jahre 1917, also in einem Zeitpunkt erlassen worden, da das OR die Möglichkeit, Vorrechte der Prioritätsaktionäre durch einen mit Mehrheit dieser Aktionäre (und sämtlicher Aktionäre) gefassten Beschluss zu beseitigen, noch nicht vorsah und der grundlegende Entscheid, der dieses Vorgehen als zulässig erklärte (BGE 51 II 427 E. 4, Entscheid vom 5. Oktober 1925) noch nicht ergangen war. Mit dieser Vorschrift wollte das VZEG dafür sorgen, dass bei Eisenbahnsanierungen die Umwandlung von Prioritätsaktien in Stammaktien (oder ein sonstiger für die Sanierung nötiger Eingriff in die Vorrechte der Prioritätsaktionäre) unabhängig davon, ob das OR oder die Statuten dies zulassen, durch einen Mehrheitsbeschluss erfolgen könne (vgl. BGE 47 III 114 /115, BGE 49 III 227). Im Hinblick auf diesen Zweck der Vorschrift von Art. 51 Abs. 4 VZEG lässt sich die Ansicht vertreten, seitdem durch die Praxis und dann auch durch ausdrückliche Gesetzesbestimmungen die Beseitigung von Vorrechten der Prioritätsaktionäre durch Beschlussfassung in der Generalversammlung ermöglicht worden ist, erübrige sich die Einberufung einer Gruppenversammlung der Prioritätsaktionäre gemäss VZEG, wenn die Generalversammlung den in Frage stehenden Eingriff in die Vorrechte der Prioritätsaktionäre bereits gültig beschlossen hat. Auch wenn man dies annimmt, kann jedoch das im vorliegenden Falle gewählte Verfahren nicht beanstandet werden. Die Beteiligten durften sich an den klaren Wortlaut der sondergesetzlichen Vorschrift von Art. 51 Abs. 4 VZEG halten, die durch das revidierte BGE 84 III, 122 (131)OR von 1936 nicht etwa als aufgehoben bezeichnet worden ist. Der gemäss VZEG zustande gekommene Beschluss der Prioritätsaktionäre über die Umwandlung der Prioritäts- in Stammaktien ist also zweifellos als gültig zu betrachten.
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Die SBB wurden gemäss Art. 62 VZEG mit Recht nicht in die Verhandlungen über den Nachlassvertrag einbezogen, weil ihre Forderung gemäss Art. 52 Ziff. 6 VZEG unverkürzt zu bezahlen ist.
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Demnach steht fest, dass der Nachlassvertrag im Sinne von Art. 65 Abs. 6 VZEG als angenommen zu gelten hat.
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3. Die Bahnunternehmung hat zu einer Zeit, da bereits bestimmt mit der baldigen Anordnung der Zwangsliquidation zu rechnen war, noch grössere Lieferungen auf Kredit bestellt und entgegengenommen, was zur Folge hatte, dass bei Eröffnung der Liquidation unbezahlte Rechnungen für solche Lieferungen von rund Fr. 35'000.-- vorhanden waren (vgl. z.B. den Fall Tenconi, BGE 83 III 121). Diese Forderungen mussten in das Zwangsliquidations- und hernach in das Nachlassverfahren einbezogen werden, voraus den betreffenden Gläubigern ein Verlust von 70% ihres Guthabens entsteht. Dem damaligen Betriebsdirektor, der die fraglichen Lieferungen bestellte und entgegennahm, ist jedoch zuzubilligen, dass er subjektiv gutgläubig handelte. Nicht nur er, sondern auch die übrigen Organe der Bahn gaben sich keine Rechenschaft davon, dass die Eröffnung der Zwangsliquidation der Konkurseröffnung im Sinne der SchKG gleichkommt und wie diese bewirkt, dass die Schuldnerin nicht mehr über ihr Vermögen verfügen und insbesondere auch die BGE 84 III, 122 (132)vorhandenen flüssigen Mittel nicht mehr zur Bezahlung vorher entstandener Verbindlichkeiten verwenden kann. Dass die Bahnorgane die Bedeutung des (seit langem in keinem Falle mehr zur Durchführung gelangten) Zwangsliquidationsverfahrens vor seiner Eröffnung nicht richtig beurteilten, kann ihnen nicht als schweres Verschulden angerechnet werden. Der Unternehmung sind daher "unredliche oder grobfahrlässige Handlungen oder Unterlassungen zum Nachteil der Gläubiger" im Sinne von Art. 68 Ziff. 3 VZEG nicht vorzuwerfen.
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Seit dem Erlass des VZEG von 1917 ist übrigens Art. 306 SchKG, der praktisch gleich wie Art. 68 Ziff. 3 VZEG bestimmte, der Nachlassvertrag werde nur bestätigt, wenn der Schuldner nicht zum Nachteil seiner Gläubiger unredliche oder sehr leichtfertige Handlungen begangen habe, in dem Sinne abgeändert worden, dass die Nachlassbehörde die Bestätigung verweigern kann, wenn der Schuldner zum Nachteil seiner Gläubiger solche Handlungen begangen hat (Art. 306 Abs. 1 SchKG in der Fassung gemäss Bundesgesetz vom 28. September 1949). Mit dieser Revision wollte man namentlich erreichen, dass die Fehler von Organen juristischer Personen die Bestätigung eines im Interesse der Aktionäre, der Gläubiger und unter Umständen auch der Öffentlichkeit liegenden Nachlasssvertrags nicht ausschliessen. Die Bestätigung der Nachlassverträge von Eisenbahnunternehmungen (deren Inhaber fast ausnahmslos juristische Personen sind) an strengere Voraussetzungen zu knüpfen, als sie heute für die Nachlassverträge anderer Schuldner gelten, lässt sich nicht rechtfertigen. Um so weniger lässt sich aus dem Verhalten des frühern Betriebsdirektors der Stansstad-Engelberg-Bahn ein Grund für die Verwerfung des vorliegenden Nachlassvertrags herleiten.
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Nach alledem ist der Nachlassvertrag zu bestätigen, BGE 84 III, 122 (133)was gemäss Art. 76 Abs. 5 VZEG zur Aufhebung des Zwangsliquidationsverfahrens führt.
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5. Massnahmen im Sinne von Art. 69 VZEG (Klagefristansetzung an die Gläubiger bestrittener Forderungen usw.) erübrigen sich, weil keine bestrittenen Forderungen mehr vorhanden sind. Der Masseverwalter hatte im Zwangsliquidationsverfahren die auf den Schuldenruf hin eingegebenen Forderungen gemäss Art. 26 VZEG zu prüfen und "über ihre Begründetheit und den Betrag derselben" zu entscheiden. Diese - mit Motiven versehenen - Entscheidungen sind am 23. Mai 1957 ergangen und den "Ansprechern" schriftlich mitgeteilt worden. Ein Entscheid des Masseverwalters über die Begründetheit des Anspruchs unterblieb - mit Recht - nur bezüglich der Forderung Eugen Meiers aus einem Eisenbahnunfall, über die bei Eröffnung der Zwangsliquidation bereits ein Prozess schwebte. Dieser Prozess wurde nach dem Rückzug des Rekurses, mit dem Meier die Anerkennung seiner Forderung im Verfahren gemäss Art. 26 VZEG erreichen wollte, fortgesetzt und führte dazu, dass die Forderung Meiers letztinstanzlich vom Bundesgericht abgewiesen wurde (Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Mai 1958, BGE 84 II 202). Die übrigen "Ansprecher" hatten, soweit ihre Forderungen abgewiesen wurden, gemäss Art. 26 VZEG die Möglichkeit, gegen den Entscheid des Masseverwalters binnen 30 Tagen seit der in dieser Bestimmung vorgeschriebenen öffentlichen Bekanntmachung an das Bundesgericht zu rekurrieren. Einen solchen Rekurs reichte Norbert Zumbühl ein, zog ihn aber in der Folge zurück. Die andern mit ihren Ansprüchen ganz oder teilweise abgewiesenen Gläubiger liessen die Rekursfrist unbenützt verstreichen. Demzufolge sind alle abweisenden Entscheidungen des Masseverwalters in Rechtskraft erwachsen. Sie bleiben für die abgewiesenen Gläubiger, deren Forderungen auch von der Schuldnerin selber bestritten worden sind, im hernach eingeleiteten Nachlassverfahren massgebend. Wenn in BGE 49 III 197 ff. BGE 84 III, 122 (134)E. 4, 5 entscheiden wurde, dass die rechtskräftigen Kollokationsverfügungen der Konkursverwaltung für einen während des Konkursverfahrens zustande gekommenen Nachlassvertrag (von dem hier nicht gegebenen Falle des Liquidationsvergleichs abgesehen) grundsätzlich keine Bedeutung haben, so kann dies für das Verhältnis zwischen dem Zwangsliquidationsverfahren im Sinne des VZEG und einem während dieses Verfahrens abgeschlossenen Nachlassvertrag (Prozentvergleich) trotz der weitgehenden Analogie, die sonst zwischen Zwangsliquidations- und Konkursverfahren besteht, nicht entsprechend gelten. Während im gewöhnlichen Konkursverfahren die Entscheidungen der Konkursverwaltung über die Anerkennung der Forderungen (Art. 245 SchKG) nicht weiterziehbar sind, sondern nur durch gerichtliche Klage gemäss Art. 250 SchKG als Bestandteile des Kollokationsplans angefochten werden können, unterliegen nämlich im Zwangsliquidationsverfahren die vom Masseverwalter gemäss Art. 26 VZEG gefällten Entscheidungen über die Begründetheit und die Höhe der eingegebenen Forderungen unmittelbar und ohne Beschränkung dem Rekurs an das Bundesgericht, das im Falle solcher Weiterziehung auf Grund freier Prüfung endgültig entscheidet. Angesichts dieser ganz besondern Ausgestaltung des Verfahrens zur Feststellung der Begründetheit und der Höhe der angemeldeten Forderungen sowie der Vorschrift von Art. 76 Abs. 2 VZEG, wonach das Nachlassverfahren nur durchgeführt wird, soweit dies nach dem vorangegangenen Liquidationsverfahren noch erforderlich ist, rechtfertigt es sich, die gemäss Art. 26 VZEG ergangenen und mangels Rekurses rechtskräftig gewordenen Entscheidungen des Masseverwalters gegebenenfalls auch in einem anschliessenden Nachlassverfahren zu beachten, d.h. sie im Verhältnis zwischen den Gläubigern der in Frage stehenden Forderungen und der Nachlassschuldnerin als massgebend zu betrachten, sofern sie wenigstens wie hier zutreffend mit der eigenen Stellungnahme der Schuldnerin BGE 84 III, 122 (135)zu diesen Forderungen übereinstimmen. Wie es sich verhalte, wenn der Masseverwalter von der Schuldnerin selber anerkannte Forderungen abgewiesen hat oder umgekehrt, braucht hier nicht untersucht zu werden, da kein solcher Fall vorliegt. Den Gläubigern, deren Forderungen durch rechtskräftige Entscheidungen des Masseverwalters ganz oder teilweise abgewiesen wurden, ist daher nicht gemäss Art. 69 VZEG Gelegenheit zu geben, ihre Forderungen nun noch in einem selbständigen gerichtlichen Verfahren geltend zu machen. (Zum Teil wären übrigens die durch rechtskräftige Verfügung des Masseverwalters abgewiesenen Forderungen und Ansprüche im Nachlassverfahren auch deswegen nicht zu berücksichtigen, weil sie nur im Falle eines Abbruchs der Bahn aktuell geworden wären.)
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6. Der Masseverwalter hat die Annullierung der Obligationen und die Umwandlung der Prioritätsaktien zu Fr. 400.-- in Stammaktien zu Fr. 50.-, die mit der Bestätigung des Nachlassvertrags verbunden sind, zugleich mit dem Bestätigungsentscheid öffentlich bekanntzumachen (vgl. BGE 44 III 232). Die Abfindungsbeträge für Obligationen, die innert der vom Masseverwalter anzusetzenden Frist nicht bezogen werden, sind in analoger Anwendung von Art. 47 VZEG für Rechnung des Titelinhabers zinstragend zu deponieren. Entgegen BGE 44 III 232 /233 und Art. 51 der "Instruktion der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Schweiz. Bundesgerichts für den Sachwalter in Eisenbahn-Nachlassvertrags-Angelegenheiten" vom 9. Februar 1920 (Nachtrag zur Sammlung der eidg. Erlasse über Schuldbetreibung und Konkurs, Zürich, Verlag Orell Füssli, 1921, S. 165 ff.), die nicht etwa eine Verordnung, sondern nur eine Zusammenfassung der in der bundesgerichtlichen Praxis entwickelten Grundsätze darstellt, rechtfertigt es sich dagegen nicht, die für das Zwangsliquidationsverfahren aufgestellte Vorschrift von Art. 47 VZEG im Nachlassverfahren auch insoweit entsprechend anzuwenden, als sie bestimmt, dass BGE 84 III, 122 (136)der hinterlegte Betrag nach zehn Jahren, wenn er innert dieser Frist nicht erhoben wurde, der Krankenunterstützungskasse des betreffenden Unternehmens zufalle. Diese Bestimmung erklärt sich daraus, dass im Falle der Zwangsliquidation die Anleihensschuldnerin, die praktisch immer eine Aktiengesellschaft ist, mit dem Abschluss des Liquidationsverfahrens verschwindet, und dass eine nachträgliche Verteilung der während der Verjährungsfrist von zehn Jahren nicht erhobenen Betreffnisse unter die übrigen Gläubiger unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnen würde. Im Gegensatz hiezu bleibt bei Abschluss eines Nachlassvertrags, der für die Gläubiger die Abfindung durch eine Kapitalzahlung vorsieht, das schuldnerische Unternehmen bestehen. Es führt den Betrieb weiter, und man erwartet von ihm, dass es weiterhin in angemessener Weise zur Finanzierung der Fürsorgeeinrichtungen für sein Personal beitrage. Daher dürfen ihm Mittel, auf die es von Gesetzes wegen Anspruch hat, nicht entzogen werden. Hiezu gehören die von ihm für die Abfindung der Obligationäre bereitgestellten und von diesen während der zehnjährigen Verjährungsfrist von Art. 127 OR nicht bezogenen Geldbeträge. Zugunsten von Obligationären hinterlegte Abfindungsbeträge, die bis zum 27. November 1968 nicht bezogen werden, sind also ohne weiteres der Schuldnerin zur Verfügung zu stellen.
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Demnach beschliesst das Bundesgericht:
36
1. Der Nachlassvertrag wird bestätigt.
37
2. Der Masseverwalter wird gemäss Ziffer 3 des Nachlassvertrags mit dessen Vollzug beauftragt.
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3. Das Zwangsliquidationsverfahren wird aufgehoben.
39
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