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Informationen zum Dokument  BGE 114 III 55  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
1. Es stellt sich zuerst die Frage, ob die im vorliegenden Fall a ...
2. Es ist somit davon auszugehen, dass dem Rekurrenten der Zahlun ...
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18. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 21. Dezember 1988 i.S. H. (Rekurs)
 
 
Regeste
 
Zustellung des Zahlungsbefehls an Samstagen; Fristenlauf für den Rechtsvorschlag (Art. 56 und 31 Abs. 1 SchKG).  
 
BGE 114 III, 55 (56)Aus den Erwägungen:
 
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a) Der Rekurrent behauptet Art. 56 Ziff. 2 halte ausdrücklich fest, dass die Gleichstellung anderer Werktage mit dem Sonntag eine Frage des kantonalen Rechts sei. Daher sei die Antwort auf die Frage, ob an einem Samstag Rechtsstillstand herrsche, im kantonalen - diesfalls im bernischen - Recht zu suchen.
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Diese Auffassung ist falsch. Art. 56 Ziff. 2 SchKG untersagt Betreibungshandlungen "an Sonntagen und staatlich anerkannten Feiertagen". Die Vorschrift wird - zutreffend - so aufgefasst, dass das kantonale Recht des Orts, wo die Betreibungshandlung vorzunehmen ist, massgebend für die Bestimmung der staatlich anerkannten Feiertage sei (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band I, Zürich 1984, § 13 Rz. 4; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, Band I, Zürich 1967, S. 91; JOOS, Handbuch für die Betreibungsbeamten der Schweiz, Wädenswil 1964, S. 79). Dabei geht es um die vereinzelten Tage, die nicht eidgenössische Feiertage sind (diese fallen, mit Ausnahme von Auffahrt, in die Betreibungsferien gemäss Art. 56 Ziff. 3 SchKG), sondern solche des kantonalen Rechts: zum Beispiel der 2. Januar, der 1. Mai und der Bundesfeiertag im Kanton Zürich, der 6. Januar, der Fronleichnamstag, der 15. August, der 1. November und der 8. Dezember im Kanton Freiburg. Es geht aber nicht um die Gleichstellung des Samstags mit einem Feiertag (GILLIERON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, Lausanne 1985, S. 88, § 2 I).
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Die auf das kantonale Recht (Zivilprozessordnung, Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege) gestützten Ausführungen des Rekurrenten, mit denen er eine Gleichstellung des Samstags mit einem Sonntag oder staatlich anerkannten Feiertag zu begründen versucht, sind daher unerheblich. Ja insofern er damit eine falsche BGE 114 III, 55 (57)Anwendung des kantonalen Rechts rügt, ist auf den Rekurs nicht einzutreten; denn mit dem Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts kann nur die Verletzung von Bundesrechtssätzen gerügt werden (Art. 79 Abs. 1 OG). Eine Verletzung von Art. 4 BV (Gleichheitsgebot, Anspruch auf rechtliches Gehör) bei Anwendung des kantonalen Rechts hätte nur mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend gemacht werden können (Art. 43 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 81 OG; BGE 107 III 12 E. 1).
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b) Es ist hingegen eine von der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts zu prüfende Frage des Bundesrechts, ob Art. 56 Ziff. 2 SchKG in dem Sinne auszulegen sei, dass im Hinblick auf die heutige Arbeitswelt (oder, wenn man will, Freizeitgesellschaft) der Samstag einem anerkannten Feiertag gleichzustellen wäre.
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Diese Gleichstellung ist im Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen (SR 173.110.3) vorgesehen. Es regelt indessen den Fristenlauf und nicht die Frage der sog. geschlossenen Zeiten im Sinne von Art. 56 Ziff. 1 und 2 SchKG. Selbst wenn man davon ausginge, dass mit der Zustellung des Zahlungsbefehls die Frist zur Erhebung des Rechtsvorschlags ausgelöst wird und dass aus diesem Grund das erwähnte Bundesgesetz anwendbar sei, steht nach der Rechtsprechung fest, dass die Gleichstellung des Samstags mit einem staatlich anerkannten Feiertag nur das Ende, nicht aber den Beginn der Fristen beeinflusst (BGE 94 III 87 f. E. 1).
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Der Rekurrent weist darauf hin, dass das Betreibungsamt Konolfingen am Samstag geschlossen ist. Tatsächlich lässt sich nicht übersehen, dass ein grosser Teil der Bevölkerung heute einen arbeitsfreien Samstag hat und dass - neben vielen Betrieben der Privatwirtschaft - vor allem die Büros der öffentlichen Verwaltung in der Regel geschlossen sind. Es gibt aber auch noch einen ansehnlichen anderen Teil der Bevölkerung, der am Samstag - ja gerade am Samstag - arbeitet. Hiezu gehört offensichtlich der Betreibungsbeamte (oder der Amtsweibel) von Konolfingen, führt doch der Rekurrent selber aus, der Amtsweibel habe auf die fünfzig anderen Zahlungsbefehle hingewiesen, welche er am Samstag, 8. Oktober 1988, noch zuzustellen beabsichtigte. Jedenfalls lässt sich der Samstag auch heute nicht als Feiertag im Sinne von Art. 56 Ziff. 2 SchKG betrachten. Ein allgemeines Bedürfnis, den Schuldner an Samstagen zu schonen - was der Zweck der geschlossenen BGE 114 III, 55 (58)Zeiten, der Betreibungsferien und des Rechtsstillstandes ist -, besteht nicht.
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Dass Zahlungsbefehle auch an Samstagen zugestellt werden können, erscheint so selbstverständlich, dass die einschlägige Literatur kaum Worte darüber verliert. FAVRE (Droit des poursuites, Fribourg 1974, S. 112) bejaht ausdrücklich die Zulässigkeit der Zustellung von Betreibungsurkunden an Samstagen (vgl. auch schon BGE 82 IV 17 E. 2).
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a) Auf den hier zu beurteilenden Fall nicht anwendbar ist daher jener von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, wonach eine während der Betreibungsferien vorgenommene Betreibungshandlung zwar nicht in jedem Fall nichtig und anfechtbar ist, jedoch ihre Wirkung erst nach Ablauf der Betreibungsferien entfaltet (BGE 100 III 14 E. 1, BGE 96 III 50; BlSchK 1981, S. 39 E. 1; JdT 1973 II, S. 20; GILLIERON, a.a.O., S. 95). Diese Rechtsprechung bezieht sich auf die Betreibungsferien (Art. 56 Ziff. 3 SchKG) und den Rechtsstillstand (Art. 56 Ziff. 4 sowie Art. 57-62 SchKG), nicht aber auf die geschlossenen Zeiten im Sinne von Art. 56 Ziff. 1 und 2 SchKG (vgl. zu den drei Gruppen der Schonzeiten: AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, § 11 N. 21).
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Nicht anwendbar ist auch Art. 31 Abs. 3 SchKG, wonach die Frist am nächstfolgenden Werktag endet, wenn der letzte Tag der Frist ein Sonntag oder ein staatlich anerkannter Feiertag ist. Dass nach der Auffassung der Lehre (GILLIERON, a.a.O., S. 87, II. am Ende) der Text dieser Bestimmung dahingehend abgeändert werden sollte, dass auch der Samstag erwähnt wird, ändert daran nichts. Dieser Vorschlag de lege ferenda ist mit Blick auf das Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen gemacht worden, das - wie oben in E. 1b ausgeführt - den Samstag nur bezüglich des Endes des Fristenlaufs einem anerkannten Feiertag gleichstellt. Auch Art. 31 Abs. 3 SchKG hat nur das Ende der Frist im Auge.
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b) Massgebend für den vorliegenden Fall ist demgegenüber Art. 31 Abs. 1 SchKG, wonach derjenige Tag nicht mitgerechnet wird, von welchem an die Frist zu laufen beginnt. Das ist, wie dargelegt, der Samstag, 8. Oktober 1988, an welchem dem Rekurrenten BGE 114 III, 55 (59)der Zahlungsbefehl rechtsgültig zugestellt wurde. Der erste mitzurechnende Tag war demzufolge der Sonntag, 9. Oktober 1988; und es lief die Frist von 10 Tagen zur Erhebung des Rechtsvorschlags (Art. 74 Abs. 1 SchKG) am Dienstag, 18. Oktober 1988, ab. Die Erhebung des Rechtsvorschlags am 19. Oktober 1988 war verspätet, wie das Betreibungsamt und die kantonale Aufsichtsbehörde zutreffend erkannt haben.
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c) In BGE 112 III 42 ff. hat das Bundesgericht allerdings entschieden, dass die Frist für die Kollokationsklage (Art. 250 Abs. 1 SchKG) nur dann mit der öffentlichen Bekanntmachung beginne, wenn am Tag der Bekanntmachung das Konkursamt der Öffentlichkeit zugänglich sei. In jenem Fall fiel die öffentliche Bekanntmachung auf einen Samstag, an welchem das Konkursamt geschlossen war; mit dem kantonalen Richter gelangte daher das Bundesgericht zum Schluss, dass die Frist für die Kollokationsklage erst am darauffolgenden Montag zu laufen begonnen habe. Damit trug die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer der Überlegung Rechnung, dass dem Kläger die an sich nur kurze Frist von 10 Tagen faktisch um zwei Tage verkürzt würde, wenn er erst am Montag Einsicht in den Kollokationsplan nehmen könnte, die Frist für dessen Anfechtung aber bereits am Samstag zu laufen begänne. Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung jedoch ausdrücklich auf die Kollokationsklage beschränkt (BGE 112 III 45 f.).
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Es besteht denn auch kein Anlass, einer analogen Praxis hinsichtlich der Zustellung von Betreibungsurkunden, insbesondere des Zahlungsbefehls, das Wort zu reden. An den Rechtsvorschlag werden bei weitem nicht so hohe Anforderungen gestellt wie an eine Kollokationsklage. Gerade im vorliegenden Fall hätte der Schuldner, ohne dass ihm daraus ein Nachteil erwachsen wäre, noch in Anwesenheit des Amtsweibels Rechtsvorschlag erheben können anstatt zu versuchen, die Annahme des Zahlungsbefehls zu verweigern. Jedenfalls war ihm die Erhebung des Rechtsvorschlags innert der gesetzlichen Frist von 10 Tagen ohne weiteres möglich.
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