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Informationen zum Dokument  BGE 142 III 767  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 7
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97. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
4A_327/2016 vom 27. September 2016
 
 
Regeste
 
Art. 9 VVG (Verbot der Rückwärtsversicherung); Kollektivkrankentaggeldversicherung, zwischen den Krankentaggeldversicherern abgeschlossenes Freizügigkeitsabkommen (FZAKV).  
Art. 4 Abs. 2 FZAKV, wonach bei einem Versichererwechsel der neue Versicherer laufende Schadenfälle nach den Bedingungen des bisherigen Versicherungsvertrages übernehmen muss, verstösst nicht gegen das Verbot der Rückwärtsversicherung (E. 7.2).  
 
Sachverhalt
 
BGE 142 III, 767 (768)A. (Kläger, Beschwerdeführer, Streitverkündender) war bis am 28. Februar 2014 bei der D. AG angestellt und dabei bei der C. AG (Streitberufene) kollektiv-krankentaggeldversichert. Vom 12. Dezember 2013 bis am 28. Februar 2014 war er arbeitsunfähig. Am 1. März 2014 begann sein neues Arbeitsverhältnis bei der E. GmbH; kollektiv-krankentaggeldversichert war er dabei bei der B. AG (Beklagte). Seinen ersten Arbeitstag hatte er am 3. März 2014. Ab dem 14. März 2014 wurde ihm wiederum eine Arbeitsunfähigkeit attestiert. Per 31. Juli 2014 wurde dieses Arbeitsverhältnis beendet. Alsdann forderte der Kläger von der Beklagten Krankentaggelder, was diese jedoch ablehnte.
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Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies seine Klage mit der Begründung ab, eine Leistungspflicht der Beklagten würde gegen das Rückwärtsversicherungsverbot gemäss Art. 9 VVG (SR 221.229.1) verstossen. Da diese Norm absolut zwingend sei, könne sie auch durch eine allfällige anderslautende Vereinbarung im zwischen den Krankentaggeldversicherern abgeschlossenen Freizügigkeitsabkommen vom 1. Januar 2006 (www.svv.ch/de/ubersicht-leaf/465/freizuegigkeitsabkommen-der-kollektiv-krankentaggeldversicherung; nachfolgend: FZAKV) nicht derogiert werden. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Zivilsachen gut und weist die Sache zu neuer Beurteilung an die kantonale Instanz zurück.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 7
 
7.1 Beim FZAKV handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen den Versicherern; diese sind untereinander nicht (direkt) durch Art. 9 VVG gebunden, da Art. 9 VVG die Gestaltung des Versicherungsvertrages betrifft, also das Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer resp. Versichertem. In der Lehre werden unterschiedliche Ansichten vertreten, wie dieses FZAKV rechtlich einzuordnen ist. Nach Auffassung des Schweizerischen Versicherungsverbandes selber handelt es sich nicht um einen echten Vertrag zugunsten Dritter, der den Versicherten einen direkten Anspruch gegen die betreffenden Versicherer verschafft. Insofern bestehe kein Konflikt zu Art. 9 VVG (THOMAS MATTIG, Freizügigkeit in der Krankentaggeldversicherung nach VVG, in: Krankentaggeldversicherung: Arbeits- und versicherungsrechtliche Aspekte, 2007, S. 106 f.; ihm folgend HÄBERLI/HUSMANN, Krankentaggeld, versicherungs- und BGE 142 III, 767 (769)arbeitsrechtliche Aspekte, 2015, S. 208). Nach anderer Auffassung wird der Abkommensinhalt "selbstverständlicher Bestandteil des [jeweiligen] individuellen Kollektivvertrages", weil sich mit dem FZAKV alle namhaften VVG-Taggeldversicherer zu diesen Leistungen verpflichten haben. Soweit durch das FZAKV aber Deckung versprochen werde für Ereignisse, die den Tatbestand von Art. 9 VVG erfüllen, könne der versicherten Person dadurch gegenüber dem Versicherer kein versicherungsvertraglicher Anspruch entstehen, sondern höchstens ein Schadenersatzanspruch, falls ihr überhaupt ein eigenständiges Forderungsrecht zuzugestehen sein sollte (GEBHARD EUGSTER, Vergleich der Krankentaggeldversicherung [KTGV] nach KVG und nach VVG, in: Krankentaggeldversicherung: Arbeits- und versicherungsrechtliche Aspekte, 2007, S. 72 f.).
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Der Beschwerdeführer geht davon aus, es liege ein Vertrag zugunsten Dritter vor. Seine Argumentation stützt er auf Art. 5 Abs. 1 FZAKV, wonach der neue Versicherer die Übertrittsbedingungen gemäss FZAKV ohne besonderen Antrag des Versicherungsnehmers einzuräumen hat. Diese Bestimmung besagt zwar, dass der neue Versicherer diese Verpflichtung hat, nicht aber gegenüber wem - diese Frage wird gerade nicht beantwortet.
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Ob es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter handelt, kann hier letztlich offenbleiben. In Umsetzung des FZAKV bestimmt nämlich Art. 9 Abs. 1 lit. a der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (nachfolgend: AVB) der Beklagten, dass keine Versicherungsdeckung besteht für Krankheiten, die bei Eintritt in den Betrieb oder bei Beginn der Versicherung bestehen, solange sie eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben, "es sei denn, [die Beschwerdegegnerin] müssedie Weiterführung des Versicherungsschutzes aufgrund von Freizügigkeitsabkommen zwischen den Versicherern gewährleisten". Soweit das FZAKV zur Übernahme eines laufenden Schadenfalls bzw. eines Rückfalls verpflichtet, wird damit durch den Versicherungsvertrag selber den Versicherten ein entsprechender direkter Anspruch gegen die Beschwerdegegnerin eingeräumt. Entscheidend ist daher, ob das FZAKV Regelungen enthält, die inhaltlich gegen das Verbot der Rückwärtsversicherung gemäss Art. 9 VVG verstossen und dementsprechend zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer resp. Versichertem gar nicht vereinbart werden können (etwa - wie hier - durch Einbezug des FZAKV in den AVB).
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7.2 Wie dargelegt ist nicht mehr strittig, dass es sich bei der Arbeitsunfähigkeit ab 14. März 2014 um einen Rückfall handelt.BGE 142 III, 767 (770)Dieser Sachverhalt wird von Art. 4 Abs. 2 FZAKV erfasst, wonach der neue Versicherer den laufenden Schadenfall übernehmen muss (vgl. auch das entsprechende Beispiel bei MATTIG, a.a.O., S. 105). Art. 4 Abs. 4 FZAKV enthält zudem eine spezifische Regelung für den Rückfall. Betrachtet man isoliert das neue Versicherungsverhältnis mit dem Versicherer des neuen Arbeitgebers, wäre dies ein Fall einer unzulässigen Rückwärtsversicherung gemäss Art. 9 VVG (so denn auch MATTIG, a.a.O., S. 106; EUGSTER, a.a.O., S. 73; HÄBERLI/HUSMANN, a.a.O., S. 208).
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Eine Beschränkung des Blickwinkels allein auf den Versicherungsvertrag mit dem Versicherer des neuen Arbeitgebers übergeht aber, dass es hier um eine Koordination zwischen zwei Kollektivversicherern geht. Deshalb ist zu prüfen, ob es Sinn und Zweck von Art. 9 VVG entspricht, auch eine solche Koordinationsregelung zu verbieten. Der Beschwerdeführer beruft sich sinngemäss auf diesen Gesichtspunkt, wenn er ausführt, es liege eine Vertragsübernahme (des alten Versicherungsvertrages) durch den neuen Versicherer vor und nicht eine Rückwärtsversicherung. Um eine eigentliche Vertragsübernahme handelt es sich allerdings offenkundig nicht, denn es wird ja nicht der ganze bisherige Versicherungsvertrag übernommen. Vielmehr geht es um ein Problem der Nachhaftung, also der Haftung für laufende Schadenfälle über die Beendigung des Versicherungsvertrages hinaus. Beim echten Nachhaftungsfall tritt die Arbeitsunfähigkeit erst nach der Beendigung der Betriebszugehörigkeit (bzw. der Vertragslaufzeit) ein. In der Praxis regeln die AVB der verschiedenen Versicherer diese Fälle sehr unterschiedlich. Nach Ziffer 6 AVB eines Versicherers etwa erlöscht der Versicherungsschutz mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (also mit dem Ausscheiden eines Versicherten aus dem Kreis der versicherten Personen); eine solche Bestimmung lasse letztlich offen, wie die Nachhaftung geregelt sei (STEPHAN FUHRER, Kollektive Krankentaggeldversicherung - aktuelle Fragen, in: Jahrbuch SGHVR 2014 S. 88 und bei Fn. 73 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Ziff. 6 dieser AVB). Das Bundesgericht erkannte in einem Fall, in dem die Arbeitsunfähigkeit bereits während dem bisherigen Versicherungsverhältnis eingetreten war und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortdauerte (sog. gedehnter Versicherungsfall; vgl. FUHRER, a.a.O., S. 87), dass der Versicherte mangels entgegenstehender vertraglicher Klauseln den Leistungsanspruch auch nach dem Erlöschen des Versicherungsverhältnisses bis zur Erschöpfung der Leistungsdauer behält (BGE 127 III 106 E. 3b BGE 142 III, 767 (771)S. 109 f.; vgl. auch EUGSTER, a.a.O., S. 63). Es wird darüber hinaus die Auffassung vertreten, eine Regelung in den AVB, gemäss welcher bei gedehnten Versicherungsfällen der Versicherer beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem versicherten Betrieb keine Leistungen mehr erbringen müsse, wäre ungewöhnlich und damit unzulässig (FUHRER, a.a.O., S. 89 f.).
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Jedenfalls würde nichts dagegen sprechen, dass der bisherige Kollektivtaggeldversicherer ausdrücklich die Nachhaftung für laufende Schadenfälle bzw. für Rückfälle übernimmt. Die im FZAKV enthaltene Regelung ist inhaltlich nichts anderes als die Gewährleistung einer solchen Nachhaftung für Krankheiten, die bereits im bisherigen Arbeitsverhältnis bestanden und zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben. Dass es um eine Nachhaftung nach dem bisher geltenden Versicherungsvertrag geht, zeigt sich - wie der Beschwerdeführer zutreffend erwähnt - auch daran, dass die Leistungen nach den Bedingungen des beim alten Versicherer bestehenden Vertrages zu erbringen sind und nicht nach dem neuen Versicherungsvertrag; und zwar sowohl hinsichtlich der Höhe des Taggeldes, der Wartefrist und der Leistungsdauer (Art. 4 Abs. 2 FZAKV) als auch betreffend Anrechnung der vom bisherigen Versicherer bereits geleisteten Taggelder an die Leistungsdauer (Art. 4 Abs. 4 FZAKV). Es ist nicht ersichtlich, weshalb eine Vereinbarung zwischen den Versicherern, wonach statt des bisherigen Versicherers der neue Versicherer diese Nachhaftung zu den Bedingungen des alten Versicherungsvertrags und beschränkt auf dessen Leistungsdauer übernimmt, inhaltlich nicht zulässig sein soll. Ein unzulässiges "Umgehungsgeschäft" ist das nicht (so aber EUGSTER, a.a.O., S. 72 bei Fn. 76). Das Bundesgericht hat denn auch im Fall eines Übertritts von der Kollektivtaggeldversicherung zur Einzeltaggeldversicherung (des gleichen Versicherers), mit welcher der Versicherer eine allfällige aus der Kollektivversicherung bestehende Nachleistung als Einzelversicherer übernommen hatte, entschieden, diesfalls liege keine unzulässige Rückwärtsversicherung vor, da der betreffende Rückfall bereits in der Kollektivversicherung versichert gewesen sei (Urteil 4A_39/2009 vom 7. April 2009 E. 3.5.2).
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Demnach hat der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 9 Abs. 1 lit. a AVB i.V.m. Art. 4 Abs. 2 und 4 FZAKV Anspruch darauf, dass die Beschwerdegegnerin ihm gegenüber Nachhaftungsleistungen zu den Bedingungen des alten Versicherungsvertrags und beschränkt auf dessen Leistungsdauer erbringt; Art. 9 VVG wird dadurch nicht verletzt. (...)
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