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Informationen zum Dokument  BGE 83 IV 154  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 186 StGB macht sich wegen Hausfriedensbruchs strafba ...
2. Das Hausrecht des Mieters erstreckt sich grundsätzlich au ...
3. Der Beschwerdeführer hat das Hausrecht des R. nicht verle ...
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42. Urteil des Kassationshofes vom 15. Oktober 1957 i.S. W. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen und R.
 
 
Regeste
 
Art. 186 StGB.  
Wer ist "Berechtigter" in einem Haus, das vom Vermieter und von Mietern bewohnt wird? Wann ist das Eindringen oder Verweilen "unrechtmässig"?  
 
Sachverhalt
 
BGE 83 IV, 154 (155)A.- G. bezog am 1. November 1956 eine Vierzimmerwohnung, die sie im Hause des R. gemietet hatte. Entgegen ihrer ursprünglich geäusserten Absicht, dass sie zwei Frauen als Untermieterinnen mitbringen werde, nahm sie ihren Verlobten W. in die Wohnung auf, mit dem sie im gleichen Zimmer nächtigte. Als eine Anschuldigung wegen Konkubinats nichts änderte, liess R. am 13. November 1956 eine gemeindeamtliche Anzeige ergehen, mit der W. das Betreten des Hauses mit sofortiger Wirkung verboten und für den Fall der Zuwiderhandlung Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs angedroht wurde. Da W. trotzdem noch viermal die Wohnung seiner Verlobten betrat, stellte R. Strafantrag.
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G. und W. heirateten am 24. November 1956. Das gegen sie angehobene Strafverfahren wegen Konkubinats wurde mangels Beweises eingestellt.
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B.- Die Gerichtskommission Oberrheintal erklärte am 12. März 1957 W. des Hausfriedensbruches schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 30.-.
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Die Strafkammer des Kantonsgerichts St. Gallen bestätigte am 8. Juli 1957 das Urteil. Sie geht davon aus, der Mietvertrag habe die Berechtigung des Hauseigentümers nicht beschränkt, sondern bloss bewirkt, dass in Bezug auf die gemietete Wohnung die Mieterin G. neben R. berechtigt worden sei. Der Dritte, der gegen den Willen des Hauseigentümers das Haus betrete, handle unrechtmässig, selbst wenn er vom Mieter das Recht zum freien Zutritt erhalten habe, weil er damit nur einen gegen den Mieter, nicht aber auch gegen den Hauseigentümer gerichteten Anspruch auf Zulassung erlange. Immerhin sei die Rechtswidrigkeit auszuschliessen, wenn das Verbot des Hauseigentümers schützenswerte Interessen des Mieters BGE 83 IV, 154 (156)verletze, was beispielsweise der Fall wäre, wenn der Hauseigentümer den Eltern eines alleinstehenden Wohnungsmieters, welcher deren Besuch wünsche, das Betreten des Hauses verbiete. Das Interesse der G., ihren Geliebten in ihre Wohnung aufzunehmen, entbehre jedoch jeder Schutzwürdigkeit, sodass das Hausverbot des Vermieters R. unrechtmässig missachtet worden sei.
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C.- W. beantragt mit Nichtigkeitsbeschwerde, er sei freizusprechen.
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen hat innert der angesetzten Frist keine Gegenbemerkungen eingereicht.
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E.- R. verzichtet darauf, Antrag zu stellen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung:
 
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Der Hausfriedensbruch ist, wie dessen Einreihung unter den 4. Teil des Strafgesetzbuches zeigt, ein Vergehen gegen die Freiheit. Geschützt wird das Hausrecht, worunter die Befugnis zu verstehen ist, über einen bestimmten Raum ungestört zu herrschen und in ihm seinen eigenen Willen frei zu betätigen. Träger des Hausrechts ist derjenige, dem die Verfügungsgewalt über den Raum zusteht, gleichgültig, ob sie auf einem dinglichen oder obligatorischen Recht oder auf einem öffentlichrechtlichen Verhältnis beruht. Im Falle der Vermietung einer Wohnung ist es der Mieter, der die überlassenen Räume innehat und über sie unmittelbar verfugt, insbesondere darüber entscheidet, wer sich darin aufhalten darf; auf die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an. Das Hausrecht als Teil der Persönlichkeitsrechte des Inhabers eines Raums steht daher ausschliesslich dem Mieter zu, nicht zugleich dem Vermieter, der auf die tatsächliche Verfügungsmacht über BGE 83 IV, 154 (157)die vermieteten Räume verzichtet hat und darin seinen persönlichen Willen nicht mehr zur Geltung bringen kann. Deshalb handelt der Vermieter nicht in Ausübung des Hausrechts, sondern allein gestützt auf Miet- und Vertragsrecht, wenn er in die Wohnung des Mieters eindringt, um z.B. dringende Ausbesserungen vorzunehmen (Art. 256 Abs. 1 OR). Ebenso kann er sich nicht auf das Hausrecht berufen, wenn der Mieter die Wohnung vertragswidrig, z.B. zu unsittlichen Zwecken, gebraucht. Verletzungen des Mietvertrages durch den Mieter berühren die obligationenrechtlichen Beziehungen, greifen aber nicht in die Persönlichkeitssphäre ein, die das Hausrecht zum Gegenstand hat; der Vermieter bleibt in solchen Fällen auf die Rechtsbehelfe des Zivilrechts und gegebenenfalls des Polizeistrafrechts angewiesen.
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2. Das Hausrecht des Mieters erstreckt sich grundsätzlich auch auf die ausserhalb seiner Wohnung liegenden Räume, wie Hauseingang, Gänge, Treppenhaus, deren Benutzung Vermieter und Mietern gemeinsam zusteht. Der Anspruch des Mieters, die Zugänge zu seiner Wohnung zu benutzen, umfasst auch die Befugnis, sie Dritten zur BGE 83 IV, 154 (158)Verfügung zu halten, denen er den Zutritt zu seiner Wohnung gestattet, ansonst er sein Recht, Besuche zu empfangen, nicht ausüben könnte (BECKER N. 7 zu Art. 254/255 OR). So wie ein Mitberechtigter dem andern die Benutzung der zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Teile des Hauses nicht verbieten kann, so wenig darf er einem Dritten, der einen Mitberechtigten mit dessen Einwilligung besuchen will, den Zutritt untersagen, jedenfalls solange nicht, als sich die Benutzung des Dritten auf die zum Betreten der Wohnung notwendigen Zugänge beschränkt und der Dritte die Benutzung nicht zu Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte anderer Mitberechtigter missbraucht.
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Im vorliegenden Fall wird dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen, er habe auf den Zugängen zur Wohnung seiner Verlobten ein Verhalten an den Tag gelegt, durch das R. in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt worden sei. R. verbot ihm das Haus, weil er am gemeinsamen Nächtigen der Verlobten Anstoss nahm, und auch die Vorinstanz hat nur in diesem Verhalten die Rechtswidrigkeit des Eindringens erblickt.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 8. Juli 1957 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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