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Informationen zum Dokument  BGE 87 IV 134  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanzen ben&oum ...
2. Der Beschwerdeführer bestreitet eine Gefährdung des  ...
3. Im vorliegenden Falle hat sich der Zusammenstoss bei Nacht und ...
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32. Urteil des Kassationshofes vom 22. September 1961 i.S. Zobrist gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.
 
 
Regeste
 
Art. 46 Abs. 1 erster Satz MFV.  
 
Sachverhalt
 
BGE 87 IV, 134 (134)A.- Zobrist steuerte am Abend des 28. November 1959 einen Taxi (Mercedes) von Basel über Frick Richtung Zürich. Kurz nach 20 Uhr überholte er zwischen den Ortschaften Frick und Hornussen auf der eben und gerade verlaufenden Hauptstrasse von 7 m Breite zwei am rechten Strassenrand hintereinander fahrende Radfahrer, während BGE 87 IV, 134 (135)aus der Gegenrichtung ein Personenauto (Peugeot), geführt von Naegelin, entgegenkam. Zobrist hatte das Überholen der Radfahrer, deretwegen er bis auf ungefähr 10 cm an die Leitlinie heranfuhr, noch nicht beendet, als er den Peugeot kreuzte, der dabei etwas über die Strassenmitte hinausgelangte und den Mercedes auf seiner innern Längsseite streifte, so dass beide Fahrzeuge beschädigt wurden.
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B.- Das Bezirksgericht Laufenburg erklärte beide Motorfahrzeugführer der Nichteinhaltung eines angemessenen seitlichen Abstandes beim Kreuzen im Sinne von Art. 25 Abs. 1 letzter Satz MFG schuldig und verfällte Naegelin in eine Busse von Fr. 40.-, Zobrist in eine solche von Fr. 20.-.
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Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 30. Mai 1961 die von Zobrist eingereichte Berufung in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils ab.
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C.- Zobrist beantragt mit der Nichtigkeitsbeschwerde, er sei freizusprechen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung:
 
1. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanzen benötigten die beiden am rechten Strassenrand hintereinander fahrenden Radfahrer ungefähr 80 cm der 3,5 m breiten Strassenhälfte, und überholt wurden sie vom 1,6 m breiten Mercedes in einem angemessenen seitlichen Abstand von ca. 1 m. Dass der Beschwerdeführer bei diesen Platzverhältnissen den Abstand von rund 10 cm zur Strassenmitte nicht durch vermehrtes Rechtshalten vergrössern konnte, wenn er eine Gefährdung der überholten Radfahrer verhindern wollte, kann nicht bestritten werden. Mit dieser Feststellung ist aber noch nicht entschieden, ob der seitliche Abstand, der zum Kreuzen mit dem entgegenkommenden Auto verblieb, angemessen war, was dann nicht zutrifft, wenn die Gefahr eines Zusammenstosses bestand. Muss diese Frage bejaht werden, so ist der Beschwerdeführer nach Art. 46 Abs. 1 BGE 87 IV, 134 (136)erster Satz MFV wegen unerlaubten Überholens, das zwangsläufig den Abstand zur Strassenmitte verringerte, zu bestrafen und nicht wegen Übertretung von Art. 25 Abs. 1 letzter Satz MFG, der voraussetzt, dass die Einhaltung eines angemessenen Abstandes beim Kreuzen an sich möglich ist.
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2. Der Beschwerdeführer bestreitet eine Gefährdung des entgegenkommenden Wagens, da von dessen Führer habe erwartet werden dürfen, dass er innerhalb seiner eigenen Fahrbahn bleiben und seinerseits einen genügenden Abstand von der Strassenmitte wahren werde, um ein gefahrloses Kreuzen zu gewährleisten. In der Tat muss das Überholen auch bei Gegenverkehr grundsätzlich gestattet sein auf übersichtlichen Strassen, auf die das Überholverbot des Art. 26 Abs. 3 MFG nicht Anwendung findet und die breit genug sind, dass der Überholende auf der rechten Strassenhälfte bleiben kann (vgl. BGE 82 IV 26). Wenn die Breite der Strasse das Überholen langsamer fahrender Fahrzeuge in der eigenen Hälfte zulässt, so soll von dieser Möglichkeit im Interesse einer flüssigen Abwicklung des Verkehrs Gebrauch gemacht werden. Der Überholende darf dabei normalerweise darauf vertrauen, dass der entgegenkommende Fahrzeugführer, der kein Hindernis vor sich hat, vorschriftsgemäss mit ausreichendem Abstand von der Strassenmitte rechts fährt.
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Allein diese Erwartung ist auch dort, wo ein fehlerhaftes Verhalten anderer Fahrzeugführer nicht erkennbar ist, nicht immer gerechtfertigt. Jeder Automobilist weiss aus Erfahrung, dass er bei Nacht die seitlichen Abstände entgegenkommender Fahrzeuge nur annähernd und nicht zuverlässig ermitteln kann. Je rascher gefahren wird, desto eher sind Fehlschätzungen möglich, und wenn noch ungünstige atmosphärische Bedingungen hinzukommen oder auf nassen Asphaltstrassen gefahren wird, auf denen die Lichter der kreuzenden Fahrzeuge sich widerspiegeln, so ist die Wahrscheinlichkeit von Täuschungen umso grösser. Das Kreuzen bei Nacht wird noch dadurch erschwert, dass BGE 87 IV, 134 (137)es bei der vielfach ungenügenden Beleuchtung, namentlich während des Abblendens vor dem Kreuzen, oft schwierig ist, die seitlichen Abstände des eigenen Fahrzeuges im erwünschten Masse unter Kontrolle zu halten, was erfahrungsgemäss dazu verleitet, in der Nähe der Strassenmitte zu fahren. Auf nicht besonders breiten Strassen bieten nachts bei schlechten Sichtverhältnissen selbst Leitlinien keine Gewähr dafür, dass nicht die Strassenmitte befahren wird, vor allem nicht, wenn der Führer durch die Fernlichter oder, was nicht selten ist, durch die Abblendlichter entgegenkommender Fahrzeuge geblendet wird.
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3. Im vorliegenden Falle hat sich der Zusammenstoss bei Nacht und nach den Akten zudem bei nebligem Wetter und wenn nicht bei Regen, wie der Beschwerdeführer und andere Beteiligte in der Untersuchung erklärten, so jedenfalls auf nasser Asphaltstrasse zugetragen. Aus den Aussagen der Fahrzeugführer ergibt sich ferner, dass die Geschwindigkeit des Beschwerdeführers ca. 65 km/Std. und diejenige von Naegelin rund 50 km/Std. betrug. Der Beschwerdeführer hätte unter diesen Umständen bedenken müssen, dass für ein gefahrloses Kreuzen der Raum zu knapp bemessen war, wenn er bei den beschränkten Sichtverhältnissen auf einer Strasse, die nicht breiter als 7 m war, nahe der Strassenmitte entlang fuhr. Die Strecke war unter diesen Bedingungen für den Gegenverkehr nicht frei im Sinne des Art. 46 Abs. 1 MFV; das Überholen hätte infolgedessen bis nach dem Kreuzen unterbleiben sollen.
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Dass der Beschwerdeführer entgegen der Annahme der Vorinstanz nicht Art. 25 Abs. 1 MFG, sondern Art. 46 Abs. 1 MFV übertreten hat, ändert am Verschulden nichts. Er ist zu Recht bestraft worden.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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