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Informationen zum Dokument  BGE 106 IV 171  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
2. ... ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
50. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. August 1980 i.S. E. gegen K. (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 27 Ziff. 5 StGB.  
 
BGE 106 IV, 171 (172)Aus den Erwägungen:
 
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c) Gemäss Art. 27 Ziff. 5 StGB ist die wahrheitsgetreue Berichterstattung über die öffentlichen Verhandlungen einer Behörde straflos. Der Journalist ist somit nicht strafbar, wenn er ehrverletzende Äusserungen, die in öffentlichen Verhandlungen einer Behörde gefallen sind, in der Presse wörtlich oder sinngemäss wiedergibt. Bei der Berichterstattung über solche Verhandlungen beschränkt sich die Sorgfaltspflicht des Journalisten auf die wahrheitsgetreue Wiedergabe der abgegebenen Voten: ob diese inhaltlich wahr seien, braucht er nicht zu prüfen (BGE 106 IV 170 E. 5 e). Die Beschwerde des E. geht daher an der Sache vorbei, soweit in ihr sinngemäss geltend gemacht wird, der Journalist hätte sich zunächst von der Wahrheit der in den verschiedenen Verhandlungen gefallenen Äusserungen überzeugen müssen und er hätte nicht unwahre bzw. unbewiesene Behauptungen weiterverbreiten dürfen. Dass im eingeklagten Zeitungsartikel nicht wahrheitsgetreu über die Verhandlungen der Petitionskommission des Landrates und seines Büros berichtet worden sei, behauptet der Beschwerdeführer selber nicht. Er wendet lediglich ein, der beanstandete Artikel stütze sich auf nicht öffentliche Verhandlungen der Petitionskommission und auf der Geheimhaltungspflicht unterliegende Auszüge aus den Protokollen dieser Kommission und des Landrates. Damit wird sinngemäss geltend gemacht, die Voraussetzungen von Art. 27 Ziff. 5 StGB seien nicht erfüllt.
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BGE 106 IV, 171 (173)Dem eingeklagten Zeitungsartikel liegen der bereits am 8. Februar 1979 im Landrat behandelte Bericht der Petitionskommission vom 22. Januar 1979, der Bericht des Büros des Landrates an den Landrat vom 9. April 1979 und die Traktandenliste der Verhandlungen des Landrates zugrunde. Soweit der Artikel die bei der Beratung des Berichts der Petitionskommission im Landrat gefallenen Äusserungen wörtlich wiedergibt oder sinngemäss zusammenfasst, bleibt der presserechtlich Verantwortliche auf jeden Fall straflos. Dabei ist unerheblich, ob der Journalist den öffentlichen Verhandlungen des Landrates selber beigewohnt oder seinen Bericht aufgrund des allgemein zugänglichen Protokolls des Landrates, das die Äusserungen der Parlamentarier wiedergibt, verfasst hat. Die Frage, ob ein Journalist gestützt auf Art. 27 Ziff. 5 StGB auch Äusserungen wiedergeben darf, die in einer nicht öffentlichen Sitzung einer vorberatenden Kommission des Landrates oder dessen Büros gefallen und in den Berichten der vorberatenden Kommission und des Landratsbüros an das Parlament enthalten sind, braucht hier nicht abschliessend beantwortet zu werden. Nach den für den Kassationshof verbindlichen Feststellungen der kantonalen Gerichte sind sämtliche Unterlagen, auf die sich der beanstandete Zeitungsartikel stützte, "offiziell erhältlich". Die in der Nichtigkeitsbeschwerde erneut vorgetragene Behauptung, diese Unterlagen seien im konkreten Fall für geheim erklärt worden, ist durch nichts belegt; der von E. zum Beweis eingereichte Auszug aus einer Vernehmlassung des Regierungsrates an das Verwaltungsgericht vom 8. Mai 1979 ist ein unzulässiges neues Beweismittel (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP) und daher unbeachtlich. Abgesehen davon lässt der in jener Vernehmlassung des Regierungsrates enthaltene Hinweis darauf, dass der Auszug aus dem Protokoll der landrätlichen Petitionskommission vom 11. Dezember 1978 und der Auszug aus dem Protokoll des Landrates vom 8. Februar 1979 "nicht zur Herausgabe an die Kläger" (gemeint sind die Eheleute E.) bestimmt seien, ganz offensichtlich nicht den Schluss zu, hinsichtlich der dem eingeklagten Zeitungsartikel zugrunde liegenden amtlichen Berichte sei von der zuständigen Behörde eine von den Presseleuten zu beobachtende Geheimhaltungspflicht angeordnet worden. Solche offiziell erhältlichen, nicht geheim zu haltenden behördlichen Berichte, aufgrund derer das Parlament in öffentlicher Sitzung seine Beschlüsse fasst, sind als BGE 106 IV, 171 (174)Bestandteil der Landratsverhandlung, mithin der Öffentlichen Verhandlung einer Behörde im Sinne von Art. 27 Ziff. 5 StGB anzusehen. Dabei ist unerheblich, ob die in diesen amtlichen Berichten enthaltenen Ausführungen in der Ratsverhandlung ausdrücklich zitiert bzw. in das Protokoll der Landratsverhandlung aufgenommen werden oder nicht. Es genügt, wenn der für den Journalisten offiziell erhältliche, nicht geheim zu haltende behördliche Bericht an das Parlament diesem als Grundlage für Verhandlungen in öffentlicher Sitzung diente oder dienen sollte.
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Diese Auslegung von Art. 27 Ziff. 5 StGB entspricht dem Sinn und Zweck der Bestimmung, die eine umfassende Orientierung der Öffentlichkeit über die Tätigkeit gerade auch des Parlaments durch die Presse ermöglichen will. Da heute zahlreiche Parlamentsgeschäfte zu einem wesentlichen Teil in vorberatenden Kommissionen etc. behandelt werden und das Parlament die Berichte dieser Organe oft ohne Beratung zur Kenntnis nimmt und den Kommissionsanträgen häufig diskussionslos zustimmt, muss auch die wahrheitsgetreue Berichterstattung über solche amtlichen Berichte an das Parlament durch Art. 27 Ziff. 5 StGB gedeckt sein, wenn diese Berichte offiziell erhältlich und nicht geheim zu halten sind. Da diese Voraussetzungen nach den verbindlichen Feststellungen der kantonalen Gerichte im vorliegenden Fall erfüllt sind, verstösst das angefochtene Urteil nicht gegen Bundesrecht.
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