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Informationen zum Dokument  BGE 137 IV 263  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 2
Erwägung 3
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38. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
 
 
6B_8/2011 vom 7. Juli 2011
 
 
Regeste
 
Art. 198 Abs. 2 StGB; tätliche sexuelle Belästigung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 137 IV, 263 (263)A. X. war Leiter eines Brockenhauses, in welchem der Geschädigte, geb. 1991, Ende des Jahres 2007 ein Praktikum absolvierte. X. wird vorgeworfen, er habe in der Zeit vom 24. Oktober bis 12. Dezember 2007 den damals minderjährigen Geschädigten als dessen Vorgesetzter bei drei Gelegenheiten in sexueller Absicht angefasst. Bei den beiden ersten Vorfällen habe er ihm seine Hand auf den Oberschenkel gelegt bzw. ihm mit beiden Händen links und rechts aussen an die Oberschenkel gegriffen; beim dritten Vorfall habe er dem Geschädigten in einem Raum im Keller des Brockenhauses gegen dessen klaren Willen das T-Shirt hinten hochgezogen und ihm mit der Hand über den nackten Rücken gestrichen.
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B. Das Polizeirichteramt Winterthur verurteilte X. mit Strafverfügung vom 29. September 2008 wegen sexueller Belästigungen zu einer Busse von Fr. 400.-. Auf Einsprache des Beurteilten hin erklärte der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirks Winterthur X. mit Urteil vom 15. Dezember 2009 der mehrfachen sexuellen Belästigung im Sinne von Art. 198 Abs. 2 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 400.-, im Falle des schuldhaften Nichtbezahlens umwandelbar in eine Ersatzfreiheitsstrafe von BGE 137 IV, 263 (264)4 Tagen. Eine von X. gegen diesen Entscheid geführte Berufung wies das Obergericht des Kantons Zürich am 16. November 2010 ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil.
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C. X. führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung im Sinne von Art. 198 Abs. 2 StGB freizusprechen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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D. Die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Zürich haben auf Vernehmlassung verzichtet.
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Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 2
 
2.1 Der Beschwerdeführer rügt ferner eine Verletzung von Bundesrecht. Die ihm vorgeworfenen Tathandlungen hätten keinen sexuellen Bezug und stellten keine sexuellen Belästigungen dar. Das gelte namentlich für die ersten beiden Vorfälle, nämlich das blosse Anfassen des Geschädigten am Oberschenkel auf der Höhe des Knies. Diese Berührungen könnten nicht verglichen werden mit dem Streicheln eines Beines im geschlechtsnahen Bereich. Auch das Streichen mit der Hand über den Rücken einer gleichgeschlechtlichen Person sei, wie auch etwa eine einmalige Umarmung, keine sexuelle Belästigung. Es sei mithin schon der objektive Tatbestand nicht erfüllt. Darüber hinaus fehle es am Vorsatz. Der Geschädigte habe selber ausgesagt, er (der Beschwerdeführer) habe beim letzten Vorfall lediglich nach Verletzungen gesucht und sei deshalb mit der Hand über seinen Rücken gestrichen. Die Handlung wäre somit auch nach der Darstellung des Geschädigten nicht sexuell motiviert gewesen. Er sei sich sicher nicht bewusst gewesen, dass die Berührungen sexuellen Charakter hätten haben können, und er habe auch nicht in sexueller Absicht gehandelt.
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2.2 Die Vorinstanz nimmt an, es komme für den Tatbestand der sexuellen Belästigung weniger auf die Einzelheiten der jeweiligen Tätlichkeit als vielmehr auf die Gesamtheit des Verhaltens des Täters gegenüber dem Opfer an. Entscheidend sei, dass der Beschwerdeführer als Vorgesetzter und insbesondere im Rahmen der Betreuung von Praktikanten mit seinem Verhalten gegenüber dem minderjährigen Geschädigten sowohl das rechtliche als auch das gesellschaftlich noch tolerierbare Mass überschritten habe. Selbst wenn der Beschwerdeführer bei seinen Berührungen am Rücken des Geschädigten BGE 137 IV, 263 (265)nach Verletzungen gesucht haben sollte, hätte er dies bereits durch das Hochziehen des T-Shirts genügend klären können. Ein Streichen über den nackten Rücken wäre hiefür nicht erforderlich gewesen. Es sei augenscheinlich, dass der Beschwerdeführer immer weiter gegangen sei. Zuerst habe er die Hand nur auf den Oberschenkel des Geschädigten gelegt; danach habe er dessen Oberschenkel von aussen bereits mit beiden Händen umfasst und zuletzt habe er ihm mit der Hand über den nackten Rücken gestrichen. Auch wenn der erste Vorfall für sich allein allenfalls objektiv den Tatbestand der sexuellen Belästigung noch nicht erfüllen würde, sei in Anbetracht der gesamten Umstände aus Sicht eines objektiven Betrachters bei sämtlichen drei Vorfällen keine andere als eine sexuelle Bedeutung ersichtlich.
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In Bezug auf den subjektiven Tatbestand geht die Vorinstanz davon aus, dass der Geschädigte sich ausdrücklich geweigert habe, sein T-Shirt selber hochzuziehen. Indem der Beschwerdeführer daraufhin das T-Shirt hochgestreift habe, habe er bewusst gegen den Willen des Geschädigten gehandelt. In Bezug auf die ersten beiden Vorfälle hält die Vorinstanz fest, der Geschädigte habe jeweils nicht reagiert. Der Beschwerdeführer habe aus diesem Schweigen jedoch nicht auf dessen Einverständnis schliessen dürfen. Dies gelte umso mehr, als dieser damals noch ein minderjähriger Praktikant gewesen sei, welcher sich kaum direkt zu wehren getraut habe, was dem Beschwerdeführer ebenfalls habe bewusst sein müssen. Er habe die Belästigung des Geschädigten somit jeweils zumindest in Kauf genommen. Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellung als Vorgesetzter, welcher regelmässig Praktikanten bei sich beschäftigt habe, genau wissen müssen, dass er einen Jugendlichen nicht in dieser Weise anfassen dürfe.
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Erwägung 3
 
3.1 Gemäss Art. 198 Abs. 2 StGB macht sich der sexuellen Belästigung schuldig, wer jemanden tätlich oder in grober Weise durch Worte sexuell belästigt. Die Bestimmung erfasst geringfügigere Beeinträchtigungen der sexuellen Integrität, bei denen im Einzelnen zweifelhaft sein kann, ob sie noch eine eigentliche Verletzung der Selbstbestimmung darstellen, die aber solchen Eingriffen immerhin vergleichbar sind, indem sie die betroffene Person jedenfalls ohne ihren Willen mit Sexualität konfrontieren (GUIDO JENNY, in: Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 1997, N. 1 zu Art. 198 StGB). Es handelt sich um qualifiziert unerwünschte sexuelle BGE 137 IV, 263 (266)Annäherungen bzw. um physische, optische und verbale Zumutungen sexueller Art (MENG/SCHWAIBOLD, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 15 zu Art. 198 StGB; TRECHSEL/BERTOSSA, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, N. 1 zu Art. 198 StGB). Aus dem Merkmal der Belästigung ergibt sich, dass das Opfer in diese weder eingewilligt noch sie - etwa spasseshalber - provoziert haben darf.
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Die sexuelle Bedeutung des Verhaltens ist anhand der konkreten Umstände und des Gesamtumfelds zu würdigen. Sie muss vom Standpunkt eines objektiven Betrachters aus klar erkennbar sein (MENG/SCHWAIBOLD, a.a.O., N. 15 zu Art. 198 StGB; STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. I: Straftaten gegen Individualinteressen, 7. Aufl. 2010, § 10 N. 37; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bd. I, 3. Aufl. 2010, S. 901 N. 10; ANDREAS DONATSCH, Delikte gegen den Einzelnen, 9. Aufl. 2008, S. 521). Dies gilt wie bei Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB für Tathandlungen, die für den Aussenstehenden nach ihrem äusseren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogen sind, mithin objektiv eine Beziehung zum Geschlechtlichen aufweisen (vgl. BGE 125 IV 58 E. 3b). Das kann - je nach Alter des Opfers oder Altersunterschied zum Täter - auch bei geringfügigen Vorfällen zutreffen. Dabei ist zu beachten, dass Verhaltensweisen, welche unter dem Aspekt des Tatbestandes der sexuellen Handlungen mit einem Kind gemäss Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nur als geringfügige Entgleisung erscheinen, als sexuelle Belästigung im Sinne von Art. 198 Abs. 2 StGB relevant sein können, zumal der Schutz dieser Bestimmung weiter reicht und auch aufgedrängte Annäherungen erfasst (BGE 125 IV 58 E. 3b, S. 63; JENNY, a.a.O., N. 16 zu Art. 187 StGB; PHILIPP MAIER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 23 vor Art. 187 StGB). Die Intensität des sexuellen Bezuges des Vorgangs kann im Rahmen von Art. 198 StGB somit gering sein. Es genügt, dass ein Durchschnittsbetrachter die Handlung mit Sexualität im weitesten Sinn in Verbindung bringt (KATHRIN KUMMER, Sexuelle Belästigung nach Art. 198 StGB, 2001, S. 72 f.).
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Die tätliche Belästigung gemäss Art. 198 Abs. 2 StGB setzt eine körperliche Kontaktnahme voraus. Hiefür genügen bereits wenig intensive Annäherungsversuche oder Zudringlichkeiten, solange sie nur nach ihrem äusseren Erscheinungsbild sexuelle Bedeutung haben. Hierunter fallen neben dem überraschenden Anfassen einer Person an den Geschlechtsteilen auch weniger aufdringliche BGE 137 IV, 263 (267)Berührungen wie das Antasten an der Brust oder am Gesäss, das Betasten von Bauch und Beinen auch über den Kleidern, das Anpressen oder Umarmungen (JENNY, a.a.O., N. 10 zu Art. 198 StGB; MENG/SCHWAIBOLD, a.a.O., N. 17 zu Art. 198 StGB; vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_702/2009 vom 8. Januar 2010 E. 5.5). Zu berücksichtigen ist, ob dem Opfer zugemutet werden kann, sich der Belästigung zu entziehen, was am Arbeitsplatz oder ähnlichen Örtlichkeiten in der Regel weniger einfach ist als etwa in öffentlichen Lokalitäten. In subjektiver Hinsicht verlangt Art. 198 Abs. 2 StGB, dass der Täter zumindest in Kauf genommen hat, dass sich das Opfer belästigt fühlt (Urteil 6P.123/2003 vom 21. November 2003 E. 6.1).
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3.2 Die Vorinstanz geht zunächst vom dritten Vorfall aus und erachtet den Tatbestand der sexuellen Belästigung als erfüllt. In diesem Punkt verletzt das angefochtene Urteil kein Bundesrecht. Die Vorinstanz nimmt zutreffend an, das Streichen über den nackten Rücken des Geschädigten erreiche die für die Annahme einer sexuellen Belästigung notwendige Intensität. Wesentlich sind hiefür die konkreten Umstände, unter welchen sich der Vorfall abgespielt hat. Denn die Frage, wann eine Handlung einen klaren, erkennbaren Bezug zur Sexualität aufweist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der konkreten Situation und des Kontexts, in welchem sie vorgenommen wird, entscheiden (KUMMER, a.a.O., S. 75). Im zu beurteilenden Fall ist in dieser Hinsicht von Bedeutung, dass der Geschädigte zur Tatzeit minderjährig war und zum Beschwerdeführer, der als Leiter des Brockenhauses für die Betreuung der Praktikanten zuständig war, in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis stand. Bei dieser Sachlage erreichen das gegen den expliziten Willen des Geschädigten erfolgte Hochziehen des T-Shirts und das Streichen mit der Hand über seinen nackten Rücken einen Grad der Intensität, der die Grenze zwischen einer bloss unangenehmen harmlosen Berührung zur sexuellen Belästigung überschreitet. Die Handlung erscheint im gegebenen Kontext als aufgedrängte körperliche Zudringlichkeit. Dabei ist aus der konkreten Handlung auch die sexuelle Konnotation der Berührung ohne weiteres erkennbar. Das Streichen mit der Hand unter dem T-Shirt über den nackten Rücken geht in klarer Weise über ein bloss flüchtiges Betasten hinaus. Dass der Geschädigte, wie der Beschwerdeführer einwendet, in der polizeirichterlichen Einvernahme vom 27. Januar 2009 als Zeuge ausgesagt hat, dieser habe wohl nach Verletzungen am Rücken gesucht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, BGE 137 IV, 263 (268)wäre ein Streichen über den nackten Rücken für die Klärung der Frage, ob der Geschädigte am Rücken Verletzungen aufweise, nicht notwendig gewesen. Im Übrigen erklärte der Geschädigte in dieser Einvernahme auch, der Beschwerdeführer habe ihn, nachdem er ihm mit der Hand über den Rücken gestrichen hatte, umarmt und ihn gefragt, ob ihm das unangenehm sei. Daraus ergibt sich auch, dass dem Beschwerdeführer der sexuelle Gehalt seiner Berührungen bewusst war.
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Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist indes in Bezug auf die beiden ersten Vorfälle, den Berührungen am Oberschenkel, der Tatbestand der sexuellen Belästigung nicht erfüllt. Wie der Beschwerdeführer zu Recht einwendet, ist bei den Berührungen am Oberschenkel über den Kleidern vom Standpunkt eines objektiven Betrachters aus keine sexuelle Bedeutung erkennbar. Dies gilt jedenfalls, soweit der Beschwerdeführer den Geschädigten im Bereich des Knies betastet und ihm nicht in den Schritt bzw. zwischen die Beine gefasst hat (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_702/2009 vom 8. Januar 2010 E. 5.5) und er den Griff an den Oberschenkel nicht mit anzüglichen Bemerkungen über dessen Festigkeit verbunden hat (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6P.123/2003 vom 21. November 2003 E. 6.2). Daran ändert nichts, dass die Betastungen angesichts der später erfolgten weitergehenden Berührungen in einem anderen Licht erscheinen. Es mag zutreffen, dass sich die einzelnen Vorfälle in einer Atmosphäre permanenter Annäherungsversuche seitens des Beschwerdeführers ereigneten. Doch auch wenn in einem solchen Fall die einzelnen Handlungen nicht isoliert für sich allein betrachtet werden, erreicht das Verhalten des Beschwerdeführers in Bezug auf die erste Phase des Geschehens nicht die Intensität, welche für einen Schuldspruch wegen sexueller Belästigung vorausgesetzt ist.
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Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt somit als teilweise begründet.
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