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Informationen zum Dokument  BGE 145 IV 424  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 4
Erwägung 4.5
Erwägung 4.6
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47. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Staatsanwaltschaft Nidwalden gegen X. (Beschwerde in Strafsachen)
 
 
6B_1159/2018 vom 18. September 2019
 
 
Regeste
 
Art. 9 Abs. 1 JStG; Art. 29 Abs. 2 Satz 1 JStPO; Zeitpunkt und Umfang der Anrechnung der stationären Beobachtung eines Jugendlichen auf die Strafe.  
Art. 29 Abs. 2 Satz 1 JStPO geht von einer Pflicht der Anrechnung der stationären Beobachtung auf die Strafe aus, legt aber gleichzeitig fest, dass die Anrechnung angemessen zu erfolgen hat. Entscheidend für den Umfang der Anrechnung sind die vom Jugendlichen während der stationären Beobachtung konkret hinzunehmenden Einschränkungen. Eine stationäre Beobachtung, die von der Intensität des Freiheitsentzugs her der Untersuchungshaft bzw. dem Vollzug der Freiheitsstrafe gleichkommt, ist voll auf die Strafe anzurechnen. Weniger freiheitsbeschränkende Vollzugsformen sind nicht eins zu eins (d.h. zu 100 %) anzurechnen, sondern zu einem tieferen Prozentsatz. Auch die mildeste Form der stationären Beobachtung ist mitzuberücksichtigen, wenn auch wirklich nur in reduziertem Masse (E. 4.5.1 und 4.5.2). Das Gericht ist verpflichtet, die konkreten Verhältnisse während der stationären Beobachtung abzuklären. Nicht anzurechnen ist die Zeit, während welcher sich der Jugendliche auf der Flucht befand (E. 4.5.3).  
 
Sachverhalt
 
BGE 145 IV, 424 (425)A. Die Jugendanwaltschaft Nidwalden erhob am 5. September 2017 Anklage gegen X. (geb. im Jahr 2000) wegen versuchten Mordes. Sie BGE 145 IV, 424 (426)wirft diesem vor, er habe am 27. Juni 2016 versucht, im Ausbildungs zentrum des Verbands A. seinen Ausbildner B. mit einem Messer zu töten. Dieser habe ihn kurz nach 7.45 Uhr aufgefordert, sein "Arbeitskombi", welches er oben nur um die Hüfte geschlungen gehabt habe, korrekt anzuziehen. X. sei dieser Aufforderung trotz wiederholter Ermahnung nicht nachgekommen, sondern habe mit der rechten Faust genervt auf ein Pult geschlagen. B. habe X. mitgeteilt, dass er ein solches Verhalten nicht akzeptiere. Daraufhin habe X. mit den Fäusten auf B. losgehen wollen, sei jedoch von drei Mitlehrlingen zurückgehalten worden. Nachdem ihn diese wieder losgelassen hätten, habe er einen Stuhl in Richtung von B. geworfen, der diesen zwar verfehlt habe, jedoch auf dessen Pult geknallt sei. In der Folge sei X. aufgefordert worden, in seinen Lehrbetrieb zurückzukehren. Daraufhin sei er mit dem Zug zu sich nach Hause gefahren. Während der Zugfahrt habe er seiner Ex-Freundin per Whatsapp seinen Entschluss mitgeteilt, B. "kalt zu machen". Zuhause habe er sich eines Messers mit einer Klingenlänge von 25 cm behändigt, mit welchem er um ca. 9.40 Uhr wieder im Ausbildungszentrum eingetroffen sei. Dort habe er sich B. bis auf ca. einen Meter genähert, dasMesser aus dem mitgeführten Plastiksack hervorgezogen und dieses in seiner rechten Hand mit der Klinge nach vorne in Richtung des unteren linken Bauchbereichs von B. gehalten. Danach habe er für einen kurzen Moment gezögert. Bevor er auf B. habe einstechen können, hätten ihn zwei Mitlehrlinge ergriffen, zu Boden geführt und ihm das Messer abgenommen. X. habe sich dagegen nicht gross gewehrt und habe zu weinen begonnen.
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B. Das Kantonsgericht Nidwalden sprach X. mit Urteil vom 20. Dezember 2017 des versuchten Mordes im Sinne von Art. 122 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren, unter Anrechnung von 96 Tagen Untersuchungshaft und 302 Tagen stationärer Beobachtung. Es ordnete zudem eine Unterbringung in einer offenen Einrichtung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 JStG sowie eine ambulante psychotherapeutische Behandlung gemäss Art. 14 JStG an, wobei es den Vollzug der Freiheitsstrafe zugunsten der Unterbringung aufschob. X. erhob gegen dieses Urteil Berufung.
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C. Das Obergericht des Kantons Nidwalden sprach X. am 12./20. Juli2018 vom Vorwurf des versuchten Mordes frei. Es verurteilte ihn wegen Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten und bestätigte die erstinstanzlich BGE 145 IV, 424 (427)ausgesprochene Unterbringung in einer offenen Einrichtung imSinne von Art. 15 Abs. 1 JStG sowie die ambulante psychotherapeutische Behandlung gemäss Art. 14 JStG. Es stellte weiter fest, dass die Freiheitsstrafe durch die Untersuchungshaft von 96 Tagen und die anrechenbare stationäre Beobachtung von 302 Tagen vollständig erstanden ist. Es entschädigte X. für 33 Tage Überhaft mit Fr. 660.-. Die Haftentschädigung verrechnete es mit den X. anteilsmässig auferlegten zweitinstanzlichen Gerichtskosten.
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D. Die Jugendanwaltschaft beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 12./20. Juli 2018 sei aufzuheben und X. sei des versuchten Mordes schuldig zu sprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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E. X. beantragt die Abweisung der Beschwerde. Er stellt zudem ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Das Obergericht liess sich nicht vernehmen.
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Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 4
 
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Die Beschwerdeführerin kritisiert weiter, die stationäre Beobachtung sei gemäss Art. 29 Abs. 2 JStPO (SR 312.1) und entgegen der Vorinstanz nicht in ihrer Gesamtheit, sondern lediglich angemessen auf die Strafe anzurechnen. Der Beschwerdegegner habe ab dem Übertritt von der geschlossenen in die offene Abteilung des AHBasel am 17. Januar 2017 insgesamt drei Wochenenden bei sich zu Hause verbracht. Eine solche Unterbringung sei weit weniger einschneidend als eine Untersuchungs- oder Sicherheitshaft. Zudem sei er am 2./ 3. April 2017 und vom 23. bis 25. April 2017 vom AHBasel abgängig gewesen.
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Schliesslich habe die Vorinstanz auch Art. 1 Abs. 2 JStG (SR 311.1) i.V.m. Art. 51 StGB verletzt. Eine stationäre Beobachtung entspreche ihrem Wesen nach eher den vorsorglichen Schutzmassnahmen als der Untersuchungshaft. Sie sei in analoger Anwendung von Art. 32 Abs. 2 JStG und der dazu ergangenen Rechtsprechung (BGE 137 IV 7) BGE 145 IV, 424 (428)daher erst bei der Aufhebung der Schutzmassnahme anzurechnen und nicht wie die Untersuchungshaft bereits im Urteil. Art. 29 JStPO sage nichts über den Zeitpunkt der Anrechnung der stationären Beobachtung aus.
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4.2 Damit wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die zugesprochene Entschädigung von Fr. 660.-wegen Überhaft sowie die Feststellung im angefochtenen Entscheid, wonach die unbedingte Freiheitsstrafe von 12 Monaten durch die Untersuchungshaft und die stationäre Beobachtung erstanden ist. Zwar rechnete bereits die erste Instanz 96 Tage Untersuchungshaft und 302 Tage in stationärer Beobachtung auf die Freiheitsstrafe an, was die Beschwerdeführerin - die selber nicht Berufung erhob - nicht angefochten hat. Die Ausgangslage nach dem erstinstanzlichen Urteil war jedoch eine andere, da die damals unbedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit dieser Anrechnung nicht vollständig abgegolten war und dem Beschwerdegegner keine Entschädigung zugesprochen wurde. Auf die Rüge ist daher einzutreten.
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4.3 Die stationäre Beobachtung ist in Art. 9 JStG geregelt. Danach hat die zuständige Behörde die persönlichen Verhältnisse des Jugendlichen abzuklären, soweit dies für den Entscheid über die Anordnung einer Schutzmassnahme oder Strafe erforderlich ist; zu diesem Zweck kann sie auch eine ambulante oder stationäre Beobachtung anordnen (Art. 9 Abs. 1 JStG). Mit der Abklärung kann eine Person oder Stelle beauftragt werden, die eine fachgerechte Durchführung gewährleistet (Art. 9 Abs. 2 JStG). Die stationäre Beobachtung wird gemäss Art. 29 Abs. 1 JStPO schriftlich angeordnet und ist zu begründen. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 JStPO bestimmt weiter, dass die stationäre Beobachtung angemessen auf die Strafe anzurechnen ist. Für den Vollzug der stationären Beobachtung ist Art. 16 JStG betreffend den Vollzug von Unterbringungen sinngemäss anwendbar (Art. 29 Abs. 2 Satz 2 JStPO).
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4.4 Dass die stationäre Beobachtung, wenn auch nur angemessen, auf die Strafe anzurechnen ist, ergibt sich aus Art. 29 Abs. 2 Satz 1 JStPO. Dies hat unabhängig davon zu gelten, ob die im Sachurteil ausgesprochene Unterbringung ihren Zweck später erreicht oder nicht (vgl. Art. 32 Abs. 2 und 3 JStG). Die stationäre Beobachtung im Sinne von Art. 9 JStG dient der Abklärung der persönlichen Verhältnisse im Hinblick auf die Anordnung einer Schutzmassnahme oder Strafe (Art. 9 Abs. 1 JStG). Sie endet somit zwingend vor dem BGE 145 IV, 424 (429)Sachurteil. Die Anrechnung kann und muss daher - wie bei der Untersuchungshaft (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. b JStG i.V.m. Art. 51 StGB; BGE 102 IV 153 E. 3 S. 160 f.) - zeitnah bereits im Dispositiv des Sachurteils erfolgen (so auch HUG/SCHLÄFLI/VALÄR, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2019, N. 12a zu Art. 9 JStG; a.M. JOSITSCH/RIESEN-KUPPER, in: Schweizerische Jugendstrafprozessordnung [JStPO], Kommentar, 2. Aufl. 2018, N. 9 zu Art. 29 JStPO; differenzierend: MAZENAUER/REUT, Richterliche Strafzumessung im Jugendstrafrecht, forumpoenale 6/2014 S. 351 ff., 356). Davon ging auch der Gesetzgeber aus: Der Bundesrat vertrat die Auffassung, die stationäre Beobachtung gelte als Untersuchungshaft und sei wie diese auf die Strafe anzurechnen (Art. 25d Abs. 2 Satz 1 des geänderten E-JStPO vom 22. August 2007, BBl 2008 3165; Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., 1367 zu Art. 29 E-JStPO; Zusatzbericht vom 22. August 2007, Erläuterung der Änderungen des bundesrätlichen Entwurfs vom 21. Dezember 2005 zu einer schweizerischen Jugendstrafprozessordnung [JStPO], BBl 2008 3121 ff., 3145 Ziff. 3.6.4). In der Folge wurde im Parlament zwar über den Umfang der Anrechnung diskutiert (vgl. nachfolgend E. 4.5.1). Dass die Anrechnung wie bei der Untersuchungshaft im Urteilszeitpunkt erfolgen soll, wurde jedoch nicht infrage gestellt. Der Gesetzgeber wollte die stationäre Beobachtung und die vorsorgliche Unterbringung hinsichtlich des Zeitpunkts der Anrechnung auf die Strafe demnach nicht gleich behandeln. Dies ergibt sich auch daraus, dass Ersteres - anders als die Anrechnung der vorsorglichen Unterbringung (vgl. Art. 32 Abs. 3 Satz 2 JStG; BGE 142 IV 359 E. 2 S. 361; BGE 137 IV 7 E. 1.6.2 S. 11) - in der JStPO und nicht im JStG geregelt ist.
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Die Beschwerdeführerin beruft sich insoweit zu Unrecht auf BGE 137 IV 7, der nicht eine stationäre Beobachtung nach Art. 9 JStG, sondern eine vorsorgliche Unterbringung im Sinne von Art. 5 i.V.m. Art. 15 JStG betraf. Im Übrigen ist gemäss BGE 137 IV 7 über die Anrechnung der vorsorglichen Unterbringung an die Freiheitsstrafe nur dann nach Beendigung der Massnahme zu befinden, wenn die vorsorgliche Massnahme gemäss Urteil in der Hauptsache unverändert als definitive Massnahme weitergeführt werden soll. Ändert der Richter die im Untersuchungsstadium vorsorglich angeordnete Massnahme oder hebt er diese ganz auf, hat er über die Anrechnung der abgeschlossenen Massnahme an die Strafe - analog der Untersuchungshaft - im Sachurteil zu entscheiden (BGE, a.a.O., E. 1.6.2 BGE 145 IV, 424 (430)S. 12). Die stationäre Beobachtung geht über eine vorsorgliche Unterbringung hinaus, da die Beobachtungsstationen die Jugendlichen nicht nur betreuen, sondern auch sozialpädagogische Abklärungen tätigen. Zusätzlich zu einer stationären Beobachtung kann eine medizinische oder psychologische Begutachtung (Art. 9 Abs. 3 JStG) oder vorsorglich bereits eine therapeutische Massnahme angeordnet werden (vgl. Art. 5 i.V.m. Art. 14 JStG). Die stationäre Beobachtung betrifft die Abklärung der tatsächlichen Verhältnisse (vgl. Art. 9 Abs. 1 JStG). Als Untersuchungshandlung ist sie - wie die medizinische oder psychologische Begutachtung - lediglich für das Untersuchungsverfahren vorgesehen. Eine Weiterführung der stationären Beobachtung im Sachurteil als definitive Massnahme ist ausgeschlosen. Vorliegend endete die stationäre Beobachtung bereits Ende Juli 2017 und damit vor dem erstinstanzlichen Urteil.
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Die Vorinstanz entschied über die Anrechnung der stationären Beobachtung auf die Freiheitsstrafe nach dem Gesagten zu Recht im Strafentscheid.
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Erwägung 4.5
 
4.5.1 Die stationäre Beobachtung ist gemäss Art. 29 Abs. 2 Satz 1 JStPO lediglich angemessen auf die Strafe anzurechnen. Der Entwurf zur JStPO sah vor, dass die stationäre Beobachtung - gleich wie die Untersuchungshaft - auf die (Freiheits-)Strafe anzurechnen ist (vgl. Art. 29 Abs. 2 E-JStPO vom 21. Dezember 2005; Art. 25d Abs. 2 Satz 1 des geänderten E-JStPO vom 22. August 2007, BBl 2008 3165; BBl 2006 1367 zu Art. 29 E-JStPO; BBl 2008 3145 Ziff. 3.6.4). Der Ständerat folgte inhaltlich diesem Antrag (AB 2007 S 1077 f.). Die Mehrheit des Nationalrats vertrat jedoch die Auffassung, eine stationäre Beobachtung sei mit Untersuchungshaft nicht zwingend vergleichbar, weshalb er sich für eine Streichung der Bestimmung über die Anrechnung der stationären Beobachtung auf die Strafe aussprach (AB 2008 N 1232 f.). In der Folge einigten sich National- und Ständerat im Differenzbereinigungsverfahren im Sinne eines Kompromisses auf den aktuellen Wortlaut von Art. 29 Abs. 2 JStPO (AB 2008 S 880 f.; AB 2009 N 67). Dem Kompromiss lag der Gedanke zugrunde, dass eine stationäre Beobachtung ein sehr breites Vollzugsspektrum hat, das von der untersuchungshaftähnlichen Beobachtung bis zur sehr offenen Beobachtung geht. Das Ausmass der Freiheitsbeschränkung bei einer stationären Beobachtung ist je nach Vollzugseinrichtung sehr unterschiedlich. Es kann einer Untersuchungshaft sehr nahekommen. Die Freiheitsbeschränkung BGE 145 IV, 424 (431)kann aber auch wesentlich geringer sein als bei der Untersuchungshaft, da die stationäre Beobachtung auch in sehr offenen Einrichtungen mit Ausgängen und freien Wochenenden vollzogen werden kann (AB 2008 N 1233; AB 2008 S 880 f.). Diesen unterschiedlichen Vollzugsformen der stationären Beobachtung wollte der Gesetzgeber mit dem Ausdruck "angemessen" Rechnung tragen, wobei die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" der Praxis überlassen wurde (AB 2008 S 881). Die Kompromissvariante geht von einer Pflicht der Anrechnung an die Strafe aus, legt aber gleichzeitig fest, dass die Anrechnung angemessen zu erfolgen hat (AB 2008 S 881).
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4.5.2 Den parlamentarischen Beratungen muss demnach entnommen werden, dass eine stationäre Beobachtung, die von der Intensität des Freiheitsentzugs her der Untersuchungshaft bzw. dem Vollzug der Freiheitsstrafe gleichkommt, voll auf die Strafe anzurechnen ist. Weniger freiheitsbeschränkende Vollzugsformen sind nicht eins zu eins (d.h. zu 100 %) auf die Strafe anzurechnen, sondern zu einem tieferen Prozentsatz. Auch die mildeste Form der stationären Beobachtung ist mitzuberücksichtigen, wenn auch wirklich nur in reduziertem Masse (vgl. Votum Bundesrätin Widmer-Schlumpf, AB 2008 S 881). Auch stationäre Beobachtungen in offenen Einrichtungen sind folglich angemessen auf die Strafe anzurechnen (vgl. für die Unterbringung nach Art. 15 JStG in offenen Einrichtungen: HUG/SCHLÄFLI/VALÄR, a.a.O., N. 6 zu Art. 32 JStG; GEIGER/REDONDO/TIRELLI, Droit pénal des mineurs, 2019, N. 15 f. zu Art. 32 JStG; PETER AEBERSOLD, Schweizerisches Jugendstrafrecht, 3. Aufl. 2017, N. 610; a.M. JOSITSCH/MURER, Die Schweizerische Jugendstrafprozessordnung - ein Balanceakt zwischen Rechtsstaat und Erziehungsgrundsatz, ZStrR 127/2009 S. 290 ff., 317; ANGELIKA MURER MIKOLÁSEK, Analyse der Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung [JStPO], in Zürcher Studien zum Strafrecht, Bd. 60, 2011, N. 229; MAZENAUER/REUT, a.a.O., S. 356). Entscheidend sind die vom Jugendlichen konkret hinzunehmenden Einschränkungen etwa bezüglich Freizeitgestaltung, Ausgängen, Kontakten zu Freunden und Familie, Regelungsdichte der Tagesstruktur, persönlicher Gegenstände etc.
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4.5.3 Ähnliche Fragen wie bei der Anrechnung von stationären Beobachtungen stellen sich bei der Anrechnung einer (vorsorglichen) Unterbringung im Sinne von Art. 15 ff. JStG (vgl. Art. 32 Abs. 3 Satz 2 JStG), die ebenfalls in geschlossenen oder offenen Einrichtungen BGE 145 IV, 424 (432)erfolgen kann (vgl. Art. 15 Abs. 2 und 3 JStG). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist bei der Anrechnung der Unterbringung auf die Strafe - nebst weiteren, für die Anrechnung der stationären Beobachtung nicht relevanten Kriterien (Aussicht auf Bewährung des Betroffenen; Ursachen, die zum Scheitern der Massnahme geführt haben) - namentlich das Mass der mit der Unterbringung verbundenen Freiheitsbeschränkung, d.h. die konkrete Vollzugssituation, zu beachten (BGE 142 IV 359 E. 2.4 S. 364). Das Gericht ist daher verpflichtet, die konkreten Verhältnisse während der Unterbringung abzuklären (Urteil 6B_763/2016 vom 7. Dezember 2016 E. 1.2.1). Nicht anzurechnen ist die Zeit, während welcher sich der Jugendliche auf der Flucht befand (BGE 142 IV 359 E. 2.5 S. 365; Urteil 6B_763/2016 vom 7. Dezember 2016 E. 1.2.1). Dies muss auch für die stationäre Beobachtung gelten.
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Erwägung 4.6
 
4.6.1 Vorliegend geht aus dem erstinstanzlichen Entscheid, auf welchen die Vorinstanz für die Dauer der Untersuchungshaft und der stationären Beobachtung abstellt, hervor, dass sich der Beschwerdegegner vom 27. Juni bis 14. September 2016 in Untersuchungshaft befand. Vom 14. bis 21. September 2016 erfolgte eine erste stationäre Beobachtung, im Anschluss an welche der Beschwerdegegner erneut bis zum 7. Oktober 2016 in Untersuchungshaft versetzt wurde. Am 7. Oktober 2016 trat er für eine zweite stationäre Beobachtung in das AHBasel ein, aus welchem er am 29. Juli 2017 entlassen wurde. Am 28. Juli 2017 verfügte die Jugendanwaltschaft die vorsorgliche Unterbringung des Beschwerdegegners im Sinne von Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 JStG in der Aussenwohngruppe C. der Stiftung D. mit Eintritt am 15. August 2017. Die Untersuchungshaft dauerte daher insgesamt 96 Tage und die stationäre Beobachtung 302 Tage.
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Die zweite stationäre Beobachtung fand gemäss den Akten zunächst in der geschlossenen Abteilung des AHBasel statt. Am 17. Januar 2017 erfolgte der Übertritt in die offene Abteilung des AHBasel. Gemäss dem Beobachtungsbericht vom 2. August 2017 verbrachte der Beschwerdegegner seit seiner Versetzung in die offene Abteilung des AHBasel ab Mai 2017 insgesamt drei durchgehende Wochenenden zu Hause. Zudem entwich er am 2./3. April 2017 sowie vom 23. bis am 25. Mai 2017 aus dem AHBasel. Weiter hatte der Beschwerdegegner in der Zeit von April bis Juli 2017 verschiedene externe Arbeits- bzw. Schnuppereinsätze u.a. in Autowerkstätten.
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BGE 145 IV, 424 (433)4.6.2 Indem die Vorinstanz die Zeit der stationären Beobachtung von 302 Tagen (inkl. Zeit der Entweichung) vollständig auf die ausgesprochene Freiheitsstrafe anrechnete, verstiess sie gegen Bundesrecht. Der Gesetzgeber sprach sich explizit gegen eine solche Lösung aus. Die Angelegenheit ist in diesem Punkt zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird zu prüfen haben, in welchem Umfang dem Beschwerdegegner die Freiheit während der stationären Beobachtung konkret entzogen war. Auf jeden Fall nicht anzurechnen sind die Fluchttage (E. 4.5.3). Die Beschwerde ist in diesem Punkt begründet.
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