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Informationen zum Dokument  BGE 98 V 44  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. Ein Rechtsanspruch auf die Abgabe von Brustprothesen zu Lasten ...
2. a) Im Bereiche der Hilfsmittel, deren Abgabe das Gesetz vorsie ...
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12. Urteil vom 24. Januar 1972 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen St. und Obergericht des Kantons Schaffhausen
 
 
Regeste
 
Die einseitige Brustamputation kann - jedenfalls bei erwerbstätigen Frauen - eine teilweise Invalidität im Sinne des Gesetzes bewirken (Art. 4 und 8 IVG).  
 
Sachverhalt
 
BGE 98 V, 44 (44)A.- Der Verkäuferin St. musste 1971 die linke Brust entfernt werden. Mit Verfügung vom 29. Juni 1971 eröffnete die Ausgleichskasse der Versicherten den Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission, ihr Gesuch um Übernahme der Kosten einer Brustprothese werde abgelehnt.
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B.- Beschwerdeweise machte die Versicherte geltend, sie sei im Hinblick auf den Kontakt mit der Kundschaft auf eine gutsitzende Prothese angewiesen.
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BGE 98 V, 44 (45)Mit Entscheid vom 3. September 1971 hiess das Obergericht des Kantons Schaffhausen die Beschwerde gut und verhielt die Invalidenversicherung, die Kosten der Brustprothese zu übernehmen.
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C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Kassenverfügung wiederherzustellen.
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Die Versicherte hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
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Nach der Rechtsprechung darf die Abgabe von Brustprothesen nicht mit der generellen Begründung verweigert werden, es fehle an einer Invalidität gemäss Art. 4 Abs. 1 IVG. Denn die Entfernung einer Brust kann in einzelnen Fällen eine Teilinvalidität im Sinne des Gesetzes verursachen (ZAK 1971 S. 380 ff.). Es bleibt deshalb zu prüfen, ob Brustprothesen gestützt auf Art. 8 in Verbindung mit Art. 21 IVG sowie Art. 14 IVV überhaupt als Hilfsmittel abgegeben werden können.
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Anspruch auf Abgabe der erstgenannten Hilfsmittel besteht im Rahmen des allgemeinen Grundsatzes von Art. 8 Abs. 1 IVG, der für alle Eingliederungsmassnahmen gilt und wonach der BGE 98 V, 44 (46)Versicherte Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen nur insoweit hat, als diese notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen, zu verbessern, zu erhalten oder ihre Verwertung zu fördern. Demnach gehört eine mindestens teilweise - auch künftige - Erwerbsfähigkeit oder an ihrer Stelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 IVG die Möglichkeit, sich noch im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen, grundsätzlich zu den Anspruchsvoraussetzungen. Zudem kann nur ein Hilfsmittel abgegeben werden, welches unter dem Gesichtspunkt des gesetzlich geschützten Eingliederungszweckes notwendig und zur Zweckerfüllung geeignet ist. Entsprechend diesen allgemeinen Grundsätzen sieht Art. 21 Abs. 1 IVG vor, der Versicherte habe im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch auf jene Hilfsmittel, derer er für die Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der Tätigkeit in seinem Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung oder zum Zweck der funktionellen Angewöhnung bedürfe.
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Auf der andern Seite besteht gemäss Art. 8 Abs. 2 IVG nach Massgabe der Art. 13, I 9, 20 und 21 der Anspruch auf Leistungen unabhängig von der Möglichkeit einer Eingliederung in das Erwerbsleben. In diesem Zusammenhang kann die Verweisung auf Art. 21 IVG nur bedeuten, dass alle seine Bestimmungen vorbehalten werden, mithin auch Abs. 2, der lautet: "Der Versicherte, der infolge seiner Invalidität für die Fortbewegung, für die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge kostspieliger Geräte bedarf, hat im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste ohne Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit Anspruch aufsolche Hilfsmittel." Damit will das Gesetz auch Schwerstinvaliden ein Mindestmass an Selbstsorge und Kontaktnahme mit der Umwelt ermöglichen (ZAK 1970 S. 627).
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Die in Art. 21 Abs. 2 IVG vorgesehene Liste hat der Bundesrat in Art. 14 Abs. 2 IVV abschliessend aufgestellt (EVGE 1968 S. 21 l; ZAK 1969 S. 128); sie umfasst Brustprothesen nicht. Dementsprechend können solche nicht gestützt auf Art. 21 Abs. 2 IVG und Art. 14 Abs. 2 IVV abgegeben werden.
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b) Anders stellt sich die Frage nach der Abgabe von Brustprothesen gemäss Art. 21 Abs. 1 IVG und Art. 14 Abs. 1 IVV. Die Brustprothese kann grundsätzlich ein Hilfsmittel sein, dessen die Versicherte für die Ausübung der Erwerbstätigkeit und - mit Vorbehalten - auch der Tätigkeit in ihrem Aufgabenbereich BGE 98 V, 44 (47)bedarf, indem sie geeignet ist, eine allfällige Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit infolge Brustamputation zu beheben (ZAK 1971 S. 383). Die Liste in Art. 14 Abs. 1 IVV ist nur insofern abschliessend, als sie die in Frage kommenden Hilfsmittelkategorien aufzählt. Die Anführung der einzelnen Hilfsmittelinnerhalbdergenannten Kategorien ist dagegen bloss exemplifikatorisch und daher einer gesetz- und verordnungsgemässen Erweiterung um einzelne Hilfsmittel, die einwandfrei in eine der genannten Gruppen gehören, grundsätzlich zugänglich (ZAK 1969 S. 611). Die Liste nennt folgende Hilfsmittelgruppen: künstliche Glieder mit Zubehör (lit. a), Stütz- und Führungsapparate (b), Hilfsmittel für Kopfschäden (c), Hilfsmittel für Sinnesorgane (d), Hilfsmittel für innere Organe (e), Hilfsmittel für das tägliche Leben (f), Fahrzeuge (g) und Hilfsgeräte am Arbeitsplatz (h). Aus dieser Aufzählung erhellt, dass Brustprothesen in keiner der aufgeführten Gruppen begrifflich unterzubringen sind. Insbesondere sind sie nicht unter den Oberbegriff "künstliche Glieder" zu subsumieren; denn unter dieser Hilfsmittelkategorie sind ausschliesslich Behelfe für die Gliedmassen genannt. Die Brustprothesen können auch nicht in der gleichen Hilfsmittelgruppe untergebracht werden wie künstliche Augen und Perücken, weil diese Gruppe auf Hilfsmittel für Kopfschäden beschränkt ist (ZAK 1971 S. 384).
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c) Die Vorinstanz ist allerdings der Ansicht, die Brustprothese könne als "Stütz- und Führungsapparat" betrachtet werden, ähnlich wie dies bei orthopädischen Korsetts der Fall sei. Die erforderliche Stützungsfunktion der Prothese im weiteren Sinne könne darin gesehen werden, dass der Körper bei einer einseitigen Brustamputation durch die Prothese jene Stützung erhalte, die unbedingt erforderlich sei, damit die Frau ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Dieser Auffassung kann indessen nicht beigepflichtet werden, da sie zu einer unzulässig extensiven Auslegung von Art. 14 Abs. 1 lit. b IVV führt. Denn einer Brustprothese geht jede Stütz- und Führungsfunktion im Sinne dieser Bestimmung ab. Die unter lit. b genannten Hilfsmittelbezwecken, Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates, vorab der Gehfähigkeit, zu vermindern. Eine Brustprothese dagegen stellteinen Körperteilersatzdar und dient nicht lediglich der Stützung oder Führung eines noch vorhandenen, aber nicht mehr vollwertigen Körperteils.
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BGE 98 V, 44 (48)Die wesentlichen Merkmale der andern Hilfsmittelkategorien gemäss Art. 14 Abs. 1 IVV treffen auf Brustprothesen ebenfalls nicht zu...
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 3. September 1971 aufgehoben.
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