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Informationen zum Dokument  BGE 105 V 147  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. Der Versicherte hat gemäss Art. 21 Abs. 1 IVG im Rahmen d ...
2. a) Nach Art. 12 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf me ...
3. Kann somit die Staroperation nicht schon wegen engen Zusammenh ...
4. Aus dem Gesagten folgt, dass die vom Beschwerdeführer als ...
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36. Urteil vom 7. September 1979 i.S. Bringolf gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
 
 
Regeste
 
Art. 21 Abs. 1, Satz 2, IVG.  
- Abgabe von Bifokalbrille und Kontaktlinsen nach Operation einer Cataracta traumatica.  
 
Sachverhalt
 
BGE 105 V, 147 (147)A.- Daniel Bringolf (geb. 1961) erlitt am 22. Mai 1974 am linken Auge eine Perforationswunde. In der Augenklinik Zürich wurde vorerst die Wundversorgung und später wegen langsamer Abnahme der Sehschärfe und zunehmender Schmerzen die Wundstaroperation durchgeführt, deren Datum nicht bekannt ist. Der Versicherte benötigt für das linke Auge wegen der Aphakie eine Kontaktlinse sowie eine Bifokalbrille.
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Mit Verfügung vom 18. März 1975 übernahm die Invalidenversicherung die Kontaktlinse links, lehnte dagegen die Abgabe der Bifokalstarbrille ab, weil es sich um die Versorgung des nicht durch den Unfall betroffenen Auges handle.
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B.- Beschwerdeweise beantragte der Vater des Versicherten die Übernahme auch der Bifokalbrille. Er machte im wesentlichen geltend, entgegen der Annahme in der angefochtenen BGE 105 V, 147 (148)Kassenverfügung benötige sein Sohn die Brille, um mit dem betroffenen linken Auge auch lesen zu können.
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Die Invalidenversicherungs-Kommission hielt in ihrer Stellungnahme fest, die Kontaktlinse sei irrtümlicherweise zugesprochen worden; die Voraussetzungen dafür seien ebensowenig erfüllt wie für die Abgabe einer Bifokalbrille.
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Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich wies durch Entscheid vom 13. Juli 1977 die Beschwerde mit der Begründung ab, die medizinischen Vorkehren (Wundversorgung und Wundstaroperation) hätten der Behandlung primärer Unfallfolgen gedient und stellten somit keine medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung dar, weshalb die Brille keine wesentliche Ergänzung solcher Massnahmen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Satz 2 IVG bilde.
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C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt Werner Bringolf den Antrag, in Aufhebung des kantonalen Entscheides seien seinem Sohne die Hilfsmittel abzugeben.
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Während die Ausgleichskasse auf eine Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde verzichtet, enthält sich das Bundesamt für Sozialversicherung eines Antrages.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
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Nach der Rechtsprechung ist es unerheblich, ob es sich dabei um eine von der Invalidenversicherung durchgeführte medizinische Massnahme handelt; entscheidend ist vielmehr, dass die Voraussetzungen der Übernahme der ärztlichen Vorkehr als medizinische Eingliederungsmassnahme der Invalidenversicherung an sich erfüllt wären (ZAK 1964, S. 266, 1965, S. 157; nicht veröffentlichtes Urteil i.S. Kundt vom 29. Dezember 1972).
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Es ist daher zu prüfen, ob die Operation der Cataracta traumatica, welche offenbar nicht zur Übernahme durch die Invalidenversicherung BGE 105 V, 147 (149)angemeldet worden war, als Eingliederungsmassnahme im Sinne von Art. 12 IVG qualifizierbar ist.
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Die Behandlung von Unfallfolgen gehört grundsätzlich ins Gebiet der sozialen Unfallversicherung (Art. 2 Abs. 4 IVV; BGE 100 V 34). Hingegen können stabile Defekte, die als Folge von Unfällen entstehen, Anlass zu Eingliederungsmassnahmen im Sinn von Art. 12 IVG geben, sofern kein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der primären Unfallbehandlung besteht. Der enge sachliche Zusammenhang ist gegeben, wenn die medizinische Vorkehr mit der Unfallbehandlung einen einheitlichen Komplex bildet. Für die Beurteilung ist dabei ausschliesslich der Zeitpunkt der Entstehung des Defektes und nicht der Zeitpunkt der Diagnosestellung oder der Durchführung der Massnahme ausschlaggebend. Eine Massnahme, die schon während der Unfallbehandlung als voraussichtlich notwendig erkennbar war, ist keine Eingliederungsmassnahme der Invalidenversicherung (BGE 102 V 70 Erw. 1).
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b) Im vorliegenden Fall kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz die Staroperation nicht als Behandlung von unmittelbaren Unfallfolgen betrachtet werden. In direktem Zusammenhang mit dem am 22. Mai 1974 erlittenen Unfall stand die Wundversorgung, womit die eigentliche Behandlung der Unfallverletzungen abgeschlossen war. Aus dem Bericht der Augenärztin Dr. med. H. vom 7. Januar 1975 geht nämlich hervor, dass die Staroperation erst "später", nach "langsamer Abnahme der Sehschärfe" durchgeführt wurde. Zwar ist, wie das Bundesamt für Sozialversicherung mit Recht feststellt, der Zeitpunkt der Operation aus den Akten nicht ersichtlich. Dies ist indessen nicht entscheidend; denn wenn es am engen sachlichen Zusammenhang mit der primären Unfallbehandlung gebricht, ist der zeitliche unerheblich.
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BGE 105 V, 147 (150)3. Kann somit die Staroperation nicht schon wegen engen Zusammenhangs mit dem Unfall als medizinische Eingliederungsmassnahme ausgeschlossen werden, so fragt es sich, ob ihr innerhalb des spezifischen Anwendungsbereichs des Art. 12 IVG Eingliederungscharakter zukommt.
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a) Die operative Behandlung des grauen Stars ist nicht auf die Heilung labilen pathologischen Geschehens gerichtet, sondern zielt darauf ab, das sonst sicher spontan zur Ruhe gelangende und alsdann stabile oder relativ stabilisierte Leiden durch Entfernung der trüb und daher funktionsuntüchtig gewordenen Linse zu beseitigen (BGE 103 V 13 Erw. 3a mit Hinweisen).
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b) Weil in den Akten Anhaltspunkte dafür fehlen, dass voraussehbare Auswirkungen des Unfalls die Wesentlichkeit und Dauerhaftigkeit des Eingliederungserfolges beeinträchtigen könnten (BGE 103 V 14), gilt die beim minderjährigen Beschwerdeführer durchgeführte Operation der Cataracta traumatica als medizinische Eingliederungsmassnahme der Invalidenversicherung. So hat das Eidg. Versicherungsgericht im ähnlich gelagerten Fall Kisslig bereits am 25. August 1964 entschieden (vgl. ZAK 1965, S. 157).
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 13. Juli 1977 sowie die angefochtene Kassenverfügung vom 18. März 1975 (soweit sie die Brille betrifft) aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf Abgabe der Bifokalbrille hat.
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