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Informationen zum Dokument  BGE 116 V 182 - Sturz von der Leiter   Materielle Begründung
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Zitiert durch:
BGE 132 V 387 - IV-Stelle Bern II
BGE 120 V 357 - Kreuzband

Zitiert selbst:
BGE 115 V 297 - Akteneinsicht SUVA

Regeste
Sachverhalt
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. a) Nach Art. 73bis Abs. 1 IVV hat die Invalidenversicherungs-K ...
2. a) Die Invalidenversicherungs-Kommission hat den Präsidia ...
3. a) Die Vorinstanz hat den Rückweisungsentscheid im wesent ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher  
 
32. Urteil vom 17. Juli 1990 i.S. Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen gegen H. und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
 
 
Regeste
 
Art. 4 BV, Art. 73bis IVV: Rechtliches Gehör; Heilung einer Verletzung des Gehörsanspruchs.  
 
Sachverhalt
 
BGE 116 V, 182 (182)A.- Max H. leitete selbständig eine Firma für Gebäudeunterhalt. Am 1. September 1982 erlitt er bei einem Sturz von einer Leiter eine Brustwirbelkörperfraktur, woraus ein chronisches lumbovertebrales Schmerzsyndrom resultierte. Bis Ende Februar 1983 war Max H. vollständig arbeitsunfähig, danach begann er seine Tätigkeit auf die Restaurierung von Möbeln umzustellen. Die BGE 116 V, 182 (183)Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen sprach ihm mit Verfügungen vom 7. November 1984 und 22. Dezember 1986 auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 75% bzw. 85% eine ganze Invalidenrente ab 1. August 1983 zu.
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Am 10. März 1987 leitete die Verwaltung ein Revisionsverfahren ein. Die Invalidenversicherungs-Kommission holte u.a. einen Bericht der Regionalstelle in St. Gallen (vom 24. April 1987), ein Zeugnis des Hausarztes Dr. med. A. vom 25. September 1987 sowie die Buchhaltungsunterlagen der Jahre 1984 bis 1986 ein und klärte die Verhältnisse an Ort und Stelle ab (Bericht vom 4. März 1988). Gestützt darauf setzte sie mit Beschluss vom 22. März 1988 den Invaliditätsgrad neu auf 46% fest, was sie dem Versicherten mit Vorbescheid vom 19. April 1988 mitteilte. Gleichzeitig eröffnete sie ihm die Möglichkeit, sich innert 14 Tagen schriftlich oder mündlich zur Sache zu äussern. Mit Eingabe vom 25. April 1988 ersuchte der Vertreter des Versicherten um Aktenzustellung, damit er zur vorgesehenen Rentenkürzung Stellung nehmen könne. Ohne das Begehren beantwortet zu haben, setzte die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen mit Verfügung vom 26. Mai 1988 die Invalidenrente ab 1. Juli 1988 auf eine Viertelsrente herab. Einer allfälligen Beschwerde entzog sie die aufschiebende Wirkung. Am 3. Juni 1988 stellte sie die Akten dem Vertreter des Versicherten zu. Gleichzeitig teilte sie in Ergänzung der Verfügung vom 26. Mai 1988 mit, auf welchen Einkommenszahlen die Invaliditätsbemessung beruhe.
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B.- Max H. liess gegen die Verfügung vom 26. Mai 1988 Beschwerde führen. Nebst der Wiederherstellung der entzogenen aufschiebenden Wirkung, welches Begehren mit Zwischenentscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 29. Juli 1988 und Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 23. Februar 1989 gutgeheissen wurde, beantragte er die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Rückweisung der Sache zur Durchführung eines neuen Verfahrens und zu neuem Entscheid; insbesondere sei er "in die Lage zu versetzen, sich vor der Vorinstanz zum vollständigen Abklärungsresultat sowie zum Vorbescheid zu äussern". Zur Begründung liess er im wesentlichen vorbringen, die Verwaltung habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie ihm den Bericht über die Abklärungen an Ort und Stelle vom 4. März 1988 nur unvollständig unterbreitet habe, den Beschluss vom 22. März 1988 vor Eingang seiner diesbezüglichen Stellungnahme (vom 27. März 1988) formuliert und die BGE 116 V, 182 (184)Verfügung vom 26. Mai 1988 erlassen habe, ohne ihm Gelegenheit zur Akteneinsicht und zur mit Schreiben vom 25. April 1988 in Aussicht gestellten Vernehmlassung einzuräumen.
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Mit Entscheid vom 22. Juni 1989 bejahte das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen das Vorliegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, hob die angefochtene Verfügung auf und wies die Sache an die Invalidenversicherungs-Kommission zurück, damit sie dem Versicherten Gelegenheit gebe, sich vor erneuter Beschlussfassung zur geplanten Erledigung des Verfahrens materiell zu äussern.
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C.- Die Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei an das Versicherungsgericht zur materiellen Beurteilung zurückzuweisen.
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Während das Versicherungsgericht auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, äussert sich das Bundesamt für Sozialversicherung in gutheissendem Sinne, enthält sich jedoch eines formellen Antrags. Max H. lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.
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Auf die einzelnen Vorbringen in den Rechtsschriften wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
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Diese Bestimmung bezweckt im wesentlichen, dem Versicherten den Anspruch auf rechtliches Gehör in dem von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung umschriebenen Sinne zu gewährleisten (BGE 116 V 33 Erw. 4a). Danach dient das rechtliche Gehör einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des einzelnen eingreift (BGE 112 Ia 3 mit Hinweisen). Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheides zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise BGE 116 V, 182 (185)beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 115 Ia 11 Erw. 2b und 96 Erw. 1b, BGE 114 Ia 99 Erw. 2a, BGE 112 Ia 3, BGE 111 Ia 103 Erw. 2b, BGE 109 Ia 5 und 233 Erw. 5b, BGE 106 Ia 162 Erw. 2b; vgl. auch HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, S. 128 ff.; SALADIN, Das Verwaltungsverfahren des Bundes, S. 131 ff.; TINNER, Das rechtliche Gehör, in ZSR 83/1964 II S. 330 ff.; MÜLLER/MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil, S. 239 ff.; COTTIER, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 4 BV, in recht 1984, S. 1 ff.; MÜLLER, in Kommentar zur BV, Art. 4, Rz. 104 ff.; GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. 1, S. 373 ff., insbesondere S. 380 ff.). Die Frage einer allfälligen Verletzung des Gehörsanspruchs kann der Sozialversicherungsrichter grundsätzlich nicht nur aufgrund von Parteibehauptungen und im Rahmen gestellter Rechtsbegehren, sondern auch von Amtes wegen prüfen ("iura novit curia"; BGE 107 V 248 Erw. 1b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 115 Ia 96 Erw. 1b und BGE 105 Ia 196). Zwar hat eine Partei grundsätzlich keinen Anspruch, zur rechtlichen Würdigung von (ihr bekannten) Tatsachen oder, ganz allgemein, zur juristischen Begründung des Entscheides angehört zu werden. Beabsichtigt der Richter jedoch, das Urteil auf juristische Argumente abzustützen, welche im vorangehenden Verfahren weder erwähnt noch von einer der beteiligten Parteien geltend gemacht wurden und mit deren Heranziehung sie auch nicht rechnen mussten, so hat er (zumindest der dadurch beschwerten Partei) Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen (vgl. BGE 115 Ia 96 Erw. 1b mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung).
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b) Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung (BGE 115 V 305 Erw. 2h mit Hinweisen). Es kommt mit anderen Worten nicht darauf an, ob die Anhörung im konkreten Fall für den Ausgang der materiellen Streitentscheidung von Bedeutung ist, d.h. die Behörde zu einer Änderung ihres Entscheides veranlasst wird oder nicht.
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Laut ständiger Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts kann eine - nicht besonders schwerwiegende (BGE 116 V 32 Erw. 3, BGE 115 V 305 Erw. 2h) - Verletzung des rechtlichen Gehörs dann als geheilt gelten, wenn der Betroffene die Möglichkeit erhält, sich vor einer BGE 116 V, 182 (186)Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann (BGE 103 V 133 Erw. 1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 114 Ia 18 Erw. 2c mit weiteren Hinweisen sowie BGE 107 V 249 Erw. 3 und BGE 104 V 155 oben; ZAK 1986 S. 62 Erw. 2). Die Heilung eines - allfälligen - Mangels soll aber die Ausnahme bleiben (BGE 116 V 32 Erw. 3, BGE 108 V 137 Erw. 3c/aa mit Hinweisen). Ein Anspruch auf einen materiellen Entscheid der Rechtsmittelinstanz besteht im Falle einer Gehörsverletzung nicht (unveröffentlichtes Urteil B. vom 30. Januar 1990).
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2. a) Die Invalidenversicherungs-Kommission hat den Präsidialbeschluss vom 22. März 1988 korrekterweise dem Beschwerdegegner zur Stellungnahme unterbreitet. In der Folge hat sie jedoch das innert der angesetzten Vernehmlassungsfrist eingegangene Schreiben seines Vertreters, worin dieser um Aktenedition ersuchte und klar zum Ausdruck brachte, dass er sich zur vorgesehenen Rentenrevision zu äussern beabsichtige, unbeachtet gelassen und den Beschluss an die Ausgleichskasse weitergeleitet, worauf diese am 26. Mai 1988 die Rentenherabsetzung verfügte. Dieses Vorgehen der Verwaltung stellt eine Missachtung der in Art. 73bis Abs. 1 IVV zwingend vorgeschriebenen (nicht publiziertes Urteil E. vom 6. April 1990) Anhörungspflicht und damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, welcher Verfahrensmangel in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde denn auch zu Recht nicht bestritten wird.
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b) Es fragt sich jedoch, ob die Ausgleichskasse bzw. die Invalidenversicherungs-Kommission zu verpflichten ist, entsprechend der vorinstanzlichen Anordnung dem Beschwerdegegner das rechtliche Gehör zu gewähren, oder ob - in Heilung des begangenen Verfahrensfehlers - das Versicherungsgericht zum materiellen Entscheid anzuhalten ist.
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b) Demgegenüber stellt sich die Ausgleichskasse in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf den Standpunkt, die Verletzung des rechtlichen Gehörs sei im kantonalen Verfahren geheilt worden, da der Beschwerdegegner Gelegenheit gehabt habe, die vollständigen BGE 116 V, 182 (187)Akten einzusehen und sich zum Ergebnis des Revisionsverfahrens vor einer mit voller Kognitionsbefugnis ausgestatteten Instanz zu äussern. Der vorinstanzliche Rückweisungsentscheid widerspreche der Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts, wonach bei diesen Voraussetzungen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt gelte.
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c) Wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat, kann es nicht der Sinn des durch die Rechtsprechung geschaffenen Instituts der Heilung des rechtlichen Gehörs sein, dass Verwaltungsbehörden sich über den elementaren Grundsatz des rechtlichen Gehörs hinwegsetzen und darauf vertrauen, dass solche Verfahrensmängel in einem vom durch den Verwaltungsakt Betroffenen allfällig angehobenen Gerichtsverfahren dann schon behoben würden (vgl. in diesem Sinne auch PVG 1987 Nr. 84 S. 180). Der Umstand, dass eine solche Heilungsmöglichkeit besteht, rechtfertigt es nicht, auf die Anhörung des Betroffenen vor Erlass einer Verfügung zu verzichten. Denn die nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs bildet häufig nur einen unvollkommenen Ersatz für eine unterlassene vorgängige Anhörung (BGE 105 Ia 197 Erw. 1b/cc). Abgesehen davon, dass ihm dadurch eine Instanz verlorengehen kann, wird dem Betroffenen zugemutet, zur Verwirklichung seiner Mitwirkungsrechte ein Rechtsmittel zu ergreifen, was nicht zuletzt auch dem Zweck von Art. 73bis IVV, nämlich die Anzahl der Beschwerdefälle zu reduzieren und das "Verhältnis zwischen Bürger und Staat menschlicher" zu gestalten (ZAK 1987 S. 138), zuwiderläuft (bereits zitiertes Urteil E. vom 6. April 1990; vgl. auch MÜLLER, a.a.O., Art. 4, Rz. 103).
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d) Das Eidg. Versicherungsgericht hat im unveröffentlichten Urteil M. vom 6. April 1990 festgehalten, dass von der Rückweisung der Sache zur Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Verwaltung nach dem Grundsatz der Verfahrensökonomie dann abzusehen ist, wenn dieses Vorgehen zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (gleichlaufenden und der Anhörung gleichgestellten) Interesse des Versicherten an einer möglichst beförderlichen Beurteilung seines Anspruchs nicht zu vereinbaren sind (vgl. COTTIER, a.a.O., S. 12). Diese Situation ist hier nicht gegeben. Gemäss dem in der vorliegenden Sache ergangenen Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 23. Februar 1989 hätte die Verwaltung die revisionsweise Herabsetzung auf eine Viertelsrente nicht verfügen dürfen, ohne vorher die Voraussetzungen für einen allfälligen BGE 116 V, 182 (188)Härtefall zu prüfen. Dies wird somit nachzuholen sein. Entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung widerspräche es daher der Verfahrensökonomie, wenn das kantonale Versicherungsgericht vorerst materiell über die angefochtene Verfügung befinden und - entsprechend dem erwähnten Urteil vom 23. Februar 1989 - die Sache erneut an die Verwaltung zurückweisen würde.
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Nach dem Gesagten ist der vorinstanzliche Rückweisungsentscheid vom 22. Juni 1989 zu bestätigen. Die Invalidenversicherungs-Kommission hat dem Beschwerdegegner entsprechend der vorinstanzlichen Anordnung das rechtliche Gehör zu gewähren, und die Ausgleichskasse wird anschliessend neu zu verfügen haben.
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