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Informationen zum Dokument  BGE 119 V 385  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
4. a) Was die 1986 bis 1988 ausgerichteten Déplacementspes ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
55. Auszug aus dem Urteil vom 29. Juni 1993 i.S. Gemeinde Z. gegen Kantonale Ausgleichskasse des Wallis und Kantonales Versicherungsgericht, Sitten
 
 
Regeste
 
Art. 5 Abs. 4 AHVG, Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV.  
- Die in casu an alle Arbeitnehmer mit eigenem Haushalt entrichtete Zulage ist in jenen Fällen von der Beitragspflicht befreit, in denen die Bezüger  
- verheiratet sind oder  
- ledig, verwitwet oder geschieden sind und mit Kindern zusammenleben.  
- Insofern Rz. 2121 letzter Satz der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherung über den massgebenden Lohn (WML), gültig ab 1. Januar 1987, dem widerspricht, erweist sich diese Verwaltungsweisung als gesetzes- und verordnungswidrig.  
 
BGE 119 V, 385 (386)Aus den Erwägungen:
 
4. a) Was die 1986 bis 1988 ausgerichteten Déplacementspesen anbelangt, ist Verwaltung und Vorinstanz beizupflichten, dass sie zum beitragspflichtigen Erwerbseinkommen gehören. Sie sind gestützt auf eine frühere Arbeitgeberkontrolle schon 1984 und 1985 zum massgebenden Lohn gerechnet worden. Gemäss Darstellung in der vorinstanzlichen Replik vom 28. März/2. April 1991 sind die vormals ausgerichteten Déplacemententschädigungen jedem Arbeitnehmer ausbezahlt worden. Demgegenüber hätten auf die am 1. Januar 1989 neu eingeführten Haushaltszulagen nur jene Angestellten Anspruch, welche einen eigenen Haushalt führten. Aus dieser Umschreibung der Anspruchsberechtigung für die neuen gewährten Zulagen ist indirekt zu schliessen, dass den zuvor entrichteten pauschalen Déplacementspesen der Charakter von Familienzulagen im Sinne von Haushaltszulagen abgeht. Eine Entschädigung, deren Ausrichtung nicht an der Führung und den Kosten eines eigenen Haushaltes anknüpft, sondern jedem Arbeitnehmer ausgerichtet wird, kann nicht unter den Begriff der Sozialleistung im Sinne von Art. 5 Abs. 4 AHVG und Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV fallen. Diesbezüglich ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen.
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b) Anders verhält es sich mit den Haushaltszulagen, wie sie die Gemeinde Z. seit 1. Januar 1989 ihren Arbeitnehmern entrichtet. Mit BGE 119 V, 385 (387)der sozialen Ausrichtung, die damit verbunden ist, hat sich die Rechtsnatur dieser Zulage im Vergleich zur abgelösten pauschalen Déplacementspesenvergütung wesentlich gewandelt. Der Charakter einer Familienzulage in Gestalt einer Haushaltszulage nach Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV kann der neuen Entschädigung nicht mehr abgesprochen werden. An dieser allgemeinen sozialen Ausrichtung vermag der Umstand, dass der Kreis der Anspruchsberechtigten (immer noch) weiter gezogen ist, als durch Verwaltungspraxis und Rechtsprechung festgelegt, nichts zu ändern. Es kommt hiebei auf den allgemeinen Charakter der Zulage an, die überdies noch besonderen Anforderungen (zusätzliche, feste Leistung zum Lohn, von diesem unabhängig und für alle Anspruchsberechtigten von gleicher Höhe in orts- oder branchenüblichem Rahmen) genügen muss, welche vorliegend unbestritten erfüllt sind. Es gebietet sich daher, in all jenen Fällen, wo Haushaltszulagen ausgerichtet werden an verheiratete Arbeitnehmer oder an ledige, verwitwete oder geschiedene Arbeitnehmer, die mit Kindern zusammenleben, diese Sozialleistungen als beitragsbefreit zu betrachten. Insofern Rz. 2121 letzter Satz WML dem widerspricht, erweist sich diese Verwaltungsweisung als gesetzes- und verordnungswidrig.
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Die bundesamtliche Argumentation mit dem gleichen Beitragsobjekt ist nicht stichhaltig. Nach KÄSER (Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, Rz. 3.1) wird mit dem Beitragsobjekt die Grundlage der Beitragsbemessung umschrieben, bei erwerbstätigen Versicherten das Erwerbseinkommen. Ob von einem Arbeitgeber ausgerichtete Haushaltszulagen in den massgebenden Lohn einzubeziehen oder davon auszunehmen sind, ist nicht generell-abstrakt nach der einschlägigen Besoldungs- oder Zulagenordnung, sondern konkret nach Massgabe von Gesetz, Verwaltungspraxis und Rechtsprechung zu beurteilen. Die AHV-rechtliche Beitragsbefreiung gilt zwar nur, aber immerhin für Haushaltszulagen, "soweit ihnen der Charakter von Familienzulagen beizumessen ist" (BGE 110 V 233 Erw. 3c). Dies bedingt im Einzelfall eine Abklärung, ob die Befreiungsvoraussetzungen gegeben sind. Möglicherweise stehen hinter den Ausführungen des BSV Praktikabilitätsüberlegungen, die jedoch nicht durchschlagend sind. Die Gemeinde Z. als Arbeitgeberin ist übrigens zur Mitwirkung bei der Abklärung verpflichtet. Die Beschwerdeführerin beruft sich nicht zu Unrecht auf BGE 110 V 229 bzw. den Kollektiv-Arbeitsvertrag der Ciba-Geigy Werke Schweizerhalle AG, dessen Familienzulagenordnung nebst eigentlichen, beitragsbefreiten Sozialleistungen auch BGE 119 V, 385 (388)Familienzulagen beinhaltete, die im Sinne der AHV-Gesetzgebung als solche nicht anerkannt werden konnten; dieser Fall gab Anlass zur Rückweisung zwecks Individualisierung, bei welchen Arbeitnehmern der Tatbestand der Beitragsbefreiung erfüllt sei (Erw. 4b und c).
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c) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird schliesslich gerügt, die Vorinstanzen legten Art. 6 Abs. 2 lit. f AHVV bzw. die WML so aus, dass bei verheirateten Arbeitnehmern/-innen die Haushaltszulage nur dann nicht zum massgebenden Lohn addiert werde, wenn auch diese mit Kindern im gemeinsamen Haushalt lebten. Der Relativsatz "die mit Kindern zusammenleben" werde mithin nicht nur auf die ledigen, verwitweten oder geschiedenen Arbeitnehmer bezogen, sondern auch auf die verheirateten. Diese Auslegung widerspreche inhaltlich der Wegleitung sowie auch der Praxis gemäss BGE 110 V 229. Dort habe das Eidg. Versicherungsgericht diesbezüglich ausgeführt, den Charakter einer Familienzulage erhalte die Haushaltszulage erst dadurch, dass der Arbeitnehmer mit Familienangehörigen einen gemeinsamen Haushalt führe, was bei unverheirateten Arbeitnehmern mit Kindern nur der Fall sei, wenn sie mit einem oder mehreren Kindern zusammenlebten (S. 233 Erw. 3c). Die Verwaltungspraxis, dergemäss Haushaltszulagen an ledige, verwitwete oder geschiedene Arbeitnehmer von der Beitragspflicht nur befreit seien, wenn der Bezüger mit Kindern zusammenlebe, erweise sich nicht als gesetzes- oder verordnungswidrig (S. 234 Erw. 3c). Hieraus erhelle aber, dass das Erfordernis des gemeinsamen Zusammenlebens mit Kindern nur für ledige, verwitwete oder geschiedene Arbeitnehmer erforderlich sei, während verheiratete Arbeitnehmer, welche mit ihrem Partner in einem gemeinsamen Haushalt lebten, selbstredend auch dann in den Genuss der beitragsfreien Haushaltszulage gelangen könnten, wenn sie nicht oder nicht mehr mit gemeinsamen Kindern zusammenlebten. Der Ehepartner sei mithin anstelle der Kinder "Familienangehöriger" im Sinne des Gesetzes bzw. der Wegleitung. Es sei daher unzulässig gewesen, bei dieser Personengruppe, welche im Zeitpunkt der Veranlagung mindestens zwölf Arbeitnehmer umfasst habe, die Haushaltszulagen beitragsrechtlich nachzuerfassen.
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Dieser Einwand der Beschwerdeführerin ist insoweit begründet, als kein Zweifel besteht, dass eine Haushaltszulage, die einem verheirateten, mit dem Ehepartner einen gemeinsamen Haushalt führenden Arbeitnehmer ausgerichtet wird, auch dann beitragsfrei ist, wenn das Paar nicht oder nicht mehr mit Kindern zusammenlebt. Abweichendes hat übrigens das kantonale Gericht nicht angenommen, BGE 119 V, 385 (389)sollen doch auch nach seiner Auffassung Haushaltszulagen zusätzliche Aufwendungen abgelten, wenn der Arbeitnehmer "mit Frau oder Kindern im gleichen Haushalt lebt" (S. 5 des vorinstanzlichen Entscheides vom 12. Juni 1992). Etwas anderes lässt sich jedenfalls BGE 110 V 233 f. Erw. 3c nicht entnehmen. Für die Richtigkeit dieses Rechtsstandpunktes spricht im übrigen auch die Grundkonzeption, welche der Regelung der Haushaltungszulage nach Art. 3 Abs. 1 lit. a FLG sowie der Haushaltungsentschädigung in der Erwerbsersatzordnung (Art. 4 Abs. 1 EOG) und in der Invalidenversicherung (Art. 23 IVG) zugrunde liegt (vgl. BGE 110 V 234 Erw. 3c). Entgegen der bundesamtlichen Vernehmlassung unterliegen daher Haushaltszulagen nicht nur dann nicht der Beitragspflicht, wenn der Bezüger "einen eigenen Haushalt führt und mit Kindern zusammenlebt".
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d) Verwaltung und Vorinstanz haben, weil sie den Familien- bzw. Haushaltszulagencharakter generell verneinen, bei den einzelnen Zulagenempfängern die Voraussetzungen der Beitragsbefreiung nicht abgeklärt. Im Hinblick auf die rechtlich erforderliche differenzierte Betrachtungsweise ist somit der Sachverhalt vorliegend unvollständig festgestellt. Die Sache ist daher im Sinne der Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin an die Ausgleichskasse zurückzuweisen, damit diese nach ergänzenden Abklärungen zu den 1989 ausgerichteten Zulagen über die Nachforderung neu verfüge.
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