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Informationen zum Dokument  BGE 139 V 492  Materielle Begründung
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Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
Erwägung 4
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64. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. S. gegen Stadt Zürich, Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_520/2013 vom 23. Oktober 2013
 
 
Art. 47 ATSG; Art. 8 DSG; § 20 des kantonalzürcherischen Gesetzes vom 12. Februar 2007 über die Information und den Datenschutz (IDG); Art. 55 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 und Art. 46 VwVG; Erledigung eines Gesuchs um Zusendung der Verfahrensakten in Fotokopie durch Zwischenverfügung.
 
 
Art. 46 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 VwVG.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 139 V, 492 (493)Rechtsanwalt W. vertritt S. in einem Verfahren um Ergänzungsleistungen (EL). Mit Schreiben vom 1. Februar und 6. März 2013 ersuchte der Rechtsvertreter das zuständige Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich, ihm die gesamten Verfahrensakten in Fotokopie zuzustellen. Die Verwaltung lehnte dies ab und bot die Zusendung der Originalakten an; wahlweise könne der Rechtsvertreter auch vor Ort Akteneinsicht nehmen (Schreiben vom 27. Februar und 5. März 2013). Auf Verlangen des Rechtsvertreters hin erliess das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV am 15. März 2013 eine Verfügung, in welcher es das Gesuch um Zustellung von Aktenkopien abwies.
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Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich trat auf die gegen die Verfügung vom 15. März 2013 erhobene Beschwerde nicht ein (Verfügung vom 21. Mai 2013).
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Handelnd durch Rechtsanwalt W. führt S. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 3
 
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Der Beschwerdeführer macht geltend, nach BGE 127 V 219 E. 1b S. 223 könne das Akteneinsichtsrecht unabhängig von einem Leistungsstreit ausgeübt werden. Aus diesem Grund handle es sich bei der strittigen Verweigerung einer Zustellung von Aktenkopien nicht um eine Zwischen-, sondern um eine Endverfügung.
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3.2 So verhält es sich indes nicht: Zwar besteht das Auskunftsrecht nach Art. 8 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) bzw., im vorliegenden Zusammenhang, nach § 20 Abs. 2 des kantonalzürcherischen Gesetzes vom 12. Februar 2007 über die Information und den Datenschutz (IDG; LS 170.4) unabhängig von versicherungsrechtlichen Ansprüchen (vgl. BGE 123 II 534 E. 2e S. 538). Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht und das verfahrensrechtliche Akteneinsichtsrecht sind jedoch selbständige Ansprüche, die hinsichtlich Umfang und Voraussetzungen nicht deckungsgleich sind, das heisst je ihren besonderen Anwendungsbereich haben, der vom anderen Anspruch nicht beschlagen wird (BGE 125 II 473 E. 4a S. 475). Der datenschutzrechtliche Anspruch kommt (nur) so weit zum Tragen, als es den einschlägigen Zielsetzungen entspricht. Das Auskunftsrecht nach Art. 8 DSG ist dazu bestimmt, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, seine übrigen Datenschutzrechte wahrzunehmen (BGE 125 II 473 E. 4b S. 476; GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, in: Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, Maurer-Lambrou/Vogt [Hrsg.], 2. Aufl. 2006, N. 1 f. zu Art. 8 DSG; DAVID ROSENTHAL, in: Handkommentar zum Datenschutzgesetz, Rosenthal/Jöhri [Hrsg.], 2008, N. 1 zu Art. 8 DSG). Hier ist die Akteneinsicht ausschliesslich in der Verfolgung eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruchs begründet, also verfahrensrechtlicher Natur (§ 20 Abs. 3 IDG; vgl. auch BGE 127 V 219 E. 1b S. 223). Werden keine weitergehenden rechtlich geschützten Interessen verfolgt, so kommt der Akteneinsicht keine zusätzliche, datenschutzrechtliche Dimension zu.
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BGE 139 V, 492 (495)Erwägung 4
 
4.1 Handelt es sich beim vorinstanzlich angefochtenen Verwaltungsakt vom 15. März 2013 demnach um eine Zwischenverfügung, konnte sich das kantonale Gericht nur mit der dort behandelten Frage befassen, falls ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohte (Art. 46 Abs. 1 lit. a VwVG; vgl. auch § 13 Abs. 2 des kantonalzürcherischen Gesetzes vom 7. März 1993 über das Sozialversicherungsgericht [GSVGer; LS 212.81]). Die Zustellung der Originalakten anstelle von Kopien mag dem Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertreter als administratives Erschwernis erscheinen; ein nicht wieder gutzumachender Nachteil kann aber jedenfalls insofern nicht gegeben sein, als diese Modalität der Akteneinsicht deren materiellen Umfang - und damit das rechtliche Gehör des Leistungsansprechers - von vornherein nicht zu beeinträchtigen vermag.
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4.2 Nach Art. 46 Abs. 2 VwVG ist eine Zwischenverfügung, die selber nicht anfechtbar war, durch Beschwerde gegen die Endverfügung anfechtbar, wenn sie sich auf den Inhalt der Endverfügung auswirkt. Im Unterschied zu einer materiellen Beschränkung des Akteneinsichtsrechts, die auch noch bei der Anfechtung des Endentscheids voll wirksam gerügt werden kann (Urteil 2C_599/2007 vom 5. Dezember 2007 E. 2.2), und anders auch als beispielsweise die Anordnung eines medizinischen Gutachtens (BGE 137 V 210 E. 3.4.2.7 S. 256) kann sich die hier strittige Art der Gewährung von Akteneinsicht von vornherein nicht inhaltlich auf die Rechtsanwendung auswirken. Eine im Sinne von Art. 46 Abs. 2 VwVG aufgeschobene Anfechtungsmöglichkeit fällt damit ausser Betracht. Bei einer antragsgemäss lautenden Endverfügung entfiele die Beschwerdelegitimation des Verfügungsempfängers ohnehin, weil er nicht berührt wäre und kein schutzwürdiges Interesse an einer Aufhebung oder Änderung der Verfügung hätte (Art. 59 ATSG).
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Angesichts dieser Ausgangslage macht der Beschwerdeführer geltend, die Frage eines Anspruchs auf Fotokopien der Akten könne sich jederzeit und unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen, weshalb ihre Beantwortung von grundsätzlicher Bedeutung sei und daran ein öffentliches Interesse bestehe. Zu prüfen ist, ob im Interesse der Gewährleistung von Rechtsschutz ausnahmsweise vom Erfordernis eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils abzusehen sei, so wie die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Beschwerdelegitimation mitunter auf das Erfordernis eines aktuellen praktischen Interesses verzichtet, wenn ansonsten eine bestimmte BGE 139 V, 492 (496)Frage mit grundsätzlicher Bedeutung kaum je gerichtlich beurteilt werden könnte (vgl. BGE 135 II 430 E. 2.2 S. 434 mit Hinweisen). Ein solcher Ausnahmerechtsweg drängt sich indes nicht auf, denn die Akteneinsicht ist, wie schon erwähnt, nicht in ihrer materiellen Substanz tangiert. Geht es, wie hier, bloss um die Art und Weise ihrer Ausübung, handelt es sich nicht um ein Problem der Verfahrensbeteiligung einer Partei, sondern um ein solches der zweckmässigen Verwaltung und ihres Umgangs mit versicherten Personen und deren Rechtsvertretern. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung des Rechtes auf eine wirksame Beschwerde (Art. 13 EMRK) im Hinblick auf eine in Art. 6 Ziff. 1 EMRK verbriefte Verfahrensgarantie fällt somit nicht in Betracht. Das Anliegen des Beschwerdeführers ist allenfalls auf dem Weg der Aufsichtsbeschwerde zu verfolgen (Art. 71 VwVG; vgl. OLIVER ZIBUNG, in: Praxiskommentar zum VwVG, Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], 2009, N. 11 zu Art. 71 VwVG).
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