VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer P 44/2001  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer P 44/2001 vom 10.03.2003
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
P 44/01
 
Urteil vom 10. März 2003
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin Amstutz
 
Parteien
 
L.________, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Ausgleichskasse Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109,
 
4102 Binningen, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal
 
(Entscheid vom 4. April 2001)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Verfügung vom 7. Juli 2000 verneinte die Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft nach revisionsweiser Überprüfung (infolge Ehescheidung) den Anspruch des 1927 geborenen L.________ auf Ergänzungsleistungen zur Altersrente rückwirkend ab 1. Januar 2000; dies aufgrund eines ermittelten Einnahmenüberschusses von Fr. 5'289.-, welcher sich aus der Anrechnung eines mit Fr. 12'000.- jährlich bewerteten Vermögensverzichts ergeben hatte. Ebenfalls mit Verfügung vom 7. Juli 2000 forderte die Ausgleichskasse die von 1. Januar bis 31. März 2000 ausbezahlten Ergänzungsleistungen im Betrag von Fr. 2'031.- zurück.
 
B.
 
Die gegen die beiden Verfügungen vom 7. Juli 2000 erhobene Beschwerde des L.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft (heute: Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht) mit Entscheid vom 4. April 2001 ab.
 
C.
 
L.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sowie der beiden Verfügungen der Ausgleichskasse vom 7. Juli 2000 seien ihm ab 1. Januar 2000 weiterhin Ergänzungsleistungen zuzusprechen. Zur Begründung seines Rechtsbegehrens führt er an, ein anrechenbarer Vermögensverzicht in der Höhe von Fr. 12'000.- liege nicht vor, weshalb sich der angenommene Einnahmenüberschuss als unrichtig erweise.
 
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Ergänzungsleistungen, insbesondere die Frage, ob Vorinstanz und Verwaltung das dem Beschwerdeführer im Rahmen der Entäusserung seiner Liegenschaft im Jahre 1993 auf Lebenszeit eingeräumte, faktisch indessen nie ausgeübte unentgeltliche Wohnrecht zu Recht unter dem Titel des Vermögensverzichts mit Fr. 12'000.- als anspruchsrelevantes (hypothetisches) Einkommen angerechnet haben.
 
2.
 
2.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Ergänzungsleistungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 7. Juli 2000) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar.
 
2.2 Gemäss Art. 2 Abs. 1 ELG haben in der Schweiz wohnhafte Schweizer Bürgerinnen und Bürger mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz Anspruch auf Ergänzungsleistungen, wenn sie eine der Voraussetzungen nach den Art. 2a bis 2d ELG erfüllen und die gesetzlich anerkannten Ausgaben (Art. 3b ELG) die anrechenbaren Einnahmen (Art. 3c ELG) übersteigen.
 
2.3 Bei der Berechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen sind grundsätzlich nur tatsächlich vorhandene Einnahmen und Vermögenswerte zu berücksichtigen (Urteil V. vom 19. Februar 2002 [P 46/00]; in BGE 110 V 21 Erw. 3 zitierte unveröffentlichte und seither ergangene Urteile). Eine Ausnahme gilt nur für Tatbestände, die als Vermögensverzicht zu werten sind; diesfalls erfolgt auch eine Anrechnung nicht vorhandener Vermögenswerte bzw. nicht erzielter Einnahmen (Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG). Eine Verzichtshandlung liegt unter anderem dann vor, wenn der Versicherte ohne rechtliche Verpflichtung und ohne adäquate Gegenleistung Vermögen abgetreten bzw. übertragen hat, wenn er einen Rechtsanspruch auf bestimmte Einkünfte und Vermögenswerte hat, davon aber praktisch nicht Gebrauch macht bzw. seine Rechte nicht durchsetzt, oder wenn er aus von ihm zu verantwortenden Gründen von der Ausübung einer möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit absieht (BGE 121 V 205 Erw. 4a, AHI 2001 S. 133 Erw. 1b, je mit Hinweisen). Als Vermögensverzicht gilt namentlich auch die Nichtbeanspruchung eines lebenslänglich eingeräumten Wohnrechts, wobei das verzichtete Wohnrecht rechtsprechungsgemäss als Einkommen - und nicht als (amortisierbares) Vermögen - anzurechnen ist (BGE 122 V 402 Erw. 6b).
 
2.4 Gemäss Art. 17 Abs. 5 ELV (eingefügt durch Verordnungsänderung vom 16. September 1998, in Kraft seit 1. Januar 1999, AS 1998 2582) ist bei der entgeltlichen oder unentgeltlichen Entäusserung eines Grundstücks für die Prüfung der Frage, ob ein Vermögensverzicht vorliegt, der Verkehrswert massgebend, d.h. der Verkaufswert einer Liegenschaft im normalen Geschäftsverkehr (BGE 120 V 12, SVR 1998 EL Nr. 5 S. 9, je mit Hinweisen). Dabei ist auf die kantonalen Bewertungsgrundsätze abzustellen (AHI 1998 S. 274 f.). Massgebend sind die Verhältnisse, wie sie im Zeitpunkt der Entäusserung bestanden haben (BGE 120 V 184 Erw. 4b). Analog zur Bewertung einer entäusserten Liegenschaft nach dem Verkehrswert ist bei der Bewertung des Wohnrechts (Gegenleistung) vom Marktmietwert - und nicht vom (steuerlichen) Eigenmietwert - auszugehen (BGE 122 V 398 Erw. 3a; SVR 2003 EL Nr. 1, S. 1 f. Erw. 1b).
 
3.
 
3.1 Im Kaufvertrag vom 11. Mai 1993 wurde der Verkaufspreis des vom Beschwerdeführer entäusserten Wohnhauses auf Fr. 489'800.- festgesetzt. Die Käuferin hat diesen zum einen durch Übernahme der Grundpfandschuld 1. Ranges zu Gunsten der Bank X.________ beglichen (nominell Fr. 410'000.-; effektiv Fr. 362'000.-), zum andern mittels Einräumung eines unentgeltlichen, lebenslänglichen Wohnrechts an der Dreizimmerwohnung im Erdgeschoss des Verkaufsobjekts abgegolten. Den Wert des am 12. Mai 1993 im Grundbuch eingetragenen Wohnrechts bezifferten die Vertragsparteien auf Fr. 12'000.- pro Jahr, was unter Berücksichtigung eines Kapitalisierungsfaktors von 10.65 (Barwerttafeln Stauffer/Schaetzle, 4. Auflage, Tafel 44, Zinsfuss 5 %) einen Betrag von Fr. 127'800.- ergab. Dass mit der Schuldübernahme und der Einräumung des lebenslänglichen Wohnrechts eine adäquate Gegenleistung für den Verkauf der Liegenschaft erbracht wurde und insoweit kein Vermögensverzicht vorliegt, wurde von den Parteien zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Die Akten geben keinen Anlass, diesen nicht strittigen Punkt einer näheren Prüfung zu unterziehen.
 
3.2 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er von dem ihm zustehenden Wohnrecht nie Gebrauch gemacht hat, nachdem er mit der Käuferin der Liegenschaft am 22. Mai 1993 dessen Nichtausübung bis zum Abschluss geplanter Renovationsarbeiten vereinbart hatte (unter Verzicht auf eine finanzielle Entschädigung) und es in der Folge aus persönlichen Gründen nie zur projektierten Wohnungserneuerung (bzw. -erweiterung) gekommen war. Diesen Sachumstand haben Vorinstanz und Verwaltung zutreffend als Vermögensverzicht im Sinne des Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG qualifiziert. Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiegegen erhobenen Einwände vermögen daran nichts zu ändern. Wohl ist angesichts der vom Beschwerdeführer geschilderten persönlichen Situation nachvollziehbar, dass er das ihm im Kaufvertrag vom 11. Mai 1993 eingeräumte Nutzniessungsrecht faktisch nie beansprucht hat. Ausschlaggebend ist jedoch allein, dass er - sei es tatsächlich oder aufgrund der mit der Käuferin der Liegenschaft am 22. Mai 1993 getroffenen Vereinbarung - im massgeblichen Zeitraum freiwillig auf die Ausübung bzw. Durchsetzung seines Wohnrechts verzichtet hat, obwohl ihm dies objektiv möglich und insbesondere nach dem Tod seiner mit ihm gemeinsam in M.________ wohnhaft gewesenen Lebensgefährtin auch subjektiv zumutbar gewesen wäre (Urteil G. vom 17. August 1989 [P 3/89] Erw. 4). Zu Recht macht der Beschwerdeführer nicht geltend, der Zustand der Wohnung hätte deren Bezug nicht zugelassen, ist sie doch, nachdem der Beschwerdeführer bis auf Weiteres auf die Ausübung seines Wohnrechts verzichtet hatte, seit 1. Februar 1994 stets vermietet gewesen und hat damit nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz als bewohnbar zu gelten.
 
3.3 Die Beschwerdegegnerin hat das verzichtete Wohnrecht gestützt auf den Kaufvertrag vom 11. Mai 1993 mit Fr. 12'000.- pro Jahr bewertet. Unter Berücksichtigung des im Jahre 1993 mit Dritten abgeschlossenen Mietvertrages, worin der monatliche Basismietpreis auf Fr. 1'070.- (zuzüglich Fr. 85.- Nebenkosten) festgelegt worden war, hat die Vorinstanz diesen Betrag für das hier zu beurteilende Jahr 2000 als angemessen erachtet und die EL-Berechnung der Beschwerdegegnerin vom 7. Juli 2000 mithin auch in diesem Punkt bestätigt.
 
Gemäss dem novellierten und für die EL-Berechnung des Jahres 2000 anwendbaren Art. 17 Abs. 5 ELV (Erw. 2.4) ist bei der Bewertung des Wohnrechts vom Marktmietwert im Jahre 1993 auszugehen. Ob dieser dem im Kaufvertrag von 1993 verankerten Wert von Fr. 12'000.- genau entspricht, lässt sich den verfügbaren Akten nicht entnehmen, bedarf indes keiner abschliessenden Prüfung. Denn es kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Marktmietwert der in der Stadt Y.________ lokalisierten 3-Zimmerwohnung (Renovation 1988/89; mit Waschküche und Kellerabteil; ruhiges Quartier) die für einen Einnahmenüberschuss massgebende Schwelle von Fr. 6'711.- (25'820.- [=anrechenbare Ausgaben] - 19'109.- [=anrechenbare Einnahmen ohne Berücksichtigung des Vermögensverzichts]) pro Jahr jedenfalls überschreitet.
 
Nach dem Gesagten ist der Anspruch auf Ergänzungsleistungen ab 1. Januar 2000 zu verneinen. Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz, worauf verwiesen werden kann, hält damit auch die am 7. Juli 2000 verfügte Rückforderung zu Unrecht bezogener Ergänzungsleistungen im Betrag von Fr. 2'031.- stand, wobei mit dem kantonalen Gericht auf die Möglichkeit der Einreichung eines Erlassgesuchs (Art. 27 ELV) hinzuweisen ist.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 10. März 2003
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).