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Informationen zum Dokument  BGer 6P.74/2003  Materielle Begründung
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BGer 6P.74/2003 vom 20.08.2003
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6P.74/2003 /kra
 
Urteil vom 20. August 2003
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Kolly, Karlen,
 
Gerichtsschreiber Borner.
 
Parteien
 
B.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Federspiel, Lindenstrasse 37, Postfach 356, 8034 Zürich,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
 
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, Postfach, 6002 Luzern.
 
Gegenstand
 
Art. 29 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 32 BV sowie Art. 9 BV, Art. 6 EMRK (Strafverfahren; rechtliches Gehör, Willkür),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom
 
18. Februar 2003.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Im Jahre 1998 reiste B.________ unter falschem Namen ohne das erforderliche Visum in die Schweiz ein und hielt sich in der Folge ohne entsprechende Bewilligung in der Schweiz auf.
 
B.________ organisierte und koordinierte als führendes Mitglied einer albanischen Bande zwischen August 1999 und März 2000 einen Drogenhandel mit insgesamt 15 Kilogramm Heroin- und Kokaingemisch. Die beträchtlichen Gewinne aus dem Drogenhandel flossen in erster Linie den Bandenführern zu. B.________ schickte mehrfach namhafte Beträge aus dem Drogenhandel nach Albanien.
 
B.
 
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern verurteilte B.________ am 14. Juni 2002 wegen mehrfacher schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 2 lit. a,b und c), mehrfacher Geldwäscherei nach Art. 305bis Ziff. 1 StGB und Widerhandlung gegen Art. 23 Abs. 1 ANAG zu neun Jahren Zuchthaus und verwies ihn für die Dauer von zwölf Jahren des Landes.
 
Auf Appellation des Verurteilten bestimmte das Obergericht des Kantons Luzern das Strafmass auf acht Jahre Zuchthaus und bestätigte im Übrigen den erstinstanzlichen Entscheid.
 
C.
 
B.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es seien die Akten an das Obergericht zurückzuweisen zwecks Korrektur der Mängel und Ausfällung eines milderen Urteils.
 
Das Obergericht beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen, kassatorischer Natur. Soweit der Beschwerdeführer mehr als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt, ist auf seine Rechtsbegehren nicht einzutreten (BGE 129 I 129 E. 1.2.1).
 
2.
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, ein Mittäter sei im erstinstanzlichen Verfahren für dieselben Delikte mit zwei Jahren weniger Zuchthaus bestraft worden, obwohl dieser nur in geringerem Umfang geständig gewesen sei als er. Vor Obergericht habe er ausdrücklich den Beizug der Verfahrensakten dieses Mittäters verlangt, da die Strafe für ihn in Relation zur Strafe für den Mittäter gesetzt werden müsse. Das Obergericht habe sich mit dieser Argumentation überhaupt nicht auseinandergesetzt und verkenne offenbar in willkürlicher Weise, dass sich ein Quervergleich zwischen ihm und dem Mittäter aufdränge. Indem es auf den Beizug der Akten verzichtet und ihm keine Akteneinsicht gewährt habe, habe es eine unzulässige und äusserst willkürliche antizipierte Beweiswürdigung zu seinen Lasten begangen. Damit habe es nicht nur sein Recht auf Akteneinsicht und auf rechtliches Gehör verletzt; das Obergericht verunmögliche mit seinem Vorgehen der Verteidigung vielmehr auch, seine Ungleichbehandlung im Vergleich zum Mittäter genauer zu substanziieren. Damit habe es gegen Art. 29 Abs. 2, Art. 29 Abs. 1 i.V.m. Art. 32 BV, Art. 6 EMRK sowie Art. 9 BV verstossen.
 
Im Zeitpunkt, als das Obergericht die Appellation des Beschwerdeführers zu beurteilen hatte, war das Verfahren des Mittäters vor Obergericht erst hängig. Zudem war dieses als Appellationsinstanz weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht an die erstinstanzlichen Urteile gebunden (§ 182 i.V.m. § 240 Abs. 1 des Gesetzes über die Strafprozessordnung vom 3. Juni 1957; StPO/LU). Mit anderen Worten hatte das Obergericht in freier Beweiswürdigung zunächst für den Fall des Beschwerdeführers die tatsächlichen Feststellungen im Zusammenhang mit den verschiedenen Strafzumessungsmerkmalen zu treffen; für den Fall des Mittäters war diesbezüglich noch gar nichts entschieden. Ein Vergleich der Strafzumessungen im Fall des Beschwerdeführers und im Fall des Mittäters wäre somit erst im Zeitpunkt der Beurteilung des Mittäters durch das Obergericht gestützt auf dessen tatsächliche Feststellungen und deren rechtliche Würdigung möglich gewesen. Mithin durfte das Obergericht die Verfahrensakten des Mittäters als nicht von Bedeutung bezeichnen und die Akteneinsicht ablehnen, ohne die gerügten verfassungsmässigen Rechte zu verletzen. Dass und inwiefern das Obergericht durch die getrennte Beurteilung der Fälle des Beschwerdeführers und des Mittäters verfassungsmässige Rechte des Beschwerdeführers verletzt haben sollte, macht dieser nicht geltend. Damit erweist sich die Beschwerde in diesem Punkt als unbegründet.
 
3.
 
Der Beschwerdeführer rügt, er sei im Vergleich zum Mittäter klar zu hoch bestraft worden. Damit liege konkret eine unzulässige Ungleichbehandlung und eine Verletzung von Art. 8 BV vor.
 
In der weiteren Begründung der Rüge macht der Beschwerdeführer geltend, ohne entsprechende Akteneinsicht könne jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass eine so genannt objektiv ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vorliege, die gegen Art. 9 BV verstosse. Soweit der Beschwerdeführer hier wiederum seinen Anspruch auf Akteneinsicht als verletzt betrachtet, kann auf E. 2 hievor verwiesen werden. Im Übrigen handelt es sich ausschliesslich um Rügen, die im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde vorgetragen werden können. Darauf ist im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nicht einzutreten (Art. 84 Abs. 2 OG).
 
4.
 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da seine Begehren von vornherein aussichtslos erschienen, ist das Gesuch abzuweisen (Art. 152 OG). Folglich wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Bei der Bemessung der Gerichtsgebühr ist jedoch seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. August 2003
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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