BGer 6S.244/2004 | |||
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BGer 6S.244/2004 vom 07.10.2004 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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6S.244/2004 /gnd
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Urteil vom 7. Oktober 2004
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Kassationshof
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Besetzung
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Bundesrichter Schneider, Präsident,
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Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
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Gerichtsschreiber Näf.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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A.________,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Ehrverletzung; Nichteintreten auf eine Anklage,
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Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer,
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vom 17. Mai 2004.
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Sachverhalt:
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A.
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A.a
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Mit Eingabe vom 11. September 2002 reichten X.________ und Y.________ beim Friedensrichteramt des Kreises 10 der Stadt Zürich eine Ehrverletzungsklage gegen Unbekannt ein. Sie erhoben darin Anklage und stellten Strafantrag wegen Verleumdung (Art. 174 StGB), eventuell übler Nachrede (Art. 173 StGB). Sie machten im Wesentlichen geltend, sie hätten erfahren, dass eine unbekannte Täterschaft gegen sie eine schriftliche Beschwerde beim Verein Zürcher Tierschutz wegen angeblich unzureichender Haltung von zwei Hunden eingereicht habe. Dieser unberechtigte Vorwurf verletze sie in ihrer Ehre. Nach Rücksprache mit Y.________ stellte der Friedensrichter den beiden Anklägern die Weisung aus. Darin wurde unter anderem festgehalten, dass keine Sühnverhandlung stattgefunden hatte. Am 17. September 2002 reichten X.________ und Y.________ ihre Anklageschrift zusammen mit der Weisung dem Bezirksgericht Zürich ein. Mit Präsidialverfügung vom 4. Oktober 2002 wurde die Anklage zugelassen und für das Verfahren eine Untersuchungsrichterin bestellt.
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Der Verein Zürcher Tierschutz händigte der Untersuchungsrichterin auf deren Aufforderung hin das fragliche Beschwerdeschreiben vom 26. August 2002 aus. Die Untersuchungsrichterin liess eine Kopie davon mit Verfügung vom 19. Dezember 2002 den Anklägern zukommen und forderte diese auf, dem Gericht innert 20 Tagen ab Zustellung der Verfügung darzutun, dass sie gegen die nunmehr bekannte Unterzeichnerin des Beschwerdeschreibens, A.________, beim zuständigen Friedensrichter das Sühnbegehren gestellt hätten. Bei Säumnis würde Verzicht auf Strafverfolgung von A.________ und Verzicht auf Weiterführung der vorliegenden Strafuntersuchung angenommen.
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A.b
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Mit Schreiben vom 29. Januar 2003 teilte Y.________ mit, dass er seine Anklage zurückziehe, da er im inkriminierten Beschwerde-schreiben nicht erwähnt werde. Er werde fortan X.________ vertreten. X.________ halte an ihrer Anklage vollumfänglich fest und erkläre nach Einsicht in das Beschwerdeschreiben vom 26. August 2002, dass es sich um A.________ handle, gegen die sie das Sühnbegehren vom 11. September 2002 beim zuständigen Friedensrichter gestellt habe. Im Schreiben vom 29. Januar 2003 wurde abschliessend darum ersucht, den gegen Unbekannt eingeleiteten Ehrverletzungsprozess nunmehr gegen die bekannt gewordene Angeklagte, A.________, weiterzuführen.
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A.c
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Mit Verfügung vom 11. Februar 2003 setzte die Untersuchungsrichterin der Anklägerin eine Frist bis zum 9. April 2003, um dem Gericht darzutun, dass sie das Sühnbegehren gegen A.________ beim zuständigen Friedensrichter gestellt habe. Bei Säumnis würde Verzicht auf Strafverfolgung von A.________ und Verzicht auf Weiterführung der vorliegenden Strafuntersuchung angenommen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das von der Anklägerin erwähnte Sühnbegehren vom 11. September 2002 gegen Unbekannt gerichtet gewesen sei; dass bis anhin noch kein Sühnverfahren mit der Angeklagten durchgeführt worden sei, was nachgeholt werden müsse, und dass das Sühnverfahren innert drei Monaten nach Ablauf des Tages, an welchem der Anklägerin die Täterin bekannt geworden sei, beim zuständigen Friedensrichter einzuleiten sei.
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X.________ antwortete mit Schreiben vom 8. April 2003, es bestehe keine rechtliche Grundlage dafür, sie zur Einreichung eines Sühnbegehrens gegen die inzwischen bekannt gewordene Angeklagte zu verpflichten. Mit der Ehrverletzungsklage vom 11. September 2002 gegen Unbekannt sei rechtsgültig Strafantrag gestellt worden. Nach Bekanntwerden der Verdächtigen müsse nicht erneut Strafantrag gegen diese gestellt werden. X.________ beantragte, das zuge-lassene Strafverfahren mit der Einvernahme der Parteien weiter-zuführen. Sie werde spätestens in jenem Zeitpunkt eine berichtigte Anklageschrift einreichen.
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B.
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Mit Beschluss vom 15. April 2003 trat das Bezirksgericht Zürich auf die von X.________ gegen A.________ erhobene Anklage wegen Ehrverletzung nicht ein.
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Das Obergericht des Kantons Zürich wies den von X.________ dagegen erhobenen Rekurs am 17. Mai 2004 ab.
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C.
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X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts vom 17. Mai 2004 sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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D.
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Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Gemäss Art. 270 lit. g BStP steht die eidgenössische Nichtig-keitsbeschwerde dem Privatstrafkläger zu, wenn er nach den Vor-schriften des kantonalen Rechts allein und ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers die Anklage geführt hat. Nur der prinzipale Privatstrafkläger ist gestützt auf diese Bestimmung zur eidge-nössischen Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert. Voraussetzung für die Beschwerdelegitimation nach dieser Bestimmung ist also, dass der öffentliche Ankläger nach dem kantonalen Prozessrecht nicht zur Anklage befugt ist, so dass diese von Anfang an einzig dem Privatstrafkläger zusteht (BGE 128 IV 39 E. 2a; 127 IV 236 E. 2b/aa).
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Gemäss § 161 StPO/ZH wird das Hauptverfahren durch die Anklage-behörde oder im Ehrverletzungsprozess durch den Ankläger mittels Einreichung der Anklageschrift eingeleitet. Das Verfahren bei Ehrver-letzungen ist in §§ 286 ff. StPO/ZH im Einzelnen geregelt. Ehrverletzungsklagen sind vom Antragsberechtigten auf dem Weg der Privatstrafklage zu betreiben (§ 287 StPO/ZH). Anklagen wegen Ehrverletzungen, die nicht durch die Medien begangen werden, werden beim zuständigen Friedensrichter durch Einreichung einer Anklageschrift anhängig gemacht (§ 309 Abs. 1 Satz 1 StPO/ZH). Der Friedensrichter trachtet danach, die Parteien auszusöhnen (§ 309 Abs. 2 StPO/ZH). Wird der Streit nicht beigelegt, so kann der Ankläger mündlich oder schriftlich die Weisung verlangen (§ 310 StPO/ZH). Die Weisung soll unter anderem die Angabe enthalten, dass die Sache auf gütlichem Wege nicht habe erledigt werden können (§ 311 Ziff. 6 StPO/ZH). Die Weisung und die Anklageschrift werden dem Ankläger zugestellt, der sie dem Gericht einzureichen hat (§ 312 StPO/ZH). Der öffentliche Ankläger ist mithin am Verfahren bei Ehrverletzungen in keiner Weise beteiligt. Das Ehrverletzungsverfahren ist somit nach dem Prozessrecht des Kantons Zürich als prinzipales Privatstrafklage-verfahren ausgestaltet (Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozess-ordnung des Kantons Zürich, 2000, N 2 vor §§ 286 ff. StPO/ZH; Hauser/Schweri, Schweizerisches Strafprozessrecht, 5. Aufl. 2002, § 88 N 10 ff.).
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Die Beschwerdeführerin ist mithin in ihrer Eigenschaft als Privatstraf-klägerin gestützt auf Art. 270 lit. g BStP zur eidgenössischen Nichtig-keitsbeschwerde gegen den angefochtenen Entscheid, durch welchen das Nichteintreten auf die Anklage betreffend Ehrverletzung bestätigt wird, legitimiert.
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1.2 Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössi-sches Recht verletze (Art. 269 Abs. 1 BStP). Erörterungen über die Verletzung kantonalen Rechts sind unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP).
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2.
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2.1 Die Vorinstanz hat den erstinstanzlichen Entscheid betreffend das Nichteintreten auf die Ehrverletzungsklage im Wesentlichen mit der Begründung bestätigt, dass nach der zürcherischen Prozessordnung die Einreichung eines Sühnbegehrens notwendige Voraussetzung für die Durchführung eines Privatstrafklageverfahrens betreffend Ehr-verletzung sei. Diese Voraussetzung müsse auch erfüllt werden, wenn die Anklage und der Strafantrag, was zulässig sei, gegen unbekannte Täterschaft eingereicht worden seien und erst nach Erteilung der Weisung beziehungsweise erst während der Hängigkeit des Ver-fahrens der Tatverdächtige bekannt werde. In diesem Fall müsse gegen den nachträglich bekannt gewordenen Angeklagten ein Sühnbegehren zwecks Durchführung einer Sühnverhandlung gestellt werden. Wenn dies unterbleibe, sei auf die Anklage nicht einzutreten.
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2.2 Diese Erkenntnisse der Vorinstanz betreffen Fragen des kantonalen Prozessrechts, die im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher lediglich die Verletzung eidge-nössischen Rechts gerügt werden kann (Art. 273 Abs.1 lit. b BStP), nicht zur Entscheidung gestellt werden können.
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2.3 Ein gültiger Strafantrag liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts vor, wenn der Antragsberechtigte innert Frist bei der nach dem kantonalen Recht zuständigen Behörde und in der vom kantonalen Recht vorgeschriebenen Form seinen bedingungslosen Willen zur Strafverfolgung des Tatverdächtigen so erklärt, dass das Strafverfahren ohne weitere Erklärung des Antragstellers weiterläuft (BGE 115 IV 1 E. 2; 118 IV 167 E. 1b, je mit Hinweisen; BGE 69 IV 195, 198). Nach dem kantonalen Prozessrecht bestimmt sich mithin unter anderem, in welcher Form ein Strafantrag einzureichen ist (BGE 122 IV 207 E. 3a; 103 IV 131 E. 1). Ein gegen unbekannte Täterschaft gerichteter Strafantrag ist von Bundesrechts wegen gültig und muss nach dem Bekanntwerden des Tatverdächtigen nicht erneuert werden (BGE 68 IV 97 E. 3; 92 IV 75).
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2.3.1 Die Vorinstanz hat entgegen der Meinung der Beschwerde-führerin weder ausdrücklich noch implizit zum Ausdruck gebracht, dass im Falle der Einreichung eines Strafantrags gegen unbekannte Täterschaft nach Bekanntwerden des Tatverdächtigen ein neuer Strafantrag gegen diesen eingereicht werden müsse. Die Vorinstanz hat im Gegenteil ausdrücklich und zutreffend festgehalten, dass in einem solchen Fall der Strafantrag nicht zu erneuern sei und dass die erste Instanz von der Beschwerdeführerin denn auch richtigerweise eine Erneuerung des Strafantrags nicht verlangt habe. Die Be-schwerdeführerin sei sowohl in der Verfügung der Untersuchungs-richterin vom 19. Dezember 2002 als auch in der Verfügung der Untersuchungsrichterin vom 11. Februar 2003 lediglich aufgefordert worden, dem Gericht darzutun, dass sie das Sühnbegehren gegen A.________ beim zuständigen Friedensrichter gestellt habe (angefochtener Entscheid S. 4 f. E. 2).
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2.3.2 Einige kantonale Prozessordnungen sehen für gewisse Antrags-delikte, insbesondere für Ehrverletzungsdelikte, ein dem Zivilprozess angenähertes Privatstrafklageverfahren vor, in dem die Vertretung der Anklage vollumfänglich dem Geschädigten überlassen wird. Die Regelung dieses Privatstrafklageverfahrens als Bestandteil des Prozessrechts ist Sache der Kantone. Diese können in ihren Prozessordnungen beispielsweise vorsehen, dass ein Sachurteil in einem Privatstrafklageverfahren betreffend Ehrverletzung nur unter der Voraussetzung gefällt werden kann, dass der Ankläger vorgängig ein Begehren um Durchführung einer Sühnverhandlung mit dem Ange-klagten gestellt hat. Eine derartige Anforderung, welcher jeder Ankläger auf einfache Weise entsprechen kann, verstösst weder gegen das Bundesrecht im Allgemeinen noch gegen Art. 28 StGB betreffend den Strafantrag im Besonderen.
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Wohl ist von Bundesrechts wegen auch ein Strafantrag gegen unbe-kannte Täterschaft gültig und muss ein solcher Strafantrag nach dem Bekanntwerden des Täters beziehungsweise des Verdächtigen nicht erneuert werden. Daraus folgt indessen nicht, dass die Anforderung, im Falle der Einreichung eines Strafantrags gegen unbekannte Täter-schaft nach dem Bekanntwerden des Verdächtigen ein Sühnbegehren zwecks Durchführung der - bis dahin gar nicht möglichen - Sühn-verhandlung zu stellen, gegen Bundesrecht verstosse. Das Erfordernis eines Sühnbegehrens ist in diesem Fall bundesrechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie im Fall, dass Strafantrag gegen bekannte Täterschaft gestellt wird. Der Strafantrag im Sinne von Art. 28 ff. StGB ist das eine, das Sühnbegehren im Sinne des kantonalen Prozess-rechts ist etwas anderes.
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2.3.3 Allerdings mag die zweite Verfügung der Untersuchungsrichterin vom 11. Februar 2003 etwas missverständlich gewesen sein, weil der Anklägerin darin unter Hinweis auf Art. 28 StGB (recte: Art. 29 StGB) eine Frist von drei Monaten seit Bekanntwerden der Tatverdächtigen angesetzt wurde, um darzutun, dass sie das Sühnbegehren gegen A.________ beim zuständigen Friedensrichter gestellt habe. Massgebend ist indessen nicht diese allenfalls etwas missver-ständliche Verfügung der Untersuchungsrichterin. Massgebend sind vorliegend allein die Gründe, aus denen die erste Instanz auf die Ehrverletzungsklage nicht eingetreten ist und die Vorinstanz diesen Nichteintretensentscheid bestätigt hat.
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Die Beschwerdeführerin behauptet im Übrigen nicht, dass sie auf die zweite Verfügung der Untersuchungsrichterin vom 11. Februar 2003 aus dem Grunde kein Sühnbegehren gestellt habe, weil sie diese Verfügung in dem Sinne verstanden habe, dass darin die Einreichung eines neuen Strafantrags gefordert worden sei, was bundes-rechtswidrig sei. Die Beschwerdeführerin hatte bereits auf die erste Verfügung der Untersuchungsrichterin vom 19. Dezember 2002, die insoweit zu keinerlei Missverständnissen Anlass geben konnte, kein Sühnbegehren gestellt. Sie unterliess dies offensichtlich deshalb, weil sie, wie sie selber einräumt, an der Durchführung einer Sühnver-handlung nicht interessiert war.
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3.
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Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 7. Oktober 2004
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Im Namen des Kassationshofes
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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