BGer 2A.28/2005 | |||
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BGer 2A.28/2005 vom 11.07.2005 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2A.28/2005 /dxc
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Urteil vom 11. Juli 2005
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II. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Merkli, Präsident,
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Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
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Gerichtsschreiber Fux.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Roland Egli-Heine,
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gegen
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Regierungsrat des Kantons Zürich, Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
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Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, Militärstrasse 36, Postfach, 8090 Zürich.
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Gegenstand
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Ausweisung,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich,
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4. Abteilung, 4. Kammer, vom 20. Oktober 2004.
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Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Der spanische Staatsangehörige X.________ (geb. 1972) kam im Jahr 1987 zu seinen Eltern in die Schweiz. Er besitzt eine Niederlassungsbewilligung. Die Ehe mit einer dominikanischen Staatsangehörigen blieb kinderlos und wurde im Jahr 1997 geschieden. X.________ ist Vater einer Tochter (Y.________, geb. 1995), die aus einer ausserehelichen Bekanntschaft stammt und seit Ende 2001 mit ihrer Mutter in Deutschland lebt.
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1.2 X.________ befand sich vom 3. November 1995 bis zum 9. August 1998 wegen Drogendelikten im Freiheitsentzug (Untersuchungshaft und vorzeitiger Strafvollzug). Nachdem er aus dem Strafvollzug entwichen und im Juni 1999 mit einem verfälschten Pass wieder in die Schweiz eingereist war, wurde er von der Bezirksanwaltschaft Zürich mit 45 Tagen Gefängnis bestraft, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren (Strafbefehl vom 6. Juli 1999). Am 19. Januar 2000 wurde X.________ wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz vom Obergericht des Kantons Zürich zu sechs Jahren, zehn Monaten und 15 Tagen Zuchthaus verurteilt als Zusatzstrafe zu der mit Strafbefehl vom 6. Juli 1999 ausgefällten Strafe von 45 Tagen Gefängnis. Aus dem Strafvollzug heraus organisierte X.________ die Entführung seiner Tochter Y.________ nach Spanien. Mit Urteil des Geschworenengerichts des Kantons Zürich vom 6. Juni 2003 wurde er wegen Entführung und wegen Entziehens von Unmündigen mit 21 Monaten Zuchthaus bestraft; gleichzeitig wurde die mit Strafbefehl vom 6. Juli 1999 bedingt ausgesprochene Strafe für vollziehbar erklärt. Am 22. Juli 2003 wurde X.________ bedingt aus dem Strafvollzug entlassen bei einer Probezeit von vier Jahren.
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1.3 Der Regierungsrat des Kantons Zürich wies in der Folge X.________ am 26. Mai 2004 für die Dauer von zehn Jahren aus der Schweiz aus. Eine gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 20. Oktober 2004 abgewiesen. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 17. Januar 2005 beantragt X.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und von einer Ausweisung abzusehen.
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2.
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Ein Ausländer kann gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG (Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer; SR 142.20) aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft wurde. Dies unter der Voraussetzung, dass die nach Art. 11 Abs. 3 ANAG, allenfalls nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK, gebotene Interessenabwägung die Massnahme nicht als unverhältnismässig erscheinen lässt. Dabei sind namentlich die Schwere des Verschuldens, die Dauer der Anwesenheit sowie die dem Betroffenen und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (vgl. Art. 16 Abs. 3 ANAV [SR 142.201]; Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 2. August 2001 i.S. Boultif gegen die Schweiz, Rz. 48, in: VPB 65/2001 Nr. 138; BGE 129 II 215 E. 3; 125 II 105 ff.). Bei Staatsangehörigen der Europäischen Gemeinschaften und ihren Familienangehörigen ist zudem das Freizügigkeitsabkommen zu beachten (Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit, FZA; SR 0.142.112.681). Danach darf eine Ausweisung oder eine andere die Freizügigkeit beschränkende Massnahme nur angeordnet werden, wenn sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist (Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA; dazu eingehend: BGE 130 II 176 ff.).
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3.
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3.1 Der Beschwerdeführer wurde zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Unbestrittenermassen ist der Ausweisungsgrund gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG erfüllt. Der Beschwerdeführer hat banden- und gewerbsmässig in grossem Stil Drogenhandel betrieben (Umsatz von 4,5 kg Kokain, Indizien für den Verkauf von weiteren 6,6 kg Kokain, jeweils von überdurchschnittlicher Qualität). Damit hat er die Gefährdung der Gesundheit einer Vielzahl von Personen in Kauf genommen. Dass die Drogendelikte im Jahr 1995 begangen worden seien und der Beschwerdeführer (mit Ausnahme einer Übertretung im Juni 1999) seither keinen Kontakt mehr mit dem Drogenhandel habe, wie er einwendet, vermag die Schwere seines Verschuldens nicht entscheidend zu mindern. Bei Straftaten der vorliegenden Art und Schwere verfolgt das Bundesgericht im Rahmen von Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK - eine strenge Praxis (BGE 125 II 521 E. 4a/aa S. 527; Urteile des EGMR vom 19. Februar 1998 i.S. Dalia gegen Frankreich, Rz. 54, PCourEDH 1998-I 76, und vom 11. Juli 2002 i.S. Amrollahi gegen Dänemark, Rz. 37). Vorliegend wird der Einwand zudem dadurch relativiert, dass sich der Beschwerdeführer bis zum 22. Juli 2003 im Strafvollzug befand und somit faktisch keine Gelegenheit hatte, sich weiter im Drogengeschäft zu betätigen. Zu Recht hat die Vorinstanz auch darin ein schweres Verschulden gesehen, dass der Beschwerdeführer im Strafvollzug (September 2000) die Entführung seiner Tochter plante und durchführen liess, um sie der leiblichen Mutter zu entziehen. Inwiefern die Vorinstanz dabei die Ausführungen des Geschworenengerichts "sehr einseitig und selektiv" zu Lasten des Beschwerdeführers interpretiert haben soll, wie dieser bemängelt, ist nicht ersichtlich, ist doch das Geschworenengericht selber von einem insgesamt erheblichen Verschulden ausgegangen.
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An der Ausweisung des Beschwerdeführers besteht demnach ein grosses öffentliches Sicherheitsinteresse. Daran vermag grundsätzlich nichts zu ändern, dass die Anklagebehörde darauf verzichtet habe, eine Landesverweisung zu beantragen, das Obergericht eine solche nicht einmal in Betracht gezogen und das Geschworenengericht mit überzeugenden Argumenten davon abgesehen habe: Da der fremdenpolizeilichen Ausweisung andere Massstäbe und Kriterien zu Grunde liegen als dem Entscheid über die strafrechtliche Landesverweisung oder die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug, können die Fremdenpolizeibehörden zu einer andern Einschätzung gelangen als die Straf- und Vollzugsbehörden (vgl. BGE 129 II 215 E. 3.2; 125 II 105 E. 2 S. 107 ff., je mit Hinweisen). Unter dem Gesichtspunkt des fremdenpolizeilichen Verschuldens ist die Ausweisung des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
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Ob auch der Ausweisungsgrund gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG erfüllt wäre, wie die Vorinstanz aus dem Verhalten des Beschwerdeführers schloss (Flucht aus dem Strafvollzug, Einreise unter falscher Identität, Planung eines weiteren Verbrechens im Strafvollzug, wahrheitswidrige Aussagen im Zusammenhang mit der Niederlassungsbewilligung etc.), kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben.
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3.2 Die Ausweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz für die Dauer von zehn Jahren erweist sich nach der gemäss Art. 11 Abs. 3 ANAG vorzunehmenden Interessenabwägung nicht als unverhältnismässig. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, wird die lange Aufenthaltsdauer von 17 Jahren dadurch relativiert, dass sich der Beschwerdeführer fast während der gesamten zweiten Hälfte davon, nämlich vom 3. November 1995 bis zum 22. Juli 2003, im Strafvollzug befand. Ferner ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz aufgrund der Akten und der weiteren Umstände erkannt hat, der Beschwerdeführer sei in der Schweiz nicht massgeblich integriert, seine Ausweisung habe weder für ihn noch für die Familie (Eltern, Schwester) unverhältnismässige Nachteile zur Folge und die Rückkehr in seine spanische Heimat sei ihm zumutbar. Damit hat die Vorinstanz alle relevanten privaten Interessen auf Seiten des Beschwerdeführers berücksichtigt und richtig gewichtet. Es kann auf die überzeugenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG), die hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden müssen, zumal in der Beschwerde nichts Stichhaltiges dagegen vorgebracht wird. Die vor Bundesgericht bestrittene Feststellung der Vorinstanz, die "ganze Verwandtschaft" des Beschwerdeführers lebe in Spanien, entspricht wörtlich dessen eigener Aussage anlässlich der fremdenpolizeilichen Befragung vom 27. Dezember 2003. Fehl geht schliesslich der Einwand, das Migrationsamt und der Regierungsrat hätten mit der Anordnung der Ausweisung "über längere Zeit" zugewartet und sich dadurch krass widersprüchlich verhalten: Nachdem der Beschwerdeführer am 22. Juli 2003 aus dem Strafvollzug (bedingt) entlassen worden war, prüfte das Migrationsamt ohne Verzug allfällige Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen, und der Regierungsrat verfügte die Ausweisung ebenfalls innert nützlicher Frist, am 26. Mai 2004.
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3.3 Der Beschwerdeführer macht keine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 EMRK oder des Freizügigkeitsabkommens geltend (jedenfalls nicht ausdrücklich). Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung auch unter diesen Gesichtspunkten - von Amtes wegen - geprüft. Es hat erwogen, der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Art. 8 EMRK berufen, weil sich einerseits seine Tochter nicht in der Schweiz aufhalte und anderseits mit Bezug auf seine Eltern kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Auf das Freizügigkeitsabkommen könne er sich als spanischer Staatsangehöriger zwar berufen, und er habe gestützt darauf grundsätzlich Anspruch auf Aufenthalt in der Schweiz; indessen seien die Voraussetzungen für den Erlass einer Massnahme nach Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA, also für die angeordnete Ausweisung, erfüllt, denn es bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer die öffentliche Ordnung und Sicherheit stören werde. Diese Einschätzung hält vor Bundesrecht stand. Für die Begründung im Einzelnen kann auch in diesen Punkten auf den angefochtenen Entscheid (S. 10 ff.) verwiesen werden.
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4.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist deshalb im vereinfachten Verfahren gemäss Art. 36a OG abzuweisen. Die bundesgerichtlichen Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Es ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht
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im Verfahren nach Art. 36a OG:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat des Kantons Zürich und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 11. Juli 2005
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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