VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer U 88/2004  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer U 88/2004 vom 14.12.2005
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 0}
 
U 88/04
 
Urteil vom 14. Dezember 2005
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiberin Hofer
 
Parteien
 
B.________, 1968, Beschwerdeführerin, vertreten
 
durch Rechtsanwalt Massimo Aliotta, Obergasse 20, 8400 Winterthur,
 
gegen
 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz, 8085 Zürich, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 26. Februar 2004)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1968 geborene B.________ arbeitete seit Oktober 1997 bei der Gesellschaft X.________ und war bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Zürich) gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 17. März 1999 stürzte sie beim Skifahren, wobei sie auf den Rücken fiel und den Hinterkopf auf der Piste aufschlug. Der am folgenden Tag konsultierte Dr. med. S.________ diagnostizierte gemäss Zeugnis vom 21. Oktober 1999 eine Kontusion der Halswirbelsäule und eine Kniezerrung rechts. Da er ab dem 17. Mai 1999 eine 100%ige Arbeitsfähigkeit attestiert und die Behandlung als am 4. August 1999 beendet erklärt hatte, schloss die Zürich den Schadenfall ab. Am 21. März 2001 machte die Versicherte einen Rückfall geltend. Mit Verfügung vom 23. Juli 2002 verneinte die Zürich ihre Leistungspflicht. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 27. Dezember 2002 fest.
 
B.
 
Beschwerdeweise liess B.________ unter anderem die Anordnung eines verwaltungsunabhängigen polydisziplinären medizinischen Gutachtens beantragen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zog mit prozessleitender Verfügung vom 9. Januar 2004 die Akten der Invalidenversicherung bei. Bei diesen befand sich das polydisziplinäre Gutachten des Zentrums für Medizinische Begutachtung (ZMB) Basel vom 26. September 2003. Mit Verfügung vom 26. Januar 2004 teilte das kantonale Gericht den Parteien seine Absicht mit, den Gutachtern ergänzende Fragen zu unterbreiten und gab ihnen Gelegenheit, innert einer Frist von 20 Tagen zu den vorgesehenen Fragen Stellung zu nehmen und allfällige Ergänzungsfragen vorzuschlagen. Nachdem sich B.________ gegen die Unterbreitung von Fragen an die ZMB-Gutachter gewandt und ein neues polydisziplinäres Gutachten beantragt hatte, hielt die Vorinstanz mit prozessleitender Verfügung vom 26. Februar 2004 an der Stellung von Zusatzfragen an die Verfasser des ZMB-Gutachtens vom 26. September 2003 gemäss Fragenkatalog fest.
 
C.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________ beantragen, es sei die prozessleitende Verfügung vom 26. Februar 2004 aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, den Medizinern des ZMB keine Zusatzfragen zu unterbreiten, sondern bei einer neutralen Gutachterstelle ein neues polydisziplinäres Gutachten in die Wege zu leiten. Zudem ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung.
 
Die Zürich schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidgenössische Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Hinsichtlich des Begriffs der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren Verfügungen verweist Art. 97 OG auf Art. 5 VwVG. Nach Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (und im Übrigen noch weitere, nach dem Verfügungsgegenstand näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen). Verfügungen im Sinne dieser Umschreibung können nach dem Wortlaut des zweiten Absatzes von Art. 5 VwVG auch Zwischenverfügungen sein, insoweit sie den Anforderungen des vorangehenden ersten Absatzes entsprechen. Zudem verweist Art. 5 Abs. 2 VwVG bezüglich der Zwischenverfügungen auf Art. 45 des gleichen Gesetzes, laut dem nur solche Zwischenverfügungen anfechtbar sind, die einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 45 Abs. 1 VwVG). Dieser grundsätzliche Vorbehalt gilt als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines selbstständigen, der Endverfügung vorangehenden Beschwerdeverfahrens, insbesondere für alle in Art. 45 Abs. 2 VwVG - nicht abschliessend - aufgezählten Zwischenverfügungen. Für das letztinstanzliche Beschwerdeverfahren ist ferner zu beachten, dass gemäss Art. 129 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 101 lit. a OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Zwischenverfügungen nur zulässig ist, wenn sie auch gegen die Endverfügung offen steht (BGE 128 V 201 Erw. 2a, 124 V 85 Erw. 2 mit Hinweisen).
 
1.2 Nach der Rechtsprechung beurteilt sich das Vorliegen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils nicht nur anhand eines einzigen Kriteriums. Vielmehr prüft das Gericht jenes Merkmal, das dem angefochtenen Entscheid am besten entspricht. Namentlich beschränkt sich das Gericht nicht nur darauf, allein den Nachteil als nicht wieder gutzumachend zu betrachten, den auch ein für die Beschwerde führende Person günstiges Endurteil nicht vollständig zu beseitigen vermöchte (BGE 126 V 247 Erw. 2c, 124 V 87 Erw. 4, 121 V 116 mit Hinweisen).
 
1.3 Mit Bezug auf die Weigerung, eine Expertise anzuordnen, pflegt die Rechtsprechung die Annahme eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils in der Regel zu verneinen, sofern es sich nicht um gefährdete Beweismittel handelt, die erhebliche und bisher noch nicht geklärte Umstände betreffen (ZAK 1988 S. 524 Erw. 2a mit Hinweisen). Hinsichtlich der Anordnung einer Expertise hat grundsätzlich nichts anderes zu gelten, zumal mit der Erhebung weiterer Beweise regelmässig gerade eine Verbesserung der Sachverhaltsabklärung bewirkt wird (nicht veröffentlichtes Urteil B. vom 9. Juli 1992, U 74/92).
 
1.4 Selbstständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar sind hingegen Verfügungen über den Ausstand im Sinne von Art. 45 Abs. 2 lit. b VwVG, da sie zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil führen können (AHI 1998 S. 125 mit Hinweisen).
 
2.
 
2.1 Die Beschwerdeführerin wendet gegen die von der Vorinstanz angeordnete Unterbreitung von Zusatzfragen an die mit dem ZMB-Gutachten vom 26. September 2003 befassten Mediziner im Wesentlichen ein, das kantonale Gericht verletzte damit den in Art. 61 lit. c ATSG verankerten Untersuchungsgrundsatz und den Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Zudem habe sie im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit gehabt, zur von der IV-Stelle in Auftrag gegebenen Expertise Stellung zu nehmen. Des Weitern wirft sie den Fachärzten Voreingenommenheit vor, weil sich diese im Gutachten zur natürlichen Kausalität zwischen den geltend gemachten Beschwerden und dem Unfallereignis vom März 1999 geäussert hätten, obwohl dies im Rahmen der von der IV-Stelle angeordneten Abklärungen nicht notwendig gewesen sei.
 
2.2 Im Gutachten vom 26. September 2003 haben die Ärzte Folgendes ausgeführt: "Im somatischen Bereich konnten wir nur bescheidene Befunde erheben, die die Arbeitsfähigkeit der Versicherten im Berufe einer kaufmännischen Angestellten, einer Moderatorin bei Radio oder Fernsehen oder sonst einer Bürotätigkeit nicht einschränken. Es bestehen auch keine Unfallfolgen mehr aus dem Ereignis vom März 1999". In dieser Äusserung ist kein Ablehnungsgrund (vgl. dazu BGE 120 V 364 Erw. 3a) zu erblicken. Der Beschwerdeführerin geht es mit ihrem Einwand denn auch in erster Linie darum, dass ihrem Antrag auf Anordnung eines verwaltungsexternen polydisziplinären medizinischen Gutachtens entsprochen wird. Zum Antrag auf Durchführung einer neuen Expertise hat die Vorinstanz bisher nicht Stellung genommen, da sie zunächst den von der IV-Stelle beauftragten Gutachtern im Hinblick auf die Abklärung der Unfallfolgen ergänzende Fragen stellen wollte. Ob in einem solchen Fall die Eintretensvoraussetzung des nicht wieder gutzumachenden Nachteils ohne weiteres zu verneinen ist, braucht nicht abschliessend geprüft zu werden, weil die Verwaltungsgerichtsbeschwerde materiell offensichtlich unbegründet ist.
 
2.3 Mit Bezug auf den oben wiedergegebenen Satz (vgl. Erw. 2.2), welcher im Gutachten unter der Überschrift "Grad der Arbeitsfähigkeit" steht und dort nicht näher begründet wird, ist unklar, was damit gemeint ist. Dies war denn auch der Grund, weshalb sich das kantonale Gericht veranlasst sah, den Gutachtern Zusatzfragen vorzulegen. Gestützt auf die beanstandete Äusserung der Gutachter in einer von der Invalidenversicherung in Auftrag gegebenen Expertise kann jedenfalls nicht auf deren Befangenheit oder Vorbefasstheit im Hinblick auf die Beurteilung der Unfallkausalität der geltend gemachten Beschwerden geschlossen werden.
 
Soweit vorliegend von Bedeutung, schreibt das Bundesrecht den kantonalen Instanzen bezüglich der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts nur vor, dass sie unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen festzustellen und die notwendigen Beweise zu erheben haben, wobei sie in der Beweiswürdigung frei sind (Art. 61 lit. c ATSG). Es wird Sache des Gerichts sein, im Rahmen der Beweiswürdigung zu entscheiden, ob es auf die von den Experten gezogenen Schlussfolgerungen abstellen will, weil sie überzeugen und eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Rechtsanspruches erlauben (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis) oder ob allenfalls eine neue polydisziplinäre Begutachtung erforderlich sein wird. In diesem Zusammenhang werden auch die Mitwirkungsrechte der Beschwerdeführerin zu beachten sein.
 
3.
 
Da sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit zulässig, als offensichtlich unbegründet erweist, wird sie im Verfahren nach Art. 36a OG erledigt.
 
4.
 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG).
 
Die unentgeltliche Verbeiständung kann wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsvorkehr nicht gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG; BGE 129 I 135 Erw. 2.3.1, 128 I 236 Erw. 2.5.3 mit Hinweis).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
 
Luzern, 14. Dezember 2005
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).