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Informationen zum Dokument  BGer U 139/2005  Materielle Begründung
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BGer U 139/2005 vom 29.12.2005
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
U 139/05
 
Urteil vom 29. Dezember 2005
 
III. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber Fessler
 
Parteien
 
Y.________, 1949, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Volker Pribnow, Stadtturmstrasse 10, 5400 Baden,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau
 
(Entscheid vom 16. Februar 2005)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1949 geborene Y.________ leidet an einer Fibromyalgie, welche die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit einschränkt. Sie bezieht deswegen seit 1. November 2000 eine halbe Rente der Invalidenversicherung. Am 4. Dezember 2001 erlitt Y.________ einen Verkehrsunfall. Ein Personenwagen fuhr von hinten ins Heck des von ihr gelenkten, im Moment des Aufpralls stillstehenden Fahrzeuges. Der erstbehandelnde Arzt diagnostizierte eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS). Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) kam für die Heilbehandlung auf und richtete Taggelder aus. Vom 20. Februar bis 20. März 2002 wurde Y.________ in der Rehabilitationsklinik Z.________ therapeutisch behandelt und beruflich abgeklärt. Für die Beurteilung der (weiteren) Leistungspflicht holte die SUVA u.a. einen biomechanischen Kurzbericht (Triage) zum Unfall vom 4. Dezember 2001 ein und liess die Versicherte neurologisch begutachten.
 
Mit Verfügung vom 15. Juli 2003 und Einspracheentscheid vom 13. Februar 2004 verneinte die SUVA eine Leistungspflicht aus dem Unfall vom 4. Dezember 2001 über den 31. Juli 2003 hinaus.
 
B.
 
Die Beschwerde der Y.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 16. Februar 2005 ab.
 
C.
 
Y.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und die SUVA sei zu verpflichten, über den 31. Juli 2003 hinaus die gesetzlichen Leistungen zu erbringen, «insbesondere eine Invalidenrente für die Einbusse der Restarbeitsfähigkeit von 50 % und die Übernahme der Heilungskosten».
 
Die SUVA beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
D.
 
Der Rechtsvertreter von Y.________ hat eine Fax-Kopie der Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der IV-Stelle des Kantons Aarau vom 6. Januar 2005 eingereicht, womit seiner Mandantin vorübergehend (vom 1. September 2002) bis 31. Juli 2003 eine ganze Invalidenrente zugesprochen worden ist.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das kantonale Gericht hat die streitige Leistungseinstellung zum 31. Juli 2003 gemäss Einspracheentscheid vom 13. Februar 2004 mit folgender Begründung bestätigt: Die Versicherte habe beim Auffahrunfall vom 4. Dezember 2001 eine HWS-Distorsion mit cervicospondylogenem Syndrom erlitten. Auf Grund der in den Arztberichten immer wieder erwähnten Beweglichkeitseinschränkungen im HWS-Bereich sowie Nacken- und Kopfschmerzen seien die Folgen eines HWS-Distorsionstraumas (Schleudertraumas) zu beurteilen. Es sei somit nach Massgabe von BGE 117 V 359 zu prüfen, ob der Unfall vom 4. Dezember 2001 eine adäquate Ursache der (natürlich unfallkausalen) gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei. Dabei sei auf Grund der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung (Delta-v) für den Personenwagen der Versicherten unterhalb oder knapp innerhalb von 10 bis 15 km/h gemäss biomechanischer Kurzbeurteilung vom 19. Juni 2002 praxisgemäss von einem mittelschweren Unfall im Grenzbereich zu den leichten auszugehen (vgl. RKUV 1998 Nr. U 297 S. 243 und Urteil M. vom 8. November 2004 [U 314/03]). Von den massgebenden Kriterien könne einzig dasjenige der Dauerbeschwerden bejaht werden. Von mehreren in gehäufter oder auffallender Weise erfüllten Adäquanzkriterien könne somit nicht gesprochen werden, selbst wenn zu Gunsten der Versicherten auch das Kriterium der Arbeitsunfähigkeit als teilweise gegeben erachtet würde.
 
Zum Kriterium «Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit» im Besonderen hat das kantonale Gericht erwogen, gemäss Austrittsbericht der Rehabilitationsklinik Z.________ vom 16. April 2002 sei unter Berücksichtigung der unfallfremden vorbestehenden Fibromyalgie eine Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer angepassten (sehr leichten und vorwiegend sitzenden) Tätigkeit zumutbar. Auf diese fundierte(re) Beurteilung sei abzustellen. Eine Einschränkung der vorbestehenden 50%igen Arbeitsunfähigkeit könnte somit einzig darin erblickt werden, dass lediglich noch sehr leichte und vorwiegend sitzende Tätigkeiten zumutbar seien. Allein deshalb könne jedoch dieses Kriterium nicht bejaht werden.
 
2.
 
2.1 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird mit guten Gründen die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit der Ärzte der Rehabilitationsklinik Z.________ in Frage gestellt. Gemäss Austrittsbericht vom 16. April 2002 konnte mangels genügender körperlicher Belastbarkeit die vorgesehene vierstündige Berufsabklärung nicht durchgeführt werden. Im Rahmen der berufsorientierten Ergotherapie vermochte die Versicherte einfachere Bürotätigkeiten (Sortieren, Kopieren) sowie leichte Montagearbeiten mit Mühe während maximal zwei Mal eine Stunde pro Tag auszuführen. Gründe für die stark reduzierte körperliche Belastbarkeit werden keine genannt. Anderseits wird ausgeführt, eine unfallkausale Beurteilung sei zur Zeit schwierig wegen der geklagten Kopfschmerzen und der noch ungeklärten psychiatrischen Problematik. Die empfohlene weitere Beurteilung in etwa drei Monaten fand nicht statt, wie auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtig festgehalten wird. Unter diesen Umständen vermag die Einschätzung, wonach «unter Berücksichtigung der unfallfremd vorbestehenden Fibromyalgie eine sehr leichte, vorwiegend sitzende Arbeit halbtags global gesehen» zumutbar ist, nicht restlos zu überzeugen. Dies gilt umso mehr, als bereits auf Grund des Vorzustandes wohl nur noch leichtere körperliche Tätigkeiten in Betracht fallen dürften. Gemäss kreisärztlichem Bericht vom 23. Januar 2002 sind jedoch zu den bereits vor dem Unfall bestandenen Schmerzen im Rahmen der Fibromyalgie neu Beschwerden im HWS-Bereich mit zunehmender Kopfschmerzsymptomatik aufgetreten. Sodann sind bei den Abklärungen in der Rehabilitationsklinik Z.________ ansteigende Kopfschmerzen auch bei Tätigkeiten, welche vermehrte Konzentration erforderten, beobachtet worden. In diesem Zusammenhang ist schliesslich zu beachten, dass der Hausarzt und Dr. med. M.________ von einer gänzlichen Arbeitsunfähigkeit ausgehen. Auf die Einschätzung des neurologischen Gutachters kann indessen zumindest für die Belange der Unfallversicherung nicht abgestellt werden, wie im angefochtenen Entscheid richtig festgehalten wird.
 
2.2 Weitere Abklärungen zu Art, Umfang und Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit erübrigen sich. Selbst wenn der Unfall vom 4. Dezember 2001 zu sofortiger und gänzlicher Arbeitsunfähigkeit führte, änderte dies nichts am Ergebnis. Nach den zutreffenden Feststellungen des kantonalen Gerichts, auf welche verwiesen wird, ist mit Ausnahme der Dauerbeschwerden keines der übrigen massgebenden Kriterien gemäss BGE 117 V 367 Erw. 6a gegeben. Insbesondere kann, entgegen der Beschwerdeführerin, das kurzzeitige phasenweise Tragen eines weichen Halskragens nicht als ärztliche Fehlbehandlung bezeichnet werden. Ebenso wenig ist das Kriterium der besonderen Art der erlittenen Verletzung deshalb zu bejahen, weil «die Verletzung der Halswirbelsäule auf eine durch eine Fibromyalgie vorgeschädigte Gesundheit trifft [und] damit bereits vorbestehende Beschwerden überschneidet oder verstärkt». Schliesslich kann mit der Vorinstanz nicht von einer ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung gesprochen werden.
 
Da der Unfall vom 4. Dezember 2001 unbestrittenermassen in der unteren Hälfte des mittleren Bereichs anzusiedeln ist und höchstens zwei der massgeblichen Kriterien erfüllt sind, stellt er keine adäquate Ursache der natürlich kausal darauf zurückzuführenden Beschwerden dar (nicht veröffentlichtes Urteil D. vom 6. Juni 1997 [U 187/95]; vgl. SZS 2001 S. 431).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
 
Luzern, 29. Dezember 2005
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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