BGer I 745/2006 | |||
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BGer I 745/2006 vom 21.03.2007 | |
Tribunale federale
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{T 7}
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I 745/06
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Urteil vom 21. März 2007
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II. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
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Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
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Gerichtsschreiber Wey.
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Parteien
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IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdeführerin,
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gegen
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B.________, 1966, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Marianne Wehrli, Geissgasse 7, 5070 Frick.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 7. Juni 2006.
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Sachverhalt:
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A.
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Die 1966 geborene B.________ arbeitete bis Ende Juli 2003 als Schuhverkäuferin. Danach war sie bei diversen Arbeitgebern als Raumpflegerin tätig. Da sie sich namentlich aufgrund ihres Übergewichts ausser Stande sah, weiterhin einer ganztägigen Arbeit nachzugehen, meldete sie sich im März 2005 zum Leistungsbezug (Rente) bei der Invalidenversicherung an. Mit Verfügung vom 21. Juli 2005 und Einspracheentscheid vom 29. September 2005 verneinte die IV-Stelle des Kantons Aargau einen Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung mangels leistungsbegründender Invalidität.
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B.
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Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 7. Juni 2006 teilweise gut und wies die Sache zur weiteren Abklärung sowie zur Neuverfügung an die Verwaltung zurück.
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C.
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Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben.
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Während B.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
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2.
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2.1
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Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft seit 1. Juli 2006] in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
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2.2 Mit Blick auf diese neue Kognitionsregelung für die Invalidenversicherung ist aufgrund der Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen Bundesrecht verletzt (Art. 104 lit. a OG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 105 Abs. 2 OG). Hingegen hat eine freie Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheides in tatsächlicher Hinsicht (aArt. 132 lit. b OG) ebenso zu unterbleiben wie eine Prüfung der Ermessensbetätigung (aArt. 132 lit. a OG) nach den Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle (BGE 126 V 75 E. 6 S. 81 mit Hinweisen). Auch besteht (entgegen aArt. 132 lit. c OG) Bindung an die Parteianträge, handelt es sich doch nicht um eine Abgabestreitigkeit (Art. 114 Abs. 1 OG; zum Ganzen BGE 132 V 393).
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3.
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Streitig und zu prüfen ist, ob bei der Beschwerdegegnerin, die namentlich unter einer morbiden Adipositas (Bericht von Dr. L.________, Facharzt für Endokrinologie und Diabetologie, vom 2. Mai 2005) leidet, eine leistungsbegründende Invalidität vorliegt.
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3.1 Rechtsprechungsgemäss bewirkt Adipositas grundsätzlich keine zu Rentenleistungen berechtigende Invalidität, wenn sie nicht körperliche oder geistige Schäden verursacht und nicht die Folge von solchen Schäden ist. Hingegen muss sie unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des Einzelfalles als invalidisierend betrachtet werden, wenn sie weder durch geeignete Behandlung noch durch zumutbare Gewichtsabnahme auf ein Mass reduziert werden kann, bei welchem das Übergewicht in Verbindung mit allfälligen Folgeschäden keine voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit beziehungsweise der Betätigung im bisherigen Aufgabenbereich zur Folge hat (ZAK 1984 S. 345 E. 3 mit Hinweisen). Gemäss vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung, an die das Bundesgericht aufgrund der neuen Kognitionsregelung grundsätzlich gebunden ist (vgl. E. 2.1), bewirke die Fettleibigkeit der Versicherten "keine körperlichen oder geistigen Gesundheitsschäden mit Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit". Ebenso verneinte das kantonale Gericht die Frage, ob die Adipositas Folge eines bereits vorbestehenden Gesundheitsschadens darstelle. Diese Betrachtungsweise ist nicht zu beanstanden. Daran vermag insbesondere auch der Einwand der Beschwerdegegnerin in der Vernehmlassung vom 16. Oktober 2006 nichts zu ändern, wonach der Sachverhalt mit Blick auf die diagnostizierte "chronisch depressive Stimmungslage" (Bericht von Dr. L.________ vom 13. Oktober 2006) und deren Zusammenhang mit der Fettleibigkeit durch eine psychiatrische Abklärung zu ergänzen sei. Denn Dr. L.________ hält im Arztbericht vom 2. Mai 2005 andererseits fest: Bei der Versicherten "bestehen selbstverständlich depressive Symptome, diese stehen jedoch momentan nicht im Vordergrund. Insbesondere ist die verminderte körperliche Leistungsfähigkeit nicht im Rahmen einer depressiven Symptomatik zu sehen, sondern durch das massive Übergewicht verursacht". Überdies begnügt sich Dr. L.________ mit der allgemeinen Bemerkung: "Häufig ist eine derart massive Adipositas mit schweren psychischen Problemen vergesellschaftet." Konkrete Hinweise für ein solch schweres psychisches Leiden nennt er dagegen keine (Bericht vom 13. Oktober 2006).
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3.2 Nach dem Gesagten bleibt noch zu prüfen, ob die Fettleibigkeit durch keine geeignete Behandlung oder zumutbare Anstrengung auf ein Mass reduziert werden kann, das die Erwerbsfähigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt. Gemäss kantonalem Gericht ist der Sachverhalt diesbezüglich noch unvollständig ermittelt, sodass eine weitere Abklärung erforderlich sei. Dabei gehe es darum, "die bisher durchgeführten Behandlungen, die Art einer zukünftigen geeigneten Behandlung, die Zumutbarkeit einer Gewichstabnahme im Allgemeinen, das Mass der zumutbaren und möglichen Gewichtsreduktion sowie die dafür notwendige Zeitdauer wie auch die Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit während der für die zumutbare Gewichtsreduktion erforderlichen Zeitspanne" zu ermitteln. Zur Begründung verweist die Vorinstanz auf den Bericht Dr. L.________s vom 2. Mai 2005, wonach "im Prinzip [...] die Situation mit medizinischen Massnahmen drastisch zu verbessern" wäre. Dass die Vorinstanz aufgrund dieser ärztlichen Stellungnahme Anlass sieht, im Rahmen einer ergänzenden medizinischen Abklärung die genannten (und anhand der derzeitigen Aktenlage noch nicht beantwortbaren) Fragestellungen zu klären, ist - namentlich in Anbetracht der hievor (E. 2) angeführten neuen Kognitionsregelung im Bereich der Invalidenversicherung - nicht zu beanstanden, zumal die Adipositas bei der Beschwerdegegnerin deutlich ausgeprägter ist als in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 787/05 vom 24. Mai 2006.
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3.3 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine Verweigerung einer geeigneten Behandlung oder zumutbaren Anstrengung zur Reduktion des Gewichts eine Kürzung oder Verweigerung von Leistungen der Invalidenversicherung zur Folge haben (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 121/88 vom 1. Juni 1988, E. 3) oder die Rente bis zum Abschluss einer zumutbaren Abmagerungskur befristet werden kann (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 53/00 vom 14. Juli 2000, E. 4b).
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4.
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Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 Satz 2 OG in der seit 1. Juli 2006 geltenden Fassung). Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin als der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Das Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung ist gegenstandslos, da die Beschwerdegegnerin obsiegt und Anspruch auf eine Parteientschädigung hat (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
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3.
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Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
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Luzern, 21. März 2007
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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