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Informationen zum Dokument  BGer 2A_106/2007  Materielle Begründung
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BGer 2A_106/2007 vom 09.07.2007
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.106/2007 /zga
 
Urteil vom 9. Juli 2007
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Bundesrichter Karlen,
 
Gerichtsschreiber Merz.
 
Parteien
 
X.________ AG,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecherin Ursula Eggenberger Stöckli,
 
gegen
 
Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, Regierungsgebäude, Rathausstrasse 2, 4410 Liestal,
 
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht,
 
Postfach 635, 4410 Liestal.
 
Gegenstand
 
Art. 10 Abs. 2 lit. d LGV
 
(S.O.S. Notfall Bonbons nach Dr. Bach),
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
 
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht,
 
vom 22. November 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die X.________ AG vertreibt seit dem 3. Juni 2003 in der Schweiz Bonbons mit Bachblütenextrakten. Sie tragen die Bezeichnung "S.O.S. Notfall Bonbons nach Dr. Bach". Die zunächst verwendete Etikette enthielt auch einen Hinweis betreffend Dosierung ("bei Bedarf 1-2 Bonbons pro Stunde"). Dagegen fehlten Angaben über die Haltbarkeit, das Produktionsland und die Füllmenge in Gramm.
 
Nach einem Hinweis der Lebensmittelkontrolle des Kantons Zürich stellte der Lebensmittelinspektor des Kantons Basel-Landschaft fest, dass die erwähnten Bonbons nicht als Heilmittel zugelassen seien, als Lebensmittel aber eine mangelhafte, falsche bis irreführende Deklaration aufwiesen. Er verfügte deshalb am 18. April 2006, dass die Bonbons nicht mehr an den Detailhandel ausgeliefert werden dürften und die X.________ AG dem Kantonschemiker bis am 15. Mai 2006 mitzuteilen habe, auf welche Weise sie in dieser Angelegenheit einen rechtskonformen Zustand zu erreichen gedenke.
 
Die X.________ AG kam dieser Verfügung teilweise nach, indem sie die Deklaration anpasste. Sie wehrte sich jedoch dagegen, die Bezeichnung "S.O.S. Notfall Bonbons nach Dr. Bach" abändern zu müssen. Die ergriffene Einsprache beim kantonalen Laboratorium sowie die anschliessenden Beschwerden beim Regierungsrat und Kantonsgericht des Kantons Basel-Landschaft blieben indessen ohne Erfolg.
 
B.
 
Die X.________ AG beantragt dem Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 7. Februar 2007, es sei der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 22. November 2006 aufzuheben und der Vertrieb der "S.O.S. Notfall Bonbons nach Dr. Bach" weiterhin zu gestatten.
 
C.
 
Die Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion des Kantons Basel-Landschaft ersucht namens des Regierungsrats um Abweisung der Beschwerde. Das Eidgenössische Departement des Innern stellt den Antrag, es sei das Rechtsmittel abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Kantonsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
D.
 
Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der Beschwerde mit Verfügung vom 7. März 2007 - antragsgemäss - die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Der angefochtene Entscheid erging vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007. Gemäss Art. 132 Abs. 1 BGG richtet sich das Verfahren daher noch nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; BS 3 531).
 
2.
 
2.1 Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei den erwähnten Bonbons um Lebensmittel handelt, die auch als solche vertrieben werden sollen, und nicht um Heilmittel (vgl. Art. 3 des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände, Lebensmittelgesetz [LMG; SR 817.0] und Art. 2 Abs. 1 lit. a und Art. 4 Abs. 1 lit. a und b des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte, Heilmittelgesetz [HMG; SR 812.21]). Die Vorinstanz gelangt aber zum Schluss, die Bezeichnung "S.O.S. Notfall Bonbons nach Dr. Bach" verleihe dem von der Beschwerdeführerin vertriebenen Produkt den Anstrich eines Heilmittels und sei deshalb gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. d der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 23. November 2005 (LGV; SR 817.02) unzulässig.
 
2.2 Nach der genannten Bestimmung sind Aufmachungen irgendwelcher Art (nach dem französischen Gesetzeswortlaut "présentations de toute nature" bzw. dem italienischen Text "presentazioni di ogni genere"), die einem Lebensmittel den Anschein eines Heilmittels geben, verboten. Dieses Verbot bezweckt den Schutz der Konsumenten vor Täuschungen (vgl. Art. 1 lit. c und Art. 18 LMG; Urteil 2A.374/2003 vom 13. Mai 2004, E. 2.1, publ. in: sic! 2004 S. 880). Damit werden aber auch gesundheitspolizeiliche Ziele verfolgt; das Verbot soll verhindern, dass die Heilmittelgesetzgebung unterlaufen wird (BGE 127 II 91 E. 3 a/bb S. 97 zum früheren, gleich lautenden Art. 19 Abs. 1 lit. d der Lebensmittelverordnung vom 1. März 1995, AS 1995 1491, die durch Art. 79 und Anhang 2 LGV aufgehoben wurde).
 
2.3 Die Beschwerdeführerin kritisiert die vorinstanzliche Anwendung von Art. 10 Abs. 2 lit. d LGV als bundesrechtswidrig.
 
3.
 
Nach Auffassung der Vorinstanz suggeriert die Bezeichnung "Notfall Bonbons", dass das Produkt der Beschwerdeführerin für medizinische Notfälle bestimmt sei und deshalb als Heilmittel erscheine. Ein solches Verständnis liegt aus der Sicht des durchschnittlichen Konsumenten auf der Hand. Die Beschwerdeführerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass es nicht nur medizinische, sondern auch andere Notfälle gibt. Die von ihr erwähnten Anwendungen für die Einnahme der Bonbons - Schrecksekunden, seelische Notlagen, Prüfungsstress, Unsicherheit, Aufregung, Angstzustände - stellen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wohl belastende Situationen, aber keine Notfälle dar. Das räumt die Beschwerdeführerin auch selber ein, wenn sie erklärt, die von ihr erwähnten Situationen seien alltäglich und kämen viel häufiger vor als der gesundheitliche Notfall. Somit handelt es sich aber bei den fraglichen belastenden Situationen auch nach der von ihr verwendeten, sich auf den Duden (Die sinn- und sachverwandten Wörter, Bd. 8, Mannheim/Wien/Zürich 1997, 2. Aufl.) abstützenden Umschreibung nicht um Notfälle, weil eben kein "Einzel-, Sonder- oder Extremfall" vorliegt. Ausserdem überzeugt auch der Einwand nicht, Bachblütenprodukte würden im deutschen Sprachraum üblicherweise als Notfall-Präparate (Notfalltropfen usw.) bezeichnet. Die Beschwerdeführerin weist selber darauf hin, dass das englische Wort für Notfall "emergency" sei, die Bachblütenprodukte aber als ein "rescue remedy" bezeichnet würden. "Rescue" wird indessen normalerweise nicht mit "Notfall", sondern mit "Rettung" ins Deutsche übersetzt (vgl. Langenscheidt/Muret-Sanders, Grosswörterbuch Englisch, Berlin et al. 2001; Pons Handwörterbuch Englisch, Stuttgart 2005, 1. Aufl.).
 
Die zusätzliche Verwendung von "S.O.S." - des internationalen Seenotzeichens "save our ship/souls" - in der Bezeichnung der Bonbons verstärkt den Eindruck noch, dass sie Heilmittel für Notfälle darstellten. Auch wenn der Abkürzung "S.O.S." heute teilweise ein weiterer Sinn zukommt, wird sie in der fraglichen Produktebezeichnung ausdrücklich mit dem Notfall in Zusammenhang gebracht. Der durchschnittliche Konsument gewinnt damit erst recht den Eindruck, die Bonbons seien ein Heilmittel für medizinische Notsituationen.
 
Der weitere Zusatz "nach Dr. Bach" weist für sich allein genommen nicht zwingend auf ein Heilmittel hin. Er ist aber geeignet, dem Produkt einen wissenschaftlichen Anstrich zu verleihen und es in Verbindung mit bestimmten Heilmethoden zu bringen. Der unzutreffende Anschein eines Heilmittels, den bereits die Bezeichnung des Produkts als "S.O.S. Notfall Bonbon" hervorruft, wird durch den Hinweis auf Dr. Bach noch verstärkt.
 
4.
 
Ob die Aufmachung einem Lebensmittel nach Art. 10 Abs. 2 lit. d LGV den Anschein eines Heilmittels gibt, hängt nicht allein von dessen Bezeichnung, sondern vom gesamten Erscheinungsbild ab. Es ist der Beschwerdeführerin darin zuzustimmen, dass das Aussehen der Bonbons (runde, ziemlich flache Gummipastillen), ihre lose Verpackung in einer Metalldose und das Fehlen einer Verpackungsbeilage sowie gewisser bei Medikamenten üblicher Angaben gegen das Vorliegen eines Heilmittels sprechen. Auch die Bezeichnung als Bonbon ist für ein Arzneimittel untypisch. Diese Momente sind jedoch nicht so gewichtig, dass sie den durch den Produktenamen geschaffenen unzutreffenden Anschein eines Heilmittels in den Hintergrund zu drängen vermöchten. Die Produktebezeichnung hinterlässt aufgrund der Verwendung starker Ausdrücke wie "S.O.S." und "Notfall" einen nachhaltigen Eindruck, der durch untergeordnete gegenläufige Elemente nicht beseitigt wird. Somit haben die Vorinstanzen zurecht einen Verstoss gegen das in Art. 10 Abs. 2 lit. d LGV aufgeführte Verbot angenommen.
 
An dieser Beurteilung vermag der Umstand nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführerin seit September 2006 die Gebrauchsanweisung - bei Bedarf 1-2 Bonbons pro Stunde - weglässt. Es kann daher offen bleiben, ob die Vorinstanz den Sachverhalt in diesem Punkt offensichtlich unrichtig festgestellt hat, wie dies die Beschwerdeführerin behauptet.
 
5.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, sowie dem Eidgenössischen Departement des Innern schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. Juli 2007
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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