VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2D_34/2007  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2D_34/2007 vom 20.07.2007
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2D_34/2007 /ble
 
Urteil vom 20. Juli 2007
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Müller, Karlen,
 
Gerichtsschreiber Küng.
 
Parteien
 
A.X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch die Eltern B.X.________ und C.X.________,
 
diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Lutz,
 
gegen
 
Kantonsschule Y.________, Zürich
 
Bildungsdirektion des Kantons Zürich, 8090 Zürich,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, Militärstrasse 36, Postfach, 8090 Zürich.
 
Gegenstand
 
Art. 5 Abs. 3, 9 und 29 Abs. 2 BV, Art. 14 KV/ZH (Nichtbestehen der Probezeit am Gymnasium),
 
Subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 21. März 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.X.________ besucht seit Spätsommer 2006 die Klasse 1c der Kantonsschule Y.________ in Zürich. Am 30. November 2006 wurde seinen Eltern eröffnet, ihr Sohn habe aufgrund der schulischen Leistungen die Probezeit nicht bestanden. Ein Rekurs an die Bildungsdirektion des Kantons Zürich blieb erfolglos. Die gegen den Rekursentscheid gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 21. März 2007 ab.
 
B.
 
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde beantragt A.X.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 21. März 2007 aufzuheben und festzustellen, dass er in die Kantonsschule Y.________ aufgenommen sei.
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Die Bildungsdirektion des Kantons Zürich und die Kantonsschule Y.________ Zürich haben sich nicht vernehmen lassen.
 
C.
 
Mit Verfügung vom 30. Mai 2007 erkannte der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde insoweit aufschiebende Wirkung zu, als A.X.________ auch für den Rest des Schuljahres 2006/2007 die Kantonsschule Y.________ besuchen kann.
 
Mit Eingabe vom 11. Juli 2007 stellt A.X.________ ein Gesuch um Aufrechterhaltung der aufschiebenden Wirkung bis zur Erledigung des Verfahrens vor Bundesgericht.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Der Entscheid des Verwaltungsgerichts ist nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) ergangen. Somit richtet sich das Verfahren nach diesem Gesetz (Art. 132 Abs. 1 BGG).
 
1.2 Der angefochtene letztinstanzliche Entscheid des Verwaltungsgerichts über die (Nicht-)Promotion eines Schülers wegen Nichtbestehens der Probezeit kann auf Bundesebene nur mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde angefochten werden (Art. 113 in Verbindung mit Art. 83 lit. t BGG; Urteil 2D_19/2007 vom 14. Mai 2007 E. 2.1).
 
1.3 Nach § 9 des Promotionsreglements vom 10. März 1998 für die Gymnasien des Kantons Zürich (PromotionsR/ZH) hat ein Schüler Anspruch auf definitive Aufnahme am Gymnasium, wenn er die in dieser Bestimmung genannten Bedingungen erfüllt. Der Beschwerdeführer ist somit legitimiert (Art. 115 lit. b BGG), den Nichtaufnahmeentscheid auch wegen Verletzung des Willkürverbotes (Art. 9 BV) anzufechten (vgl. zur Publikation bestimmtes Urteil 2D_2/2007 vom 30. April 2007 E. 6).
 
1.4 Keinen Anspruch hat der Beschwerdeführer hingegen darauf, trotz Nichterfüllens der Bedingungen (§ 13 PromotionsR/ZH: "In besonderen Fällen kann ....") am Gymnasium aufgenommen zu werden. Er ist insoweit nicht legitimiert, die Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung wegen Verletzung des Willkürverbotes (Art. 9 BV) zu rügen (vgl. zur Publikation bestimmtes Urteil 2D_2/2007 vom 30. April 2007). Nach der Rechtsprechung ist ein Rechtsanspruch auf eine staatliche Leistung dann zu bejahen, wenn das anwendbare kantonale Recht selber die dafür zu erfüllenden Bedingungen genau umschreibt, ohne dass es im Ermessen der gesetzesanwendenden Behörde läge, ob sie dem Betroffenen den angestrebten Vorteil gewähren will oder nicht (vgl. BGE 122 I 373 E. 1). Die hier in Frage stehende Reglementsbestimmung ist nicht nur als "Kann-Vorschrift" formuliert. Sie räumt mit der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des "besonderen Falles" den rechtsanwendenden Behörden auch einen äusserst grossen Ermessensspielraum ein. Da sie zudem in keiner Weise festlegt, unter welchen Voraussetzungen ein besonderer Fall anzunehmen ist, begründet sie insoweit keinen Rechtsanspruch des Betroffenen, in den Genuss einer abweichenden Vorzugsbehandlung zu kommen (vgl. Urteile 2P.204/2000 vom 10. November 2000 E. 2 und 2P.155/1997 vom 24. Oktober 1997 E. 1b/cc). Der Beschwerdeführer ist deshalb in diesem Zusammenhang nicht zur Willkürrüge legitimiert, soweit er die Auslegung und Anwendung von § 13 PromotionsR/ZH beanstandet.
 
2.
 
2.1 Der Beschwerdeführer erhielt am Ende der Probezeit in den Promotionsfächern je zweimal die Noten 3,5 (Französisch und Deutsch) und 4,5 sowie viermal die Note 4. Damit erfüllte er die Bedingungen gemäss § 9 PromotionsR/ZH für die definitive Aufnahme in das Gymnasium nicht, weshalb er abzuweisen war (§ 10 PromotionsR/ZH).
 
2.2 Die Französischlehrerin hat den Schülern zu Beginn der Probezeit mitgeteilt, dass im Fach Französisch (gemäss einem Beschluss der Fachschaft der Französischunterrichtenden) während der Probezeit ausschliesslich die schriftlichen Leistungen zählen. Die Probezeit endete am 29. November 2006 (15.00 Uhr). Am 27. November 2006 fand noch eine vierte (ursprünglich nicht vorgesehene) Französischprüfung statt. Bei deren Ankündigung hat die Französischlehrerin die offenbar aufgeregte Klasse (ein kleiner Teil wollte keine Prüfung mehr schreiben, andere waren froh über eine zusätzliche Möglichkeit, die Durchschnittsnote noch zu verbessern) mit der Bemerkung beruhigt, es habe noch nie jemand wegen einer einzigen Prüfung die Probezeit nicht bestanden. Am Morgen des Prüfungstages rief der Vater des Beschwerdeführers um 8.00 Uhr die Französischlehrerin an und teilte ihr mit, sein Sohn sei krank (hohes Fieber). Diese riet dem Vater, das Kind nicht zur Prüfung zu schicken und bot die beiden darauffolgenden Tage (28. und 29. November 2006) als Nachprüfungstermine an. Am 30. November 2006, d.h. nach Ablauf der Probezeit, besuchte der Beschwerdeführer die Schule (nach seinen eigenen Angaben nunmehr gesund) wieder.
 
2.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, nach solchem "aktivem Abraten" und auf Grund der früheren Äusserung der Französischlehrerin vor der gesamten Klasse habe er ohne weiteres davon ausgehen können, dass er die Probezeit auch ohne eine vierte Prüfungsnote in Französisch bestehen würde; in diesem Vertrauen sei er zu Unrecht enttäuscht worden.
 
3.
 
3.1 Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung seines Anspruches auf rechtliches Gehör (Art. 29 BV). Diese erblickt er darin, dass sich das Verwaltungsgericht zwar mit den Äusserungen der Lehrerin vor der gesamten Klasse und denjenigen gegenüber dem Vater an Telefon auseinandergesetzt, hingegen den aus seiner Sicht zentralsten Punkt der Verbindung der beiden Aussagen bzw. deren "Zusammenwirken" nicht berücksichtigt habe; es sei damit seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen.
 
3.2 Der in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die grundsätzliche Pflicht der Behörde, ihren Entscheid so zu begründen, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt. Das bedeutet aber nicht, dass sich diese ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinander setzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 f. mit Hinweisen).
 
3.3 Das Verwaltungsgericht hat ausführlich begründet, weshalb die in Frage stehenden Äusserungen der Lehrerin keine Vertrauensgrundlage bilden konnten (angefochtenes Urteil E. 3). Es hat dabei genügend klar zum Ausdruck gebracht, dass dies auch für die vom Beschwerdeführer geltend gemachte "Kombination" bzw. "Verbindung" beider Aussagen gilt; weitere Ausführungen dazu waren verfassungsrechtlich nicht erforderlich, nachdem das Verwaltungsgericht zum Schluss gelangt war, dass beide Aussagen keine Vertrauensgrundlage bilden konnten. Der Beschwerdeführer war jedenfalls gestützt auf den angefochtenen Entscheid in der Lage, den angefochtenen Entscheid sachgerecht anzufechten.
 
4.
 
4.1 Der Beschwerdeführer rügt sodann eine Verletzung des Willkürverbotes (Art. 9 BV) und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV).
 
4.2 Der Beschwerdeführer erachtet zunächst die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Äusserung der Lehrerin vor der Klasse und ihr telefonischer Rat bezögen sich nicht spezifisch auf die Situation des Beschwerdeführers, als offensichtlich unhaltbar und im Widerspruch zu den tatsächlichen Gegebenheiten.
 
Die Rüge ist unbegründet. In Bezug auf die Äusserung vor der gesamten Klasse räumt der Beschwerdeführer selber ein, diese habe nicht ihn speziell betroffen (Beschwerde Rz 62). Das Verwaltungsgericht hat es zudem als irrelevant betrachtet, ob die Lehrerin den Rat, nicht krank an der Prüfung teilzunehmen, lediglich grundsätzlich oder speziell mit Bezugnahme auf die Situation des Beschwerdeführers erteilt habe. Die vom Beschwerdeführer gerügte Feststellung bezieht sich damit auf einen Sachverhalt, den das Verwaltungsgericht gar nicht als rechtserheblich erachtete.
 
4.3 Das Verwaltungsgericht hat erkannt, aus den in Frage stehenden Äusserungen der Lehrerin könne nicht in guten Treuen der Schluss gezogen werden, der Beschwerdeführer würde die Probezeit auch ohne vierte Französischprüfung bestehen. Diese Beurteilung verstösst nach Auffassung des Beschwerdeführers gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
 
Die fragliche Äusserung vor der Klasse wird vom Verwaltungsgericht durchaus plausibel damit begründet, dass dadurch die aufgeregten Schüler, die kurz vor Ende der Probezeit offenbar nicht eine weitere Prüfung erwartet hatten, beruhigt werden sollten. Dasselbe gilt für den Rat, den kranken Schüler nicht zur Prüfung zu schicken. Diese Aussage kann vernünftigerweise entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht als "aktives Abraten" bzw. Drängen auf eine Nichtteilnahme an der Prüfung ausgelegt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Lehrerin den Beschwerdeführer von seinem angeblich fest gefassten Schluss, an der Prüfung teilzunehmen, abgebracht bzw. aktiv von der Teilnahme abgehalten haben soll, sind nicht ersichtlich. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Würdigung beider Äusserungen ist weder unhaltbar, noch steht sie im Widerspruch zur tatsächlichen Situation. Ausserdem ist es im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 131 II 627 E. 6.1 S. 636; 130 I 26 E. 8.1 S. 60, je mit Hinweisen) nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht in den fraglichen Äusserungen keinen vertrauensbegründenden Akt erblickt.
 
4.4 Das Einhalten der vom Promotionsreglement vorgegebenen Bedingungen kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch nicht als in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufend bezeichnet werden. Was der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, bezieht sich auf seine Entwicklung und seine schulischen Leistungen nach Ablauf der Probezeit. Sie haben beim Entscheid über das Bestehen derselben ausser Betracht zu bleiben. Dies hindert die Schulbehörden indessen nicht, für den Beschwerdeführer - unabhängig vom seinerzeitigen Nichtbestehen der Probezeit - eine seiner seitherigen Entwicklung angemessene Lösung zu treffen.
 
5.
 
Der Beschwerdeführer beruft sich schliesslich auf sein kantonales Grundrecht auf Bildung (Art. 14 der Kantonsverfassung). Er legt indessen nicht dar, inwiefern sich aus dieser Bestimmung ein verfassungsmässiger Anspruch auf Aufnahme ins Gymnasium ergeben könnte, auch wenn die vom kantonalen Promotionsreglement verlangten Voraussetzungen klar nicht erfüllt sind. Auf die Rüge ist demnach mangels genügender Begründung (Art. 117 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 BGG) nicht einzutreten.
 
6.
 
Mit dem vorliegenden Urteil ist das Gesuch um Verlängerung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
 
7.
 
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien sowie der Bildungsdirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. Juli 2007
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).