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Informationen zum Dokument  BGer 1C_71/2007  Materielle Begründung
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BGer 1C_71/2007 vom 11.09.2007
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1C_71/2007 /fun
 
Urteil vom 11. September 2007
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Féraud, Präsident,
 
Bundesrichter Reeb, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Thönen.
 
Parteien
 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Clerc,
 
gegen
 
Kommission für Administrativmassnahmen im Strassenverkehr des Kantons Freiburg,
 
Route de Tavel 10, Postfach 192, 1707 Freiburg,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, III. Verwaltungsgerichtshof, Route André-Piller 21, Postfach, 1762 Givisiez.
 
Gegenstand
 
Entzug des Führerausweises,
 
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Freiburg, III. Verwaltungsgerichtshof, vom 13. Februar 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1952 geborene X.________ wurde mit Strafmandat vom 12. Juli 2006 vom Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, begangen am 13. März 2006 um 16.36 Uhr in Rüschegg-Graben mit dem Personenwagen FR ..., zu einer Busse von Fr. 600.-- verurteilt. Das Strafmandat wurde ihm am 22. Juli 2006 eröffnet und erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
 
Mit Verfügung vom 20. Juli 2006 entzog der Präsident der Kommission für Administrativmassnahmen im Strassenverkehr des Kantons Freiburg (im Folgenden: KAM) X.________ den Führerausweis für einen Monat. Zur Begründung wurde ausgeführt, X.________ habe am 13. März 2006 einen Personenwagen in Rüschegg mit einer Geschwindigkeit von 67 km/h gelenkt und damit die dort innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h, nach Abzug der Sicherheitsmarge von 5 km/h, um 22 km/h überschritten. Diese Verfügung wurde X.________ am 28. Juli 2006 eröffnet.
 
Gegen die Verfügung vom 20. Juli 2006 betreffend Führerausweisentzug erhob X.________ bei der KAM am 4. August 2006 Einsprache mit der Begründung, es hätte nicht festgestellt werden können, welche Person die Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hatte.
 
Mit Verfügung vom 27. September 2006 wies die KAM die Einsprache ab und bestätigte den einmonatigen Führerausweisentzug. Die KAM führte aus, das Strafmandat sei rechtskräftig geworden, daher könne der Sachverhalt im Administrativverfahren nicht mehr bestritten werden.
 
B.
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg wies mit Entscheid vom 13. Februar 2007 die Beschwerde von X.________ ab mit der Begründung, es sei zu Recht auf den Sachverhalt des Strafmandats abgestellt worden, und es sei allgemein bekannt, dass nach Geschwindigkeitsüberschreitungen allenfalls mit einem Führerausweisentzug zu rechnen ist.
 
C.
 
Mit Eingabe vom 23. April 2007 führt X.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der vorinstanzliche Entscheid und der Entscheid der KAM seien aufzuheben. Gegebenenfalls sei die Angelegenheit zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
In ihren Vernehmlassungen beantragen die KAM und das Verwaltungsgericht je die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Strassen ASTRA hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Der angefochtene Entscheid ist nach dem Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007 ergangen. Auf das vorliegenden Verfahren ist das BGG anwendbar (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG).
 
1.2 Gegen den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 ff. i.V.m. Art. 90 BGG); ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Für die Behandlung von Beschwerden betreffend den Strassenverkehr ist die erste öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts zuständig (Art. 29 Abs. 1 lit. e Reglement für das Bundesgericht vom 20. November 2006, SR 173.110.131).
 
2.
 
Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts. Er sei Halter des VW-Polo mit dem Kennzeichen FR ... Er könne sich aber nicht mehr erinnern, wer das Fahrzeug am 13. März 2006 gelenkt habe, als die Geschwindigkeitsübertretung festgestellt wurde. Der Lenker sei damals nicht angehalten worden, und es seien offensichtlich keine Fotografien hergestellt worden. Der Beschwerdeführer sei erst mehr als drei Monate später, am 27. Juni 2006, durch die Freiburger Kantonspolizei befragt worden. Er habe damals deutlich gemacht, dass für die Geschwindigkeitsübertretung mehrere Lenker in Frage kommen, der fehlbare Lenker aber nicht mehr eruiert werden könne. Der Beschwerdeführer habe sich bereit erklärt, als Halter des Fahrzeugs und als "bonus pater familias" die finanziellen Folgen der Geschwindigkeitsübertretung zu tragen. Er sei nicht als Lenker einvernommen worden. Auch dem Strafmandat lasse sich nicht entnehmen, dass er als Lenker verurteilt worden sei.
 
3.
 
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts ist es allgemein bekannt, dass nach Geschwindigkeitsüberschreitungen mit einer Verwarnung oder einem Führerausweisentzug zu rechnen ist. Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit und die Pflicht gehabt, seine Verteidigungsrechte im Strafverfahren wahrzunehmen. Als der Beschwerdeführer am 28. Juli 2006 die Verfügung des Präsidenten der KAM betreffend Führerausweisentzug vom 20. Juli 2006 erhalten habe, sei das Strafmandat noch nicht rechtskräftig gewesen. Der Beschwerdeführer hätte genügend Zeit gehabt, um gegen das Strafmandat Einsprache zu erheben. Überdies sei das Verhalten des Beschwerdeführers schwer nachvollziehbar, weil jemand, der ein Strafmandat erhält und sich zu Unrecht als Verurteilter betrachtet, normalerweise alles daran setze, um seine Schuld zu bestreiten.
 
4.
 
4.1 Gemäss Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Abs. 2).
 
4.2 Nach der Rechtsprechung muss derjenige, der weiss oder annehmen muss, dass gegen ihn ein Führerausweisentzugsverfahren durchgeführt wird, seine Verteidigungsrechte schon im (summarischen) Strafverfahren geltend machen, und die für den Führerausweisentzug zuständige Behörde darf in der Regel nicht von den Tatsachenfeststellungen des rechtskräftigen Strafentscheids abweichen. Dies gilt auch bei Entscheiden, die im Strafbefehlsverfahren gefällt wurden (BGE 123 II 97 E. 3c/aa; 121 II 214 E. 3a; Urteil 1C_29/2007 vom 27. August 2007 E. 3).
 
4.3 Die Ansicht des Verwaltungsgerichts ist - im Umfang der Darlegungen und Rügen des Beschwerdeführers (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) - nicht rechts- und verfassungswidrig. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer wusste oder wissen musste, dass er als Lenker (und nicht bloss als Fahrzeughalter) verurteilt wurde und dass gegen ihn nicht nur eine Busse verhängt, sondern auch ein Führerausweisentzugsverfahren durchgeführt wird. Zudem wäre ihm die Einsprache gegen das Strafmandat noch möglich gewesen, als er die Verfügung betreffend den Führerausweisentzug erhielt. Der Beschwerdeführer wendet zwar ein, er könne sich nicht erinnern, wer gefahren sei. Dies reicht aber nicht aus, um von der beschriebenen Praxis abzuweichen. Nach der Rechtsprechung ist es im Rahmen der freien Beweiswürdigung im Strafverfahren erlaubt, die Haltereigenschaft als Indiz für die Täterschaft einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu werten (nicht publiziertes Urteil 1P.596/1993 vom 12. November 1993). Die sinngemässen Erwägungen im Verwaltungsverfahren betreffend den Führerausweisentzug sind auch aus diesem Grund nicht zu beanstanden.
 
4.4 Hinsichtlich der Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV) kann auf das soeben Gesagte verwiesen werden. Inwieweit die gerügte Verletzung von Art. 16b Abs. 2 i.V.m. mit Art. 22 SVG über das bereits Behandelte hinausgeht, ist nicht ersichtlich. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG).
 
5.
 
Der Beschwerdeführer rügt schliesslich eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Es sei ihm keine Gelegenheit gegeben worden, sich zum vorliegenden Verfahren zu äussern.
 
5.1 Nach der Darlegung des Verwaltungsgerichts ist der Beschwerdeführer vor Erlass der Verfügung des Präsidenten der KAM vom 20. Juli 2006 nicht angehört worden. Durch seine Einsprache und die freie Prüfung des Sachverhalts in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht durch die KAM sei die Gehörsverletzung aber geheilt worden.
 
5.2 Gemäss Art. 23 Abs. 1 Satz 2 SVG ist der Betroffene vor dem Entzug eines Führerausweises oder der Auflage eines Fahrverbots "in der Regel" anzuhören.
 
Der in Art. 29 Abs. 2 BV verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet u.a. das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines ihn belastenden Entscheides zur Sache zu äussern (BGE 124 I 241 E. 2; 126 I 97 E. 2b).
 
5.3 Im Kanton Freiburg ist der Präsident der KAM zuständig, um in einem einfachen und raschen Verfahren Verwarnungen und Führerausweisentzüge für die Dauer von einem Monat zu verfügen. Auf Einsprache der betroffenen Person hin entscheidet die Kommission im ordentlichen Verfahren (Art. 3 Abs. 2 Reglement des Kantons Freiburg vom 24. August 1982 betreffend die Kommission für Administrativmassnahmen im Strassenverkehr).
 
Diese Verfahrensorganisation ist vergleichbar mit dem Verwaltungsverfahren des Bundes. Vor Verfügungen, die durch Einsprache anfechtbar sind, braucht die Behörde die Parteien nicht anzuhören (Art. 30 Abs. 2 lit. b VwVG). Der Betroffene kann sich mit Einsprache zur Sache äussern, bevor die Behörde neu verfügt.
 
5.4 Der Ausweisentzug wurde zunächst durch den Präsidenten der KAM im vereinfachten Verfahren verfügt (Verfügung vom 20. Juli 2006). Danach äusserte sich der Beschwerdeführer mit Einsprache vom 4. August 2006 zur verhängten Massnahme und erwirkte, dass die KAM ein ordentliches Verfahren durchführte. Die KAM behandelte die Einsprache mit Verfügung vom 27. September 2006 und ordnete an: "Diese Verfügung ersetzt und annulliert diejenige vom 20. Juli 2006." Für den Ausweisentzug ist somit die Verfügung vom 27. September 2006 massgebend. Diesbezüglich konnte sich der Beschwerdeführer vorgängig äussern.
 
Dass der Beschwerdeführer seine Einsprache vom 4. August 2006, wie er selber einräumt, "nur äusserst schlank" begründete, hat er selber zu vertreten. Gestützt auf seine Eingabe war die KAM nicht verpflichtet, beim Beschwerdeführer eine (weitere) Stellungnahme einzuholen. Die Gehörsrüge ist unbegründet.
 
6.
 
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Kommission für Administrativmassnahmen im Strassenverkehr und dem Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, III. Verwaltungsgerichtshof, sowie dem Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 11. September 2007
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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