BGer 9C_281/2007 | |||
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BGer 9C_281/2007 vom 22.01.2008 | |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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9C_281/2007
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Urteil vom 22. Januar 2008
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II. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
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Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
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Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
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Parteien
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Bundesamt für Sozialversicherungen,
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Effingerstrasse 20, 3003 Bern, Beschwerdeführer,
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gegen
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S.________, Beschwerdegegnerin, handelnd durch ihre Eltern und diese vertreten durch Fürsprecher Daniel Wyssmann, Theaterplatz 8, 3011 Bern,
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IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 2. April 2007.
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Sachverhalt:
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A.
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Die am 10. April 1993 geborene S.________ ist deutsche Staatsangehörige und wohnt mit ihren Eltern seit August 2004 in der Schweiz. Wegen einer angeborenen Fehlstellung der Zähne (mordex apertus congenitus, sog. "offener Biss") meldete sie sich im Februar 2006 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Übernahme der Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung) an. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle Bern den Anspruch auf medizinische Massnahmen (Verfügung vom 27. September 2006).
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B.
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Die von der Versicherten, vertreten durch ihre Eltern, erhobene Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, die IV-Stelle sei zu verpflichten, die Kosten für die Behandlung im Zusammenhang mit dem mordex apertus congenitus zu übernehmen, hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 2. April 2007 gut, hob die Verfügung auf und wies die Sache zum weiteren Vorgehen im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück.
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C.
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Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt Beschwerde und beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheides.
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Erwägungen:
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1.
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Ob auf die Beschwerde gegen den kantonalen Entscheid, der die Sache an die IV-Stelle zurückweist, eingetreten werden kann, erscheint fraglich (Art. 93 BGG; BGE 133 V 477), kann aber angesichts des Ausgangs des Verfahrens offen bleiben.
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2.
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Gemäss Art. 13 Abs. 1 IVG haben Versicherte bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG) notwendigen medizinischen Massnahmen. Die Geburtsgebrechen werden in einer Liste im Anhang zur vom Bundesrat gestützt auf Art. 13 Abs. 2 IVG erlassenen Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV) aufgeführt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 GgV).
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Der bei der Versicherten fachärztlich diagnostizierte "mordex apertus congenitus" (sog. "offener Biss") ist - wie feststeht und unbestritten ist - als Geburtsgebrechen im Sinne von Ziff. 209 GgV Anhang zu qualifizieren. Wäre die Versicherte Schweizer Bürgerin, würde sie die versicherungsmässigen Voraussetzungen (Art. 6 IVG) für Leistungen zur Behandlung des Geburtsgebrechens erfüllen, während sie als deutsche Staatsangehörige, worüber Einigkeit besteht, weder die Voraussetzungen gemäss Art. 6 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 3 IVG noch diejenigen gemäss Art. 18 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 (SR 0.831.109.136.1) erfüllt.
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Streitig und zu prüfen ist, ob ein Anspruch abgeleitet werden kann aus dem Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) bzw. aus der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (nachfolgend: Verordnung Nr. 1408/71; SR 0.831.109.268.1). Anders als Vorinstanz und Versicherte verneint das Beschwerde führende Bundesamt die Frage, dies unter Hinweis darauf, dass die Versicherte als nie erwerbstätig gewesenes Kind bezüglich der beantragten medizinischen Massnahmen nicht unter den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 falle.
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3.
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Gemäss Art. 2 FZA dürfen die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmässig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, bei der Anwendung dieses Abkommens gemäss den Anhängen I, II und III nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden. Nach Art. 8 FZA regeln die Vertragsparteien die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gemäss Anhang II. Im Anhang II kommen die Vertragsparteien überein, im Bereich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit untereinander die gemeinschaftlichen Rechtsakte, auf die Bezug genommen wird, anzuwenden, wozu namentlich auch die Verordnung Nr. 1408/71 gehört. Diese Verordnung gilt gemäss ihrem Art. 2 Abs. 1 unter anderem für Arbeitnehmer und Selbstständige, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Ihr sachlicher Geltungsbereich umfasst gemäss Art. 4 alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die unter anderem Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft (Abs. 1 lit. a) sowie Leistungen bei Invalidität einschliesslich der Leistungen, die zur Erhaltung oder Besserung der Erwerbsfähigkeit bestimmt sind (Abs. 1 lit. b), erfassen. Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben gemäss Art. 3 Abs. 1 der Verordnung die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen der Verordnung nichts anderes vorsehen. Sofern die streitige Leistung in den Geltungsbereich der Verordnung fällt, hat somit die Beschwerdegegnerin als Angehörige eines EU-Mitgliedstaates darauf unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Schweizer Bürger Anspruch, selbst wenn sie die vom Gesetz für ausländische Staatsangehörige vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. Art. 80a IVG; BGE 131 V 390 E. 5.2 S. 397 ff. und E. 7.2 S. 401 f. mit Hinweisen).
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4.
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4.1 Wie das Bundesgericht im Urteil I 816/06 vom 19. April 2007 (publ. in BGE 133 V 320) im Falle eines medizinische Massnahmen anbegehrenden, an einem anderen Geburtsgebrechen (angeborene Epilepsie; Ziff. 387 GgV Anhang) leidenden Kindes niederländischer Staatsangehörigkeit nach Auseinandersetzung mit Lehre und Rechtsprechung entschieden hat, fällt der Familienangehörige eines niederländischen Erwerbstätigen in Bezug auf Leistungen bei Geburtsgebrechen - ungeachtet der Unterscheidung zwischen eigenen und abgeleiteten Ansprüchen - in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 und sind mit Blick darauf, dass medizinische Massnahmen zur Behandlung eines Geburtsgebrechens als Leistungen bei Krankheit im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71 zu qualifizieren sind, auch die Voraussetzungen des sachlichen Geltungsbereichs gegeben. Dementsprechend gelangte das Gericht zum Ergebnis, dass eine auf die Staatsangehörigkeit abstellende Ungleichbehandlung gestützt auf Art. 3 der Verordnung Nr. 1408/71 unzulässig sei. Weil schweizerische Staatangehörige in derselben Lage Anspruch auf medizinische Massnahmen bei Geburtsgebrechen hätten, müsse dasselbe auch für den Familienangehörigen eines Erwerbstätigen aus einem Vertragsstaat gelten, auch wenn der Familienangehörige die für ausländische Staatsangehörige geltenden gesetzlichen Vorschriften nicht erfülle (was aufgrund von Art. 94 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1408/71 auch in intertemporaler Hinsicht gelte).
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4.2 Der angefochtene Entscheid steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang und ist in keiner Weise zu beanstanden: Die Vorinstanz ist darin zum Ergebnis gelangt, dass sich die Versicherte bezüglich des geltend gemachten Anspruchs auf Kostengutsprache für die anbegehrten medizinischen Massnahmen auf das in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 (bzw. in Art. 2 FZA) verankerte Gebot der Nicht-Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit berufen könne, weshalb ihr die spezifischen, für ausländische Staatsangehörige geltenden versicherungsmässigen Voraussetzungen nicht entgegengehalten werden könnten.
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Da sich die vom BSV gegen den vorinstanzlichen Entscheid beschwerdeweise vorgebrachten Argumente mit denjenigen im Verfahren I 816/06 decken und sich das Bundesgericht im damaligen Verfahren einlässlich mit den Einwänden auseinandergesetzt hat, sei auf die entsprechenden Erwägungen im Urteil vom 19. April 2007 verwiesen.
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5.
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Weil die Beschwerde im Lichte von BGE 133 V 320 offensichtlich unbegründet ist, wird sie im vereinfachten Verfahren ohne Schriftenwechsel abgewiesen (Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG). Das Bundesamt, welches nicht in seinem Vermögensinteresse handelt, trägt keine Kosten (Art. 66 Abs. 4 BGG). Da der Beschwerdegegnerin durch den Rechtsstreit keine massgeblichen Kosten entstanden sind, ist keine Parteientschädigung geschuldet.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 22. Januar 2008
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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Meyer Keel Baumann
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