VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 8C_81/2010  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 8C_81/2010 vom 07.07.2010
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_81/2010
 
Urteil vom 7. Juli 2010
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard,
 
Gerichtsschreiber Lanz.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
V.________, geboren 2007,
 
vertreten durch ihren Vater, und dieser vertreten
 
durch Rechtsanwalt Dr. iur. Hardy Landolt,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (medizinische Massnahme),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz
 
vom 21. Dezember 2009.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
V.________, geb. 26. Februar 2007, leidet an einem erstmals am 21. August 2008 diagnostizierten hirnstammnahen Tumor, biologisch vereinbar mit einem Medulloblastom im Sinne des Geburtsgebrechens Ziff. 384 GgV-Anhang, bei multiplen Hirnnervenausfällen, intraspinaler Metastasierung, Tumorektomie am 2. September 2008 und oralen Ernährungsschwierigkeiten (Bericht Kinderspital X.________ vom 22. Oktober 2008). Im September 2008 erfolgte die Anmeldung für Leistungen der Invalidenversicherung (IV). Die IV-Stelle Schwyz erteilte am 3. November 2008 Kostengutsprache für medizinische Massnahmen zur Behandlung des Geburtsgebrechens ab 21. August 2008 bis 31. Juli 2013. Sie übernahm in der Folge Kosten für ambulante Physiotherapie, für Unterschenkel-Orthesen sowie für eine Sonde und für Sondenernährung. Zudem sprach sie mit Verfügung vom 22. Oktober 2009 eine Hilflosenentschädigung ab 1. August 2009 wegen Hilflosigkeit leichten Grades und ab 1. November 2009 wegen Hilflosigkeit mittleren Grades sowie ab 1. August 2009 zusätzlich einen Intensivpflegezuschlag bei Aufenthalt zu Hause zu. Hingegen verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 2. Oktober 2009 einen Anspruch auf die als medizinische Massnahme der IV beantragte Kostengutsprache für Leistungen, welche die Kinder-Spitex bei der Versicherten zu Hause erbringt.
 
B.
 
Die gegen die Verfügung vom 2. Oktober 2009 erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 21. Dezember 2009 ab.
 
C.
 
V.________, vertreten durch ihren Vater, lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Sache im Sinne der Erwägungen an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
D.
 
Mit Eingabe vom 19. April 2010 lässt die Versicherte mehrere Belege nachreichen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (Urteil 8C_934/2008 vom 17. März 2009 E. 1 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 135 V 194, aber in: SVR 2009 UV Nr. 35 S. 120). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
 
2.
 
Die erst im letztinstanzlichen Verfahren - und überdies nach Ablauf der Rechtsmittelfrist - mit Eingabe vom 19. April 2010 eingereichten Aktenstücke stellen unzulässige Noven dar und sind daher ausser Acht zu lassen (Art. 99 Abs. 1 BGG). Sie betreffen im Übrigen ohnehin Sachverhalte, welche sich nach dem - die gerichtliche Überprüfungsbefugnis zeitlich begrenzenden (vgl. BGE 131 V 242 E. 2.1 S. 243 mit Hinweis) - Erlass der Verwaltungsverfügung vom 2. Oktober 2009 ereignet haben.
 
3.
 
Die Beschwerdeführerin hat unbestrittenermassen Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung ihres Geburtsgebrechens. Streitig und zu prüfen ist, ob die von der Kinder-Spitex erbrachten Leistungen solche Massnahmen darstellen.
 
Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung der Streitsache relevanten Bestimmungen über die Gewährung medizinischer Massnahmen der Invalidenversicherung zur Behandlung von Geburtsgebrechen (namentlich Art. 3 Abs. 2 ATSG, Art. 13 IVG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 3 Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen [GgV; SR 831.232.21], Art. 14 IVG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
4.
 
Die Vorinstanz hat den streitigen Leistungsanspruch mit der Begründung verneint, der Einsatz der Kinder-Spitex bei der Beschwerdeführerin zu Hause stelle keine medizinische Massnahme im Sinne der erwähnten Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen dar.
 
In der Beschwerde wird eingewendet, die vorinstanzliche Beurteilung beruhe auf einem unzutreffenden Verständnis der medizinischen Massnahmen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 IVG. Zudem habe das kantonale Gericht die der versicherten Person gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG zustehende Freiheit, zwischen Anstalts- und Hauspflege wählen zu können, und den Grundsatz der Austauschbefugnis verletzt.
 
Nach Auffassung der IV-Stelle liegt keine medizinische Massnahme und auch kein Tatbestand der Austauschbefugnis vor.
 
5.
 
Der Anspruch auf medizinische Massnahmen der IV ist in Art. 12-14 IVG und den entsprechenden Verordnungsbestimmungen geregelt.
 
Zum Anspruch im Allgemeinen bestimmt das Gesetz: Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die Eingliederung ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren (Art. 12 Abs. 1 IVG in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung). Der Bundesrat ist befugt, die Massnahmen gemäss Absatz 1 von jenen, die auf die Behandlung des Leidens an sich gerichtet sind, abzugrenzen. Er kann zu diesem Zweck insbesondere die von der Versicherung zu gewährenden Massnahmen nach Art und Umfang näher umschreiben und Beginn und Dauer des Anspruchs regeln (Art. 12 Abs. 2 IVG). Von dieser Befugnis hat der Bundesrat in Art. 2 IVV Gebrauch gemacht.
 
Bezüglich Geburtsgebrechen gilt: Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG) notwendigen medizinischen Massnahmen (Art. 13 Abs. 1 IVG in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung). Der Bundesrat bezeichnet die Gebrechen, für welche diese Massnahmen gewährt werden (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 IVG). Dies ist, gestützt auf den Verweis in Art. 3 IVV, in der Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV; SR 831.232.21) und ihrem Anhang erfolgt. Gemäss Art. 2 Abs. 3 GgV (unverändert übernommen aus: Art. 1 Abs. 3 der bis 31. Dezember 1985 in Kraft gestandenen Verordnung vom 20. Oktober 1971 über Geburtsgebrechen, AS 1971 1583) gelten als medizinische Massnahmen, die für die Behandlung eines Geburtsgebrechens notwendig sind, sämtliche Vorkehren, die nach bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft angezeigt sind und den therapeutischen Erfolg in einfacher und zweckmässiger Weise anstreben.
 
Den Umfang der medizinischen Massnahmen regelt das Gesetz wie folgt: Die medizinischen Massnahmen umfassen: a. die Behandlung, die vom Arzt selbst oder auf seine Anordnung durch medizinische Hilfspersonen in Anstalts- oder Hauspflege vorgenommen wird, mit Ausnahme von logopädischen und psychomotorischen Therapien; b. die Abgabe der vom Arzt verordneten Arzneien (Art. 14 Abs. 1 IVG in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung). Erfolgt die ärztliche Behandlung in einer Kranken- oder Kuranstalt, so hat der Versicherte überdies Anspruch auf Unterkunft und Verpflegung in der allgemeinen Abteilung. Begibt sich der Versicherte in eine andere Abteilung, obwohl die Massnahme in der allgemeinen Abteilung durchgeführt werden könnte, so hat er Anspruch auf Ersatz der Kosten, die der Versicherung bei Behandlung in der allgemeinen Abteilung entstanden wären (Art. 14 Abs. 2 IVG). Beim Entscheid über die Gewährung von ärztlicher Behandlung in Anstalts- oder Hauspflege ist auf den Vorschlag des behandelnden Arztes oder der behandelnden Ärztin und auf die persönlichen Verhältnisse der Versicherten in angemessener Weise Rücksicht zu nehmen (Art. 14 Abs. 3 IVG in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung).
 
6.
 
Der Rechtsstreit dreht sich um die Frage, was unter einer medizinischen Massnahme im Sinne von Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG und Art. 2 Abs. 3 GgV zu verstehen ist.
 
Von der Beantwortung dieser Frage hängt, wie gleich vorab darzulegen ist, auch die geltend gemachte Austauschbefugnis resp. Wahlfreiheit der Beschwerdeführerin ab.
 
Hiezu wird in der Beschwerde ausgeführt, würde die Versicherte nicht zu Hause durch ihre Eltern und die Kinder-Spitex gepflegt, müsste sie dauernd in einem Pflegeheim oder im Kinderspital betreut und gepflegt werden. In beiden Fällen hätte die Invalidenversicherung für die notwendigen "medizinischen Massnahmen" die Pflege bzw. Spitaltaxe, einschliesslich Unterkunft und Verpflegung, nach Art. 14 Abs. 2 IVG zu übernehmen. Es seien daher in jedem Fall die Leistungen zuzusprechen, welche die Versicherte beanspruchen könnte, wenn entweder die Kinder-Spitex, das Kinderspital oder ein Pflegeheim die gesamte Behandlungs- und akzessorische Grundpflege im Sinne von Art. 13 IVG erbringen würde.
 
6.1 Die aus dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz (vgl. Art. 8 Abs. 1 IVG) fliessende Austauschbefugnis hat das Eidgenössische Versicherungsgericht (heute: I. und II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts) in den invalidenversicherungsrechtlichen Bereichen der Hilfsmittelversorgung (Art. 21 IVG) und der medizinischen Massnahmen (Art. 12 f. IVG) entwickelt und seither in ständiger Rechtsprechung in verschiedenen Sozialversicherungszweigen zur Anwendung gebracht (BGE 131 V 107 E. 3.2.1 S. 110; SVR 2010 IV Nr. 10 S. 31, 9C_13/2009 E. 7.1, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 131 V 167 E. 5.1 S. 173 mit Hinweis). Sie stellt nicht einen im gesamten Sozialversicherungsrecht anwendbaren Grundsatz dar und ist in der Anwendung an bestimmte Voraussetzungen gebunden. So setzt sie namentlich immer einen substitutionsfähigen aktuellen gesetzlichen Leistungsanspruch voraus (BGE 131 V 107 E. 3.2.3 S. 112 f. mit Hinweisen, 167 E. 5.1 S. 173 mit Hinweis; SVR 2010 IV Nr. 10 S. 31, 9C_13/2009 E. 7.1 mit Hinweisen; vgl. auch: BGE 133 V 218 E. 4.3 S. 220; ULRICH MEYER, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], in: Murer/Stauffer [Hrsg.], Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2010, S. 104).
 
Im vorliegenden Fall geht es um den Einsatz der Kinder-Spitex. Damit die Übernahme dieses Einsatzes im Rahmen der Austauschbefugnis überhaupt einen Leistungsanspruch nach Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG substituieren könnte, müsste nach dem Gesagten ein aktueller Leistungsanspruch aufgrund dieser Bestimmung gegeben sein. Ob dies zutrifft, entscheidet sich nach dem Begriff der medizinischen Massnahme gemäss Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG, den es nachfolgend zu erläutern gilt.
 
6.2 Nichts anderes gilt für die postulierte Wahlfreiheit, welche jedenfalls nur unter tatsächlich bestehenden Ansprüchen und im Rahmen von Art. 14 Abs. 3 IVG bestehen könnte.
 
7.
 
Das kantonale Gericht stützt seinen Entscheid auf die zu den medizinischen Massnahmen bei Geburtsgebrechen ergangene Rechtsprechung. Danach gilt Folgendes:
 
Die tägliche Krankenpflege gehört nicht zu den medizinischen Massnahmen im Sinne von Art. 1 Abs. 3 aGgV (heute: Art. 2 Abs. 3 GgV), weil ihr kein therapeutischer Charakter im eigentlichen Sinn zukommt. Dies bedeutet, dass die Invalidenversicherung nur so weit für die Spitalpflege eines Kindes aufzukommen hat, als die eigentliche Behandlung den Aufenthalt in einem Krankenhaus erfordert. Immerhin genügt zur Gewährung der vollen Spitalleistungen, dass eine einzige Vorkehr, die vom Arzt oder auf seine Anordnung durch medizinische Hilfspersonen vorgenommen wird, die Behandlung in einer Heilanstalt notwendig macht (BGE 102 V 45 E. 1 S. 48 f. mit Hinweisen; Pra 1991 Nr. 214 S. 903, I 318/90 E. 5b; ZAK 1982 S. 323, I 306/81 E. 2). Nicht zu den medizinischen Massnahmen im genannten Sinn zählt eine Vorkehr - auch lebenserhaltender Art -, wenn eine medizinisch nicht geschulte Person in der Lage ist (oder dazu angeleitet werden kann), sie vorzunehmen (BGE 102 V 45 E. 1 S. 49). Betont wurde weiter, dass die Invalidenversicherung nicht jede beliebige Behandlung übernimmt, sondern nur eine solche, welche "vom Arzt selbst oder auf seine Anordnung durch medizinische Hilfspersonen in Anstalts- oder Hauspflege" vorgenommen wird (BGE 121 V 8 E. 5a S. 9 mit Hinweis auf Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG). Als medizinische Hilfspersonen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG sind nur jene Personen zu verstehen, welche, wie Physiotherapeuten, Logopäden, anerkannte Chiropraktoren usw., eine angemessene berufliche Fachausbildung erhalten haben und ihren Beruf nach den im betreffenden Fall gültigen Vorschriften ausüben (BGE 121 V 8 E. 5a S. 9 mit Hinweisen; SVR 2005 IV Nr. 29 S. 109, I 174/03 E. 5.2 und 5.3). Eltern ohne genügende berufliche (medizinische) Fachausbildung zählen nicht zu diesen Hilfspersonen (BGE 121 V 8 E. 5a S. 9; AHI 2003 S. 211, I 100/00 E. 3.2; SVR 2003 IV Nr. 15 S. 44, I 752/01 E. 2.2; Urteil I 40/84 vom 23. Oktober 1984 E. 1, erwähnt bei Meyer, a.a.O., S. 168; vgl. auch: ZAK 1992 S. 86, I 249/90 E. 1b).
 
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass nur Vorkehren, welche notwendigerweise durch den Arzt oder - auf seine Anordnung - durch medizinische Hilfspersonen im umschriebenen Sinne vorzunehmen sind, als medizinische Massnahmen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG und Art. 2 Abs. 3 GgV gelten können. Das trifft nicht zu bei Vorkehren, welche, ob nun mit oder ohne Anleitung, durch Personen ohne medizinische Spezialausbildung durchgeführt werden können.
 
8.
 
In der Beschwerde wird Kritik an dieser Rechtsprechung geäussert. Entgegen der mit BGE 102 V 45 begründeten Praxis sei für die Frage, ob eine medizinische Massnahme vorliege, nicht entscheidend, ob die Eltern als medizinisch nicht geschulte Personen in der Lage resp. dazu angeleitet worden seien, die fragliche Vorkehr durchzuführen. Das entsprechende, vom Bundesgericht im Jahr 1976 definierte Qualifikationsmerkmal sei sachlich unzutreffend und zudem überholt. Beim Erlass der Krankenpflegeversicherung seien die "medizinischen Massnahmen", worunter nach heutiger Pflegeterminologie die "Behandlungspflege" zu verstehen sei, in Art. 7 Abs. 2 lit. b KLV entsprechend der aktuellen Pflegetheorie konkretisiert. Was als Behandlungsmassnahme und damit als medizinische Massnahme zu verstehen sei, bestimme sich nach dem Zweck der Pflegemassnahme. Diene die jeweilige Pflegemassnahme der Behandlung eines Gesundheitsschadens (im vorliegenden Fall der Tumorerkrankung und deren Folgeerscheinungen), sei sie als Behandlungspflege zu qualifizieren. Diene die jeweilige Pflegemassnahme lediglich der Kompensation eines Funktionsdefizits, das als Folge des Gesundheitsschadens eingetreten sei, liege demgegenüber Grundpflege vor. Entsprechend werde in Art. 7 Abs. 2 lit. c KLV als Grundpflege die Hilfe für die Ausführung von Selbstversorgungstätigkeiten bezeichnet, die Versicherte "nicht selber ausführen können". Vor diesem Hintergrund sei das erwähnte Qualifikationsmerkmal überholt. Es sei denn auch ohne weiteres denkbar, dass medizinische Laien bei entsprechender Instruktion und Überwachung imstande seien, sowohl Behandlungs- als auch Grundpflegemassnahmen auszuführen. In BGE 116 V 41 ff. sei erwogen worden, dass "Laien", insbesondere Angehörige, selbstständig Behandlungspflegemassnahmen ausführen könnten und dürften. Dass angeleitete und überwachte "Laien", insbesondere Angehörige, auch als Angestellte einer anerkannten Spitexorganisation tätig sein dürften, wenn sie durch das Fachpersonal der Spitex intensiv überwacht und betreut würden, sei im Urteil K 156/04 des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (heute Bundesgericht) vom 21. Juni 2006 E. 5 explizit festgestellt worden. Aus der "Laienpflege" ableiten zu wollen, dass immer Grundpflege resp., nach der vorinstanzlichen Terminologie, "alltägliche Krankenpflege", vorliege, sei falsch. Es sei deshalb bei einer geltungszeitlichen und die systematischen Zusammenhänge berücksichtigenden Auslegung des seit 1. Januar 1968 in Kraft stehenden gesetzlichen Begriffs der "medizinischen Massnahmen" nicht auf das Laien- bzw. Delegationskriterium, sondern auf den Zweck der konkreten Pflegemassnahme abzustellen. Vorgebracht wird weiter, gemäss BGE 120 V E. 3b S. 284 sei, wenn die Aufwendungen, welche sich aus der Durchführung medizinischer Massnahmen in Hauspflege ergäben, teils der Behandlungs- und teils der Grundpflege zuzurechnen seien, eine Ausscheidung dieser beiden Pflegebereiche entbehrlich, weil seit der Einführung des mittlerweile aufgehobenen und durch den Intensivpflegezuschlag ersetzten Art. 4 IVV eine Leistungspflicht der Geburtsgebrechenversicherung nicht nur für die Behandlungs-, sondern auch für die bei Durchführung einer medizinischen Massnahme erforderliche Grundpflege bestehe.
 
9.
 
IV und obligatorische Krankenversicherung (KV) regeln nach Zweck und zu gewährenden Leistungen unterschiedliche Anspruchsbereiche. Grundsätze, welche im einen Bereich gelten, sind daher nicht ohne weiteres auf den anderen Bereich übertragbar. Das gilt erst recht im Verhältnis zwischen der IV und der sozialen Unfallversicherung (UV), welche definitionsgemäss keine Leistungsansprüche wegen Geburtsgebrechen vorsieht. Den erwähnten Urteilen BGE 116 V 41 - betreffend UV - und K 156/04 vom 21. Juni 2006 (veröffentlicht u.a. in RKUV 2006 Nr. KV 376 S. 303) - betreffend KV - lässt sich denn auch nichts entnehmen, was den hier geltend gemachten Anspruch im Bereich der IV zu stützen vermöchte. Gleiches gilt für die in der Beschwerde genannten Bestimmungen der KLV.
 
10.
 
Zu beachten ist sodann, dass die IV bei Geburtsgebrechen Leistungen sowohl für die eigentliche, therapeutische Behandlung im Sinne des Art. 2 Abs. 3 GgV als auch für die nichttherapeutische Pflege und Betreuung vorsieht. Dieser Zweiteilung und der gegenseitigen Abgrenzung der beiden Leistungsbereiche gilt es Rechnung zu tragen. Dabei sind mit Blick darauf, dass in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen materiellen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220 mit Hinweis), die Gesetzes- und Verordnungsänderungen zu berücksichtigen, welche seit Erlass der beanstandeten Rechtsprechung erfolgt sind. Das betrifft namentlich auch die in der Beschwerde erwähnte Einführung des Intensivpflegezuschlages.
 
10.1 Die therapeutische Behandlung wird über die medizinischen Massnahmen nach Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG abgedeckt. Daran hat sich nichts geändert.
 
10.2 Für die Betreuung hilfloser Minderjähriger - ob nun mit oder ohne Geburtsgebrechen - sah aArt. 20 IVG in Verbindung mit aArt. 13 IVV einen Pflegebeitrag vor. Überdies konnten nach aArt. 14 Abs. 3 Satz 2 IVG in Verbindung mit aArt. 4 IVV bei Geburtsgebrechen und gegebenem Anspruch auf medizinische Massnahmen (vgl. zu diesem Erfordernis: BGE 129 V 200 E. 2 S. 204 und 120 V 280 E. 3b S. 284) zusätzlich anfallende Kosten aus der Hauspflege von der IV übernommen werden, was gemäss aArt. 4 Abs. 1 IVV "die Kosten für zusätzlich benötigte Hilfskräfte bis zu einer im Einzelfall festzusetzenden Höchstgrenze" umfasste.
 
Im Rahmen der am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen 4. IV-Revision wurden der Pflegebeitrag nach aArt. 20 IVG in die Hilflosenentschädigung (Art. 42 ff. IVG) überführt und die Hauspflegeregelung nach aArt. 4 IVV durch den Intensivpflegezuschlag bei Minderjährigen (Art. 42ter Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 39 IVV) ersetzt (vgl. lit. a der Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 21. März 2003 [4. IV-Revision]; MEYER, a.a.O., S. 425). In der bundesrätlichen Botschaft vom 21. Februar 2001 über die 4. Revision des IVG (BBl 2001 3205) wurde hiezu namentlich ausgeführt, der letzte Satz des Art. 14 Abs. 3 IVG sei zu streichen, da die Hauspflegebeiträge aufgehoben und in die Assistenzentschädigung (es blieb dann im Gesetzeswortlaut bei der Bezeichnung "Hilflosenentschädigung") überführt würden. In Zukunft könnten aufgrund von Art. 14 IVG nur noch die ärztlich angeordneten medizinischen Massnahmen, welche durch qualifiziertes medizinisches Personal zu Hause durchgeführt würden, übernommen werden (Botschaft, a.a.O., S. 3282). Die Aufhebung des Art. 14 Abs. 3 IVG wurde dann von den Räten diskussionslos angenommen (AB 2001 N 1932, 2002 S 755).
 
Der in der Botschaft verwendete Wortlaut "in Zukunft" deutet an, dass es sich vor der 4. IV-Revision bezüglich der die medizinischen Massnahmen durchführenden Personen anders verhielt. Das erscheint, jedenfalls mit Blick auf die vorstehend dargelegte Rechtsprechung zu den Geburtsgebrechen, nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Entscheidend ist aber der in der Botschaft klar zum Ausdruck gebrachte Wille, dass bei Hauspflege ausschliesslich Vorkehren, welche von qualifiziertem medizinischem Personal vorgenommen werden, als medizinische Massnahme gelten sollen. Das lässt sich vernünftigerweise nur so verstehen, dass bei Hauspflege Vorkehren, die keine medizinische Qualifikation erfordern, nicht medizinische Massnahmen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG darstellen.
 
10.3 Dieser ratio legis entspricht die in der Beschwerde beanstandete Rechtsprechung zu den medizinischen Massnahmen bei Geburtsgebrechen. Es besteht daher kein Anlass, von der besagten Praxis abzuweichen. Diese gestattet denn auch in sach- und systemgerechter Weise die Abgrenzung zu den Vorkehren, welche ausserhalb der medizinischen Massnahmen anzusiedeln sind und gegebenenfalls einen Anspruch auf Hilflosenentschädigung und Intensivpflegezuschlag begründen. Diese Differenzierung wäre nicht mehr möglich, wenn entsprechend der in der Beschwerde vertretenen Auffassung die sog. "Laienpflege" den medizinischen Massnahmen zugerechnet würde. Das liefe der vom Gesetz vorgegebenen und von der Rechtsprechung konkretisierten Systematik der Leistungsgewährung der IV bei Geburtsgebrechen zuwider.
 
11.
 
Auf den konkreten Fall bezogen ergibt sich Folgendes:
 
11.1 Das kantonale Gericht ist zum Ergebnis gelangt, die Kinder-Spitex komme während zwei Nächten pro Woche zum Einsatz. Eine medizinische Notwendigkeit, die entsprechenden Vorkehren durch medizinisch ausgebildetes Personal vornehmen zu lassen, bestehe nicht. Der Einsatz der Kinder-Spitex diene der Entlastung der Eltern. Die Vorinstanz stützt sich dabei namentlich auf folgende aktenkundige Aussagen: Seitens von Ärzten des Kinderspitals X.________ wurde ausgeführt, eine Entlastung während zweier Nächte/Woche scheine zurzeit eine notwendige Intervention, um allfällige Hospitalisationen wegen Überlastung der Familie zu verhindern (Spitalbericht vom 5. Februar 2009). Die Eltern könnten den hohen Pflegeaufwand und die 24-Stunden-Überwachung nicht vollumfänglich über lange Zeit selber übernehmen. Deshalb benötigten sie auch für die Nacht Spitex-Einsätze. Nur so könne das Kind langfristig zu Hause gepflegt werden und könnten unnötige Hospitalisationen verhindert werden (Spitalbericht vom 16. Juli 2009). Die Abklärung der IV an Ort und Stelle ergab, dass die Eltern alle medizinischen Massnahmen selber durchführten, dadurch aber an ihre Grenzen gelangten. Zweimal wöchentlich komme die Kinder-Spitex, um Nachtwachen zu leisten (Abklärungsbericht Hilflosenentschädigung/Intensivpflegezuschlag vom 6. August 2009). Sodann hielten die Ärzte des Regionalen ärztlichen Dienstes der IV (RAD) fest, es würden keine medizinischen Massnahmen durchgeführt, die ausschliesslich von einer diplomierten Krankenschwester erfüllt werden müssten. Die nächtliche Ernährung gehöre zur Grundpflege. Für das Verabreichen der Tablette per os oder per PEG-Sonde brauche es keine diplomierte Krankenschwester. Die Spitex leiste einen Entlastungsdienst (RAD-Bericht vom 27. Mai 2009). Die Anhörungsreaktion des Kinderspitals - gemeint ist dessen erwähnter Bericht vom 16. Juli 2009 - bestätige im Prinzip, dass es bei den Spitex-Leistungen um einen reinen Entlastungsdienst gehe (RAD-Bericht vom 27. Juli 2009). Die einzelnen Verrichtungen dienten der Entlastung der Eltern und erforderten nicht eine diplomierte Krankenschwester (RAD-Bericht vom 18. September 2009).
 
In der Beschwerde wird nichts vorgebracht, was die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz als offensichtlich unrichtig oder rechtsverletzend im Sinne von Art. 95 BGG erscheinen liesse. Das gilt auch, soweit in der Beschwerde auf verschiedene erforderliche Vorkehren Bezug genommen wird, werden doch diese gemäss den vom kantonalen Gericht genannten Akten in der Regel durch die - entsprechend instruierten - Eltern durchgeführt.
 
11.2 Die Vorinstanz hat weiter erwogen, obschon die Eltern einen - im Vergleich zur Betreuung gesunder Kinder - immens höheren Aufwand auf sich nehmen müssten und dies auch bemerkenswert meisterten, könne die von ihnen geleistete Pflege nicht als medizinische Massnahme im Sinne von Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG qualifiziert werden. Das gelte folgerichtig auch für den die Eltern entlastenden Einsatz der Kinder-Spitex.
 
Diese Beurteilung ist im Rahmen der dargelegten Grundsätze nicht zu beanstanden. So verständlich das Anliegen der Eltern aufgrund der gegebenen Umstände auch ist, kann doch nicht auf eine medizinische Massnahme im Sinne der gesetzlichen Regelung geschlossen werden.
 
Das heisst nun aber nicht, dass für den durch das Geburtsgebrechen erforderlichen pflegerischen Mehraufwand der Eltern und für deren Entlastung durch die Kinder-Spitex kein Leistungsanspruch aus der IV besteht. Diesem Anspruch ist aber nicht unter dem Titel der medizinischen Massnahmen, sondern über die Hilflosenentschädigung und den Intensivpflegezuschlag Rechnung zu tragen. Solche Leistungen wurden denn auch bereits verfügt.
 
11.3 Stellen die Vorkehren der Eltern resp. der Kinder-Spitex keine medizinische Massnahme dar, entfällt ohne weiteres auch ein Leistungsanspruch im Rahmen der Austauschbefugnis oder der postulierten Wahlfreiheit (E. 6 hievor). Die Beschwerde ist abzuweisen.
 
12.
 
Die Kosten des Verfahrens sind von der unterliegenden Beschwerdeführerin zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 7. Juli 2010
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Ursprung Lanz
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).