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Informationen zum Dokument  BGer 8C_20/2011  Materielle Begründung
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BGer 8C_20/2011 vom 09.06.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_20/2011
 
Urteil vom 9. Juni 2011
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard,
 
Gerichtsschreiberin Schüpfer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Meier,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6300 Zug,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 11. November 2010.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1950 geborene A.________ bestand in seiner Heimat die Matura, brach ein Jusstudium nach dem zweiten Propädeutikum ab und bildete sich später berufsbegleitend mit Finanz-, Management- und Marketingkursen weiter. Er kam im Jahre 1992 als Geschäftsleitungsmitglied des Konzerns R.________ in die Schweiz. Diese Stelle verlor er im Jahre 2000 wegen Restrukturierungsmassnahmen aufgrund einer Fusion mit einer anderen Firma. Nach einer anfänglichen Arbeitslosigkeit entschloss er sich zu einer selbständigen Tätigkeit (Handel mit Konsumgütern). Am 1. Juni 2005 meldete sich A.________ mit der Angabe, er sei seit April 2002 wegen psychischer Probleme vollständig arbeitsunfähig, zum Bezug von Leistungen bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Zug holte bei med. pract. S.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, einen Arztbericht ein und liess den Versicherten durch Dr. med. M._______, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, begutachten. Gestützt auf die Expertise vom 13. November 2006 ermittelte die IV-Stelle bei einer attestierten Arbeitsfähigkeit von 50 % einen Invaliditätsgrad von 53 % und sprach A.________ ab 1. Juni 2004 eine halbe Invalidenrente im Betrage von Fr. 402.- zu (Verfügung vom 17. März 2009).
 
B.
 
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher eine volle (maximale) Rente bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 70 % beantragt wurde, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Entscheid vom 11. November 2010 ab.
 
C.
 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, es sei ihm ab 1. Juni 2004 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Zusätzlich lässt er eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde erheben und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Angelegenheit zur Durchführung eines Beweisverfahrens und zu neuem materiellem Entscheid an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug zurückzuweisen.
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
 
1.2 Soweit der Beschwerdeführer subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) erhebt, ist darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen für eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) erfüllt sind, weshalb seine Eingabe einzig als solche - und nicht als subsidiäre Verfassungsbeschwerde - entgegenzunehmen ist (vgl. Urteil 8C_495/2010 vom 16. Dezember 2010 E. 1.2 mit Hinweis).
 
2.
 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG, Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis Ende 2007 gültig gewesen Fassung und Art. 28a Abs. 1 IVG in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348 f. mit Hinweisen) und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG), zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Rechtsprechung über den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten und das Prinzip inhaltlich einwandfreier Beweiswürdigung. Darauf wird verwiesen.
 
3.
 
3.1 Das kantonale Gericht ist in einlässlicher Würdigung der medizinischen Akten zum Schluss gelangt, hinsichtlich der Beurteilung des Gesundheitszustandes und der zumutbaren Arbeitsfähigkeit sei auf das fachärztliche Gutachten des Dr. med. M.________ vom 13. November 2006 abzustellen. Demnach sei die Arbeitsfähigkeit zu 50 % eingeschränkt und der Beschwerdeführer sei zumutbarerweise in der Lage, vier Stunden täglich einer leichten Tätigkeit nachzugehen und dabei eine volle Leistung zu erbringen. Da der Beginn der psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit auf das Frühjahr 2002 zu terminieren sei, ermittelte die Vorinstanz für den theoretischen Beginn des Rentenanspruchs im Jahre 2003 ein hypothetisches Valideneinkommen von Fr. 104'207.- und - ebenfalls basierend auf statistischen Werten - ein Invalideneinkommen von Fr. 45'143.-, was einem Invaliditätsgrad von 57 % entspreche.
 
3.2 Der Beschwerdeführer rügt insbesondere, bei der Bemessung des Invalideneinkommens seien Verwaltung und Vorinstanz von einem unrichtigen Anforderungsniveau ausgegangen und das kantonale Gericht habe zu Unrecht darauf verzichtet, hinsichtlich seiner konkreten Einsatzmöglichkeiten und Fähigkeiten die von ihm offerierten Beweise abzunehmen. Zudem sei die vorinstanzliche Ermessensausübung bei der Feststellung des Leidensabzugs fehlerhaft. Die Berechnung des konkreten Rentenanspruchs in Form einer Teilrente ist letztinstanzlich nicht mehr bestritten.
 
4.
 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz das hypothetische Invalideneinkommen richtig ermittelt hat.
 
4.1 Dr. med. M.________, auf dessen Gutachten vom 13. November 2006 sich die Vorinstanz stützt, diagnostizierte eine depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode mit somatischem Syndrom (ICD-10 F32.11), sowie eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.80). Es bestehe eine zunehmende Chronifizierung und eine eher ungünstige Prognose. Der Explorand leide an einer komorbiden Störung, wobei die depressive Symptomatik durch die Persönlichkeitsstörung verstärkt und aufrechterhalten werde. Zur Frage nach den Auswirkungen der diagnostizierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte der Experte aus, die Störungsbilder hätten zu einer verminderten Leistungsfähigkeit mit reduzierter körperlicher wie psychischer Belastbarkeit geführt. Diese äussere sich in einer Stimmungsminderung, einem Verlust von Interesse, Freude und Belastbarkeit. Die bisherige Tätigkeit sei ihm im zeitlichen Rahmen von vier Stunden pro Tag ohne verminderte Leistungsfähigkeit weiterhin zumutbar, wobei die bereits laufende intensive psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung weiterzuführen sei. Ausgehend von diesem Arbeitsfähigkeitsattest - welches letztinstanzlich auch vom Beschwerdeführer nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt wird - stellte das kantonale Gericht für das Bundesgericht verbindlich (vgl. Erwägung 1) fest, der Beschwerdeführer sei in der Lage, vier Stunden täglich einer leichten Tätigkeit nachzugehen und dabei eine volle Leistung zu erbringen. Keine Feststellungen traf die Vorinstanz hinsichtlich der Art dieser "leichten Tätigkeit". Sie hielt vielmehr fest, es sei entgegen der IV-Stelle, welche der Invaliditätsbemessung das statistische Einkommen der Rubrik Grosshandel und Handelsvermittlung zu Grunde gelegt hatte, auf den Durchschnittswert "Total" der im privaten Sektor beschäftigten Männer abzustellen, da der Beschwerdeführer nicht mehr regelmässig erwerbstätig sei und kein Einkommen erziele. Insoweit, als der Beschwerdeführer wiederholt vorbringt, er sei mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr in der Lage, auf seinem angestammten Tätigkeitsgebiet "Grosshandel und Handelsvermittlung" höchstqualifizierte Arbeiten auszuführen, ist ihm entgegenzuhalten, dass dies auch dem angefochtenen Entscheid nicht entnommen werden kann. Vielmehr basiert der angefochtene Entscheid auf den statistischen Durchschnittslöhnen von Männern im gesamten privaten Sektor.
 
4.2 Zu prüfen bleibt, ob der Bemessung des Invalideneinkommens der statistische Wert eines Männerlohnes auf den Anforderungsniveaus 1 + 2 (Verrichtung höchst anspruchsvoller und schwierigster Arbeiten [1] sowie selbständiger und qualifizierter Arbeiten [2]), wovon die Vorinstanz ausgeht, oder auf dem Niveau 3 (Berufs- und Fachkenntnisse vorausgesetzt), wie in der Beschwerde beantragt wird, zu Grunde zu legen ist. Die Wahl der massgeblichen Stufe (Anforderungsniveau 1 + 2, 3 oder 4) beim gestützt auf die LSE ermittelten Invalideneinkommen ist eine frei prüfende Rechtsfrage (Urteil I 732/06 vom 2. Mai 2007 E. 4.2.2 [publ. in: SVR 2008 IV Nr. 4 S. 9]), dies analog zur Frage, ob Tabellenlöhne anwendbar sind und welches die massgebende Tabelle ist (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399 E 3.2.1 und Urteil 9C_189/2008 vom 19. August 2008 E. 4.1 [publ. in: SVR 2009 IV Nr. 6 S. 11]).
 
4.3 Das kantonale Gericht hat auf Grund des Gutachtens des Dr. med M.________ - für das Bundesgericht verbindlich (vgl. Erwägung 1) - festgestellt, dass der Beschwerdeführer auch mit seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch durchaus in der Lage ist, selbständige und qualifizierte Arbeiten auszuführen (E. 7.2.2 Mitte). Trotz der psychischen Erkrankung ist sein beruflicher Werdegang und seine frühere Tätigkeit zu berücksichtigen, zumal das ursprünglich erworbene berufliche Wissen und die Erfahrung durch die Erkrankung nicht verschwunden sind und nunmehr nur noch solche auf der Stufe einfacher Berufs- und Fachkenntnisse (Anforderungsniveau 3) vorhanden wären. Die reduzierte Leistungsfähigkeit, in Form einer verminderten körperlichen und psychischen Belastbarkeit, wird mit der attestierten 50%igen Arbeitsfähigkeit bereits berücksichtigt. Findet der Beschwerdeführer wieder eine Arbeit - wovon mit der Fiktion des ausgeglichenen Arbeitsmarktes, auf welcher die Invaliditätsbemessung beruht, auszugehen ist - kann er seine weit über dem Niveau einer (kaufmännischen) Berufslehre liegenden Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen einbringen und verwerten. An der Ermittlung des Invalideneinkommens unter Berücksichtigung der Tabelle TA1, Anforderungsniveau 1 + 2, total Männer gemäss der LSE 2002, aufgerechnet auf das vorliegend relevante Jahr 2003 ist damit nichts auszusetzen.
 
4.4 Der Beschwerdeführer lässt im weiteren den bei der Bemessung des Invalideneinkommens berücksichtigten Abzug von 5 % von den Tabellenwerten als rechtswidrig im Sinne einer offensichtlichen Unterschreitung des Ermessens rügen. Er argumentiert einzig mit seinem Alter und bringt vor, es sei mit Jahrgang 1950 auch ohne gesundheitliche Beeinträchtigung äusserst schwierig, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Letzteres ist nicht zu berücksichtigen, da die Schwierigkeit, eine Arbeitsstelle zu finden, von der Invalidenversicherung nicht Rechnung zu tragen ist. Statistisch steht zudem fest, dass das fortgeschrittene Alter eher lohnerhöhend wirkt (vgl. Urteil 8C_548/2010 vom 23. Dezember 2010 E. 5.3.1 mit Hinweisen). Indessen ist ein Abzug aufgrund der nurmehr möglichen Teilzeitarbeit gerechtfertigt. Da weitere Gründe für einen unterdurchschnittlichen Lohn im Sinne von BGE 126 75 E. 5b/bb S. 80 nicht ersichtlich sind, hat es beim Abzug von 5 % und einem Invalideneinkommen von Fr. 47'080.- sein Bewenden. Verglichen mit dem unbestrittenen Valideneinkommen von Fr. 104'207.- hat das kantonale Gericht den Invaliditätsgrad mit 59 % richtig ermittelt. Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf eine halbe Rente.
 
5.
 
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 9. Juni 2011
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
Ursprung Schüpfer
 
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