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Informationen zum Dokument  BGer 2C_246/2011  Materielle Begründung
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BGer 2C_246/2011 vom 23.08.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2C_246/2011
 
Urteil vom 23. August 2011
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Gerichtsschreiber Uebersax.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Kantonspolizei des Kantons Bern, Kriminalabteilung, Nordring 30, Postfach 7571, 3001 Bern,
 
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern.
 
Gegenstand
 
Verweigerung einer Waffentragbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
 
vom 21. Februar 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________, geboren 1977, war bei der Y.________ AG als Wachmann angestellt. Am 17. Juli 2009 reichte er bei der Einwohnergemeinde Spiez ein Gesuch um Erteilung einer Waffentragbewilligung für eine Pistole ein. Zur Begründung gab er im hiezu vorgesehenen Formular "Eigenschutz im Zusammenhang mit dem Beruf" gegen "Überfall, Angriffe gegen Leib und Leben" an. Mit separatem Schreiben führte er weiter aus, er benötige die Bewilligung für den vorgesehenen Erwerb des Fachausweises Personen- und Objektschutz. Die Kantonspolizei Bern wies das Gesuch mit Verfügung vom 22. September 2009 ab.
 
B.
 
Eine dagegen erhobene Beschwerde an die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern (POM) und eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wurden abgewiesen.
 
C.
 
X.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei ihm die Waffentragbewilligung zu erteilen. Die Polizei- und Militärdirektion und das Verwaltungsgericht des Kantons Bern beantragen Abweisung der Beschwerde. Die Kantonspolizei Bern und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement haben auf Vernehmlassung verzichtet.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Gemäss Art. 27 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG; SR 514.54) benötigt eine Waffentragbewilligung, wer eine Waffe an öffentlich zugänglichen Orten tragen oder sie transportieren will. Art. 27 Abs. 2 WG regelt die Bewilligungsvoraussetzungen wie folgt:
 
"Eine Waffentragbewilligung erhält eine Person, wenn:
 
a. für sie kein Hinderungsgrund nach Artikel 8 Absatz 2 besteht;
 
b. sie glaubhaft macht, dass sie eine Waffe benötigt, um sich selbst oder andere Personen oder Sachen vor einer tatsächlichen Gefährdung zu schützen;
 
c. sie eine Prüfung über die Handhabung von Waffen und über die Kenntnis der rechtlichen Voraussetzungen des Waffengebrauchs bestanden hat; das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement erlässt ein Prüfungsreglement."
 
Die Vorinstanz hat nicht bestritten, dass für den Beschwerdeführer kein Hinderungsgrund nach Artikel 8 Absatz 2 WG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 2 lit. a WG besteht. Sie hat jedoch die Voraussetzungen gemäss Art. 27 Abs. 2 lit. b WG als nicht erfüllt erachtet.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer bringt vor, ein Bedarfsnachweis für Feuerwaffen sei in der Volksinitiative «für den Schutz vor Waffengewalt» vorgesehen gewesen, die jedoch in der Volksabstimmung vom 13. Februar 2011 abgelehnt worden sei. In dieser Initiative wäre unter anderem vorgesehen gewesen, dass einen Bedarf nachweisen muss, wer Feuerwaffen erwerben, besitzen, tragen, gebrauchen oder überlassen will (Vorschlag zu einem neuen Art. 118c Abs. 2 BV). Im Unterschied zum geltenden Recht (Art. 8 und 12 WG) wäre somit bereits für den blossen Erwerb und Besitz von Waffen ein Bedarfsnachweis erforderlich gewesen. Aus der Ablehnung dieser Initiative kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass auch für die Waffentragbewilligung kein Bedarfsnachweis erforderlich wäre. Dieser ergibt sich aus dem vorher schon erlassenen Art. 27 Abs. 2 lit. b WG, der sich auf die geltende Verfassung stützt (Art. 107 Abs. 1 und Art. 118 Abs. 2 lit. a WG) und für das Bundesgericht verbindlich ist (Art. 190 BV).
 
3.
 
3.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung setzt eine Waffentragbewilligung eine tatsächliche Gefährdung voraus. Diese braucht nicht konkret zu sein; es genügt, wenn für den Gesuchsteller aufgrund seiner Aufgabe oder Funktion, seiner Lebensbedingungen oder aufgrund anderer besonderer Umstände ein spezielles Risiko bzw. eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Gefahrensituation besteht. Das Tragen der Waffe muss freilich zum Schutz des Gesuchstellers oder zum Schutz von Dritten geboten erscheinen; es ist nur gerechtfertigt, wenn der Gefahr eines Angriffs nicht auf andere zumutbare Weise begegnet werden kann (Urteile des Bundesgerichts 2C_547/2008 vom 26. Januar 2009 E. 2.3; 2A.411/2000 vom 22. März 2001 E. 2b; 2A.26/2001 vom 1. Mai 2001 E. 3a in: ZBl 103/2002 S. 220; 2A.203/2002 vom 29. August 2002 E. 2.4).
 
3.2 Die Vorinstanz hat festgestellt, der Beschwerdeführer sei als Wachmann für die Y.________ AG tätig und zwar vorwiegend im Bereich des Objektschutzes. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, es sei eine Gefährdung im Sinne von Art. 27 Abs. 2 lit. b WG glaubhaft gemacht. Entscheidend sei, ob eine tatsächliche Gefährdung im Einzelfall dargelegt werden könne. Der Beschwerdeführer mache nur in genereller Weise geltend, dass er bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit auf aggressive Personen treffe, habe aber nicht konkrete Gefährdungsmomente aufgezeigt und die Art und Weise seiner Tätigkeit und seiner einzelnen Aufträge nicht dargelegt. Der Umstand, dass sein Arbeitgeber für ihn nicht um Erteilung der Bewilligung nachgesucht habe, sei zumindest als Indiz dafür zu werten, dass er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit keiner tatsächlichen Gefährdung ausgesetzt sei. Zudem sei das Tragen einer Waffe nur gerechtfertigt, wenn der Gefahr eines Angriffs nicht auf andere zumutbare Weise begegnet werden könne. Der Beschwerdeführer habe jedoch angegeben, er dürfe in Notwehrsituationen ein effektives Abwehrmittel einsetzen; Flucht und Anrufung der Polizei seien keine Abwehrmittel, sondern der Verzicht auf Abwehr. Gemäss Vorinstanz sind jedoch entgegen dieser Auffassung Flucht und Anrufen der Polizei sehr wohl alternative Handlungs- und Verteidigungsmöglichkeiten.
 
3.3 Soweit die Vorinstanz ausführt, der Beschwerdeführer habe nicht konkrete Gefährdungsmomente dargelegt, ist dies möglicherweise missverständlich, verlangt doch die bundesgerichtliche Rechtsprechung gerade keine konkrete Gefährdung, sondern lässt es genügen, wenn namentlich aufgrund der Aufgabe oder Funktion eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Gefahrensituation besteht (vorne E. 3.1). Insbesondere kann für im Sicherheitsdienst tätige Personen das Bedürfnis zum Tragen einer Waffe je nach Art des Einsatzes grundsätzlich ausgewiesen sein (Urteil 2C_547/2008 vom 26. Januar 2009 E. 2.4; in jenem Fall war denn auch dem Inhaber einer Sicherheitsfirma eine Waffentragbewilligung für eine Faustfeuerwaffe erteilt und nur diejenige für eine halbautomatische Handfeuerwaffe verweigert worden; vgl. auch Urteile 2A.411/2000 vom 22. März 2001 E. 3a; 2A.407/2000 vom 11. Dezember 2000 E. 3b). Fragwürdig erscheint sodann die Auffassung der Vorinstanz, Flucht oder das Anrufen der Polizei seien geeignete alternative Verteidigungsmöglichkeiten. Es ist allgemein- und gerichtsnotorisch, dass die Polizei oft nicht innert nützlicher Frist eingreifen kann, um akut bedrohte Personen wirksam zu schützen. Auch kann ein Fluchtversuch illusorisch sein, namentlich wenn eine Sicherheitsperson z.B. in die Enge getrieben oder von mehreren, unter Umständen bewaffneten, Personen angegriffen wird.
 
3.4 Im Ergebnis ist der angefochtene Entscheid aber nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz hat nämlich ausgeführt, der Arbeitgeber habe für den Beschwerdeführer nicht um Erteilung einer Bewilligung nachgesucht. Der Beschwerdeführer bestreitet dies nicht, sondern macht geltend, die Auffassung der Vorinstanz sei falsch, wonach dann, wenn der Gesuchsteller die Waffentragbewilligung mit beruflichen Argumenten begründe, die Bewilligung nur mit Einverständnis des Arbeitgebers erteilt werden könne. Der Arbeitnehmer könne dann nämlich nie eine Waffentragbewilligung erlangen, wenn der Arbeitgeber keine Waffen dulde. Ein Arbeitnehmer dürfe aber sehr wohl ohne das Wissen des Arbeitgebers eine Waffentragbewilligung beantragen und eine Waffe tragen; er könne dann aber gar keine detaillierten Informationen beilegen, weil diese sich im Besitz des Arbeitgebers befänden. Damit bringt der Beschwerdeführer sinngemäss zum Ausdruck, dass er die Waffe während seiner beruflichen Tätigkeit auch ohne oder gar gegen den Willen des Arbeitgebers tragen will. Dem kann nicht zugestimmt werden: Es ist auch bei Sicherheitsunternehmen Sache des Arbeitgebers, festzulegen, ob die Mitarbeiter bewaffnet sind, zumal diese Frage oft auch durch den Auftraggeber geregelt wird (vgl. z.B. Art. 8 Abs. 1 lit. b der Verordnung vom 31. Oktober 2007 über den Einsatz privater Sicherheitsfirmen durch den Bund; SR 124). Es kann nicht dem einzelnen Arbeitnehmer überlassen bleiben, ob er seinen Einsatz bewaffnet versieht. Wenn einerseits der Beschwerdeführer die Waffe für seinen beruflichen Einsatz tragen will, andererseits aber der Arbeitgeber für ihn gerade kein Gesuch um Waffentragbewilligung gestellt und damit zumindest stillschweigend zum Ausdruck bringt, dass der Einsatz des Beschwerdeführers keine Waffe erfordert, so kann das berufliche Bedürfnis für die hier geltend gemachte Tätigkeit nicht bejaht werden.
 
3.5 Im vorinstanzlichen Verfahren hatte der Beschwerdeführer noch vorgebracht, er benötige die Bewilligung im Hinblick auf die geplante Weiterbildung zum Fachmann für Personen- und Objektschutz. Die Vorinstanz hat dazu auf die Erwägungen der Polizei- und Militärdirektion verwiesen, wonach das Bestreben, die Fachprüfung zu absolvieren, noch keinen Bedürfnisnachweis darstelle. Vor Bundesgericht geht der Beschwerdeführer auf diesen Aspekt nicht mehr ein, so dass sich weitere Ausführungen dazu erübrigen.
 
4.
 
Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der unterliegende Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 65 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Kantonspolizei, Kriminalabteilung, der Polizei- und Militärdirektion sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, Bundesamt für Polizei, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. August 2011
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Uebersax
 
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