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Informationen zum Dokument  BGer 8C_474/2011  Materielle Begründung
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BGer 8C_474/2011 vom 26.10.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_474/2011
 
Urteil vom 26. Oktober 2011
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
 
Gerichtsschreiber Hochuli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
AXA Versicherungen AG,
 
General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
 
vertreten durch Advokatin Christl Schaefer-Lötscher,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
T.________,
 
vertreten durch Advokat Dr. Marco Biaggi,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),
 
Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
 
vom 10. Februar 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.a T.________, geboren 1957, erlitt als Geschäftspartner des Fitnessstudios A.________ bei einem Bagatellunfall (Fahrradsturz vom 1. Juli 1994; nachfolgend: "erster Unfall") eine Luxation der rechten Kleinzehe. Nach einer um mehr als zwei Jahre verspäteten Unfall-Anmeldung und verschiedenen operativen Eingriffen sprach ihm die "Zürich" Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: "Zürich"; obligatorische Unfallversicherung nach UVG) für die ihm aus diesem Unfall als natürlich und adäquat kausale Folgen dauerhaft verbleibenden Beeinträchtigungen (Fehlstellung der Kleinzehe rechts sowie Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelkörper [LWK] 3 und 4 nach einer unfallbedingten Spondylodiszitis) eine Integritätsentschädigung aufgrund einer Integritätseinbusse von 10 % sowie mit Wirkung ab 1. Januar 1999 eine Invalidenrente aufgrund einer Erwerbseinbusse von 25 % zu (unangefochten in Rechtskraft erwachsene Verfügung der "Zürich" vom 13. Dezember 1999).
 
A.b Ebenfalls unangefochten blieb die Verfügung vom 19. April 1999, mit welcher die IV-Stelle Basel-Landschaft (nachfolgend: IV-Stelle) T.________ im Zusammenhang mit den Beeinträchtigungen aus dem ersten Unfall für die befristete Dauer vom 1. Dezember 1997 bis 31. Januar 1998 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Invalidenrente zusprach.
 
A.c Seit Februar 1998 arbeitete T.________ als Instruktor der Fitness B.________ AG und war in dieser Eigenschaft bei der Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (heute: AXA Versicherungen AG; nachfolgend: AXA oder Beschwerdeführerin) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 1. August 1998 wollte er sich mit seiner schwangeren Ehegattin auf dem Schulhausplatz das Feuerwerk anschauen, als ihn ein Feuerwerkskörper an der linken Gesichtshälfte traf (nachfolgend: "zweiter Unfall"). Nach der notfallmässigen Erstversorgung im Spital X.________ wurde er sofort in die Augenklinik Y.________ verlegt. Es folgten mehrere operative Eingriffe. Das linke Auge musste schliesslich durch eine Prothese ersetzt werden. Die AXA übernahm die Heilbehandlung und richtete ein Taggeld aus.
 
A.d Während die AXA im Rahmen des Fallabschlusses den Anspruch auf Integritätsentschädigung und Invalidenrente prüfte, sprach die IV-Stelle T.________ am 9. Juli 2002 mit Wirkung ab 1. August 1998 basierend auf einem Invaliditätsgrad von 64 % eine halbe Invalidenrente zu. Die hiegegen erhobene Beschwerde des Versicherten wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit unangefochten in Rechtskraft erwachsenem Entscheid vom 14. Mai 2004 ab.
 
A.e Am 28. August 2001 verfügte die AXA die Ausrichtung eines Taggeldes auf der Basis einer Arbeitsunfähigkeit von 60 % für die Dauer vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2001 sowie den Heilbehandlungsabschluss per 30. Juni 2001. Gleichzeitig sprach sie dem Versicherten eine Invalidenrente aufgrund einer gesamthaften Erwerbseinbusse von 50 % aus beiden Unfällen ab 1. Juli 2001 sowie eine Integritätsentschädigung basierend auf einer Integritätseinbusse für den Visusverlust links und die verbleibenden Narben im Gesicht von gesamthaft 40 % zu. Auf die hiegegen erhobene Einsprache hin veranlasste die AXA weitere Abklärungen. Das Zentrum für Medizinische Begutachtung erstattete am 5. Juni 2003 ein polydisziplinäres Gutachten (nachfolgend: ZMB-Gutachten). Mit Schreiben vom 8. Februar 2005 erklärte sich die AXA unter Bezugnahme auf das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 14. Mai 2004 ausdrücklich bereit, das hängige Einspracheverfahren vergleichsweise zu erledigen und den von der IV-Stelle ermittelten sowie vom kantonalen Gericht "bestätigten IV-Grad von 64 % im UVG" zu übernehmen. Der Vergleich konnte am 8./25. Februar 2005 abgeschlossen werden, indem die AXA mit Wirkung ab 1. Juli 2001 bei einem Invaliditätsgrad von 64 % sowie auf der Basis eines versicherten Rentenverdienstes von Fr. 84'607.- den "Anspruch auf eine monatliche UVG-Grundrente von Fr. 3'610.-" anerkannte.
 
A.f Ab 1. Januar 2004 bezog T.________ nach Inkrafttreten der 4. IV-Revision statt bisher eine halbe, neu eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung (Verfügung vom 21. Juni 2005). Mit Verfügung vom 20. November 2007 berücksichtigte die IV-Stelle revisionsweise eine im Winter 2004/2005 durch die Trennung von seiner Ehefrau eingetretene Verschlechterung des psychischen Zustandes, weshalb T.________ inskünftig voll arbeitsunfähig blieb und ihm die Invalidenversicherung folglich seit 1. Januar 2005 eine ganze Rente ausrichtet.
 
A.g Am 18. Februar 2008 liess T.________ mit Blick auf die erhöhte Invalidenrente die AXA darum ersuchen, "die Ausrichtung der Unfallrente zu 100 % zu prüfen". Mit Verfügung vom 12. März 2008, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 2. Oktober 2009, hielt die AXA fest, dass die Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes unfallfremd sei und es daher unverändert beim Invaliditätsgrad von 64 % bleibe. Weder die Erhöhung der IV-Rente per 1. Januar 2005 noch der Wegfall der Ehegattenrente per 1. Januar 2008 würden sich materiell auf die vergleichsweise zugesprochene UV-Rente auswirken.
 
B.
 
Die hiegegen erhobene Beschwerde des T.________ hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 10. Februar 2011 gut, hob den Einspracheentscheid der AXA vom 2. Oktober 2009 auf und stellte fest, dass der Versicherte ab 1. Januar 2005 Anspruch auf eine UV-Rente entsprechend einer Erwerbsunfähigkeit von 100 % habe.
 
C.
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die AXA Aufhebung des angefochtenen Gerichtsentscheides beantragen. Eventualiter sei die Sache zur Beurteilung des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall vom 1. August 1998 und der Verschlechterung des psychischen Zustandes des Beschwerdegegners per 1. Januar 2005 und zum anschliessenden Neuentscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht die AXA darum, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren.
 
Während T.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung.
 
D.
 
Mit Verfügung vom 31. August 2011 hat das Bundesgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
 
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
 
2.
 
Gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers erheblich ändert. Anlass zur Revision einer Invalidenrente im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen (BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349; 113 V 273 E. 1a S. 275; siehe auch BGE 112 V 371 E. 2b S. 372 und 387 E. 1b S. 390). Zeitlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung einer anspruchserheblichen Änderung des Invaliditätsgrades ist die letzte rechtskräftige Verfügung, welche auf einer materiellen Prüfung des Rentenanspruchs beruht (BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114).
 
3.
 
Die ursprüngliche, in Rechtskraft erwachsene Rentenzusprache der AXA erfolgte mit Verfügung vom 28. Februar 2005 und basiert auf den bei Vergleichsabschluss am 8./25. Februar 2005 herrschenden Verhältnissen, welche hier für den Beginn des revisionsrechtlich massgebenden Vergleichszeitraums ausschlaggebend sind (vgl. Urteil 8C_781/2008 vom 23. Juni 2009 E. 6.2 mit Hinweisen). Der Vergleichszeitraum endet grundsätzlich mit Erreichen desjenigen Sachverhalts, wie er sich bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheides (hier: 2. Oktober 2009) verwirklicht hat (BGE 130 V 445 E. 1.2 S. 446 mit Hinweisen).
 
4.
 
Soweit die Invalidenversicherung mit Wirkung ab 1. Januar 2005 von einem neu von 64 auf 100 % erhöhten Invaliditätsgrad ausgeht, ist dieser Entscheid für den Unfallversicherer nicht bindend (BGE 131 V 362). Es kann hier offenbleiben, ob die revisionsweise von der IV-Stelle am 20. November 2007 verfügte Erhöhung der Invalidenrente wegen einer beim Versicherten eingetretenen "Verschlechterung des psychischen Zustands" infolge einer seit der "Trennung von [seiner] Ehefrau" anhaltenden vollen Arbeitsunfähigkeit auf der Grundlage der schon damals anwendbaren einschlägigen Praxis (vgl. hienach E. 7) zu rechtfertigen war.
 
5.
 
Strittig ist, ob zwischen Februar 2005 und Oktober 2009 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten ist, welche in einem natürlich und adäquat kausalen Zusammenhang zu den Unfällen vom 1. Juli 1994 und/oder 1. August 1998 steht und dem Beschwerdegegner einen Anspruch auf eine höhere UV-Rente aufgrund einer unfallbedingten Erwerbseinbusse von mehr als 64 % vermittelt.
 
6.
 
6.1 Das kantonale Gericht stellte fest, traumatisierende Kindheits- und Jugenderfahrungen des Versicherten hätten die Grundlage für dessen "vorbestehende narzisstische Vulnerabilität" gebildet. Durch den Verlust des linken Auges und die Gesichtsverletzungen anlässlich des Unfalles vom 1. August 1998 sei es zu einer weiteren schweren narzisstischen Kränkung gekommen. Die in der Folge eingetretene Erhöhung der Arbeitsunfähigkeit sei zumindest teilkausal auf die beiden Unfälle zurückzuführen. Habe die AXA bereits im Rahmen der vergleichsweise anerkannten unfallbedingten Erwerbseinbusse die natürliche und adäquate Unfallteilkausalität einer psychogenen Leistungsfähigkeitseinschränkung bejaht, bleibe kein Raum für eine weitere Adäquanzprüfung bezüglich einer Verschlimmerung der psychischen Störung infolge desselben Unfallereignisse. Die AXA habe demzufolge mit Wirkung ab 1. Januar 2005 die vollständige Arbeitsunfähigkeit als zumindest teilkausale Unfallfolge zu anerkennen und daher ab diesem Zeitpunkt wie die Invalidenversicherung eine UV-Rente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 100 % auszurichten.
 
6.2 Demgegenüber macht die AXA geltend, die Vorinstanz sei ohne Rückkommenstitel im Sinne von Art. 53 Abs. 1 und 2 ATSG (prozessuale Revision oder Wiedererwägung) auf den am 8./25. Februar 2005 zwischen den Parteien abgeschlossenen und längst in Rechtskraft erwachsenen Vergleich zurückgekommen, indem sie mit Wirkung ab 1. Januar 2005 den Anspruch auf eine Invalidenrente nach UVG basierend auf einer Erwerbsunfähigkeit von 100 % anerkannt habe. Obwohl der Versicherte - trotz bestehender Teilarbeitsfähigkeit - bereits seit 30. Juni 2000 nicht mehr erwerbstätig gewesen sei, habe er sich durch Vergleichsabschluss am 8./25. Februar 2005 ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass ihm die AXA für die in diesem Zeitpunkt (und rückwirkend seit 1. Juli 2001) unfallkausale Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit eine Invalidenrente auf der Basis einer Erwerbseinbusse von 64 % ausrichte. Die von der Invalidenversicherung per 1. Januar 2005 berücksichtigte und mit angefochtenem Entscheid als unfallbedingt qualifizierte Verschlechterung des Gesundheitszustandes (Verschlimmerung der vorbestehenden narzisstischen Persönlichkeitsstörung infolge des Verlassenwerdens von seiner Ehefrau und seiner Tochter gegen Ende 2004) sei vor dem Vergleichsabschluss eingetreten. Die unterschriftliche Anerkennung eines unfallbedingten Invaliditätsgrades von 64 % im Februar 2005 komme einem venire contra factum proprium gleich. Das kantonale Gericht habe in Bezug auf die offensichtlich vorbestehende narzisstische Persönlichkeitsstörung weder das Erreichen des Status quo sine vel ante geprüft noch sich mit den ausführlich vorgetragenen Einwänden und der angerufenen Rechtsprechung auseinandergesetzt. Mit Blick auf Art. 36 Abs. 2 UVG habe die Vorinstanz verkannt, dass die Ursache für die Verschärfung der vorbestehenden narzisstischen Persönlichkeitsstörung nicht der Unfall sei, sondern das Verlassenwerden von Ehegattin und Tochter. Nach dem zweiten Unfall sei es höchstens zu einer vorübergehenden Anpassungsstörung gekommen, für welche die AXA im Rahmen der anerkannten unfallbedingten Erwerbseinbusse auch aufgekommen sei.
 
7.
 
7.1 Ob der von der AXA nach dem zweiten Unfall mit rechtskräftigem Vergleichsabschluss vom 8./25. Februar 2005 in Anwendung von Art. 100 Abs. 3 UVV bejahte Rentenanspruch aufgrund einer unfallbedingten Erwerbseinbusse von 64 % gemäss einschlägiger Rechtsprechung tatsächlich im anerkannten Ausmass begründet war, braucht hier nicht abschliessend geprüft zu werden. Gleiches gilt mit Blick auf den von der IV-Stelle ermittelten und mit unangefochten in Rechtskraft erwachsenem kantonalem Gerichtsentscheid vom 14. Mai 2004 bestätigten Invaliditätsgrad von 64 %. Die Vorinstanz hat sich im angefochtenen Entscheid mit diesen Fragen nicht auseinandergesetzt.
 
7.2 Immerhin ist weder dem augenärztlichen Gutachten des Spitales Z.________ vom 30. November 2000 noch dem Bericht vom 23. März 2001 desselben Spitales ein ausdrücklicher Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Beschwerdegegner als Folge des zweiten Unfalles aus ophthalmologischer Sicht mit Blick auf eine angepasste Tätigkeit ohne zusätzliche Gefahr für die Augen und ohne ein tätigkeitsbezogenes dringendes Erfordernis des binokularen Sehens in der Arbeitsfähigkeit eingeschränkt wäre. Denn nach der auf medizinischer Erkenntnis beruhenden Praxis beeinträchtigt Einäugigkeit nur selten die Erwerbsfähigkeit, da auch der Einäugige nach einer gewissen Anpassungszeit räumlich zu sehen vermag und in vielen beruflichen Tätigkeiten Binokularsehen nicht zwingend erforderlich ist (SVR 2004 IV Nr. 13 S. 37, I 29/02 E. 4.2 und E. 6 mit zahlreichen Hinweisen).
 
7.3 Zusätzlich litt der Versicherte gemäss Bericht des behandelnden Psychiaters Dr. med. K.________ vom 15. Mai 2001 einzig an einer "narzisstischen Persönlichkeitsstörung mit erschwerter Traumaverarbeitung" (Verlust des linken Auges als Folge des zweiten Unfalles vom 1. August 1998), weshalb Dr. med. K.________ aus psychiatrischer Sicht eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % attestierte. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass der Beschwerdegegner eine Wiedereingliederung ablehne. "Auf die Frage, ob er wirklich eine ganze Rente benötige, [sei] er dann auch sehr ausfällig-aggressiv [geworden], er habe ein Recht auf eine Rente, er würde sich einen Anwalt nehmen, wenn er keine ganze Rente bekäme [...]" (Bericht des Dr. med. K.________ vom 12. Januar 2001). Gestützt auf diesen eben zitierten Bericht besteht kein Zweifel, dass der Versicherte in seiner Kindheit "durch das Verlassenwerden durch seine Eltern schwerwiegend traumatisiert" wurde und schon in seiner Jugend aufgrund seiner Labilität und impulsiven Aggressivität auffiel, gleichzeitig jedoch an massiven Minderwertigkeitsgefühlen litt. Trotz dieser unfallfremden, "vorbestehenden narzisstischen Vulnerabilität" hat die Beschwerdeführerin mit Vergleichsabschluss vom 8./25. Februar 2005 eine dauerhafte unfallbedingte Erwerbseinbusse von 64 % anerkannt, welche zumindest teilweise auf einer nach dem zweiten Unfall aus psychischen Gründen eingetretenen Erhöhung der Arbeitsunfähigkeit basiert. Ob die lege artis diagnostizierte narzisstische Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 F60.8 schon ab 1. Juli 2001 eine trotz zumutbarer Willensanstrengung nicht überwindbare dauerhafte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zu begründen vermochte, wie sie nicht nur die Invalidenversicherung ab dem zweiten Unfall mit Verfügungen vom 9. Juli 2002, sondern auch die AXA gemäss Vergleich vom 8./25. Februar 2005 mit Wirkung ab 1. Juli 2001 anerkannt hat, erscheint zumindest mit Blick auf die Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren, pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage (Urteile 9C_1040/2010 vom 6. Juni 2011 E. 3.3 und I 70/07 vom 14. April 2008 E. 5; BGE 137 V 64 E. 4 S. 67 und 136 V 279 E. 3.2.3 S. 283, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 132 V 393 E. 3.2 in fine S. 399) fraglich. Es ist jedenfalls nicht einleuchtend, weshalb eine narzisstische Persönlichkeitsstörung neben einer somatoformen Schmerzstörung nicht als rechtserhebliche Komorbidität auf die Unzumutbarkeit einer Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess schliessen lässt (vgl. Urteile 8C_362/2010 vom 11. März 2011 E. 4.2.3, 9C_785/2009 vom 2. Dezember 2009 E. 3.1.1 und Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts [heute: I. und II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts] I 82/06 vom 20. November 2006 E. 2.4, I 770/05 vom 2. November 2006 E. 4.4.3), während hier dasselbe psychische Leiden allein - ohne somatoforme Schmerzstörung und ohne andere psychogene Beeinträchtigungen - einen Anspruch auf Rentenleistungen der Invaliden- und/oder Unfallversicherung zu begründen vermögen soll. Diese Frage nach der ursächlichen Bedeutung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung hinsichtlich einer invalidisierenden Einschränkung der Leistungsfähigkeit kann hier offenbleiben, da die Beschwerde der AXA aus anderen Gründen gutzuheissen ist.
 
8.
 
8.1 Nachdem der Beschwerdegegner von der Invalidenversicherung mit Wirkung ab 1. August 1998 (Zeitpunkt des zweiten, bei der AXA versicherten Unfalles mit Verlust des linken Auges) eine Rente auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 64 % bezogen hatte, ersuchte er am 31. Januar 2005 um revisionsweise Erhöhung der IV-Rente aufgrund einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes. Mit diesem am 31. Januar 2005 eigenhändig unterzeichneten Revisionsgesuch machte er gegenüber der IV-Stelle ausdrücklich eine seit "ca. März 2004" eingetretene Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geltend. Entsprechend seiner schon 2001 gegenüber dem behandelnden Psychiater deutlich zum Ausdruck gebrachten subjektiven Überzeugung, wonach er als vollständig Arbeitsunfähiger Anspruch auf eine 100%ige IV- und UV-Rente habe, ging der Versicherte von einem objektiv ausgewiesenen Invaliditätsgrad von 100 % aus, welchen die Invalidenversicherung mit Verfügung vom 20. November 2007 dann auch rückwirkend ab 1. Januar 2005 anerkannte. Die IV-Stelle stützte sich dabei ausschlaggebend auf das psychiatrische Gutachten des Dr. med. H.________ vom 19. April 2007, ab, wonach die auf der vorbestehenden narzisstischen Persönlichkeitsstörung basierende Verschlechterung des Gesundheitszustandes ausschliesslich auf das Verlassenwerden von Ehegattin und Tochter gegen Ende 2004 sowie auf das Scheitern einer weiteren Beziehung zurückzuführen war. Es ist unbestritten, dass die hier zur Diskussion stehende Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse - wenn überhaupt - rein psychogener Natur ist. Der psychiatrische Gutachter stellte denn auch fest, er habe beim Beschwerdegegner prima vista keine körperliche Behinderung erkennen können, es habe sich lediglich die "bekannte, wenig auffällige Narbe im Bereiche der linken Gesichtshälfte [mit der] gut eingepassten Augenprothese links" gezeigt.
 
8.2 Nach dem Gesagten lag die Ursache dieser von der Invalidenversicherung rückwirkend ab 1. Januar 2005 anerkannten Erhöhung des Invaliditätsgrades auf 100 %, welche die IV-Stelle mit Verfügung vom 20. November 2007 zusätzlich zur bisherigen Leistungsfähigkeitseinschränkung infolge der narzisstischen Persönlichkeitsstörung berücksichtigte, in einer aufgrund von Beziehungsproblemen eingetretenen "Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit auf eine vollschichtige Arbeitsunfähigkeit". Dabei handelt es sich um einen psychosozialen Faktor und somit um einen für sich allein invalidenversicherungsrechtlich irrelevanten Befund (BGE 127 V 294 E. 5a S. 299). Das kantonale Gericht hat ohne nähere Prüfung des Kausalzusammenhanges offenbar stillschweigend die 2005 rückfallweise zum Unfall vom 1. August 1998 und/oder 1. Juli 1994 geltend gemachte Erhöhung der Leistungsfähigkeitseinschränkung als natürlich teilkausale Folge der beiden Ereignisse bejaht und ohne Begründung ausgeführt, nach einer einmal als Unfallfolge anerkannten psychischen Störung falle - anscheinend auch im Rahmen eines Rückfalles - mit Blick auf eine geltend gemachte Verschlimmerung dieses psychischen Leidens eine "nochmalige Adäquanzprüfung mit anderem Ergebnis bezüglich des gleichen Unfallgeschehens [...] von vornherein ausser Betracht." - Wie es sich damit verhält, kann angesichts der nun folgenden Ausführungen ebenfalls offenbleiben.
 
8.3 Entscheidend ist, dass der Beschwerdegegner im Rahmen seines Revisionsgesuches vom 18. Februar 2008 nicht darlegt und keine entsprechende Anhaltspunkte aktenkundig sind, dass sich seine Unfallrestfolgen im hier massgebenden Vergleichszeitraum zwischen Februar 2005 und Oktober 2009 (vgl. E. 3 hievor) in anspruchsrelevanter erheblicher Weise verschlimmert hätten. Dem psychiatrischen Gutachten des Dr. med. H.________ vom 19. April 2007 ist zu entnehmen, dass die entscheidende Verschlechterung der subjektiven Befindlichkeit des Versicherten im Herbst 2004 eingetreten ist. "Besonders schlecht gehe es ihm seit der [damaligen] Trennung von seiner Gattin". Aufgrund der Chronifizierung dieses psychischen Leidens attestierte Dr. med. H.________ seither eine vollschichtige Arbeitsunfähigkeit, weshalb die Invalidenversicherung dem Beschwerdegegner seit 1. Januar 2005 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Invalidenrente ausrichtet. Dies, nachdem der Versicherte im Vorbescheidverfahren gegen eine spätere Rentenerhöhung erst per 1. November 2006 ausdrücklich geltend gemacht hatte, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes bereits "im Januar 2005 [...] eingetreten" sei. Haben sich demnach die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des schon seit 2001 nicht mehr erwerbstätigen Beschwerdegegners (spätestens) bis im Januar 2005 auf eine vollständige Leistungsunfähigkeit hinsichtlich jeder Verweisungstätigkeit ausgeweitet, ist nicht erkennbar, inwiefern sich die unfallbedingten Gesundheitsschäden im hier ausschlaggebenden Vergleichszeitraum weiter in revisionsrechtlich erheblicher Weise hätten verschlimmern können, zumal der Versicherte in der fraglichen Periode keine solche Tatsachenänderung geltend macht.
 
8.4 Fehlt es an einer im massgebenden Vergleichszeitraum eingetretenen, revisionsrechtlich erheblichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, ist der angefochtene Entscheid aufzuheben. Es bleibt folglich bei der vergleichsweise anerkannten Invalidenrente nach UVG auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 64 %.
 
9.
 
Der unterliegende Beschwerdegegner trägt die Verfahrenskosten; die AXA hat keinen Parteientschädigungsanspruch (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 3 BGG; SVR 2011 UV Nr. 9 S. 32, 8C_744/2010 E. 6 mit Hinweis).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, vom 10. Februar 2011 aufgehoben.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
 
3.
 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
 
4.
 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, zurückgewiesen.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 26. Oktober 2011
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Ursprung
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli
 
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