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Informationen zum Dokument  BGer 8C_93/2020  Materielle Begründung
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BGer 8C_93/2020 vom 01.04.2020
 
 
8C_93/2020
 
 
Urteil vom 1. April 2020
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________, vertreten durch Rechtsanwältin MLaw Angela Widmer-Fäh,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Dezember 2019 (UV.2018.00262).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________, geboren 1959, war seit 31. Oktober 2016 über die Personalvermittlung B.________ bei der C.________ als Elektromonteur beschäftigt und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 5. November 2016 zog er sich eine Knieverletzung beidseits zu. Er war stehend, sich an einem Griff haltend, in einem Bus unterwegs, der nach dem Anfahren plötzlich wieder brüsk bremsen musste. A.________ suchte am 8. November 2016 seinen Hausarzt Dr. med. D.________, Allgemeine Medizin FMH, auf. Dieser stellte eine Druckdolenz an beiden Knien fest und bescheinigte eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit. Der nachbehandelnde Rheumatologe Dr. med. E.________ verordnete eine konservative Behandlung.
1
Am 24. Februar 2017 operierte Dr. med. F.________, orthopädische Chirurgie und Traumatologie, das rechte Knie (Innenmeniskushinterhorn-Teilentfernung). Gemäss kreisärztlicher Beurteilung des Prof. Dr. med. G.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie, vom 13. März 2017 lagen indessen bildgebend (MRT vom 15. Dezember 2016) keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Läsion traumatisch verursacht worden wäre. Er ging davon aus, dass sich A.________ am 5. November 2016 eine Kniedistorsion zugezogen habe, deren Folgen spätestens 6 Wochen danach ausgeheilt gewesen seien. Gestützt darauf schloss die Suva den Fall hinsichtlich der Beschwerden am rechten Knie per 24. Februar 2017 ab (Verfügung vom 16. März 2017).
2
Am 27. Juni 2017 unterzog sich A.________ einem operativen Eingriff auch am linken Knie (Innen- und Aussenmeniskus-Hinterhornresektion), der jedoch nicht den gewünschten Erfolg brachte. Dr. med. F.________ plante daher eine weitere Operation zur Korrektur einer Beinachsenfehlstellung. Die Suva legte das Dossier erneut ihrer Abteilung Versicherungsmedizin, Dr. med. H.________, Facharzt für Radiologie, vor. Seiner Auffassung nach waren die festgestellten Mensikusläsionen und die Arthrose keine Folgen des Unfalls vom 5. November 2016, sondern wurden allein durch die Fehlstellung verursacht. Diese sei jedoch unfallfremd. Mit Verfügung vom 31. Oktober 2017 stellte die Suva ihre Leistungen hinsichtlich der Schädigung am linken Knie per 18. Oktober 2017 ein.
3
Die gegen die Verfügungen vom 16. März 2017 und vom 31. Oktober 2017 erhobenen Einsprachen wies die Suva mit Entscheid vom 27. September 2018 ab. Zur Begründung führte sie an, dass sich der Versicherte am 5. November 2016 keine strukturellen Verletzungen zugezogen habe. Der Unfall habe lediglich zu einer vorübergehenden Verschlimmerung des degenerativen Vorzustandes mit Meniskusschädigungen und Chondropathie sowie Varusfehlstellung beidseits geführt. Der Status quo sine sei sechs Wochen danach wieder hergestellt gewesen. Insbesondere lehnte sie auch eine weitergehende Leistungspflicht aus Rückfall zu einem Ereignis vom 11. Oktober 1997 ab (nach einem Handballspiel festgestellte Verletzung des linken Knies).
4
B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 13. Dezember 2019 ab.
5
C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides seien ihm auch über den 24. Februar 2017 beziehungsweise 18. Oktober 2017 hinaus die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen.
6
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
7
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
8
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
9
2. Streitig ist, ob die vorinstanzliche Bestätigung der Ablehnung einer über den 24. Februar 2017 (rechtes Knie) beziehungsweise 18. Oktober 2017 (linkes Knie) hinausgehenden Leistungspflicht der Suva vor Bundesrecht standhält. Umstritten ist, ob die über den jeweiligen Zeitpunkt hinaus anhaltenden Beschwerden in einem natürlichen Kausalzusammenhang stehen mit der beim Unfall vom 5. November 2016 erlittenen Distorsion an beiden Knien. Bezüglich der Beschwerden am linken Knie steht auch eine Leistungspflicht aus Rückfall zur Frage.
10
3. Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen der Anwendbarkeit der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Bestimmungen des UVG (BGE 143 V 285 E. 2.1 S. 287) zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben werden auch die Grundsätze zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers nach Art. 6 Abs. 1 UVG vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang (BGE 142 V 435 E. 1 S. 438; 129 V 177 E. 3.1 S. 181). Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Haftung für die Verschlimmerung beziehungsweise des Entfallens der vom Unfallversicherer einmal anerkannten Leistungspflicht bei Teilursächlichkeit des Unfalls nach Wiederherstellung des Gesundheitszustandes, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat (Status quo ante) oder wie er sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status quo sine; SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.1.1; SVR 2010 UV Nr. 31 S. 125, 8C_816/2009 E. 4.3; Urteile 8C_781/2017 vom 21. September 2018 E. 5.1; 8C_326/2008 vom 24. Juni 2008 E. 3.2 und 4), sowie bezüglich der Leistungspflicht bei Rückfällen und Spätfolgen von Unfällen (Art. 11 UVV; BGE 118 V 293 E. 2c S. 396 f.; Urteil 8C_421/2018 vom 28. August 2018 E. 3.1). Richtig dargelegt werden auch die Regeln, die bei der Beurteilung des Beweiswerts eines ärztlichen Berichts oder Gutachtens zu beachten sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352), insbesondere bei versicherungsinternen Stellungnahmen (BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229; 135 V 465 E. 4.4 S. 469 f.; 125 V 351 E. 3b/ee S. 353 f.; 122 V 157 E. 1d S. 162). Es wird darauf verwiesen. Zu ergänzen ist, dass eine Leistungseinstellung für die Zukunft (ex nunc et pro futuro) ohne Berufung auf einen Wiedererwägungs- oder Revisionsgrund zulässig ist, sofern keine Rückforderung bereits ausgerichteter Leistungen zur Diskussion steht und es nicht um Dauerleistungen geht (BGE 130 V 380 E. 2.3 S. 384; vgl. auch in BGE 136 V 2 nicht publ. E. 5.1 des Urteils 8C_444/2009 vom 11. Januar 2010; Urteil 8C_1019/2009 vom 26. Mai 2010 E. 4.2).
11
4. Die Vorinstanz stellte fest, dass sich der Beschwerdeführer beim Unfall vom 5. November 2016 keine frischen Läsionen zugezogen habe. Die am 24. Februar und am 4. April 2017 erfolgten Operationen am rechten Knie seien wegen ausgeprägter unfallfremder Knorpelschädigungen erfolgt. Auch bei der Operation des linken Knies am 29. Juni 2017 hätten sich massive degenerative Veränderungen gezeigt. Die zweite Operation am 19. Oktober 2017 sei wegen einer Varus-Gonarthrose angezeigt gewesen. Inwiefern die am 5. November 2016 erlittene Knieverletzung angesichts der beträchtlichen Vorzustände eine richtunggebende Verschlimmerung hätte bewirken können, war für das kantonale Gericht nicht erkennbar. Die Suva sei insbesondere nicht (mehr) leistungspflichtig für die mit Operation vom 19. Oktober 2017 korrigierte Beinachsenfehlstellung. Zudem könne von einer unfallbedingten Schädigung durch das Ereignis im Jahr 1997 nicht ausgegangen werden, sodass eine diesbezügliche Leistungspflicht aus Rückfall ausser Betracht falle.
12
5. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass ein Dahinfallen des natürlichen Kausalzusammenhangs gestützt auf die versicherungsinternen Berichte nicht nachgewiesen sei. Insbesondere sei nicht rechtsgenüglich geklärt, inwiefern angesichts der allenfalls vorbestehenden Beinachsenfehlstellung bei Traumatisierung durch eine Kniedistorsion medizinisch von den gängigen zeitlichen Erfahrungswerten ausgegangen werden dürfe. Bezüglich des linken Knies habe die Suva das Ereignis vom 11. Oktober 1997 als Unfall anerkannt. Mit dem Vorfall vom 5. November 2016 sei es zu einer richtunggebenden Verschlimmerung gekommen.
13
6. Inwiefern die sachverhaltlichen Feststellungen der Vorinstanz gestützt auf die versicherungsinternen Berichte unrichtig wären beziehungsweise inwiefern das kantonale Gericht bundesrechtswidrig darauf abgestellt hätte, ist nicht erkennbar. Zunächst steht der Unfallhergang fest. Der Beschwerdeführer stand am 5. November 2016, sich an einem Griff haltend, als Fahrgast in einem Bus, der brüsk bremsen musste. Unbestritten ist des Weiteren, dass es dabei an beiden Knien zu einer Distorsion kam. Gestützt auf die versicherungsinternen Berichte ging die Vorinstanz davon aus, dass eine solche Verletzung mangels bildgebend ausgewiesener traumatisch bedingter struktureller Verletzungen nicht geeignet gewesen sei, am rechten Knie mehr als sechs Wochen lang Beschwerden zu verursachen. Ihrer Auffassung nach war daher der Fallabschluss nach gut drei Monaten nicht zu beanstanden. Bezüglich des linken Knies bestätigte das kantonale Gericht die Leistungseinstellung durch die Suva knapp ein Jahr nach dem Unfall. Gemäss dem behandelnden Arzt verursachte lediglich noch die Beinachsenfehlstellung die damals weiter anhaltenden Beschwerden. Diese sei gemäss kreisärztlicher Einschätzung nicht unfallbedingt. Es lagen keine ärztlichen Stellungnahmen vor, die an den Berichten der Suva-Kreisärzte auch nur geringe Zweifel begründet hätten. Praxisgemäss durfte das kantonale Gericht daher darauf abstellen. Dies gilt auch insoweit, als die Vorinstanz davon ausging, dass nach dem Handballspiel vom 11. Oktober 1997 keine unfallbedingten Verletzungen festgestellt worden seien. Vielmehr habe damals ein ausschliesslich degenerativer Vorzustand vorgelegen. Auch diesbezüglich liegen keine davon abweichenden Stellungnahmen vor. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Suva aus diesem Grund ihre Leistungspflicht aus Rückfall abgelehnt hat. Daran ändert rechtsprechungsgemäss nichts, dass sie das Ereignis im Jahr 1997 damals als Unfall anerkannte und für die arthroskopische Teilmeniskektomie aufkam. Der Beschwerdeführer vermag deshalb aus dem von ihm geltend gemachten Umstand, dass solche Eingriffe ein erhöhtes Arthroserisiko zur Folge hätten, nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Die auch insoweit von der Vorinstanz bestätigte Leistungseinstellung per 18. Oktober 2017 ist nicht bundesrechtswidrig.
14
7. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
15
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 1. April 2020
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
 
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