BGer 2C_361/2020 | |||
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BGer 2C_361/2020 vom 25.06.2020 |
2C_361/2020 |
Urteil vom 25. Juni 2020 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Seiler, Präsident,
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Bundesrichter Zünd,
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Bundesrichterin Hänni,
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Gerichtsschreiber Businger.
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Verfahrensbeteiligte | |
1. A.________,
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2. B.________,
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Beschwerdeführerinnen,
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Nr. 2 gesetzlich vertreten durch Nr. 1,
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beide vertreten durch Herren Werner Rufi, Advokat, und MLaw Domenik Schuppli, Advokaturbüro Rufi &Partner,
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gegen
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Amt für Migration des Kantons Basel-Landschaft, Abteilung Massnahmen & Recht,
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Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft,
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Gegenstand
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Wiederherstellung der Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses,
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Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 10. März 2020 (810 20 43).
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Erwägungen: |
1. | |
1.1. A.________ (geb. 2001) ist serbische Staatsangehörige. Sie lebt seit September 2017 in der Schweiz und heiratete am 25. März 2018 einen in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Landsmann. Dieser stellte am 9. August 2018 ein Nachzugsgesuch für seine Frau. Am 2. September 2018 wurde die gemeinsame Tochter B.________ geboren. Mit Verfügung vom 29. April 2019 verweigerte das Amt für Migration und Bürgerrecht Basel-Landschaft den Nachzug von A.________ und ihrer Tochter und wies beide aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft am 15. Oktober 2019 ab.
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1.2. Das daraufhin angerufene Kantonsgericht Basel-Landschaft schrieb die Beschwerde am 4. Februar 2020 androhungsgemäss als gegenstandslos ab, nachdem die zweite Rate des Kostenvorschusses innert Nachfrist nicht geleistet worden war. Am 6. Februar 2020 ersuchte A.________ um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Kantonsgericht wies das Gesuch am 10. März 2020 ab.
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1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 11. Mai 2020 beantragt A.________ in ihrem Namen und im Namen ihrer Tochter dem Bundesgericht, die Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses sei wiederherzustellen und es sei festzustellen, dass sie den Vorschuss mittlerweile beglichen hätten. Weiter sei ihnen die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu bewilligen und der Aufenthalt in der Schweiz während des Verfahrens zu gestatten. Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. Mit Verfügung vom 13. Mai 2020 hat es zudem angeordnet, dass bis zum Entscheid über das Gesuch um prozeduralen Aufenthalt alle Vollziehungsvorkehrungen zu unterbleiben haben. Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache wird das entsprechende Gesuch gegenstandslos.
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2. | |
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Der Ehemann der Beschwerdeführerin Nr. 1 verfügt lediglich über eine Aufenthaltsbewilligung. Es kann offengelassen werden, ob er dennoch einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug besitzt, weil die in der Beschwerde erhobenen Rügen auch im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde zulässig sind.
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2.2. Das Bundesgericht prüft die Anwendung von kantonalem Recht nur auf Willkür und Vereinbarkeit mit anderen verfassungsmässigen Rechten (BGE 141 I 105 E. 3.3.1 S. 108), wobei entsprechende Rügen einer qualifizierten Begründungspflicht zu genügen haben (Art. 106 Abs. 2 BGG).
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3. Anfechtungsobjekt ist das Urteil des Kantonsgerichts vom 10. März 2020 betreffend Fristwiederherstellung. Der Streitgegenstand vor Bundesgericht beschränkt sich deshalb auf die Frage, ob das Kantonsgericht den Beschwerdeführerinnen die Frist hätte wiederherstellen müssen (vgl. S. 8 der Beschwerde). Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, ob das Kantonsgericht das Beschwerdeverfahren zu Recht als gegenstandslos abgeschrieben hat, denn weder die Kostenvorschussverfügung vom 25. Oktober 2019 bzw. das Schreiben vom 26. November 2019 betreffend Ratenzahlung noch die Abschreibungsverfügung vom 4. Februar 2020 sind beim Bundesgericht angefochten worden. Soweit die Beschwerdeführerinnen rügen, das Kantonsgericht hätte ihnen eine (weitere) Nachfrist zur Bezahlung der zweiten Rate ansetzen müssen (vgl. S. 6 f. der Beschwerde) bzw. die Kostenvorschussverfügung sei unvollständig gewesen (vgl. S. 7 f. der Beschwerde), kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
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4. | |
4.1. Die Fristwiederherstellung im vorinstanzlichen Verfahren richtet sich nach kantonalem Verfahrensrecht. Sie setzt voraus, dass die Partei unverschuldet verhindert gewesen ist, fristgemäss zu handeln, und innert 10 Tagen seit Wegfall des Hindernisses die Wiederherstellung der Frist verlangt (§ 5 Abs. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Basel-Landschaft vom 13. Juni 1988 [VwVG/BL; SGS 175] in Verbindung mit § 23 des Gesetzes über die Verfassungs- und Verwaltungsprozessordnung vom 16. Dezember 1993 [VPO/BL; SGS 271]).
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4.2. Das Kantonsgericht hat erwogen, dass die Wiederherstellung der Frist nur in Betracht falle, wenn das Fristversäumnis auf unabwendbare, unverschuldete Hindernisse zurückzuführen sei. Entscheidend sei, dass der Grund die Pflichtige objektiv daran gehindert habe, die Frist einzuhalten, und diese nicht in der Lage gewesen sei, die nötigen Schritte zur Fristwahrung rechtzeitig vorzunehmen, etwa bei einer plötzlichen schweren Krankheit, pflichtwidrigem Verhalten der Post, Epidemien und Katastrophenfällen. Nicht ausreichend seien organisatorische Unzulänglichkeiten, Arbeitsüberlastung, Ferienabwesenheit oder Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften. Bei der Beurteilung der Gründe sei ein strenger Massstab anzulegen; nur klare Schuldlosigkeit der pflichtigen Person und ihres Vertreters könne zur Fristwiederherstellung führen (vgl. E. 8.1 des angefochtenen Urteils).
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Im vorliegenden Fall habe der (damalige) Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin Nr. 1 die Einzahlungsscheine für die Raten dem Ehemann übergeben. Dieser habe den Termin für die zweite Rate übersehen. Diese Umstände stellten keinen Grund für eine Wiederherstellung dar. Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin Nr. 1 habe sich die Nachlässigkeit ihres Ehemanns anrechnen zu lassen. Weiter werde in Bezug auf ihren Rechtsvertreter kein Fristwiederherstellungsgrund geltend gemacht; es wäre ihm ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, sich zur vergewissern, dass seine Mandantin (bzw. der beigezogene Ehemann) rechtzeitig gehandelt habe, oder innert Frist anstelle seiner Mandantin zu handeln (vgl. E. 8.2 und 8.3 des angefochtenen Urteils).
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4.3. Die Beschwerdeführerin Nr. 1 bringt vor, sie habe mit ihrem damaligen Rechtsvertreter nie in direktem Kontakt gestanden. Sie sei im Zeitpunkt der Mandatierung minderjährig gewesen und habe sich mangels genügender Lebenserfahrung und Kenntnissen über die Sprache und Rechtslage auf ihren Ehemann bzw. ihren Rechtsvertreter verlassen. Dies dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen.
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4.3.1. Mit ihren Ausführungen legt die Beschwerdeführerin Nr. 1 dar, dass sie persönlich kein Verschulden am Fristversäumnis trägt. Dies spielt allerdings keine Rolle. Sie war im kantonsgerichtlichen Verfahren anwaltlich vertreten und muss sich das Verhalten ihres Vertreters anrechnen lassen (Urteil 2C_902/2019 vom 14. November 2019 E. 5), und zwar unabhängig von ihrem Alter oder ihren Sprach- und Rechtskenntnissen. Das gilt auch, soweit ihr Vertreter ihren Ehemann als Hilfsperson beigezogen hat, denn ihr Rechtsvertreter muss sich seinerseits das Verhalten seiner Hilfspersonen anrechnen lassen (BGE 114 Ib 67 E. 2 S. 69 ff.). Im Übrigen räumt die Beschwerdeführerin Nr. 1 ein, dass sie sich auf ihren Ehemann verlassen habe; sie war folglich darüber unterrichtet, dass er als Hilfsperson beigezogen und mit der Bezahlung der Raten des Kostenvorschusses betraut wurde. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass das Kantonsgericht das kantonale Verfahrensrecht willkürlich angewendet hat, indem es einen Fristwiederherstellungsgrund verneint hat.
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4.3.2. Selbst wenn die Beschwerdeführerin Nr. 1 mit ihrer Aussage, sie sei bei der Mandatierung ihres Rechtsvertreters minderjährig gewesen, einen Vertretungsmangel rügen sollte, hätte dies nicht die Fristwiederherstellung zur Folge. Im Gegenteil würde damit die Gültigkeit ihrer Beschwerde vor Kantonsgericht insgesamt infrage gestellt. Nachdem die Vorinstanz das Beschwerdeverfahren ohne Kostenauflage abgeschrieben hat, wäre die Beschwerdeführerin Nr. 1 durch einen Vertretungsmangel so oder anders nicht beschwert.
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5. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
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6. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin Nr. 1 aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG), wobei für einen Kostenverzicht bzw. eine Reduktion der Gerichtskosten gemäss Eventualantrag kein Anlass besteht. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG e contrario).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin Nr. 1 auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 25. Juni 2020
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Seiler
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Der Gerichtsschreiber: Businger
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